Vom Sauerstofftransport bis zur Melaninbildung: Aktivierungsmechanismus von Schlüsselenzymen geklärt
Wissenschaftler aus Mainz und Houston zeigen mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie den genauen Ablauf der Enzymaktivierung
Die Wissenschaftler haben Hämocyanin-Moleküle des Kaiserskorpions mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie untersucht. Dazu werden die Moleküle in einem extrem dünnen Wasserfilm gelöst und eingefroren. Bei der Technik kristallisiert das Wasser nicht aus, sondern es bildet sich ein amorpher Eisfilm, der nun mittels Elektronenmikroskopie untersucht werden kann. "Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass wir bis ins Innere der Moleküle vordringen können und so genau erkennen, was sich dort abspielt", erklärt Decker. Im Inneren befindet sich nämlich das "aktive Zentrum", die Stelle des Enzyms, an dem es seine Funktion ausführt. Zunächst ist der Zugang zu dem aktiven Zentrum verschlossen. Kommt es dann zu einem Reiz, der von den Wissenschaftlern in dem Versuch durch ein Detergens ausgelöst wurde, dann verändert sich die Struktur. "Wir haben gesehen, dass sich eine bestimmte Domäne des Moleküls bewegen muss, damit die Türe zum aktiven Zentrum geöffnet und so die enzymatische Aktivität gestartet wird. Dadurch können sperrige Phenole als Substrat zum aktiven Zentrum gelangen, um hier durch Bindung von Sauerstoff zu aktiven Chinonen umgesetzt zu werden, die dann selbstständig weiter zum Melanin synthetisieren." Decker hat in seinen Arbeiten diesen Aktivierungsmechanismus seit vielen Jahren als Hypothese vorgeschlagen - nun konnte er auch erstmals direkt beobachtet werden.
Die Beobachtungen bei dem Sauerstofftransport-Molekül Hämocyanin lassen sich auch auf Tyrosinasen übertragen. Hämocyanin ist mit den Tyrosinasen so stark verwandt, dass sie sich über den beschriebenen Aktivierungsmechanismus sogar zu Tyrosinasen umwandeln lassen - auch dies haben die Versuche gezeigt. Damit eröffnen sich neue Chancen für ein besseres Verständnis von Störungen oder Krankheiten wie dem Albinismus und dem malignen Melanom. In der Kosmetikindustrie besteht Interesse an den Zusammenhängen, weil über die Melaninbildung die Färbung von Haut und Haaren gesteuert wird. Die Lebensmittelindustrie sieht Perspektiven, durch die Verhinderung des Mechanismus einmal die Braunfärbung von Obst, beispielsweise Bananenschalen, zu unterbinden.
Die Forschungsarbeiten der Mainzer und Houstoner Wissenschaftler wurden unter anderem durch das neu gegründete Zentrum für rechnergestützte Forschungsmethoden in den Naturwissenschaften der Universität Mainz, dem Forschungszentrum Immunologie der Uni Mainz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.
Originalveröffentlichung: Yao Cong et al.; "Structural Mechanism of SDS-Induced Enzyme Activity of Scorpion Hemocyanin Revealed by Electron Cryomicroscopy"; Structure 2009, Volume 17, Issue 5, 749-758
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