Urtinktur ist ein Begriff aus der Homöopathie. Aus verschiedenen Stoffen (Pflanzen, Tieren etc.) werden durch Auszug, Mazeration, Destillation und andere Verfahren Inhaltsstoffe extrahiert, die dann als Urtinkturen deklariert und zur Herstellung homöopathischer Arzneimittel benutzt werden. Die Herstellung der Urtinkturen ist im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) geregelt.
Arzneigrundstoffe zur Herstellung homöopathischer Arzneimittel sind Stoffe im Sinne des Arzneimittelgesetzes.
Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Ausgangsmaterialien
Für die Herstellung von Urtinkturen werden in der Homöopathie die folgenden Arten von Grundsubstanzen verwendet. In den Klammern stehen jeweils typische Beispiele mit ihrem homöopathischen Fachnamen.
Siehe auch: Liste homöopathischer Grundsubstanzen
Anorganisch-mineralische Substanzen
- Natürliche einfache Minerale (Calcium carbonicum)
- Zusammengesetzte Minerale (Kalium bichromicum)
- Metalle und Metalloide (Ferrum metallicum)
- Halogene (Jodum)
- Sonstige Elemente in fester Form (Sulfur)
- Säuren (Acidum nitricum)
- Alkalien (Causticum)
- Oxide (Silicea)
- Synthetisch hergestellte oder natürliche Salze (Kalium bromatum)
Tierische Substanzen
- Insektengifte (Apis)
- Käferarten (Cantharis)
- Gifte von Schlangen und Spinnen (Lachesis, Aranin)
- Drüsenprodukte (Sepia)
- In neuerer Zeit wurden auch andere Tiere wie z. B. Vögel als Grundsubstanz verwendet
Pflanzliche Substanzen
Eine große Auswahl heimischer und exotischer Vegetabilien, frische und konservierte Pflanzenteile oder ganze Pflanzen
Nosoden
Aus krankhaften Geweben und Sekreten gewonnene Substanzen (Carcinosinum)
Sarkoden
Aus gesunden tierischen Geweben und Sekreten gewonnene Substanzen (Thyreoidinum)
Urtinktur
Als Urtinktur wird das Ausgangsprodukt für die homöopathische Arzneimittelherstellung bezeichnet. Dabei wird unterschieden:
- Die Essenz, die aus dem Frischpflanzensaft und 45-prozentigem Ethanol im Verhältnis 1:1 besteht.
- Die Tinktur, die anstelle des Saftes den alkoholischen Extrakt aus den getrockneten Pflanzen enthält.
- Die Solutionen, die aus Substanzen hergestellt werden, die in Ethanol oder in destilliertem Wasser löslich sind.
- Die Triturationen, die entstehen, wenn wasser- oder alkoholunlösliche Substanzen intensiv nach bestimmten Vorschriften verrieben werden (z. B. Metalle).
Urtinkturen sind in dem von ihrer jeweiligen Herstellungsvorschrift vorgeschriebenen Mengenverhältnis zu potenzieren.
Herstellung homöopathischer Einzelmittel (Urtinktur)
Die Herstellungsverfahren sind im Abschnitt "Allgemeine Bestimmungen" des Homöopathischen Arzneibuches (HAB) zusammengefasst. Die insgesamt 85 Vorschriften beschreiben, je nach Ausgangsstoff, die Zubereitung der Urtinktur. Als Beispiel seien genannt:
- Vorschrift 1: Mischung gleicher Teile Preßsaft und 86-prozentigem Ethanol.
- Die fein zerkleinerten Pflanzen oder Pflanzenteile werden ausgepresst und sofort mit der gleichen Gewichtsmenge 86-prozentigem Ethanol gemischt. Die Mischung bleibt mindestens 5 Tage lang bei einer 20 °C nicht übersteigenden Temperatur verschlossen und wird dann filtriert. Das Filtrat wird mit der, aus dem Trockenrückstand bzw. dessen Gehalt, errechneten Menge 43-prozentigem Ethanol gemischt. Nach mindestens 5 Tage langem Stehen lassen bei einer 20 °C nicht übersteigenden Temperatur wird, falls erforderlich, filtriert.
- Potenzierung:
- Flüssige Verdünnungen werden in Gefäßen hergestellt, deren Rauminhalt mindestens ein Drittel größer ist als die aufzunehmende Flüssigkeitsmenge. Zur Potenzierung wird nach der jeweiligen Vorschrift verdünnt und jedes mal mindestens 10mal kräftig geschüttelt. Für jede Verdünnung muss ein eigenes Gefäß [1] benutzt werden (Mehrglasmethode).
- Die 1. Dezimalverdünnung (D1) wird aus 2 Teilen Urtinktur und 8 Teilen 43-prozentigem Ethanol, die 2. Dezimalverdünnung (D2) aus 1 Teil der 1. Dezimalverdünnung und 9 Teilen 43-prozentigem Ethanol hergestellt. Entsprechend wird bei den folgenden Verdünnungen verfahren.
- Vorschrift 6: Verreibungen fester Arzneigrundstoffe mit Lactose als Arzneiträger, sofern nichts anderes angegeben ist.
- Die Verreibungen werden bis einschließlich der 4. Verdünnung durch Handverreibung hergestellt. Bei der Herstellung einer Verreibung ist die Verreibungszeit und Intensität so zu wählen, dass die Größe der Arzneigrundstoffteilchen der 1. Dezimalverdünnung zu 80% unter 10 µm liegt und kein Arzneigrundstoffteilchen größer als 50 µm ist.
- Der Arzneiträger wird in drei gleiche Teile geteilt[2] und der erste Teil in einem Porzellanmörser kurze Zeit verrieben. Nach Zugabe des Arzneigrundstoffes wird 6 Minuten verrieben, 4 Minuten mit einem Porzellanspatel abgeschabt, abermals 6 Minuten lang verrieben, wiederum 4 Minuten lang abgeschabt, dann das zweite Drittel Arzneiträger zugesetzt und weiter verfahren, wie oben angegeben. Schließlich wird der Rest des Arzneiträgers hinzugefügt und wieder in der angegebenen Weise verfahren, so dass zur Herstellung der Verreibung insgesamt mindestens 1 Stunde Arbeitszeit benötigt wird.
- Potenzierung:
- Für höhere Verdünnungsgrade als D4 wird ein Teil der Verdünnung mit 9 Teilen Lactose so verdünnt, dass in einem Porzellanmörser ein Drittel der erforderlichen Lactosemenge mit der gesamten Vorverdünnung bis zur Homogenität vermischt wird. Anschließend wird das zweite Drittel der Lactose hinzugefügt, bis zur Homogenität vermischt und mit dem letzten Drittel der Lactose in gleicher Weise verfahren.
- Vorschrift 8a: Flüssige Zubereitungen aus Verreibungen nach Vorschrift 6.
- Zur Herstellung der flüssigen Verdünnung D6 wird 1 Teil der Verreibung D4 in 9 Teilen Wasser gelöst und verschüttelt. Aus 1 Teil dieser Verdünnung wird mit 9 Teilen 30-prozentigem Ethanol die flüssige Verdünnung D6 durch Verschütteln hergestellt. In gleicher Weise wird die flüssige Verdünnung D7 aus der Verreibung D5 und die flüssige Verdünnung D8 aus der Verreibung D6 hergestellt. Die flüssigen Dezimalverdünnungen werden von D9 an im Verhältnis 1 zu 10 mit 43-prozentigem Ethanol aus den vorherigen flüssigen Dezimalverdünnungen gewonnen.
Quelle
- Homöopathisches Arzneibuch (HAB)
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