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Ursula LehrUrsula Lehr, geb. Leipold, (* 5. Juni 1930 in Frankfurt am Main) ist eine führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Erforschung und Gestaltung des Alterns und war zeitweise eine deutsche Politikerin (CDU) und Bundesministerin. Die vielseitig interessierte Psychologin gründete 1986 in Heidelberg im Auftrag der Landesregierung von Baden-Württemberg das Institut für Gerontologie und 1995 das Deutsche Zentrum für Alternsforschung (DZFA), eine Stiftung öffentlichen Rechts des Bundes und Baden-Württembergs. Von 1988 bis Anfang 1991 war Frau Lehr Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
AusbildungNach dem Abitur 1949 absolvierte Ursula Lehr ein Studium der Psychologie, Philosophie, Germanistik und der Kunstgeschichte in Frankfurt am Main und Bonn, das sie 1955 als Diplom-Psychologin beendete. 1954 erfolgte ihre Promotion zum Dr. phil. bei Hans Thomae mit der Arbeit Beiträge zur Psychologie der Periodik im kindlichen Verhalten. Sie war dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Universität Bonn tätig. Hier habilitierte sie sich 1968 mit der Arbeit "Berufs- und Lebensschicksal - die Berufstätigkeit der Frau aus entwicklungs- und sozialpsychologischer Sicht". 1969 erfolgte dann ihre Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin. Lehre und ForschungProfessorin in Köln, Bonn und Heidelberg1972 wurde sie als ordentliche Professorin auf den Lehrstuhl für Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Universität Köln berufen. 1975 folgte sie dem Ruf der Universität Bonn als Ordinaria für Psychologie. 1986 schließlich nahm sie den Ruf der Universität Heidelberg auf den ersten deutschen Lehrstuhl für Gerontologie, der wissenschaftlichen Alternskunde, an. Einer ihrer ersten Mitarbeiter war Andreas Kruse, der ab 1987 für die Altenberichte der Bundesregierung verantwortlich war und Lehrs Nachfolger in Heidelberg wurde. Lehr initiierte die öffentliche Stiftung des Deutschen Zentrums für Alternsforschung (DZFA) in Heidelberg, dessen Gründungsvorstand sie 1995 wurde. Ende 1998 emeritierte sie als Professorin der Heidelberger Universität. Von 1997 bis 1999 war Frau Lehr Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie. Lehr gilt als "Gerontologin der ersten Stunde" und als Impulsgeberin für zwei Generationen deutscher Hochschullehrer auf diesem Gebiet. Sie ist bis heute auch international für und in der Gerontologie tätig. Forschungen zu berufstätigen Frauen und zu AltenpflegeIhre ersten Forschungsthemen in den 1960er Jahren waren die Lebenssituation berufstätiger Frauen und die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer. Lehr wies nach, dass psychische Spannungen in der Lebensmitte weniger körperlich bedingt sind (Klimakterium), sondern mehr durch Rollenkonflikte in der Familie und die Tochterrolle gegenüber den alternden Eltern verbunden sind (vor allem Unterstützung in Notlagen sowie Hilfe und Pflege). Erst viele Jahre später nehmen Regierungen und die Öffentlichkeit wahr, welche Belastungen die innerfamiliäre Altenpflege verursacht, so dass die Politik nach dem Pflegeversicherungsgesetz von 1995 über weitere Hilfestellungen nachdenkt. Im Kontext der Familienpsychologie befasste sie sich ferner mit den Entwicklungschancen für Mutter und Kind, die aus gelungener Berufstätigkeit der Frau erwachsen, sowie mit den gegenseitigen Anregungen zwischen Vater und Kind. Ihre Forschungen zur Entwicklungspsychologie bestätigten den Wert einer gemeinsamen Verantwortung des Elternpaares für die Kindererziehung und das Tagesmutter-Modell. Leistungsfähigkeit im ÄlterwerdenDen zweiten Schwerpunkt ihrer Forschungstätigkeit bildete die berufliche Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer. Schon in den Jahren konnte sie die Vorteile nachweisen, die eine nach beiden Seiten flexible Altersgrenze bietet. Die berufliche Leistungsfähigkeit Älterer ist zwar mit jener der jüngeren Arbeitnehmer vergleichbar, sie sind jedoch oft Diskriminierungen im Betrieb ausgesetzt. Diese sind Ausdruck eines negativen Altersbildes sowie einer jugend-zentrierten Beschäftigungspolitik. Im Kontext dieser Forschungsprojekte stehen auch Beiträge zur Vorbereitung auf die Pensionierung sowie zur kreativen Gestaltung der nachberuflichen Zeit. Usula Lehr und Hans Thomae initiierten die erste deutsche Längsschnittstudie zum späten Erwachsenenalter, seiner psychischen Entwicklungsprozesse und der Wechselwirkung mit körperlichen und sozialen Veränderungen (Bonner Gerontologische Längsschnittstudie (BOLSA)). Die Studie lief gemeinsam mit Hans Thomae (Bonn) von 1965 bis 1987 und verwirklichte erstmals in der BRD einen interdisziplinären Ansatz der gerontologischen Forschung. Ihr zentraler Befund war der Nachweis großer Unterschiede zwischen Senioren in der Form ihres Alterns, was sich in weiteren empirischen Untersuchungen bestätigte. Lehr definiert die Entwicklung im Alter als einen Prozess, dessen Einflüsse biologisch, sozial, ökologisch und personal wirken. Der wesentliche Schluss daraus ist die „selbstverantwortliche Gestaltung des Alterns“. Als weiterführendes Forschungsthema ergab sich die Frage, inwieweit man Entwicklungsprozesse im Alter durch spezifische Formen der Intervention fördern kann. Allgemein findet Ursula Lehr: Früher waren Ältere Ratgeber, heute gibt es immer mehr entsprechende Bücher für sie. Gründung zweier ForschungszentrenUm diese Aspekte, die persönlich und gesellschaftlich immer drängender werden, umfassender erforschen zu können, gründete Frau Lehr im Zuge ihrer Berufung an die Universität Heidelberg im Jahr 1986 das Institut für Gerontologie und begann mit der Einrichtung des Aufbaustudiums der Gerontologie. Das Institut für Gerontologie konnte unter ihr rasch ein eindeutiges Forschungsprofil entwickeln und konzentrierte sich auf Entwicklungsprozesse im Alter, die Bewältigung seiner Anforderungen und Belastungen und sein Rollenbild („Altersbild“). Neben der Förderung von Alltags- und kognitiver Kompetenz wird auch die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer untersucht. 1991 erhielt das Institut den Status eines WHO-Kollaborationszentrums, was dem Austausch mit internationalen gerontologischen Institutionen starke Impulse gab und zu einigen WHO-Kongressen in Heidelberg führte. In die Lehre hat die Ordinaria einen interdisziplinären Ansatz eingeführt, der sich unter anderem in enger Kooperation mit der Geriatrie und Gerontopsychiatrie bei der Ausbildung zum Diplom-Gerontologen auswirkt. Schwerpunkte der Lehre sind neben Erkenntnissen der Grundlagen- auch jene der Interventionsforschung. Neuer Institutsleiter wurde 1997 Andreas Kruse. Lehr begann kurz nach Bestellung zur Bundesfamilien- und -gesundheitsministerin, an der Gründung eines als notwendig erachteten nationalen Zentrums für Alternsforschung DZFA zu arbeiten. Unter ihrer Leitung befasste sich Mitte November 1988 in Stuttgart der sechste Zukunftskongress „Altern als Chance und Herausforderung“ mit interdisziplinären Aspekten des Alterns. Ministerpräsident Lothar Späth griff den Vorschlag für ein deutsches Forschungszentrum auf und vereinbarte mit Bundeskanzler Helmut Kohl eine Bund-Land-Finanzierung. Schon am 28. November 1988 verabschiedete die Landesregierung Baden-Württembergs einen Grundsatzbeschluss und das Bundeswissenschaftsministerium bildete einen Arbeitskreis zur Definition des Forschungskonzepts. Im Oktober 1990 ging der Abschlussbericht an das Land Baden-Württemberg, welches im November zustimmte. Doch die Verhandlungen zur Bund-Land-Finanzierung zogen sich über Jahre, und das DZFA verdankt nur der Beharrlichkeit von Lehr seine Gründung als Stiftung öffentlichen Rechts am 30. September 1995. Als Gründungsdirektorin sorgte Ursula Lehr für eine ausgewogene Mischung zwischen interdisziplinärer Grundlagenforschung und ihrer Umsetzung in die Praxis sowie in politische Entscheidungen. Zwei Jahre später war der Ausbau von zwei der vier Institute abgeschlossen und erste Forschungsergebnisse lagen vor. Die „Abteilung für Entwicklungsforschung“ (Peter Martin) untersucht Veränderungen des Erlebens und Verhaltens im Erwachsenenalter, die Entwicklung von Kognition, Persönlichkeit und sozialer Netze. Seine Angewandte Forschung betrifft die Aufrechterhaltung körperlicher und geistiger Gesundheit bis ins hohe Alter, z. B. bei Hundertjährigen (in Deutschland etwa 10.000 Menschen; siehe auch Liste berühmter Hundertjähriger). Als erstes Großprojekt unter Lehr war die Interdisziplinäre Längsschnittstudie des Erwachsenenalters (ILSE). Diese schon seit 1992 durch zwei Ministerien geförderte Studie untersucht in Kooperation von Medizinern, Psychologen, Psychiatern und der Sportwissenschaft die Bedingungen für ein gesundes und zufriedenes Altern. Die „Abteilung für Soziale und Ökologische Gerontologie“ (Hans-Werner Wahl) erforscht Altersaspekte der Person-Umwelt-Relation mit Schwerpunkt auf dem räumlich-dinglich-technischen Umfeld alter Menschen. Konkret geht es um Wohnen, Wohnumfeld und altersgemäßes Design, sowie um die Bereitschaft der Senioren zu Mobilität (z. B. Umzug, neue Technologien). Untersucht wird auch, wie Behinderungen beim Sehen oder Gehen den Prozess des Alterns beeinflussen. Der Start der zwei jüngsten Abteilungen fiel bereits in die Kompetenz von Ursula Lehrs Nachfolgern. Die „Abteilung für Epidemiologie von Erkrankungen und funktionelle Beeinträchtigungen im Alter“ erforscht seit 1999/2000 die Häufigkeit und Risikofaktoren für Krankheiten und daraus folgende Einschränkungen. Die Abteilung für Interventions- und Rehabilitationsforschung begann zwei Jahre später ihre Tätigkeit. Seit dem Endausbau vereinigt das DZFA erstmals alle für die Gerontologie wichtigen Disziplinen unter einem Dach. Den Impuls dieser Innovation spürt die deutsche wie auch die internationale Alternsforschung. Zusätzlich hat die politische Tätigkeit von Lehr zu größerem öffentlichem Interesse an der Demografie und zu mehr Verständnis von normalen Alternsprozessen geführt. FamilieUrsula Lehr ist verwitwet und hat zwei Söhne aus erster Ehe. Sie war zweimal verheiratet. Ein großes Anliegen ist ihr eine Änderung des "Altersbildes", da unsere Gesellschaft trotz ihrer zunehmenden Überalterung ein stark "jugendzentriertes" Rollenbild hat. PolitikSeit 1986 ist Lehr Mitglied der CDU. Im Jahr 1990 wurde sie für vier Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages, für den sie auf der Landesliste Hessen kandidiert hatte. Politisch relevant wurden vor allem ihre Arbeiten zur Berufstätigkeit der Frau und die Rückwirkungen auf die Gesundheit, sowie zur Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer. Damit qualifizierte sie sich in besonderer Weise für ihr späteres Amt als Bundesfamilien- und -gesundheitsministerin. Bundesministerin und öffentliche ÄmterAm 9. Dezember 1988 wurde sie als Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen. Als bekannte Gerontologin gelang ihr vor allem ein Ausbau der Seniorenpolitik. Im Laufe des Jahres 1989 geriet sie in harte Kontroversen mit ihrer CDU/CSU-Bundestagsfraktion, als sie Kinderbetreuung für unter Dreijährige forderte („Krabbelstuben“). Sie argumentierte mit der starken Zunahme von Einzelkindern, bei deren Entwicklung der soziale Einfluss von Geschwistern fehlt (siehe auch Familienpolitik und soziale Rolle). Nach der – ersten gesamtdeutschen – Bundestagswahl 1990 wurde das Bundesministerium geteilt, und Lehr schied am 18. Januar 1991 aus der Bundesregierung aus. Ihre Nachfolgerin wurde Hannelore Rönsch (CDU), die das nunmehrige Bundesministerium für Familie und Senioren von 1991 bis 1994 leitete. Ursula Lehr war seit 1988 treibende Kraft zur Gründung des Deutschen Zentrums für Alternsforschung (DZFA), Heidelberg) und wurde 1995 Gründungsdirektorin dieser Stiftung. Seit Oktober 1997 ist sie Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG). Ehrungen
Siehe auch
LiteraturLehr leistete wichtige Beiträge zur qualititativen Psychologie, zur Gerontologie, zur Intelligenz des Alters, insbesondere zur Rolle der Frau in Beruf, Familie und Ehe.
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