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William R. D. Fairbairn



William Ronald Dodds Fairbairn (* 11. August 1889 in Edinburgh, † 31. Dezember 1964 ebendort) war ein britischer Psychoanalytiker und Pionier der Objektbeziehungstheorie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fairbairn, dessen Vater strenggläubiger Presbyterianer war und der sich selbst sein Leben lang als gläubiger Christ verstand, studierte an der Universität Edinburgh Philosophie, danach in Kiel, Straßburg und Manchester Theologie und Altgriechisch, zunächst mit dem Ziel, Geistlicher zu werden. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat er 1915 der Royal Artillery bei. Zunächst in Edinburgh stationiert, lernte er in einem dortigen Krankenhaus erstmals Kriegsneurosen kennen sowie die Anwendung psychoanalytischer Behandlungstechniken. 1917 nahm er als Leutnant unter anderem an der Offensive unter Kommandeur Allenby in Palästina teil. Nach dem Krieg studierte er Medizin und unterzog sich ab 1921 einer eigenen Analyse. 1925 begann er als Psychoanalytiker zu praktizieren, ohne hier jedoch eine formale Ausbildung erhalten zu haben.

1926 heiratete er und gründete eine Familie. 1929 promovierte er über Die Beziehung von Dissoziation und Verdrängung. Von 1927 bis 1935 unterrichtete Fairbairn Psychologie an der Universität Edinburgh. Aufgrund seiner Veröffentlichungen wurde er 1931 assoziiertes Mitglied der British Psychoanalytical Society, 1944 Vollmitglied. 1935 beendete er seine Dozentur an der Universität wegen Differenzen mit seinen Fachkollegen und konzentrierte sich auf seine psychoanalytische Praxis, war aber weiterhin auch in verschiedenen Krankenhäusern als Psychiater tätig.

Fairbairn arbeitete mit sexuell missbrauchten Kindern und während des 2. Weltkrieges wiederum mit Soldaten, die auf die Entbehrung ihrer familiären Umgebung mit Depressionen reagierten. Dadurch, dass er Zeit seines Lebens in Edinburgh blieb, stand er abseits der in London geführten Auseinandersetzungen, die zu Beginn der 1940er Jahre die Anhänger Anna Freuds und diejenigen Melanie Kleins entzweiten. Seine eigenen, einen dritten Standpunkt begründenden Arbeiten wurden zu dieser Zeit noch kaum wahrgenommen, sondern erst, als er seine Aufsätze 1952 in Buchform veröffentlichte.[1] Damals formulierte Winnicott: „if only Fairbairn didn't knock Freud ...“[2]

In seinen letzten Lebensjahren litt er zunehmend unter Depressionen und der Parkinson-Krankheit.

Theorie

Fairbairn setzte sich von seinen ersten Veröffentlichungen an mit der Freudschen Triebtheorie auseinander. Als er Mitte der 1930er Jahre die Schriften Melanie Kleins kennen lernte, führte das allmählich zur Ausarbeitung seiner eigenen, sowohl von der Freuds wie auch von der Melanie Kleins abweichenden Position, mit der er die „mittlere“ oder „unabhängige“ Gruppe innerhalb der britischen Psychoanalyse begründen sollte – wobei sich „mittlere“ auf die Einordnung zwischen den Anhängern Kleins und Anna Freuds bezieht.

Sigmund Freud zufolge wird das Verhalten des Individuums von Trieben gesteuert, die eine Spannung erzeugen, welche auf Abfuhr drängt. Fairbairn postulierte demgegenüber, dass der Mensch von Anfang an auf andere Menschen bezogen ist und hier über eine realistische Wahrnehmung verfügt; seine innere Welt gestaltet sich als Reaktion auf die Erfahrungen mit den äußeren Beziehungen. Fairbairn sprach in diesem Zusammenhang von der „Suche des Menschen nach dem Objekt“, welche die grundlegende Motivation darstelle, d. h. das Ziel, enge Beziehungen aufzubauen, ist für ihn der grundlegende Antrieb menschlichen Verhaltens und nicht die Triebabfuhr wie bei Freud. Damit entfernte er sich deutlich von der Triebtheorie Freuds und Kleins.

Stephen A. Mitchell sah Fairbains objektbeziehungstheoretischen Ansatz als bedeutsam für die Entwicklung der Relationalen Psychoanalyse, also des beziehungstheoretischen Ansatzes innerhalb der psychoanalytischen Theorie, welche sich mit der wechselseitigen Bedingtheit in menschlichen Beziehungen befasst.

Indem er die Abhängigkeit des kleinen Kindes an die Stelle des Freudschen Primats der Sexualität setzte, schloss Fairbairn sich der Position Melanie Kleins an, nicht jedoch, indem er der äußeren Beziehung den Vorrang gab vor den Phantasien und Trieben des Kindes, die für Klein, in der Form von Liebe und Hass, weiterhin primär sind.

Erst die Enttäuschung der Bedürfnisse des kleinen Kindes nach Zuwendung und Anerkennung führt zur Ausbildung einer inneren Welt, in der sowohl die „Schlechtigkeit“ der Bezugsperson wie auch ihre evt. Überfürsorglichkeit durch innere Objekte repräsentiert werden: Es bildet sich eine innerpsychische Struktur der „schizoiden Persönlichkeit“ – die Fairbairn zufolge sehr allgemein ist und allen psychischen Erkrankungen zugrunde liegt – mit einem „zurückweisenden (inneren) Objekt“ und einem „erregenden Objekt“, denen als angepasste Ichanteile jeweils ein „antilibidinöses Ich“ bzw. ein „libidinöses Ich“ gegenüberstehen. (Das antilibidinöse Ich nennt Fairbairn auch „innerer Saboteur“.) Diesen vier Instanzen ist gemeinsam, dass sie vom „zentralen Ich“, dem einzigen bewussten Ichanteil, verdrängt werden. (Die Verdrängung ist für Fairbairn nicht, wie bei Freud, ein „reiferer“ Abwehrmechanismus als die Spaltung, sondern steht mit ihr in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis.)

Die inneren Objekte erlauben es dem Ich, über das, was an der äußeren Beziehung unerträglich frustrierend ist, die Kontrolle zu erlangen. Zugleich wird die äußere Bezugsperson, indem das Ich ihre „bösen“ Anteile in sich hineinnimmt und sich selbst damit (unbewusst) identifiziert, von diesem Bösen, wie Fairbairn formuliert, „reingewaschen“ und das Ich kann eine gute Beziehung zu ihr aufrecht erhalten.

Die Bedeutung von Fairbairns Ansatz für das Verständnis von Opfern sexuellen Missbrauchs, aber auch der instabilen Beziehungsgestaltung bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend erkannt.

Werke (Auswahl)

  • Englischsprachige (Original-)Ausgaben:
  • Psychoanalytic Studies of the Personality. Originalausg., Tavistock Publications in association with Routledge & Kegan Paul, London 1952; sowie: Nachdruck, Taschenbuchausg., Routledge, London 1994, ISBN 0-415-10737-7.
  • From Instinct to Self. Selected Papers of W. R. D. Fairbairn. Vol. 1, Clinical and Theoretical Papers. Hrsg.: David E. Scharff, Ellinor Fairbairn Birtles, Verleger: Jason Aronson, Northvale (New Jersey/USA) 1994, ISBN 1-568-21080-9. (1. Teilband)
  • From Instinct to Self. Selected Papers of W. R. D. Fairbairn. Vol. 2, Applications and Early Contributions. Hrsg.: Ellinor Fairbairn Birtles, Verleger: Jason Aronson, Northvale (New Jersey/USA) 1994, ISBN 1-56821-251-8. (2. Teilband)
  • Deutsche Ausgaben (Übersetzungen):
  • Das Selbst und die inneren Objektbeziehungen. Eine psychoanalytische Objektbeziehungstheorie / William Ronald Dodds Fairbairn. Psychozial-Verlag, Gießen 2000 (= Reihe: Bibliothek der Psychoanalyse), ISBN 3-89806-022-5. (dt. Übersetzung; engl. Originaltitel angegeben als: Psychoanalytical studies of the personality) (Ausgabe der wichtigsten Aufsätze, enthält auch mehrere nach 1952 entstandene Arbeiten)

Literatur

  • Englischsprachige Ausgaben:
  • Jay R. Greenberg, Stephen A. Mitchell: Object Relations in Psychoanalytic Theory, Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) und London 1983, ISBN 0-674-62975-2.
  • John Derg Sutherland: Fairbairn's Journey into the Interior. Erstausg., Free Association Books, London 1989, ISBN 1-85343-058-7. Nachdruck, Taschenbuchausg., Free Association Books, London 1999, ISBN 1-85343-059-5. (Biographie)
  • James S. Grotstein, Donald B. Rinsley (Hrsg.): Fairbairn and the Origins of Object Relations. Free Association Books (u.a.), London 1994, ISBN 1-85343-340-3.
  • Deutsche Ausgaben:
  • Bernhard Friedrich Hensel (Hrsg.): W. R. D. Fairbairns Bedeutung für die moderne Objektbeziehungstheorie. Theoretische und klinische Weiterentwicklungen. Orig.-Ausg., Psychosozial-Verlag, Gießen 2006 (= Reihe: Bibliothek der Psychoanalyse), ISBN 3-89806-431-X.

Siehe auch

  • Intersubjektivität (Psychoanalyse)

Einzelnachweise

  1. Psychoanalytic Studies of the Personality. Originalausg., Tavistock / Routledge, London 1952. (s. Literatur)
  2. John D. Sutherland: Fairbairn's Journey into the Interior, Free Association Books, London 1989, S. 143
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel William_R._D._Fairbairn aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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