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Zirkumzision




 

Die Zirkumzision (lat. circumcisio) oder Beschneidung ist die teilweise oder vollständige Entfernung der männlichen Vorhaut. Gründe für die Beschneidungen sind neben medizinischen Indikationen häufig kultureller Natur.

Inhaltsverzeichnis

Medizinische Indikation

Eine medizinische Indikation kann bei einer Vorhautverengung, der so genannten Phimose, gegeben sein, die jedoch bei Erwachsenen relativ selten auftritt. Bei Säuglingen und Kindern ist eine verengte Vorhaut normal, die Vorhaut erweitert und löst sich von der Eichel meist erst in der Pubertät, so genannte physiologische Phimose [1]. Auch bei Erwachsenen, die die Vorhaut nicht vollständig zurückziehen können, besteht nur Handlungsbedarf wenn Schmerzen bei der Penetration auftreten. Ansonsten ist die "präventive" Beschneidung bei Kindern und Neugeborenen sehr umstritten, und wird von vielen Fachorganisationen als rein kosmetische beziehungsweise kulturelle Angelegenheit betrachtet.[2]

Eine Indikation zur Zirkumzision besteht bei narbigen Phimosen, zum Beispiel nach ausgedehnten Balanopostitiden, bei einer Lichen sclerosus et atrophicus (chronisch-entzündliche Erkrankung der Vorhaut), Condyloma acuminata (Feigwarzen), Karzinomen, und bei einer nicht repositionierbaren Paraphimose.

Kulturelle Einflüsse und medizinische Argumentation

Kritiker sehen in der Befürwortung der Zirkumzision (vor allem in den USA) eine kulturell motivierte Ansicht, die die „Beschneidung“ als gesünder und empfehlenswerter empfindet. Sie vergleichen die nicht medizinisch indizierte Zirkumzision mit der Genitalverstümmelung bei Frauen und betrachten sie somit als Körperverletzung.

Eine Studie aus den 50er Jahren verglich das Vorkommen von Zervixkarzinomen (Krebs des Gebärmutterhalses) bei den Frauen von jüdischen beschnittenen Männern mit dem Vorkommen bei den Frauen von nichtjüdischen, nicht beschnittenen Männern und stellte fest, dass die Frauen von beschnittenen jüdischen Männern statistisch signifikant weniger Gebärmutterhalskrebs hatten. Dieser Zusammenhang wird bis heute kontrovers beurteilt; der Zusammenhang zwischen Beschneidung und Cervixkarzinomen ist noch nicht abschließend geklärt. Eine Folgestudie stellte fest, dass Gebärmutterhalskrebs bei nichtjüdischen Frauen gleich häufig vorkommt, und schlussfolgerte, die unterschiedliche Prävalenz von Zervixkarzinkomen müsse von der Lebensweise der jüdischen Frauen verglichen mit nichtjüdischen Frauen herrühren.[3]

HIV

Es gibt Studien, wonach das Infektionsrisiko mit HIV beim ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV-infizierten Partnern für beschnittene Männer (als aktiver Partner) geringer sein soll als für unbeschnittene. Der genaue Faktor der Reduzierung ist allerdings umstritten, wurde aber in einer Studie auf 50-60 Prozent geschätzt, was dazu führte, dass die WHO seit März 2007 ihren Mitgliedsstaaten empfiehlt, Beschneidung als Element in die nationalen Anti-Aids-Strategien aufzunehmen. Konsens ist jedenfalls, dass das Risiko keinesfalls auf Null fällt, so dass Beschneidung nicht als Ersatz für Safer-Sex-Techniken fungieren kann.[4] Das Risiko, HIV bei ungeschütztem Sex durch Penetration zu erhalten, liegt bei unter 1:2000 pro Akt mit einem infizierten Partner.

Beschneidung aus ästhetischen oder kosmetischen Gründen

Manche Männer entschließen sich aus Gründen der persönlichen Ästhetik und des eigenen Körpergefühls zur Zirkumzision. Die Zirkumzision aus ästhetischen Gründen erfolgt meist im Erwachsenenalter und findet in Europa zunehmend häufiger statt [5]. Da dies keine medizinische Notwendigkeit darstellt, lehnen öffentliche Krankenkassen oder sonstige staatliche Gesundheitsversorgungsanstalten die Kostenübernahme in der Regel ab.

Technik der Beschneidung

  Beim Mann wird bei einer Beschneidung die Vorhaut teilweise oder vollständig entfernt. Die Beschneidungsvarianten variieren daher in Hinsicht auf Straffheit und Platzierung der Narbe: Man unterscheidet „low“, mit nah an der Eichel liegender Narbe und „high“ mit der Narbe am Schaft, weiter entfernt von der Eichel. Bei einer Beschneidung „low“ wird das innere Vorhautblatt nahezu vollständig entfernt. Nach der Straffheit der Schafthaut unterscheidet man zwischen „loose“, wobei die Eichel im nicht erigierten Zustand noch teilweise bedeckt ist und „tight“, wobei die Eichel immer frei liegt und die Schafthaut bei einer Erektion keinen Bewegungsspielraum mehr hat. Daraus ergeben sich die Beschneidungsstile „high & tight“, „high & loose“, „low & tight“ und „low & loose“. Wenn sowohl inneres als auch äußeres Vorhautblatt soweit entfernt werden, dass die Eichel immer, auch im nicht erigierten Zustand, frei liegt und nur noch ein Rest von etwa zehn Millimetern innerer Vorhaut verbleibt, spricht man generell von einer radikalen Beschneidung.

Während in den USA vornehmlich „high & tight“ beschnitten wird, ist im europäischen Raum eher ein „low & loose“ Stil verbreitet.

Bei Der Wahl der Beschneidungsart sollte immer bedacht werden, dass bei einer Teilbeschneidung und unter Umständen auch schon bei einer "loose"-Beschneidung immer die Gefahr besteht, dass eine Narbenphimose auftritt. Daher sollten diese Beschneidungsarten sehr gut durchdacht werden, da die Narbenphimose unweigerlich zu einer zweiten Beschneidung führt, welche dann radikaler ausfallen wird bzw. muss.

In Deutschland finden nicht-rituelle Beschneidungen auch bei Säuglingen nicht mehr ohne Anästhesie statt.

Bei der rituellen jüdischen Beschneidung, der so genannten Brit Mila, wird der Eingriff von einem speziell ausgebildeten Kleriker, dem so genannten Mohel durchgeführt, ebenso bei der rituellen moslemischen Beschneidung, dem sogenannten Sünnet. Dieser wird vom Sünnetci durchgeführt, der Blutverlust dabei ist so gering, dass auf ein Vernähen der Wundränder verzichtet wird.

Folgen der Beschneidung

Beim Mann gehört die Vorhaut zu den empfindlichsten Stellen des Körpers, zudem ist das Frenulum besonders dicht mit Nervenenden besetzt. Durch den ständigen Kontakt mit der Luft und dem Reiben an der Kleidung kann die ungeschützte Eichel an Empfindlichkeit verlieren. UV-Einstrahlung kann für das ungeschützte Organ gefährlich sein, wenn sie nicht durch Kleidung oder Sonnenschutzmittel abgeschwächt wird. Eine vermutlich verlängerte Erektionsdauer durch die Herabsetzung der Empfindlichkeit der Eichel wird von vielen Männern als Grund für eine Zirkumzision genannt. Dies ist durchaus kritisch zu sehen, da es in ebenso vielen Fällen zu dauerhaften Reizungszuständen durch die freiliegende Eichel kommt. Der gewünschte Effekt tritt also nicht regelhaft ein.   Die dorsale Vene (Vena dorsalis penis superficialis), die beim Mann an der Spitze der Vorhaut beginnt, wird bei der Beschneidung in der Regel, jedoch nicht notwendigerweise, durchtrennt und verästelt sich mit der Zeit neu. Dies kann Knoten entstehen lassen.

Manche beschnittene Männer fühlen sich bei der Masturbation eingeschränkt. Eine Beeinträchtigung wird jedoch abhängig von Art und Umfang der Beschneidung unterschiedlich erlebt. Besonders bei den radikaleren Beschneidungsvarianten kann die direkte Stimulation der trockenen Eichel mit der Hand als unangenehm bis schmerzhaft empfunden werden, ein großer Teil beschnittener Männer haben allerdings nach einer kurzen Gewöhnungsphase überhaupt keine Probleme bei der Masturbation.

Beim Geschlechtsverkehr fehlt das natürliche Gleiten des Penis in seiner Schafthaut, was das Eindringen erschweren kann. Andererseits den Verkehr für beide Partner lustvoller gestaltet, weil aufgrund der Desensibilisierung nach einer Beschneidung manchmal eine längere Stimulationsphase beim Mann bis zum Erreichen des Höhepunktes benötigt wird. Durch das direkte Reiben an der Scheidenwand kann es Probleme bei einer Trockenheit der Scheide geben. Der beschnittene Penis gleitet nicht mehr in seiner Schafthaut hin- und her, so dass ein direkterer Kontakt mit dem Partner mit entsprechend stärkerer Stimulation möglich ist. Anfangs kann sich störendes Reiben an der Kleidung (vor allem beim Tragen von Boxershorts) bemerkbar machen, nach einigen Tagen wird es aber kaum noch bemerkt und nach ein paar Wochen ist es kaum wahrzunehmen.

Geschichte der Beschneidung

Frühgeschichte

Der Ursprung des Brauchs der Beschneidung ist weitgehend ungeklärt.

Eine mythologische Erklärung kann in der Ablösung vom Menschenopfer gesehen werden. In vorgeschichtlicher Zeit wurden den Göttern, die besänftigt und milde gestimmt werden sollten, Menschen als Opfer dargebracht. Im Zuge religiöser Umbrüche opferte man schließlich nurmehr etwas von jenem Teil des Mannes, der für die Weitergabe des Lebens zuständig war und sogar der Ursprungsort für neues Leben war und damit Gott beziehungsweise den Göttern am nächsten stand. Diese Reform war ein Pars pro toto Opfer, das vermutlich als erster Abraham mittels einer heiligen Axt vornahm.

Vermutlich haben patriarchale Stammesgesellschaften die Beschneidung beider Geschlechter eingeführt. Älteste Überlieferungen des Rituals deuten auf Volksgruppen, die in ariden, wüstenähnlichen Regionen lebten. Die Nomaden insbesondere Nord- und Ostafrikas sowie Australiens und deren Nachfolgereligionen sind auch heute noch die Träger der religiösen Beschneidung.

Im Verlauf der Geschichte der Menschheit geriet der ursprüngliche mythologische Sinn der Beschneidung in Vergessenheit und die Beschneidung wurde nur noch als Zeichen der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Glauben angesehen.

Die rituelle oder religiöse Beschneidung in der Pubertät stellt bei beiden Geschlechtern einen Initiationsritus dar. Der heranwachsende Mensch wird in die Gemeinschaft aufgenommen, indem er bewusst in eine Krisensituation gebracht wird, in der er „sich bewähren“ und als „vollwertiges Mitglied“ erweisen soll. Oft muss er dabei eine Reihe von schmerzhaften oder demütigenden Prüfungen ablegen.

Neben der Beschneidung der Vorhaut des Mannes gibt es zahlreiche Formen der genitalen Verstümmelung, die im Rahmen derartiger Initiationsriten bei verschiedenen Naturvölkern auch heute noch praktiziert werden. Bei den Aborigines, den australischen Ureinwohnern, sowie auf mehreren Inseln des Westpazifischen Ozeans ist es Brauch, jungen Männern einige Wochen nach Entfernung der Vorhaut den Penis aufzuschlitzen, was eine vollständige oder partielle Spaltung der Harnröhre bewirkt, die sogenannte Subinzision. In Indonesien werden den Jungen zu Beginn der Pubertät Bambus- oder Metallkugeln, so genannte Implants, in den Penisschaft oder die Eichel eingesetzt.

Altertum

  Medizinhistoriker vermuten, dass bereits im Altertum die Beschneidung zur Kontrolle des Geschlechtslebens der Sklaven und der Unterschicht dienen sollte, ohne gleichzeitig die Fruchtbarkeit zu beeinflussen.

Die älteste bekannte Darstellung einer Beschneidung ist ein ägyptisches Relief aus dem Jahr 2420 v. Chr..

Die Ägypter beschnitten ihre Sklaven, um sie herabzuwürdigen und als Sklaven kenntlich zu machen. Alle Nachkommen der Sklaven wurden ebenfalls beschnitten. Nach der Bibel (Gen. 17, 10–14) wurde die Beschneidung unter den Israeliten schon von ihrem Stammvater Abraham eingeführt, der meist auf etwa 1.800-1600 v. Chr. datiert wird. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass erst unter Mose, also etwa 1.400-1.200 v. Chr. beziehungsweise erst während der babylonischen Gefangenschaft um etwa 600 v. Chr. die Juden diese Praktik übernahmen und ritualisierten. Dadurch wurde die Beschneidung von Neugeborenen („Brit Mila“), die am achten Tag nach der Geburt stattzufinden hat, zur Pflicht.

Eine andere Theorie besagt, dass die Ägypter einen anderen Grund für die Beschneidung hatten: Für die alten Ägypter war die Schlange ein unsterbliches Tier, weil sie ihre Haut abwerfen und sich damit immer wieder erneuern konnte. Bei der Beschneidung eines Mannes wurde symbolisch die Häutung der Schlange imitiert, und somit die menschliche Seele unsterblich. Nach Ansicht mancher Forscher ist das ein kulturhistorischer Aspekt, der noch heute wirkt. Da man bei der Frau diese Vorhaut nicht beschneiden konnte, waren - und sind - manche der Auffassung, Frauen hätten keine Seele.

Im frühen Christentum sprach sich dann vor allem Paulus von Tarsus, selbst ein beschnittener Judenchrist, für die neubekehrten Heidenchristen deutlich gegen eine Pflicht zur Beschneidung aus. Entscheidend war für ihn nicht die körperliche Beschneidung, sondern die bereits im Judentum zunehmend betonte „Beschneidung des Herzens“, also der demütige Glaube. Wer glaube, durch körperliche Beschneidung heilig zu werden, sei auf einem Irrweg. Mit dem Ende des antiken Judenchristentums als eigener Strömung verschwand dann die Beschneidung im Christentum zunächst fast ganz, außer bei einigen orientalischen und afrikanischen Völkern, die die Beschneidung aus ihrem vorchristlichen Glauben übernommen hatten.

Islam

Der Prophet Mohammed kam laut einer Überlieferung ohne oder zumindest mit einer sehr kurzen Vorhaut zur Welt. Dem bereits vor-islamischen Brauch auf der arabischen Halbinsel entsprechend, wird die Beschneidung heute noch bei Muslimen als ein Zeichen der Religionszugehörigkeit im Kindesalter – bis zum Alter von 13 Jahren – durchgeführt. Oft ist dieses Ereignis ein großes Familienfest.

Männer, die sich erst als Erwachsene zum Islam bekennen, lassen sich nicht immer beschneiden. Das Beschnittensein ist somit kein Definitionskriterium dafür, wer Muslim ist. Dies ist allein das bewusste Glaubensbekenntnis, die Schahada. Daher ist der Brauch der Beschneidung auch nicht mit dem Ritus der christlichen Taufe vergleichbar.

Die Beschneidung wird im Koran nicht erwähnt – außer freilich, dass man der Religion Abrahams folgen soll:

„Sprich: ‚Was Gott sagt, ist die Wahrheit. Folgt dem Weg Abrahams, des Hanifen! Er glaubte innig an Gott, Dem er keine anderen Gottheiten zugesellte.‘“

Koran 3:95

Die Beschneidung ist aber ausdrücklich in der Sunna beschrieben und wird heute meist als integraler Bestandteil des Islams angesehen, da sie für die rituelle Reinheit (Tahāra) unverzichtbar ist. Die Gültigkeit ritueller Handlungen, wie etwa des fünfmal täglichen Gebets (Salat), hängt von der rituellen Reinheit des Betenden ab. Die islamischen Rechtsschulen haben die männliche Beschneidung zur Pflicht (wadschib) erklärt.

Aussage des Propheten in einem Hadith:

„Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete: Der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: Zur Fitra (natürlichen Veranlagung) gehören fünf Dinge: Die Beschneidung (der Männer/Jungen), das Abrasieren der Schamhaare, das Schneiden der (Finger- und Fuß-) Nägel, das Auszupfen (bzw. Rasieren) der Achselhaare und das Kurzschneiden des Schnurrbarts.

Sahih Muslim: Buch 2, Nummer 495, 496[6]

Neuzeit

Rabbi Moses Maimonides hat bereits im Mittelalter einen weiteren Grund für die Beschneidung genannt: Die Geschlechtsorgane sollten so verletzt und geschwächt werden, dass sie zwar noch funktionieren, aber keine „überschüssige“ Lust mehr zulassen. Die Geschlechtsorgane bedürften keiner Perfektionierung, es gehe nicht um die Korrektur eines angeborenen, sondern eines moralischen Makels.

Diese sexualfeindliche Begründung für die Beschneidung wurde im 18. Jahrhundert in Europa wieder entdeckt. So empfahl der Schweizer Arzt Dr. Samuel Tissot die Beschneidung von Jungen und Mädchen als Kur für Masturbation, die er als Ursache für „jugendliche Rebellion“ und Krankheiten wie Epilepsie, „Erweichung von Körper und Geist“, Hysterie und Neurosen ansah. Zu einer allgemeinen Einführung der Beschneidung kam es dennoch nicht, stattdessen wurden, neben der Methode der Infibulation, aus heutiger Sicht merkwürdige Apparaturen und Vorrichtungen zur Verhinderung der Masturbation propagiert.

Eine Ausnahme bildete lediglich das viktorianische England. Dort fand die chirurgische Methode vor allem bei der Oberklasse breite Zustimmung, um die Knaben und Mädchen zu „keuschem Verhalten“ anzuhalten. Durch das britische Imperium (Commonwealth) verbreitete sich die Beschneidung schließlich auch in anderen Ländern, wie den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika und Indien.

Im 20. Jahrhundert ließen sich derart radikale Forderungen nach Zwang zu sexueller Enthaltsamkeit in den meisten Ländern nicht mehr aufrecht erhalten und so wurde etwa in den USA, Südkorea und Teilen der islamischen Welt der Wunsch nach moralischer Reinheit umgeformt auf den Begriff der Hygiene. Die hier bei Jungen angeführten „hygienischen Gründe“ halten jedoch einer sachlichen Betrachtung genau so wenig stand wie bei den Frauen in Afrika.

Gegenwart

In den USA werden gegenwärtig etwa 60-65 % der männlichen Neugeborenen beschnitten. Im Mittleren Westen liegt der Anteil erheblich höher (ca. 80 %) als im Westen (zwischen 45 % und 55 %). Die Tendenz ist insgesamt steigend [7].

Kritik und Gegenbewegungen

Die Beschneidung von Jungen ist weiter verbreitet als die Beschneidung von Mädchen. In keiner Kultur findet eine weibliche Beschneidung statt, in der nicht auch die Jungen diesem Ritual unterworfen sind. In vielen Kulturen, welche die männliche Beschneidung praktizieren, gilt der Eingriff und das damit verbundene Ritual als Eintritt in das Erwachsenendasein und zur Heiratsfähigkeit. Die Beschneidung von Jungen stellt objektiv eine körperliche Verletzung dar, die starke Schmerzen, dauerhafte Schäden oder gar den Tod nach sich ziehen kann. In Ländern der Dritten Welt, etwa in Afrika, Vorderasien und Indonesien oder bei den Aborigines in Australien wird die Beschneidung in den seltensten Fällen mit Betäubung und sterilisierten chirurgischen Instrumenten vorgenommen.

Die Beschneidung von Jungen ist in den meisten Ländern der westlichen Welt verboten und wird lediglich geduldet. Gegen diese geduldete Praxis wenden sich in den USA inzwischen mehrere Gruppen und auch einzelne Betroffene mit teils prominenter anwaltlicher Hilfe.

Hanny Lightfoot-Klein, ursprünglich eine der Vorkämpferinnen gegen die weibliche Beschneidung, ruft inzwischen dazu auf, das Thema als Ganzes zu sehen und die Verstümmelung beider Geschlechter als eng verwandt zu betrachten.

Eine therapeutische Notwendigkeit, die Vorhaut zu entfernen, wird inzwischen in den meisten Ländern mit hohem medizinischem Standard, wie etwa Norwegen, Frankreich, Schweden, Finnland, Dänemark, Japan und England bestritten.

In Großbritannien erschien 1949 im British Medical Journal die Abhandlung „The Fate of the Foreskin“ von Dr. Douglas Gairdner, die zum ersten Mal die Funktionen der Vorhaut beschrieb und die routinemäße Beschneidung als überflüssig und nachteilig darstellte. Daraufhin lehnten es die britischen Krankenkassen ab, weiterhin für unnötige Beschneidungen zu zahlen. In der Folge sanken die Beschneidungsraten in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit drastisch von ursprünglich 50 % im Jahre 1950 auf heute unter 0,5 %.

1996 ist in den Richtlinien der British Medical Association unter „Beschneidung männlicher Neugeborener“ zu lesen: „Zu therapeutischen Zwecken eine Beschneidung vorzunehmen, obwohl die medizinische Forschung andere Techniken erbracht hat, die mindestens so effektiv und weniger einschneidend sind, wäre unangebracht und unethisch.“

Auch in Kanada zahlen die Krankenkassen den für überflüssig erachteten Eingriff nicht mehr. Die Beschneidungsrate ist entsprechend stark gesunken.

In den USA lehnen seit den 1980er Jahren immer mehr Eltern die in den amerikanischen Krankenhäusern früher routinemäßig durchgeführten Beschneidungen ab. Gegenwärtig liegt der Anteil der Beschneidungen bei Neugeborenen, die auch heute noch überwiegend ohne Betäubung vorgenommen werden, in den USA im Durchschnitt um 65 %, mit fallender Tendenz, auch durch den steigenden Anteil an Hispanics, die ihre Kinder üblicherweise nicht beschneiden lassen. Regional und durch die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ist die Situation in den USA jedoch besonders uneinheitlich; somit können auch gegenläufigen Strömungen und höhere Prozentangaben lokalisiert werden. 1999 sprach sich, nach dem kanadischen, auch der US-amerikanische Verband der Kinderärzte gegen die routinemäßige Beschneidung von Jungen aus.

Ende des gleichen Jahres hat das Parlament in Finnland eine Erklärung bezüglich ritueller Beschneidung abgegeben. Ombudsman Riitta-Leena Paunio bemerkte, dass diese Operation ohne medizinische Begründung nicht zu empfehlen sei, die betroffenen Kinder sollten vorher befragt werden und ihre Zustimmung dazu geben. Sie sagte, das finnische Parlament müsse die religiösen Rechte der Eltern abwägen gegen die Verpflichtung der Gesellschaft, ihre Kinder vor rituellen Operationen ohne unmittelbaren Vorteil für sie zu schützen. Dort ist seither die schriftliche Zustimmung beider Elternteile erforderlich.

Am 1. Oktober 2001 trat in Schweden - nach einer längeren öffentlichen Debatte wegen des Todes mehrerer Babys durch Beschneidungen - ein neues Gesetz in Kraft, das Beschneidungen ohne medizinische Begründung bei Jungen, die älter als 2 Monate sind, generell verbietet. Beschneidungen an jüngeren Babys dürfen nur noch unter Betäubung und in Anwesenheit eines Arztes vorgenommen werden. Schweden ist damit das erste Land der Welt, das rituelle Beschneidungen, die ohne Zustimmung der Betroffenen vorgenommen werden, per Gesetz ausdrücklich eingeschränkt hat.

Neue Studien erbringen teilweise widersprüchliche Aussagen zur Zirkumzision. Eine im April 2007 im British Journal of Urology veröffentliche Studie[8] zeigte, dass ein beschnittener Penis eine deutlich herabgesetzte Berührungsempfindung und Sensibilität besitzt. Kritiker dieser Studie verweisen jedoch darauf, dass die Studie unter Mitarbeit von Beschneidungsgegnern erstellt wurde. In einer Presseerklärung [9] der WHO wurde, nach Expertenkonsultation im März 2007 eine Empfehlung zur Beschneidung ausgesprochen, da nach Ansicht der konsultierten Experten, beschnittene Männer ein etwas geringeres Risiko für eine HIV-Infektion beim Geschlechtsverkehr aufweisen. Das Ziel der Presseerklärung ist, die Verbreitung des HI-Virus durch Massenbeschneidungen zu bremsen. Diese Empfehlung wurde von mehreren Seiten kritisiert, da zum einen eine Beschneidung bestenfalls ein leicht reduziertes Risiko für eine HIV-Infektion bewirkt und somit beschnittene Männer zu einem falschen Verhalten (Verzicht auf Kondome / Enthaltsamkeit) verleiten könnten, zum anderen stellt die Beschneidung gerade in Ländern der dritten Welt selbst ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar, da vielerorts die sterilen Bedingungen zur sicheren Durchführung einer Beschneidung fehlen, und die Beschneidung so selbst zur Quelle der HIV-Infektion, aber auch anderer Infektionskrankheiten werden könnte.

Darstellung in der Kunst

  • Orazio Gentileschi (1563-1639): Circumcision; Tafelbild, Öl auf Leinwand, 390×252 cm, um 1606 (Church of Gesù, Ancona, dep. Pinacoteca Communale).

Siehe auch

Brit Mila, Subinzision

Quellen

  1. http://www.cirp.org/library/general/oster/
  2. http://www.cirp.org/library/statements/
  3. http://www.cirp.org/library/disease/cancer/stern1/
  4. Studie zur HIV-Ansteckung sowie [1]
  5. http://www.stern.de/wissenschaft/medizin/:M%E4nnliche-Beschneidung-Operation-Vorhaut/588050.html Operation Vorhaut - Stern
  6. http://cwis.usc.edu/dept/MSA/fundamentals/hadithsunnah/muslim/002.smt.html#002.0495
  7. Nelson CP, Dunn R, Wan J, Wei JT. The increasing incidence of newborn circumcision: data from the nationwide inpatient sample. J Urol. 2005;173 :978 –981
  8. http://www.blackwell-synergy.com/doi/abs/10.1111/j.1464-410X.2006.06685.x
  9. http://www.who.int/hiv/mediacentre/news68/en/
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