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Beschneidung weiblicher GenitalienAls Beschneidung weiblicher Genitalien (auch Mädchenbeschneidung oder Frauenbeschneidung) werden traditionelle Praktiken einiger Kulturkreise bezeichnet, bei denen die weiblichen Geschlechtsteile teilweise oder ganz entfernt werden. Dabei können sowohl die äußeren (Klitorisvorhaut, Klitoris, Labien) als auch die inneren Geschlechtsorgane (manchmal wird auch Gewebe aus der Vagina entfernt) betroffen sein. Diese Tradition bestimmt wesentlich das Ansehen der Frauen, die je nach Volkszugehörigkeit Mädchen vom Säuglingsalter bis hin zu Frauen vor der Hochzeit bzw. nach der Geburt des ersten Kindes sind. Die meisten Mädchen erleben den Eingriff jedoch vor Beginn oder während der Pubertät. Der Eingriff wird ohne medizinische Begründung ausgeübt, ist oft mit Schmerzen verbunden und kann schwere physische und psychische Schäden verursachen. Aufgrund dieser weitreichenden Folgen für Leib und Leben der betroffenen Mädchen und Frauen steht die Praxis seit längerem weltweit in der Kritik von Menschenrechts- und Frauenrechtsorganisationen. Zahlreiche staatliche Organisationen, wie die UNO, die UNICEF, UNIFEM und die WHO, und nichtstaatliche Organisationen, wie Amnesty International, wenden sich gegen die Beschneidung und stufen sie als Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit ein. Zur Betonung dieser Aspekte hat sich international der Begriff Female Genital Mutilation (FGM, engl., Verstümmelung weiblicher Genitalien) etabliert; im deutschsprachigen Raum ist die Bezeichnung Genitalverstümmelung (auch Genitale Verstümmelung) üblich. In den Staaten der europäischen Union steht der Eingriff als schwere Körperverletzung unter Strafe. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Formen und Verbreitung
Nach Schätzungen von Unicef sind weltweit 130 Millionen Frauen und Mädchen beschnitten, jährlich werden derartige Eingriffe an 3 Millionen Mädchen zwischen vier Monaten und zwölf Jahren durchgeführt[1]. Die Beschneidung von Frauen und Mädchen ist in unterschiedlicher Form und damit verbundenen Folgen für die Frau im westlichen und nordöstlichen Afrika verbreitet; in Ägypten, Somalia, Mali und Guinea ist sie mit jeweils ca. 90 % der Frauen fast flächendeckend verbreitet. Vereinzelt geschieht sie auch im Nahen Osten, in Indien, Indonesien und Malaysia[1]. Innerhalb dieser Gebiete richtet sich die praktizierte Form der Beschneidung vor allem nach der ethnischen Gruppe, weswegen sich keine der Formen explizit einem Land zuordnen lässt. Der geografische Ursprung dieser Praxis ist nicht bestimmbar. Sie wird in der Regel durch so genannte Beschneiderinnen durchgeführt. Es wird unterschieden in
Von der WHO wurde 1997 eine Typisierung der einzelnen Beschneidungsformen einführt, die eine grobe Unterteilung in vier Typen vorsieht:
Diese Klassifizierungen dienen lediglich als grobe Unterteilung. In der Realität existieren weitere Varianten in Form der Kombination unterschiedlicher Eingriffe.[2][3] Ursprünge und HintergründeDie Beschneidung an Frauen wird vielfältig begründet. Die Durchführung von Operationen an weiblichen Genitalien reicht zurück bis ins alte Ägypten. Hier glaubte man an Doppelgeschlechtlichkeit. So war die Vorhaut des Mannes ein Überbleibsel der Frau und die Klitoris ein Überrest des Mannes. Um diese Überreste abzustreifen und voll als Mann oder Frau zu gelten (Initiationsritus), wurden die Menschen beider Geschlechter an ihren Genitalien beschnitten. Mit anderer Begründung wurde die Beschneidung von Frauen auch in Europa von der Barockzeit bis möglicherweise in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Hier wurde sie vor allem zur Behandlung der Masturbation – die als Krankheit angesehen wurde –, der Hysterie und anderer vermeintlich typisch weiblicher Störungen angewandt. Diese Beschneidungen erreichten jedoch nie annähernd die gesellschaftliche Bedeutung der Beschneidungen in Afrika und der arabischen Welt. Die Beschneidung wird auch praktiziert, um die Sexualität der Frau kontrollieren zu können (siehe auch Keuschheitsgürtel) und vor Übergriffen der Männer zu schützen. Ihre Praktizierung hat daher auch mit der Erwartung an die Rolle der Frau bzw. dem innerhalb einer ethnischen Gruppe geltenden Frauenbild zu tun. AntikeDie Beschneidung weiblicher Genitalien wurde in verschiedenen Zeiträumen und Teilen der Erde mit unterschiedlichen, oftmals auch nicht mehr bekannten Begründungen praktiziert. Die ältesten Funde, die einen Rückschluss auf einen operativen Eingriff an den weiblichen Genitalien zulassen, stammen aus Ägypten. Dort entdeckten Forscher Mumien, die Anzeichen aufwiesen. Die Beschneidung weiblicher Genitalien wurde auch im römischen Imperium praktiziert. Allerdings waren ausschließlich Sklavenmädchen betroffen. Durch die Infibulation sollte erstens eine Schwangerschaft verhindert werden, zweitens erzielte eine zugenähte „Jungfrau“ auf dem Sklavenmarkt einen viel höheren Preis. So erscheint die Beschneidung im alten Rom als ein Zeichen für Versklavung und Unterwerfung. Im alten Testament wird den Juden in der Tora befohlen, die männlichen Nachkommen kurz nach der Geburt zu beschneiden, die Beschneidung von Mädchen oder Frauen wird dagegen nicht einmal erwähnt.[4] TraditionBei der Genitalbeschneidung von Frauen und Mädchen handelt sich um eine Tradition, welche vor allem in den Ländern der Sahelzone und am Horn von Afrika praktiziert wird. Die Beschneidung wird besonders von Muslimas bei ihren Töchtern angewandt. Der Brauch wird aber auch von animistischen Stämmen, koptischen Christen, äthiopisch-orthodoxen Christen und äthiopischen Juden befolgt. Tradition ist die stärkste Rechtfertigung der Praxis. Weil die Beschneidung seit langer Zeit durchgeführt wird, nehmen die Menschen an, dass es sich dabei um etwas absolut Notwendiges handle. Die Beschneidung wird in vielen praktizierenden Kulturkreisen als ein feierlicher Initiationsritus begangen, mit dem ein Mädchen im Mittelpunkt steht und offiziell als erwachsene Frau anerkannt wird. Nicht beschnittene Mädchen riskieren daher auch, sozial ausgegrenzt zu werden und keinen Ehemann zu finden. Die zur westlichen Kultur sehr konträren Vorstellungen gehen sogar so weit, dass die Menschen in besagten Kulturkreisen ein Ausbleiben der Beschneidung als geradezu barbarisch ansehen. Medizinische MythenDie Beschneidung weiblicher Genitalien wird auch aus Irrglauben heraus praktiziert, etwa dem, wonach erst der abgeschlossene weibliche Unterleib rein sei, weil aus ihm nur schwer Vaginalsekrete und Menstruationsblut austreten können. Weitere sind:
Außerdem gibt es die Vorstellung, dass der Eingriff die Gesundheit fördere, indem die Fruchtbarkeit der Frau erhöht werde sowie Geburt und Schwangerschaft erleichtert würden. Ästhetische VorstellungenIn den Kulturkreisen, die die Operationen durchführen, wird eine operativ unveränderte Vulva oftmals als unästhetisch wahrgenommen. Von Kulturkreis zu Kulturkreis unterschiedlich sind die genauen Hintergründe; beispielsweise nehmen einige die Klitoris als Überbleibsel des männlichen Penis wahr; eine Entfernung derselben erhöht also nach dieser Vorstellung die Weiblichkeit der Frau. Auch werden abstehende Teile der Genitalien wie die Labia als nicht benötigte, hässliche Überbleibsel gesehen, deren Entfernung den Körper abrundet und somit schöner und auch erotischer macht. Unterdrückung der weiblichen SexualitätEinige Formen der Praktik können die sexuelle Lust stark einschränken und die betroffene Frau so unter anderem unfähig machen, einen Orgasmus zu erleben. Dies kann wie eine Art Versicherung für den Ehepartner wirken, dass die Frau keinen sexuellen Affären nachgeht: wenn sie keine Lust oder sogar Schmerz beim Koitus empfindet, so wird sie auch keine Affäre suchen. Da eine Frau so auf ihre bloße Reproduktionsfunktion reduziert wird, hat dieser Umstand die Praktik besonders stark ins Visier von Feministen gerückt. Tatsächlich gibt es jedoch keine wissenschaftlich erwiesenen Zahlen dazu, wie groß der Teil der tatsächlich so stark geschädigten Frauen ist. In westlichen Kulturkreisen ist dagegen die weibliche Beschneidung durch recht einseitige Medienberichterstattung über solche Fälle zu einem Synonym für Unterdrückung der weiblichen Sexualität geworden. Diese Einschätzung wird vom Großteil der Frauen, die eine solche Operation hinter sich haben, jedoch nicht geteilt. Teilweise wird die Beschneidung oder ähnliche Maßnahmen direkt zur Verhinderung der als schädlich angesehenen Masturbation propagiert (siehe auch weiter unten). Das kann auch dazu dienen, die Beschädigung des Jungfernhäutchens zu verhindern und somit die in der Vorstellung mancher ethnischer Gruppen dadurch indizierte Jungfräulichkeit bis zum Tag der Heirat sicherzustellen. Vorkommen im IslamDer Koran erwähnt weder die Beschneidung von Frauen noch die Beschneidung von Männern. In der Regel wird die Genitalbeschneidung unter Berufung auf einige Hadithe im Islam religiös legitimiert, denn Hadithe bilden neben dem Koran die zweite Quelle islamischer Gesetze. Dabei handelt es sich um Aussprüche, die dem Propheten Mohammed zugesprochen werden. Das am häufigsten zitierte Hadith im Zusammenhang mit der Beschneidung von Frauen gibt eine Diskussion zwischen Mohammed und Umm Habibah (oder Umm 'Atiyyah) wieder – das Hadith der Beschneiderin. Diese Frau war als Beschneiderin weiblicher Sklaven bekannt, gehörte zu den Frauen, die mit Mohammed immigriert waren. Nachdem er sie entdeckt hatte, fragte er sie, ob sie immer noch ihren Beruf ausübe. Sie bejahte und fügte hinzu: „unter der Bedingung, dass es nicht verboten ist und du mir nicht befiehlst, damit aufzuhören“. Mohammed erwiderte ihr:„Aber ja, es ist erlaubt. Komm näher, damit ich dich unterweisen kann: Wenn du schneidest, übertreibe nicht (la tanhaki), denn es macht das Gesicht strahlender (ashraq) und es ist angenehmer (ahza) für den Ehemann“. Nach anderen Berichterstattern sagte Mohammed: „Schneide leicht und übertreibe nicht (ashimmi wa-la tanhaki), denn das ist angenehmer (ahza) für die Frau und besser (ahab, nach Quellen abha) für den Mann“. (Andere Übersetzung: „Nimm ein wenig weg, aber zerstöre es nicht. Das ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt.“ „Die Beschneidung ist eine Sunnah für die Männer und Makrumah für die Frauen.“ Dieses Hadith wird verschieden interpretiert. Eine Ansicht besagt, dass sich das „ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt“ auf das „zerstöre nicht“ bezieht. Mohammed hätte dann mit der vorislamischen Tradition nicht brechen wollen, bevorzugte selbst aber deren Unterlassung. Eine andere Deutung geht davon aus, dass es sich um ein Makrumah handelt, eine freiwillige ehrenvolle Tat, deren Unterlassung nicht bestraft wird. Zu diesen Deutungen kommt hinzu, dass der Islam das Recht der Frau auf sexuelle Befriedigung, wenn sie verheiratet ist, ausdrücklich anerkennt. Außerdem ist einer der Werte der Schari'a (Die Gesetze der Scharia sind nicht unumstösslich und nicht einheitlich in der islamischen Welt geregelt), die „Hurma“, die körperliche Unversehrtheit. Daraus lässt sich folgern, dass die weibliche Beschneidung nicht ursprünglich auf den Islam zurückzuführen ist, sondern ihren Ursprung in Sitten aus vorislamischer Zeit hat. Die männliche Beschneidung ist jedoch im Islam unumstritten und widerspricht dieser körperlichen Unversehrtheit. Von den vier sunnitischen Rechtschulen (Madhhab) befürworten zwei die Genitalbeschneidung an Frauen (Malikiten und Hanbaliten); die Schafiiten halten sie sogar für eine religiöse Pflicht. In Ländern mit schafiitischer Rechtsschule ist sie deshalb auch allgemein verbreitet. Die Hanafiten lehnen die Beschneidung von Frauen ab.[5] Gegner der Beschneidung argumentieren mit Koranversen, wie:
Der oben zitierte Hadith gilt aber als "daif", also als schwach. Dies bedeutet, der Hadith ist inhaltlich und bezüglich des Isnad unzulänglich: er hat demzufolge eine unvollständigen Isnad (Zeugenkette), einen Sammelisnad, der die Rücküberprüfung, ob der Prophet dies tatsächlich aussagte nicht zulässt. Es war den Muslimen bereits im 2. Jh. islamischer Zeitrechnung bekannt, dass Hadithe gefälscht wurden. Daher: In einer Konferenz am 22. und 23. November 2006 in der renommierten al-Azhar-Universität in Kairo entschieden höchste internationale Islam-Gelehrte, dass die Beschneidung weiblicher Genitalien nicht mit der Lehre des Islams zu vereinbaren ist.[6] Klitorisamputation und MasturbationZu Beginn des 19. Jh. war in Europa die Vorstellung verankert, die Masturbation sei eine Perversion. Diese sollte mit allen Mitteln verhindert werden. Zunächst griff man auf sanfte „Therapien“ zurück: Überwachung, kalte Bäder und Trinken von Mineralwasser. Später trugen die Frauen Keuschheitsgürtel. In England erfand der Arzt Isaac Baker Brown Mitte des 19. Jh. die operative Behandlung: den Frauen wurde die Klitoris entfernt. Damit sollten Masturbation sowie Hysterie behandelt werden. Noch unzureichend war die Verstümmelung weiblicher Genitalien als "Behandlungsmethode" in Deutschland untersucht. Auch in modernen Nachschlagewerken beschränken sich die Darstellungen zur Beschneidung/Genitalverstümmelung auf fremde Kulturen. Noch 1923 schrieb Maria Pütz in ihrer Dissertation „In drei mir speziell von Herrn Professor Dr. Cramer gütigst überlassenen Fällen trat nach Entfernung der Clitoris und einer teilweisen oder vollständigen Exzision der kleinen Labien vollständige Heilung ein. Masturbation wurde nicht mehr geübt, und selbst nach einer Beobachtungszeit von mehreren Monaten blieb der Zustand unverändert gut. Trotz dieser erfreulichen Resultate der Clitoridektomie bei Masturbation gibt es nun sehr viele Fälle, bei denen das Uebel durch irgend welche operative Eingriffe nicht zu beeinflussen ist […] Ein zweiter Einwurf der Gegner ist der, dass durch Herabsetzung der Libido auch die Konzeptionsmöglichkeit aufgehoben werde. Auch dieser Einwand ist unberechtigt; denn es steht fest, dass frigide Frauen, die den Coitus nur als Last empfinden und sich keiner sexuellen Befriedigung erfreuen, dennoch konzipieren und gesunde Kinder gebären.“ Die BetroffenenIn ethnischen Gruppen, in welchen die Beschneidung weiblicher Genitalien Tradition hat, ist meist die große Mehrzahl aller Frauen betroffen. Das Beschneidungsalter variiert von Gruppe zu Gruppe: manche Mädchen werden schon in der ersten Lebenswoche, manche erst in der Pubertät oder bei der Eheschließung beschnitten. Die meisten Mädchen sind zum Zeitpunkt ihrer Beschneidung zwischen vier und zwölf Jahren alt. Erwachsene Frauen werden manchmal kurz vor der Eheschließung oder sogar noch danach zwangsweise[7] einer Beschneidung unterzogen. Dies liegt dann meist darin begründet, dass dem Ehemann oder der Schwiegermutter die bestehende Genitalbeschneidung als nicht ausreichend erscheint. Je jünger die Mädchen sind, desto geringer ist zum einen ihr Kenntnisstand; zum anderen können sie sich nicht gegen den Eingriff wehren oder sich ihm gar entziehen. laut Zahlen des Kinderhilfswerks kommt die Beschneidung von Frauen in der ländlichen Bevölkerung häufiger vor als in der städtischen: in der ländlichen Bevölkerung findet demnach die Praktik bei ca. 73% der Bevölkerung Zuspruch, in der städtischen Bevölkerung bei ca. 67%. Als Grund hierfür wird der – insbesondere für Frauen – geringe Zugang zu Schulbildung auf dem Land angesehen. Damit gehe ein stärkeres Festhalten an Traditionen und eine größere soziale Kontrolle als in der Großstadt einher. Sozialwissenschaftler (erstmals Carla Obermeyer 2003) stellten in anderen Untersuchungen dagegen fest, dass es keine Unterschiede in der Durchführungshäufigkeit gebe, die auf einem höheren intellektuellen Niveau beruhen. Lediglich die Art und Weise unterscheidet sich: in gebildeteren Kreisen ist der Trend zur sogenannten Medikalisierung, also der Durchführung der Beschneidung in Krankenhäusern oder durch professionelles medizinisches Personal und unter hygienischeren Bedingungen zu beobachten. Generell halten über 90% der Betroffenen an der Tradition fest und nur etwa 4% wollen die Beschneidungen an ihren eigenen Töchtern nicht durchführen lassen. Diese Zahlen sind für Gegner der Praxis oftmals unerklärlich, da sie meist davon überzeugt sind, die Frauen würden durch äußere Faktoren unterdrückt. Dem entgegen steht, dass sich besonders gebildete Frauen im Erwachsenenalter noch selbst dazu entschließen, beschnitten zu werden. Hierbei werden allerdings in der Regel nicht die krassen Formen der Beschneidung (wie z.B. die Infibulation) gewählt. Untersuchungen in Europa haben ergeben, dass Migranten zum Teil an der Praxis festhalten. Die Mädchen werden legal im Herkunftsland der Eltern oder illegal in einem europäischen Land beschnitten. Die AusführendenDie Ausführenden der weiblichen Genitalverstümmelung sind in der Regel Frauen. Es kann sich dabei um traditionelle Hebammen, Heilerinnen oder professionelle Beschneiderinnen handeln. In den Städten wird in den reichen Schichten die Prozedur von Ärzten, ausgebildeten Krankenschwestern oder Hebammen unter klinikähnlichen Bedingungen durchgeführt (so genannte Medikalisierung). Eher selten kommt es vor, dass Medizinmänner oder Barbiere die Mädchen beschneiden, so z.B. im Norden der Demokratischen Republik Kongo. Traditionelle Beschneiderinnen lernen das Handwerk von ihren Müttern. Es ist eine hochangesehene Tätigkeit, die der Familie der Beschneiderin ein relativ hohes Einkommen sichert. Die Beschneiderinnen verfügen meistens nicht über fundierte anatomische Kenntnisse. Dies kann zu weiteren schweren Verletzungen führen, zumal im Alter die Sehkräfte und die motorischen Fähigkeiten nachlassen und die Beschneidung dann trotzdem noch durchgeführt wird. Als Werkzeuge werden bei der Beschneidung ohne Medikalisierung (Spezial-)Messer, Rasierklingen, Scheren, Glasscherben, selten auch Fingernägel oder Zähne benutzt. Oft werden mehrere Mädchen mit demselben Werkzeug beschnitten, was das Infektionsrisiko und die Übertragung von Krankheiten stark erhöht. Um die Wunde zu verschließen, werden Akaziendornen, Bindfaden, Schafdarm, Pferdehaar, Bast oder Eisenringe verwendet. Substanzen wie Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Pflanzensäfte, Blätter oder Wundpressen aus Zuckerrohr sollen die bei der Amputation der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane meist auftretende starke Blutung stoppen. Die Verstümmelungen finden meistens unter unhygienischen Bedingungen außerhalb von Krankenhäusern statt. Die Betroffenen erhalten meistens keinerlei Narkose. Da der Genitalbereich mit vielen Nerven versorgt ist, führen Eingriffe ohne Narkose zu besonders starken Schmerzen, so dass die Mädchen oder Frauen von mehreren Erwachsenen gehalten werden müssen. Der Verzicht auf Betäubung oder Narkose wird allerdings von manchen auch freiwillig gewählt, um sich mit der Beschneidung als eine Art Mutprobe selbst zu beweisen. Manche Wissenschaftler vermuten, dass sich besonders bei den eher leichten Formen der Beschneidung die Infektions- und Todeszahlen durch medizinische Ausbildung und hygienischere Bedingungen wie bei der Medikalisierung drastisch senken ließen. Sie kritisieren damit auch die Ansicht vieler Beschneidungsgegner, die die negativen Folgen alleine der Praxis selbst zuschreiben und sie daher komplett ausradieren wollen, anstatt zuerst unterstützend für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen und damit die Komplikationen auf ein Minimum zu reduzieren. Gesundheitliche FolgenDie Beschneidung der äußeren weiblichen Genitalien stellt eine oft irreparable Schädigung der sexuellen funktionellen Einheit von Frauen dar. Die gesundheitlichen Konsequenzen erstrecken sich auf akute (zum Beispiel Schock oder hoher Blutverlust), chronische (zum Beispiel Harnwegsinfektionen) und psychische sowie psychosomatische (Trauma) Folgen. Der Eingriff hat großen Einfluss auf die sexuelle Erlebnisfähigkeit der Frauen, wobei zu bemerken ist, dass die Frauen je nach kulturellem Hintergrund in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind und daher der Grad der Einschränkung variieren kann. Der Geburtsvorgang wird bei infibulierten Frauen erschwert; es kann zu starken Komplikationen und im Extremfall zu Schäden für Mutter und Kind kommen. Einer 2006 veröffentlichten Studie der WHO zufolge, an der 28.373 Schwangere in Afrika teilgenommen haben, starben von 1000 Babys beschnittener Mütter im Durchschnitt 10- bis 20-mal mehr als unter den Kindern unversehrter Frauen, das Todesrisiko der Kinder erhöhe sich durch die genitale Verstümmelung der Mütter um ein Viertel bis ein Drittel.[8] Die FAZ meldete unter Berufung auf einen bevorstehenden Beitrag in The Lancet (Band 366, Seiten 385–391), in einer Studie an etwa 280 Frauen, die 2003 und 2004 an zwei Krankenhäusern in Khartum untersucht wurden, seien 99 als unfruchtbar erkannt worden (mehr als jede Dritte), 180 waren erstmals schwanger. Alle waren als Mädchen beschnitten worden. Die Forscher stellten fest, dass vor allem schwere Genitalbeschneidung das Risiko einer Frau merklich steigern, unfruchtbar zu werden. Die Wissenschaftler hoffen mit diesem Argument den Glauben vieler Befürworter der Genitalbeschneidung zu widerlegen, ein Mädchen könne nur dann eine gute Ehefrau und Mutter werden, wenn man ihre Geschlechtsteile gemäß dem alten Brauch beschneide. Für viele Frauen sind die Folgen jedoch weitaus geringer, als die Medien der westlichen Welt den Anschein erwecken. Dort werden oftmals sämtliche Formen der Beschneidung über einen Kamm geschoren, gleichzeitig konzentriert man sich bei der Berichterstattung auf die folgenschwersten Eingriffe wie die Infibulation. Aufgrund der in ihren Folgen sehr unterschiedlichen Formen der Beschneidung sowie den sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen bei der Operation ist es aber unmöglich, alle Beschneidungen als das gleiche Übel anzusehen. In den Medien findet man kaum Daten zur tatsächlichen Verteilung auf die verschiedenen Beschneidungstypen. Aktuelle EntwicklungenIn allen Staaten der Europäischen Union steht diese Art der schweren Körperverletzung unter Strafe. Auch in einigen Ländern, in denen Beschneidung verbreitet ist, bestehen gesetzliche Verbote, so in Ägypten (seit 2007 vollständiges Verbot), Äthiopien, Burkina Faso (seit 1997), Dschibuti (1995), der Elfenbeinküste (1998), Eritrea (2007)[9], Guinea (1989), Senegal (1999), Tansania und Togo. Diese Verbote werden jedoch vielfach nur beschränkt umgesetzt. In Sierra Leone lehnte es das Parlament 2007 ab, die Praxis unter Strafe zu stellen.[10] Neben den gesetzlichen bestehen zahlreiche lokale Initiativen, die – teils mit internationaler Unterstützung – durch Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit die Verstümmelung von Frauen und Mädchen zu beenden versuchen. Weltweite Aufmerksamkeit erlangte das senegalesische Dorf Malicounda Bambara, als die Einwohner 1997 die Abschaffung der Beschneidung erklärten. Seither gaben etwa 2.657 Dörfer in Senegal, Guinea und Burkina Faso ähnliche Erklärungen ab. Allerdings sollen einige Bewohner dieser Dörfer dennoch weiterhin beschneiden.[11] MigrationAls Folge der Migration aus Gebieten mit entsprechenden Traditionen kommt die Praxis heute auch in Europa und Nordamerika unter Immigranten vor. Mädchen werden im Gastland verstümmelt oder hierzu ins Herkunftsland mitgenommen. So ist bekannt, dass jährlich Hunderte bis Tausende somalische Mädchen aus Europa in Hargeysa im relativ friedlichen Somaliland beschnitten werden.[12] Laut Unicef leben drei Millionen beschnittene Frauen in Europa.[13] In Deutschland gibt es je nach Schätzungen 20.000 bis 29.000 betroffene Frauen. In der Schweiz schätzt Unicef die Zahl beschnittener Frauen auf über 6.000[14]. Die schwedische Integrationsministerin Nyamko Sabuni forderte gynäkologische Checks an den Schulen, um Beschneidungen zu verhindern.[15] In Großbritannien ist eine Belohnung von 30.000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zur Verhaftung einer Beschneiderin führen. Der Familiensenat des Karlsruher BGH entschied am 15. Dezember 2004 (unter dem Aktenzeichen XII ZB 166/03), dass der Plan einer Frau, ihre Tochter nach Gambia zu bringen – einem Land, in dem etwa 80 bis 90 % der Frauen einer Beschneidung unterzogen werden – ausreicht, ihr das Sorgerecht für das Kind zu entziehen und es in eine Pflegefamilie zu geben. In jüngerer Zeit wird drohende Verstümmelung in europäischen Ländern zunehmend als Asylgrund anerkannt. Auch in einigen außereuropäischen Ländern ist eine drohende Verstümmelung Asylgrund (siehe Literatur: Fauzija Kassindja). ReligionAm 26. Oktober 2005 veröffentlichten islamische Geistliche in Mogadischu eine Fatwa, die sich gegen die Beschneidung an Mädchen richtet.[16] Am 22. und 23. November 2006 fand in der Azhar-Universität in Kairo mit deren Oberhaupt Scheich Muhammad Sayyid Tantawi auf Initiative von TARGET und unter Schirmherrschaft des ägyptischen Großmufti 'Ali Gum'a eine Konferenz hoher islamischer Gelehrter statt. Die Versammlung verabschiedete eine Fatwa (Rechtsgutachten), in der die Verstümmelung weiblicher Genitalien als strafbares Verbrechen eingestuft und die Gesetzgeber islamischer Länder zu entsprechenden Gesetzen aufgefordert werden. Der wichtige Gelehrte Yusuf al-Qaradawi stimmte zwar zu, dass die Beschneidung nicht im Koran begründet und auch religiös nicht notwendig sei, lehnte aber als einziger ein generelles Verbot ab, weil es durch die Konferenz nicht ausreichend legitimiert sei, dazu wäre eine Verdammung durch die Islamräte notwendig. Ein Aufruf der koptischen Kirche vor fünf Jahren, dass die Genitalverstümmelung unchristlich sei, hat die Praxis unter den ägyptischen Kopten nahezu ausgerottet.[17] [18] In Kenia ist die Sekte Mungiki im Zusammenhang mit Zwangsbeschneidungen in die Medien gekommen. Kritik an den BezeichnungenDie Bezeichnung Beschneidung weiblicher Genitalien und das englischsprachige Pendant „female genital cutting“ sind gängige, aber von Menschenrechtsorganisationen und anderen Kritikern der Praxis als Euphemismus betrachtete Bezeichnungen für die oben beschriebene Praxis, da der Begriff den Vergleich mit der Beschneidung von Männern nahelegt. Die häufigste Form der männlichen Beschneidung, die Zirkumzision, ist aber gemessen an dem Ausmaß des Eingriffes nur mit der „milden Sunna“ (dem Einritzen, Einstechen oder Entfernen der Klitorisvorhaut) vergleichbar. Ein großer Teil der oben beschriebenen Eingriffe an weiblichen Genitalien ist dagegen weitaus schwerwiegender. Weniger bekannt ist, dass es bei Männern ebenfalls schwerwiegendere Eingriffe in die Genitalien als die Zirkumzision gibt, die ebenfalls mit dem Sammelbegriff der „Beschneidung“ bezeichnet werden. In Deutschland wird „Beschneidung“ meist als Synonym für „Zirkumzision“ angesehen. Andererseits wird auch die Bezeichnung Genitalverstümmelung kritisiert, da sie einerseits den Umstand und die Folgen nicht unbedingt treffend beschreibt und andererseits auch geeignet sein könnte, Betroffene als „Verstümmelte“ zu stigmatisieren. Betroffene Frauen sehen angeblich die Operation in über 90 % der Fälle nicht als eine Verstümmelung.[19] In der fachwissenschaftlichen Auseinandersetzung findet man im Englischen den neutralen, beschreibenden Begriff „female genital cutting“ bzw. „Beschneidung weiblicher Genitalien“. In den meisten popularwissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie bei Organisationen und staatlichen Einrichtungen, die die Praktik bekämpfen, findet sich dagegen der die möglichen negativen Folgen hervorhebende Begriff „Verstümmelung der (weiblichen) Genitalien“, „genitale Verstümmelung“, international oft auch die Abkürzung FGM (female genital mutilation) aus dem Englischen. Siehe auch
LiteraturWissenschaftliche Beiträge
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