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Tumorgenetik



Die Tumorgenetik beschäftigt sich mit den genetischen Grundlagen bei der Entstehung von Tumoren.


Inhaltsverzeichnis

Chromosomale Aberrationen bei Tumoren

Im folgenden wird zuerst ein summarischer Überblick über verschiedene Formen chromosomaler Alterationen im allgemeinen und Translokationen im Besonderen und der beteiligten codierenden Regionen bei Tumoren gegeben, sodann wird speziell auf die Situation bei lymphatischen Leukämien eingegangen.

Reciproke Translokationen sind für Leukämien und Lymphome typisch, bei soliden Tumoren die Ausnahme. Generell betrachtet sind Translokationen ein Charakteristikum von ca 3% aller Tumoren. Bei insgesamt 14000 verschiedenen karyotypischen Veränderungen bei Neoplasien sind über 100 recurrente Translokationen beschrieben worden. Neben den Translokationen finden sich noch andere typische chromosomale Alterationen bei Tumoren.

Chromosomale Deletionen und Tumor Suppressor Gene

Konsistente chromosomale Deletionen sind schon früh als Inaktivierung von normalerweise diploiden Suppressorloci interpretiert worden. Sie sind charakteristisch für ca 20 verschiedene Tumoren. Bei einigen Tumoren ist die Amplifikation einzelner Gene beschrieben worden nicht selten wird eine Polyploidie beobachtet und die Prädisposition von Menschen mit Down-Syndrom für Leukämien ist schon lange bekannt. Komplexe und bislang wenig verstandene Mechanismen der Tumorentstehung finden sich bei dem Phänomen des genetischen Imprintings und betreffen einige wenige Tumoren und verschiedene hereditäre Entwicklungsstörungen und vererbliche neurologische Erkrankungen.

Chromosomale Deletionen und der Verlust der Heterozygosität (Allelverlust) für (tumorsupprimierende) Loci sind das Kennzeichen von Coloncarcinom, Wilms-Tumor, Retinoblastom und der Neurofibromatose Recklinghausen.

Coloncarcinom

Beim Coloncarcinom sind eine Reihe von mutierten Loci identifiziert worden, die für sukkzessive Stadien der Erkrankung verantwortlich zu sein scheinen, unter anderem das N-CAM (neuronal cell adhesion molecule) Homolog DCC (Deleted in Colorectal Carcinoma) und das GAP (GTPase activierende Protein) Homolog MCC (Mutated in Colorectal Carcinoma). Vermutlich findet beim colorectalen Karzinom eine durch akkumulierende Mutationen angetriebene clonale Evolution der Tumorzellpopulation statt. Der Übergang vom normalen zum hyperproliferativen Epithel ist demnach gekennzeichnet durch einen Verlust der Heterozygosität des APC-Gens (adenomatous polyposis coli-gene) auf dem Chromosom 5q. Im zweiten Schritt erfolgt vermutlich eine Hypomethylierung der DNA, welche ein Frühadenom produziert, gefolgt von einer Aktivierung des ki-ras-Gens auf dem Chromosom 12p, was ein intermediäres Adenom erzeugt und ein Verlust des DCC-Gens auf dem Chromosom 18q, wodurch das Stadium eines späten Adenoms eingeleitet wird. Der Übergang zur Malignität des Colontumors ist vermutlich gekennzeichnet durch Mutationen im p53-Gen auf Chromosom 17p.

Retinoblastom

Das Retinoblastom ist ein teilweise hereditärer Netzhauttumor. Kinder mit einer Keimbahnmutation im RB-1 Lokus auf dem Chromosom 13q14 haben ein 95%-Risiko einen Tumor ihrer Netzhaut (meistens in beiden Augen) zu entwickeln und ein 10%-Risiko Osteo- oder Fibrosarcome zu bekommen. Die selteneren einäugigen Retinoblastome haben eine somatische Mutation beider RB-1-Allele in einer einzigen Retinazelle. Der Retinoblastom-Suscebilitätslokus auf dem Chromosom 13q14 entspricht einen 180 kb großen Gen mit 27 Exons und zwei sehr großen Introns von jeweils 35 und 70 kb und codiert für ein 4.7 kb großes Transkript. Der open reading frame erlaubt die Vorhersage eines 110kD-Protein aus 928 AS6.

Das RBI-Gen codiert für ein nucleäres Phosphoprotein, das gleichzeitig für Transkriptionskontrolle und Zellzyklus verantwortlich ist7. Dabei bindet intaktes RBI-Produkt, das p110RB1-Protein, virale transformierende Proteine, wie Tag und E1A. Die Mutation des RB1-Genes inaktiviert diese T-Bindungsstellen. Die Aktivität von p110 während des Zellzyklus ist abhängig von seiner Dephosphorylierung. Inaktiviert wird p110 durch phosphorylierende Aktivität einer p34cdc-2-verwandten Kinase. Bindung von E1A und Dephosphorylierung werden beide durch die tumorinduzierende RB-Mutation verhindert.

Neurofibromatose Typ 1

Der NF-1 Lokus in I7qll.2 umspannt ca 400 kb und codiert für ein GAP8. Die mutierende Region liegt in einem ca 40 kb großen Intron, das drei Gene in entgegengesetzter Leserichtung zum NFI-Gen enthält. Diese sind: OMPG, ein membrangebundenes Glycoprotein des Oligodentrozytenmyel ins, sowie EVI2a und EVI2b, die für virale Insertionssequenzen codieren. Am NFI-Lokus sind Translokationen (1;17) und (17;22), Deletionen, Insertionen und Punktmutationen beschrieben worden. Die ca 9 Exons des NFI-Gens codieren für ein Ilkb großes Transkript. Ein ca 7.8kb großer ORF des genomischen Lokus erlaubt die Ableitung eines Peptides mit ca 2500 AS. Dieses Peptid zeigt Sequenzhomologien mit dem von Säugetieren bekannten GAP (GTPase aktivierendes Protein) und den IRAI und IRA2 Genen der Hefe. Die GAP-verwandte Domne des NFI-Peptids zeigt in vitro eine Bindung an das ras p21-Protein und stimuliert dabei die GTPase-Aktivität von p21. Wenn GTPasen durch ihr GAP aktiviert werden, dann hydrolysieren sie das gebundene GTP zu GDP und sind als solche nicht mehr in der Lage ihren Effektor zu stimulieren. Dieser Effektor ist im Falle von ras p21 ein über den Phosphatidylinositol-Pfad vermitteltes mitogenes Signal.Ein defektes GAP kann ein von ras p21 übertragenes mitogenes Signal also nicht mehr abschalten.

p53

p53 ist ein Tumor Suppressor Gen, da es verantwortlich für die Entscheidung ist, ob eine defekte Zelle repariert werden kann, oder der Apoptose zugeführt wird. Es bindet SV40 large T antigen und inhibiert dessen Helicase-Aktivität. Vermutlich binden p53-Mutanten in vivo ein celluläres Homolog von SV40 large T und initiieren so DNA-Replikation und den Eintritt der Zelle in die S-Phase. p53 hat wahrscheinlich eine Funktion in der Bildung des Replikations-Initiations Komplexes in der späten GI-Phase des Zellzyklus9. Akkumulierende p53 Mutationen in den Codons ca 270 sind bei einer Reihe von Tumoren beschrieben worden und werden für einen fortschreitenden Verlust der Proliferationskontrolle verantwortlich gemacht.

Wilms-Tumor

Das WT1-Gen ist Tumorsurpressorgen, ähnlich dem p53, wird jedoch nicht ubiquitär exprimiert. Es encodiert einen Transkriptionsfaktor (Zinkfinger). Die genaue Funktion in der Tumorgenese ist noch unklar.

Chromosomale Translokationen bei soliden Tumoren

Ca. 15 verschiedene typische Translokationen sind bei soliden Tumoren beschrieben worden. Jüngst sind die ersten Bruchpunktklonierungen bei soliden Tumoren vorgenommen worden. Dabei wurden im Falle des malignen Liposarkoms, des Ewingsarkoms und des juvenilen alveolären Rhabdomyosarkoms Fusionsgene gefunden. Die Liste der soliden Tumoren mit konsistenten Translokationen ist kurz aber vielversprechend, da auch häufiger vorkommende Tumoren dabei sind:

Adenocarcinom der Mamma: t(1)
Gliom: t(19)
Ewingsarkom: t(11;22)
Leiomyom des Uterus: t(12;14)
Lipom: t(3;12) t(6) t(12)
myxoides Myosarkom: t(12;16)
Melanom: t(1) t(1;6) t(1;19) t(6) t(7)
Myxoides Chondrosarkom: t(9;22)
Maligne Histiocytosis: t(2;5)
Ovarielles Adenocarcinom: t(6;14)
Pleomorphes Adenom: t(3;8) t(9;12) t(12)
Nierenzellcarcinom: t(3;8)
Alveoläres Rhabdomyosarcom: t(2;13)
Synovialzellsarcom: t(X;18)11

Ewingsarcom

Beim Ewingsarkom mit der consistenten chromosomalen Translokation t(11;22)(q24;q12) ist am Bruchpunkt ein Fusionsgen aus dem ets-Oncogen und einer DNA-bindenden Domäne gefunden worden.

Rhabdomyosarkom

Beim Rhabdomyosarkom mit der Translokation t(2;13)(q35-37;q14) ist das paired box Gen PAX3 alteriert.

Liposarkom

Beim malignen Liposarcom mit der Alteration t(12;16)(q13;qll) ist ein Fusionsgen aus dem Gen für den dominant negativen Transkriptionsfaktor CHOP und dem Glycin-reichen FUS-Gen beschrieben14. CHOP gehört zur Familie der basischen Zipper, besitzt allerdings keine basische DNA-Bindungsdomäne und behält als Fusionsprotein mit FUS seine Leucinzipper-Region, welche zur Heterodimerisation mit anderen bekannten Transkriptionsfaktoren dient.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Tumorgenetik aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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