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Therapie der SchizophrenieDie Schizophrenie ist eine weltweit verbreitete Erkrankung und tritt über die gesamte Lebenszeit eines Menschen mit einem Risiko in der Größenordnung von 1% auf. [1] Die meisten Patienten erkranken vor dem 35. Lebensjahr. Zu den charakteristischen Merkmalen der Erkrankung gehören die sogenannten Erstrangsymptome nach Kurt Schneider. Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Dem Krankheitsbeginn geht üblicherweise eine mehrjährige Prodromalphase voran. Dieser Artikel beschreibt eine Zusammenfassung aller Behandlungsmethoden der Schizophrenie anhand des DGPPN-Leitfadens. Weiteres empfehlenswertes FachwissenDGPPN-Leitlinien zur Behandlung der SchizophrenieDie Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) gibt seit etwa 10 Jahren Leitlinien für die Behandlung seelischer Störungen heraus. Der erste Band der Leitlinien behandelte das Thema Schizophrenie und erschien 1998. Die aktuelle ausführliche Version der „S3-Praxisleitlinie in Psychiatrie und Psychotherapie“ für die Behandlung der Schizophrenie erschien im Jahre 2006 und fasst den Stand der gesamten wissenschaftlichen Therapieforschung zur Schizophrenie bis Ende 2004 zusammen.[2] Die Empfehlungen des Leitfadens wurden als evidenzbasierte Konsensusleitlinie erarbeitet. Bei der Leitlinie handelt es sich nicht um eine Richtlinie im standesrechtlichen Sinne, die eine verbindliche Regel vorschreibt, sondern um eine Stellungnahme, die zur Information dient. Sie ist eine Therapieleitlinie, die allen Anforderungen einer systematischen Erstellung entspricht:
AutorenDie verantwortlichen Herausgeber der Leitlinien sind Wolfgang Gaebel (Universität Düsseldorf) und Peter Falkai (Universität des Saarlandes). Der Expertengruppe der Autoren gehören 11 Hochschullehrer an. Zur Konsensusgruppe gehören 19 Personen, unter ihnen sechs Ärzte, Mitarbeiter der nichtärztlichen Therapeuten (Sozialarbeit, Ergotherapie, Krankenpflege und klinische Psychologie), ein Vertreter der Krankenhausleitungen, ein Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation, zwei Patientenvertreter (Bundesverband Psychiatrieerfahrener und Aktion psychisch Kranke) und eine Vertreterin der Angehörigenverbände. Für die Konsensusrunde waren auch Vertreter der überörtlichen Sozialhilfeträger und der Gesellschaft für Familienmedizin eingeladen. Diese haben sich allerdings an dem Konsensusprozess zur Erstellung der Leitlinien nicht beteiligt. Zwei ärztliche Vertreter der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften haben den Konsensusprozess moderiert. MethodenMitarbeiter aus dem Referat Qualitätssicherung der DGPPN bildeten die Projektgruppe, die die Leitung übernahm. Die Expertengruppe verfasste die einzelnen Kapitel der Leitlinien. In den Konsensusrunden wurde über jede Empfehlung der Expertengruppe abgestimmt. Die Grundlage der Empfehlungen war eine ausgewählte und strukturierte Literaturrecherche. Dabei wurden insgesamt 580 wissenschaftliche Studien ausgewertet. Nach dem Erstellen der Leitlinien wurden diese extern begutachtet und im Internet veröffentlicht, um Fachkreisen und Laien die Möglichkeit einer Kommentierung vor dem Abschluss der Arbeit zu geben. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, waren Vertreter der Pharmaindustrie von der Erstellung der Leitlinien ausgeschlossen. Die Leitlinien haben Gültigkeit bis zum Jahr 2008. Bei der Abfassung wurden bestehende Leitlinien vor allem aus dem englischsprachigen Ländern berücksichtigt. Die Leitlinie wurde vollständig aus Mitteln der DGPPN finanziert. Der Methodenreport der S3-Leitlinie kann im Internet eingesehen werden [3]. Evidenzebenen und EmpfehlungsstärkenEine Behandlungsmethode erhält in den Leitlinien der DGPPN eine Bewertung im Sinne einer Empfehlung mit drei Stärken (Note A, B und C). Dabei werden der Empfehlung Evidenzkriterien zugrunde gelegt. Wenn zum Beispiel eine Behandlungsmethode in einer Meta-Analyse als wirksam beurteilt wurde, und in dieser Studie mindestens drei randomisierte kontrollierte Studien zusammengefasst wurden, dann erhält die Behandlungsmethode den höchsten Empfehlungsgrad (Note A). EvidenzebenenDie Evidenz-Ebenen werden wie folgt definiert:
EmpfehlungsstärkeAufgrund der vorhandenen Evidenzen, die aus der Analyse der bis Ende 2004 publizierten wissenschaftlichen Studien abgeleitet werden, ergibt sich nach folgenden Regeln die Empfehlungsstärke:
Good Clinical PracticeWenn es für eine Behandlungsmethode keine experimentellen wissenschaftlichen Studien gibt, diese nicht möglich sind oder nicht angestrebt werden, das Verfahren aber dennoch allgemein üblich ist und innerhalb der Konsensusgruppe eine Übereinkunft über das Verfahren erzielt werden konnte, so erhält diese Methode die Empfehlungsstärke Good Clinical Practice (GCP). ReferenzenDie Definition der Evidenzebenen und die Regeln für die Empfehlungsstärke wurden von der US-amerikanischen „Agency for Health Care Policy and Research“[4] des amerikanischen Gesundheitsministeriums erstellt und liegt auch der britischen Schizophrenie-Leitlinie des „National Institute for Clinical Excellence“ (NICE)[5] zugrunde. Inhalt der LeitlinienDie Leitlinien zur Schizophreniebehandlung liegen in drei Versionen vor: als ausführliche Langversion, als übersichtliche Kurzversion und in Form von einprägsamen Algorithmen. Die Kurzfassung der Leitlinie kann im Internet eingesehen werden [6]. Sie gliedern sich in acht Untergruppen: Allgemeine GrundlagenIn den allgemeinen Grundlagen der Behandlungsleitlinie Schizophrenie wird das Ziel dieser Leitlinie als Hilfe zur Entscheidungsfindung definiert. Sie stellen keine verbindlichen Vorgaben für die Behandlung der Schizophrenie dar. Die Definition des Gegenstandes der Leitlinie, der Schizophrenie, wird anhand der Kriterien des ICD zusammengefasst. Es werden die allgemein anerkannten Daten zur Epidemiologie referiert: Lebenszeitprävalenz weltweit zwischen 0,5 und 1,6 %, bevorzugtes Erkrankungsalter zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr, Männer erkranken 3 bis 4 Jahre früher als Frauen, das Lebenszeitrisiko ist bei beiden Geschlechtern gleich, Patienten mit einer Schizophrenie haben eine niedrigere Lebenserwartung. Zu Verlauf und Prognose wird vor allem auf die initiale Prodromalphase hingewiesen und die Tatsache betont, das 20% der Patienten vollständig geheilt werden können. Als Risikofaktoren gelten vor allem: familiäre Vorbelastung, männliches Geschlecht, verzögerter Krankheitsbeginn, kognitive Dysfunktion, niedrige prämorbide Intelligenz, Negativsymptomatik, schlechte prämorbide soziale Anpassung, fehlende stabile Partnerbeziehung, psychosozialer Stress, belastendes familiäres Klima, Geburtskomplikationen und ethnischer Minderheitenstatus. Als ätio-pathogenetisches Grundkonzept wird das Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell der Schizophrenie in Anlehnung an Zubin angenommen. Zu den Kosten der Erkrankung wird angemerkt, das etwa 30 % der Behandlungskosten bereits im ersten Jahr der Erkrankung entstehen und die Gesamtkosten der Erkrankung denen somatischer Volkskrankheiten vergleichbar sind (in Deutschland bis zu 14.000€ pro Patient und Jahr). Diagnostik und KlassifikationDie Diagnose der Erkrankung soll nach operationalisierten Kriterien erfolgen. Dabei nimmt man folgende Leitsymptome an:
Für die Diagnosestellung gilt folgende Regel:
Bei der Diagnosestellung soll die Schizophrenie gegen andere psychotische Störungen abgegrenzt werden. Zur Sicherung der Diagnose und zur Ausschluss von Begleiterkrankungen sollen körperliche, testpsychologische und technische Untersuchungen durchgeführt werden. Die diagnostischen Leitlinien haben aufgrund der Studienlage keinen Empfehlungsgrad. Sie gelten als GCP. Allgemeine TherapieDie Empfehlungen zu allgemeinen Behandlungsprinzipien umfassen einen Gesamtbehandlungsplan im Rahmen eines multiprofessionellen Teams und phasenspezifische Behandlungsziele (multimodales sozialpsychiatrisches Behandlungskonzept). Die phasenspezifischen Behandlungsziele beziehen sich auf die Therapieziele in der Akutphase, in der postakuten Stabilisierungsphase und in der Remissionsphase der Erkrankung. Zu den allgemeinen Behandlungsprinzipien gibt es keine wissenschaftlichen Studien. Sie gelten deshalb als GCP. Pharmakologische und andere somatische BehandlungsverfahrenAllgemeine Empfehlungen zur Pharmakotherapie beziehen sich auf die Integration der medikamentösen Therapie in einen Gesamtbehandlungsplan, die Aufklärung des Patienten und die Festlegung eines klinischen Zielsyndroms. Andere somatische Verfahren, wie EKT und rTMS haben eine enge Anwendungsvorgabe (Indikation). Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie unterteilen sich in die Gruppen der
Die phasenspezifische Therapie umfasst die Behandlung der Akutphase, der Rezidivprophylaxe und der Langzeittherapie. Bei der medikamentösen Behandlungsresistenz werden Empfehlungen bezüglich Umstellung, Kombinationsbehandlung und Einsatz der EKT gemacht. Beim Umgang mit Nebenwirkungen werden vor allem die Aspekte der extrapyramidalen Nebenwirkungen, der unerwünschten metabolischen Wirkungen der Neuroleptika und der Kontrolluntersuchungen bei Dauertherapie besprochen. Bei der medikamentösen Therapie gibt es eine Reihe von Empfehlungen mit Grad A. Zu ihnen gehören:
Psychotherapeutische InterventionenZu den psychotherapeutischen Interventionen bei der Behandlung der Schizophrenie zählen Psychoedukation, Kognitive Verhaltenstherapie, Familieninterventionen, Training sozialer Fähigkeiten, kognitive Rehabilitationsverfahren, psychodynamische und psychoanalytische Verfahren, Gesprächstherapie, Ergotherapie und weitere Therapieformen, wie Kunst- und Musiktherapie. Bezüglich der psychotherapeutischen Interventionen bei einer Schizophrenie gibt es in den S3-Leitlinien nur wenige Empfehlungen mit Empfehlungsstärke A:
Hilfesysteme und soziotherapeutische InterventionenDie Hilfesysteme und soziotherapeutische Interventionen betreffen:
Empfehlungsstärke A erhalten hierbei:
Behandlung unter besonderen BedingungenZur Behandlung unter besonderen Bedingungen zählen
Zu diesem Bereich gibt es nur drei Empfehlungen mit Empfehlungsgrad A:
Kosten-Effektivität der BehandlungZur Kosteneffektivität der Behandlung der Schizophrenie gibt es trotz zahlreicher Studien keine Studie mit Evidenzebene Ia. Die Kosteneffektivität atypischer Antipsychotika konnte in zahlreichen neueren Studien nicht mehr repliziert werden. ZusammenfassungDie S3-Behandlungsleitlinien zur Schizophrenie der DGPPN spiegeln den Stand der wissenschaftlichen Therapieforschung zur Schizophrenie bis zum Jahr 2004 einschließlich wieder. Bemerkenswert ist dabei die geringe Zahl der Empfehlungen mit Empfehlungsgrad A. Sie liegt unter dreißig von 170 Empfehlungen. Dabei sind viele Grad-A-Empfehlungen sehr allgemeiner Natur, etwa das Antipsychotika Mittel der Wahl sind und kontinuierlich gegeben werden sollen. Es gibt nur sehr wenige hochspezifische Grad-A-Empfehlungen, wie etwa die Gabe von Clozapin bei chronischer Suizidalität, oder die Dosierempfehlung für Haloperidol. Dies zeigt vor allem, wie schwierig es ist, im Falle der Schizophrenie randomisierte kontrollierte Studien durchzuführen. Es zeigt aber auch, das viele Maßnahmen schlecht oder überhaupt nicht untersucht sind (Kunsttherapie) oder eine nur geringe oder überhaupt keine Wirkung haben (Psychoanalyse). Es ist evident, das sich hier neben der Frage der Kosteneffektivität der Behandlungsmaßnahmen auch die Frage der Auswahl wirklich wirksamer Verfahren stellt und die Notwendigkeit der gezielten Therapieforschung. Siehe auch
Quellen
Kategorien: Schizophrenie | Therapie |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Therapie_der_Schizophrenie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |