Tumorprotein gegen Tumorwachstum
Für Männer ist das Prostatakarzinom, nach Lungen- und Darmkrebs, die Krebserkrankung mit der höchsten Sterblichkeit. Aber in einem frühen Entwicklungsstadium des Tumors bietet neben der Strahlentherapie auch das chirurgische Entfernen des Tumors eine gute Aussicht auf erfolgreiche Behandlung. In einem späteren Entwicklungsstadium ist die Chemotherapie zwar zunehmend erfolgreich, derzeit ist aber die Hormonbehandlung noch das erste Mittel der Wahl. Denn als eine der Hauptursachen für das Entstehen und die Entwicklung des Prostatakarzinoms gilt eine Aktivierung der Rezeptoren für männliche Sexualhormone auf den Zellen der Prostata. In den letzten Jahren mehren sich aber die Hinweise, dass auch chronische Entzündungen zur Entstehung des Krebses beitragen können. Zum besseren Verständnis dieser Zusammenhänge werden derzeit die dabei ablaufenden Signalübertragungswege im Detail analysiert.
Mit einer ganz speziellen Klasse an Schlüsselproteinen dieser Signalwege befasst sich das Team um Prof. Zoran Culig von der Universitätsklinik für Urologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Die als SOCS - Suppressor of Cytokine Signaling - bezeichneten Proteine wirken hemmend auf jene Signale, die von wichtigen entzündungsrelevanten Botenstoffen, den Zytokinen, ausgehen. Dazu Prof. Culig: "Derzeit wissen wir von sieben verschiedenen SOCS-Proteinen, die in Tumorzellen unterschiedlicher Krebsarten nachgewiesen werden können. Nun haben wir auch in Zellen des Prostatakrebses das SOCS-1 eindeutig belegen können. Neben sechs verschiedenen Zelllinien verwendeten unsere Kooperationspartner von der Medizinischen Universität Wien und vom Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung, L. Kenner, M. Susani und M. Schlederer, für diese Untersuchung auch Gewebeproben von Tumorpatienten vor und nach einer Hormontherapie sowie von Patienten, die auf eine solche Therapie nicht mehr ansprechen. In allen Fällen gelang es uns, SOCS-1 nachzuweisen."
Zum weiteren Verständnis der Zusammenhänge zwischen SOCS-1 und den entzündungsrelevanten Signalübertragungswegen der Krebszellen wählte Prof. Culig ein elegantes Experiment: Prostatakrebs-Zelllinien wurden mit IL-6, einem Interleukin, das bei der Entstehung von Entzündungen eine maßgebliche Rolle spielt, behandelt. Interessanterweise bewirkte dies zwar keine Erhöhung der zur Herstellung von SOCS-1 notwendigen mRNA - trotzdem stieg die Konzentrationen an SOCS-1 deutlich an. Dazu Prof. Culig: "Obwohl das Ergebnis zunächst überrascht, kann dessen Erklärung recht einfach sein. Denn es ist durchaus vorstellbar, dass IL-6 stabilisierend auf die mRNA wirkt und somit SOCS-1 über einen längeren Zeitraum hergestellt werden kann. Auch das führt zu einer erhöhten Konzentration in den Zellen."
Da die Wirkungen der bisher bekannten SOCS-Proteine in den verschiedenen Krebsarten deutlich voneinander abweichen, wurden die Wirkungen von SOCS-1 von Prof. Culig in Prostatakrebszellen näher analysiert. Dafür wählte er zwei weitere aussagekräftige Experimente, wobei in einem die Konzentration des SOCS-1 in den Zellen erhöht und in dem anderen reduziert wurde. So konnte gezeigt werden, dass SOCS-1 über einen hemmenden Einfluss auf die Zellteilung der Tumorzellen das Wachstum des Tumors einschränkt. Speziell konnte ein Einfluss von SOCS-1 auf die Synthese der Proteine Cyclin und CDK gezeigt werden, die beide zur Initiierung der Zellteilung beitragen.
Insgesamt legt diese Arbeit den Gedanken nahe, bei der Erforschung des Prostatakrebses das Augenmerk verstärkt auf die Zusammenhänge mit entzündungsrelevanten Vorgängen zu legen. Denn, so deutet das vom FWF unterstützte Projekt an, Signalübertragungswege, die für Entzündungen verantwortlich sind, könnten das Fortschreiten des Tumorwachstums bei Prostatakrebs beeinflussen.
Originalveröffentlichung: H. Neuwirt et al.; "Suppressor of Cytokine Signaling (SOCS)-1 is Expressed in Human Prostate Cancer and Exerts Growth-inhibitory Function through Down-regulation of Cyclins and Cyclin-dependent Kinases"; American Journal of Pathology 2009