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Zwillingsforschung




Die Zwillingsforschung ist eine Forschungsmethode in der Humangenetik und der Psychologie.

In der klassischen Zwillingsforschung werden eineiige Zwillinge (monozygote Zwillinge, MZ) und zweieiige Zwillinge (dizygote Zwillinge, DZ) untersucht. Wenn eineiige Zwillinge einander in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal stärker ähneln als zweieiige Zwillinge, kann dies als Hinweis gedeutet werden, dass das untersuchte Merkmal in besonderem Maße genetisch beeinflusst ist.

Durch mathematische Analysen kann der genetische Anteil (die Heritabilität) sowie der Einfluss gemeinsam erlebter Umweltfaktoren (z. B. in der Familie) näherungsweise bestimmt werden. In Verbindung mit Methoden der Molekulargenetik können heute in Zwillingsstudien auch einzelne Gene untersucht werden. Durch Kopplungsanalysen und Assoziationsanalysen lässt sich hierbei die Erblichkeit auf einzelne oder mehrere Gene zurückführen. Dies kann unter anderem der Erforschung von Krankheiten zugute kommen.

Erblichkeit wird oft missverstanden als der Anteil der Erbanlagen an der Ausprägung eines Merkmals bei einem bestimmten Menschen. Sie bestimmt aber den genetischen Anteil an den Unterschieden. Menschen unterscheiden sich, weil sie verschiedene Genvarianten tragen und weil sie in verschiedenen Umwelten leben. Eine Erblichkeit von z.B. 88 % für den Body-Mass-Index würde bedeuten, dass 88 % der Unterschiede des Body-Mass-Index in der Bevölkerung durch genetische Unterschiede bedingt sind, nicht aber, dass ein einzelner Mensch nur zu 12 % für sein Gewicht verantwortlich ist.

Gelegentlich werden auch eineiige Zwillinge untersucht, die getrennt von einander aufwuchsen. Da eineiige Zwillinge genetisch nahezu identisch sind, kann man durch Vergleichen getrennt aufgewachsener eineiiger Zwillinge Rückschlüsse darauf ziehen, welche Eigenschaften angeboren und welche erlernt sind.

Aufgrund der Annahme (siehe auch unten unter "Kritik...") Zwillinge unterlägen weitestgehend denselben Umwelteinflüssen, wurden in der kriminologischen Forschung (vor allem in den 30er- und 40er Jahren) Zwillingspaare (sowohl eineiige-(EZ), als auch zweieiige Zwillinge (ZZ)) dahingehend untersucht, ob kriminelles Verhalten anlagebedingt (d.h. genetisch determiniert) sei. Dafür wurden die Probandenpaare auf eine bestehende Konkordanz (bzw. Diskonkordanz) hin überprüft. Mit Konkordanz wurde das Vorliegen einer "strafrechtlichen Erfassung" sowohl bei dem einen, als auch beim anderen Teil hin bezeichnet. Tatsächlich ergaben diese Forschungen zwar eine höhere Konkordanz bei den EZ - was auf eine Bestätigung der Ausgangshypothese hindeutete. Allerdings lassen sich die gefundenen Ergebnisse etwa durch die Begrenzung der strafrechtlichen Erfassung auf das Hellfeld, die geringe Zahl der jeweils untersuchten Zwillinge, sowie den retrospektiven Charakter der Untersuchungen (Vorselektion) zu Recht anzweifeln. Einen empirischen Beleg für die genetische Determination kriminellen Verhaltens lieferte die Zwillingsforschung bislang jedenfalls nicht.

Im Dritten Reich versuchten diverse Genetiker herauszufinden, wie man eineiige Zwillinge und andere Mehrlinge erzeugen kann. Der Grund dafür lag darin, dass man den Erhalt der "Herrenrasse" durch eine möglichst hohe Geburtenrate sichern wollte. Durch gezielte Erzeugung eineiiger Zwillinge - so die Überlegung - hätte die Anzahl "arischer" Kinder gesteigert werden können.

Im Bereich der psychologischen Zwillingsforschung, die durch die Fälschungen von Cyril Lodowic Burt zeitweilig in Verruf kam, sind die Arbeiten von Kurt Gottschaldt zu nennen.

Kritik an der Zwillingsforschung

Die Prämisse der Zwillingsforschung ist, dass eineiige und zweieiige Zwillinge dieselbe Umwelt haben und deshalb Unterschiede in den untersuchten Eigenschaften allein genetisch bedingt seien. Auf den ersten Blick scheint dies einleuchtend, da die untersuchten Zwillinge zur selben Zeit in derselben Familie aufwachsen. Genauer besehen impliziert diese Annahme aber, dass das Verhalten von Eltern ihren Kindern gegenüber unabhängig von deren Verhalten sei. Dies ist allerdings eine nicht sehr realistische Annahme, wenn man bedenkt, dass zweieiige Zwillinge sehr verschiedene Anlagen und daher von Geburt an ein unterschiedliches Aussehen und unterschiedliches Verhalten haben. Es ist daher zu erwarten, dass die Eltern in ihrem Verhalten davon beeinflusst werden, was aber bedeutet, dass die Geschwister dann nicht mehr die selbe Umwelt haben. Damit die Resultate der Zwillingsforschung einen Erkenntniswert hätten, müsste die Zwillingsforschung also nachweisen, dass elterliches Verhalten völlig unabhängig vom Verhalten und Aussehen ihrer Kinder ist.

Bücher

  • Gene, Umwelt und Verhalten - Einführung in die Verhaltensgenetik (1999) Robert Plomin, John C. DeFries, Gerald E McClearn und Michael Rutter, Huber Verlag, ISBN 3456831854
  • Einfluss genetischer Faktoren auf die endokrine, kardiovaskuläre und psychologische Stressreaktion (2003), Dr. Ilona Federenko, Cuvillier Verlag, ISBN 3898737578
  • Henning, J. & Netter, P. (2005) (Hrsg.). Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit. Heidelberg: Spektrum (ISBN 3-8274-0488-6)
  • Jay Joseph The missing Gene(2006), Algora Publishing
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Zwillingsforschung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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