Weniger Tiere für die Prüfung von Botox-Arzneimitteln
Status von Alternativmethoden zur Bestimmung der Aktivität von Botulinum Neurotoxin-Produkten auf BfR-Expertentagung evaluiert
Botulinum Neurotoxin (BoNT) wird von dem Bakterium Clostridium botulinum produziert und ausgeschieden. Es ist das stärkste bekannte Nervengift und führt nach Injektion aufgrund der Hemmung der Erregungsübertragung von den Nervenzellen zu den Muskeln zu einer Lähmung. BoNT hat in zunehmendem Maße vielfältige medizinische Indikationsgebiete; so wird es z. B. bei Schielen, Lidkrämpfen oder verschiedenen Spastiken bzw. muskulären Kontraktionen eingesetzt. Gerade im therapeutischen Bereich gibt es bei sehr schwerwiegenden und leidvollen Erkrankungen eine wachsende Zahl von Anwendungsbereichen für dieses Toxin. In der „kosmetischen Medizin“ wird es außerdem zur Reduzierung von Gesichtsfalten verwendet.
Aufgrund der hohen Toxizität der BoNT-Produkte verlangen die Zulassungsbehörden Deutschlands, der EU und der USA die genaue Aktivitätsbestimmung jeder Produktionseinheit, die auf den Markt gebracht wird. Geprüft wird in diesem Zusammenhang nicht nur jede Charge eines Arzneimittels vor der Freigabe für den Patienten. Tests müssen auch durchgeführt werden, um die Stabilität des Produktionsprozesses und damit die gleichbleibende Qualität der Arzneimittel sicherzustellen. Der Standardtest für BoNT, der bislang noch nicht durch Alternativmethoden ersetzt werden konnte, ist der LD50-Aktivitätstest. Hierbei werden Mäusen unterschiedliche Konzentrationen von BoNT gespritzt und die BoNT-Konzentration ermittelt, bei der 50 % der Tiere sterben. Da dieser Test für die behandelten Tiere qualvoll ist, bemüht man sich weltweit, alternative Methoden zu entwickeln, die diesen Test ersetzen oder zumindest das Leiden der Tiere vermindern können.
Auf dem zweitägigen Sachverständigengespräch in Berlin bewerteten die Teilnehmer die bisher entwickelten Alternativmethoden und erarbeiteten Empfehlungen, wie das sogenannte 3R-Konzept (Replace - Ersetzen; Refine - Verfeinern; Reduce - Verringern) in die Testverfahren in der Produktion und zur Freigabe der BoNT-Produkte eingebunden werden könnte. Beteiligt waren Vertreter von internationalen Zulassungsbehörden, Herstellern, Validierungszentren, aus der Wissenschaft und von Tierschutzverbänden.
Nachdem es auf vorausgegangenen Expertentreffen zu dieser Problematik bislang noch nicht gelungen war, einen Fortschritt zu erzielen, wurden nun auf dem von der ZEBET organisierten Expertengespräch erfolgversprechende Perspektiven sichtbar. So wurde eine „BoNT Expert Working Group“ mit Vertretern aus Wissenschaft, Behörden und Industrie ins Leben gerufen, die sich in regelmäßigen Abständen mehrmals im Jahr im BfR treffen soll, um über neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Alternativmethoden zum LD50-Aktivitätstest zu diskutieren und Kriterien für die behördliche Akzeptanz dieser Tests zu definieren. ZEBET soll auf Wunsch aller Beteiligten die Leitung und Koordination dieser „Working Group" übernehmen.
Die Experten aller vertretenen Gruppen einschließlich der Tierschützer waren sich darin einig, dass der LD50-Aktivitätstest derzeit noch nicht vollständig ersetzt werden kann. Allerdings ist es gelungen, durch verbesserte Auswertungsmethoden die Zahl der benötigten Versuchstiere deutlich zu reduzieren. Außerdem sollen die Experten der „BoNT Expert Working Group" den Herstellern dabei helfen, das 3R-Prinzip optimal in den Tests zur Überwachung der Produktion und Chargenfreigabe umzusetzen. Aufgabe dieser Experten wird es zudem sein, Empfehlungen zur zügigen Validierung und behördlichen Akzeptanz schonender Methoden für die Zulassung und Freigabe von BoNT-Produkten zu erarbeiten und zu publizieren.