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Tiefe Hirnstimulation



Die Tiefe Hirnstimulation ist ein medizinischer Eingriff in das Gehirn, mit dem krankheitsbedingte Fehlleistungen korrigiert werden sollen. Dabei wird dem Patienten ein "Hirnschrittmacher" implantiert, der über subkutan verlegte Elektrodenleitungen mit minimalen elektrischen Impulsen die fehlgesteuerten Hirnregionen stimuliert.


Inhaltsverzeichnis

Anwendungsgebiete

Die Methode wird gegenwärtig bei der Behandlung verschiedener Bewegungsstörungen angewendet, wie den Symptomen der Parkinson-Krankheit, essentiellem Tremor, Tremor bei Multipler Sklerose sowie Dystonie.

Die Tiefenhirnstimulation und ihre Anwendungsgebiete sind Gegenstand aktueller Forschung:

  • Depression: Ganz neu ist die experimentelle Anwendung der tiefen Hirnstimulation bei der Depression [1]. Erste interessante Resultate bei sehr kleinen Gruppen von therapieresitenten Patienten zeigten sich bei einer Stimulation der subgenualen Area cg25 [2] und dem Nucleus accumbens [3].
  • Parkinson: Forscher des Forschungszentrums Jülich und der Universität Köln arbeiten an der Entwicklung eines Hirnschrittmachers, der die Parkinson-Symptome nicht nur unterdrücken, sondern sie korrigieren und das Gehirn wieder normal funktionieren lassen soll. [4] Für diese Idee erhielten sie 2005 den Erwin-Schrödinger-Preis.
  • Epilepsie, Zwangsstörung, Cluster-Kopfschmerz: Neu und noch im experimentellen Stadium ist die Verwendung der Tiefenhirnstimulation in der Therapie von Epilepsie, Zwangsstörung oder Cluster-Kopfschmerz [5][6].


Funktionsweise

 

Als Steuerelement dient ein kleiner batteriegetriebener und chipgesteuerter Impulsgeber, der unter der Haut der Brustmuskulatur eingesetzt wird. Die Elektroden werden durch kleine Löcher in der Schädeldecke in die Zielregion der Basalganglien der linken und rechten Gehirnhälfte eingeführt.

Bei der Behandlung von Parkinson wird der der Nucleus subthalamicus angesteuert, bei essentiellem Tremor der Thalamus ventralis und bei Dystonie der Globus pallidus. Eine Studie der Universitätskliniken Köln und Bonn zur Wirksamkeit bei Depression untersucht die Stimulation des Nucleus accumbens.[7]

Die Funktionsweise der Tiefenhirnstimulation im Detail ist bisher ungeklärt.[7]


Operation

In Deutschland werden an rund 30 Kliniken jährlich etwa 400 Hirnschrittmacher implantiert.

Die Operation erfolgt in zwei Schritten. Im ersten, werden dem Patienten in einer stereotaktischen Operation kleine Löcher in die Schädeldecke gebohrt, durch die die Elektroden in das Gehirn eingeführt werden. Dabei ist der Patient bei vollem Bewusstsein. Nur so kann mit Hilfe von Teststimulationen die Wirksamkeit der einzelnen Elektroden und damit deren exakte Lage überprüft werden. Der Impulsgenerator (Hirnschrittmacher) wird entweder während dieses Eingriffs oder in einer zweiten, kürzeren Operation am Folgetag implantiert.

Die Implantation ist reversibel.


Wirkungen

Inzwischen sind weltweit über 35.000 Patienten mit der Tiefen Hirnstimulation behandelt worden.[7] Die Wirkung ist zumeist positiv. Die Symptome werden deutlich reduziert und die Medikation kann zurückgefahren werden.

Einer gelungenen Operation können jedoch eine vorübergehende oder länger andauernde Dysarthrie oder ein meist auf ein Jahr begrenztes manisches Verhalten mit inadäquat gehobener Stimmung, abnormer Antriebssteigerung, materiellem Verschwendungsverhalten und starker Einschränkung der persönlichen Leistungsfähigkeit folgen. [8]

Patienten mit erfolglos verlaufener Operation können depressiv werden. [9]


Ethische Diskussion

Da die genaue Wirkungsweise im Gehirn unbekannt ist und es offensichtlich möglich ist, Stimmung und Verhalten zu beeinflussen (Depression, Zwangsstörung), ist die Tiefenhirnstimulierung auch Gegenstand ethischer Diskussionen. Ein weiterer Punkt ist die Debatte um technische Verbesserungen des Menschen (z.B. gesteigerte Kreativität) und bidirektionale Mensch-Maschine-Schnittstellen.[7]


Literatur

  • Ralph Erbacher: Analyse des Einflusses der Stimulationsfrequenz auf den cerebralen Ruheblutfluss bei Patienten mit essentiellem Tremor und tiefer Hirnstimulation im VIM-Thalamus : eine H2-15O-PET-Studie. München, Techn. Univ., Dissertation 2003
  • Isabella Maria Henriette von Falkenhayn: Untersuchungen des regionalen zerebralen Blutflusses bei tiefer Hirnstimulation zur Therapie der Akinese bei Morbus Parkinson. München, Techn. Univ., Dissertation 2000
  • Eleni-Ioanna Anthogalidis: Standardisierter Dokumentationsbogen für endoskopisch stereotaktische Operationen in der Neurochirurgie. Görich & Weiershäuser, Marburg 1998, ISBN 3-89703-224-4
  • Jose M. R. Delgado: Gehrinschrittmacher. Direktinformation durch Elektroden. Ullstein, Frankfurt 1971, ISBN 3-550-07024-1
  • Gabi Pötzsch: Leben voller Hoffnung: Erfahrungen einer Patientin mit Hirnschrittmacher. Frieling, Berlin 2005, ISBN 3-8280-2232-4
  • Helmut Dubiel: Tief im Hirn. Kunstmann Verlag, München 2006, ISBN 3-88897-451-8
  • Tass, P.A.; Majtanik, M.: Long-term anti-kindling effects of desynchronizing brain stimulation: a theoretical study. Biological Cybernetics 94, 58-66, 2006
  • Tass, P.A.; Klosterkötter, J.; Schneider, F.; Lenartz, D.; Koulousakis, A.; Sturm, V.: Obsessive-compulsive disorder: Development of demand-controlled deep brain stimulation with methods from stochastic phase resetting. Neuropsychopharmacology 28, 27-34, 2003
  • Hauptmann, C., Popovych, O.; Tass, P.A.: Effectively desynchronizing deep brain stimulation based on a coordinated delayed feedback stimulation via several sites: a computational study. Biological Cybernetics 93, 463-470, 2005

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Schlaepfer T.E,. et al.: Deep brain stimulation for treatment of refractory depression. Lancet (2005)‚ 366(9495): PMID 16243078.
  2. Mayberg HS, Lozano AM, Voon V, McNeely HE, Seminowicz D, Hamani C, Schwalb JM, Kennedy SH.: Deep brain stimulation for treatment-resistant depression. Neuron (2005)‚ 45(5): PMID 15748841.
  3. Schlaepfer TE, Cohen MX, Frick C, Kosel M, Brodesser D, Axmacher N, Joe AY, Kreft M, Lenartz D, Sturm V..: Deep Brain Stimulation to Reward Circuitry Alleviates Anhedonia in Refractory Major Depression. Neuropsychopharmacology (2007)‚ PMID 17429407.
  4. Handelsblatt: Gezielt aus dem Takt gebracht
  5. Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Leitlinie Clusterkopfschmerz.
  6. Leone M,. et al.: Hypothalamic stimulation for intractable cluster headache: long-term experience. Neurology (2006)‚ 67(1): 150-2 PMID 16832097.
  7. a b c d Kommt die gesteuerte Persönlichkeit?, Tanja Krämer, Spektrum der Wissenschaft 9/07 S42 ff
  8. M. Ulla et al: Manic behaviour induced by deep-brain stimulation in Parkinson's disease: evidence of substantia nigra implication?, in: Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 2006; 77: S. 1363-1366
  9. Helmut Dubiel: Tief im Hirn. Kunstmann Verlag, München 2006
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