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Synthetische BiologieDie Synthetische Biologie ist ein Fachgebiet im Grenzbereich von Molekularbiologie, organischer Chemie, Ingenieurwissenschaften, Nanobiotechnologie und Informationstechnik. Sie kann als „die neuste Entwicklung der modernen Biologie“ betrachtet werden. [1] Im Fachgebiet Synthetische Biologie arbeiten Biologen, Chemiker und Ingenieure zusammen, um biologische Systeme zu erzeugen, die in der Natur nicht vorkommen. Der Biologe wird so zum Designer von einzelnen Molekülen, Zellen und Organismen, mit dem Ziel biologische Systeme mit neuen Eigenschaften zu erzeugen. [2][3][4] Dabei werden verschiedene Strategien verfolgt:
Im Unterschied zur Gentechnik werden nicht nur z. B. einzelne Gene von Organismus A zu Organismus B transferiert, sondern das Ziel der synthetischen Biologie ist es komplette künstliche biologische Systeme zu erzeugen. Diese Systeme sind der Evolution unterworfen, können aber bis zu einem gewissen Grad „Mutationsrobust“ gemacht werden. [5] Weiteres empfehlenswertes FachwissenGeschichteBereits 1912 veröffentlichte der Franzose Stéphane Leduc eine Arbeit zum Thema synthetische Biologie: „La Biologie Synthétique“. 1978 schrieb Waclaw Szybalski in seinem Kommentar zum Nobelpreis in Medizin für die Arbeiten von Werner Arber, Daniel Nathans und Hamilton Smith [6] über Restriktionsenzyme: The work on restriction nucleases not only permits us easily to construct recombinant DNA molecules and to analyze individual genes but also has led us into the new era of synthetic biology where not only existing genes are described and analyzed but also new gene arrangements can be constructed and evaluated.[7] 1980 verwendete die Wissenschaftsjournalistin Barbara Hobom den Begriff bei der Beschreibung rekombinanter Bakterien als Synonym für die Anwendung gentechnologischer Methoden. [8] 2000 bezeichnete Eric Kool auf dem Jahrestreffen der American Chemical Society in San Francisco die Integration künstlicher chemischer Systeme in Lebewesen als „Synthetische Biologie“. [9] und etablierte damit das heutige Verständnis dieses Begriffs. 2004 fand die Erste internationale wissenschaftliche Konferenz zur synthetischen Biologie statt: SB 1.0 2007 beantragten Forscher des J. Craig Venter Institute (Rockville, Maryland) in den USA Patentschutz für einen Set von ca. 400 Genen, die ein im Labor konstruiertes Bakterium „betreiben“ sollen. Laut Patentantrag sollen die eigenen Gene des Bakteriums zunächst entfernt und anschließend die im Labor zusammengestellten Gene eingebracht werden, mit dem möglichen Ziel, Wasserstoff oder Ethanol zu produzieren. [10] Konstruktion von DNADie Abwandlung des Konstruktionsprinzips der natürlichen DNA und ihr Verhalten in Bakterien führte einerseits zur Revision einiger Modellvorstellungen und ergab andererseits eine neue Diagnosemöglichkeit für Aids und Hepatitis (branched DNA diagnostic assay). Ein neues RückgratUm die Möglichkeiten zu erforschen, Gene mit Hilfe der Antisensetechnik gezielt auszuschalten, wurde in den 1980er Jahren mit modifizierter DNA experimentiert. Da das Rückgrat eines Polynukleotidstranges aus stark wasseranziehenden (hydrophilen) Bausteinen (Phosphat und Zucker (bei der DNA Desoxyribose) besteht, mussten diese durch fettanziehende (lipophile) Bausteine ersetzt werden, um die Moleküle durch die innere, lipophile Schicht der Zellmembran hindurchschleusen zu können. Man ging dabei davon aus, dass das veränderte Rückgrat keine Auswirkung auf die Erkennung der komplementären Basen durch die Polymerasen hat. Der Ersatz der Rückgratbausteine führte aber zu so vielen fehlerhafter Basenpaarungen bei der Verdopplung (Replikation) der DNA, dass die DNA-Doppelhelix nicht stabil war. So ergab der Ersatz der Nukleotide durch PNAs (polyamide-linked nucleic-acid analogues, den natürlichen Nukleinsäuren analoge Moleküle, deren Basen durch Polyamide verknüpft sind) Ketten, die nicht mehr als 15 bis 20 Bausteine enthielten. Der Ersatz der Ribose durch andere, weniger hydrophile Moleküle ergab ähnliche Ergebnisse. Allerdings verhielten sich Nukleinsäuren mit Threose besser als ihre natürlichen Vorbilder. (In natürlichen Systemen würde eine zu hohe Stabilität der Basenpaarungen die Variationsmöglichkeiten und damit die Anpassungsfähigkeit durch Evolution einschränken.) Damit wurde deutlich, dass das Phosphat-Ribose-Gerüst eine wichtige Rolle für das Erkennungssystem der Polymerasen spielt. Erweiterung des Genetischen Codes
Theoretisch ergeben sich für die Kombination von Purinen (pu) mit komplementären Pyrimidinen (py) 12 Kombinationsmöglichkeiten für drei Wasserstoffbrückenbindungen:
Damit ist es möglich, den Genetischen Code um vier neue Basenpaare zu erweitern. Mit einer modifizierten Polymerase lässt sich eine DNA, die auch diese Basenpaare enthält, replizieren. Untersuchungen mit diesem modifizierten Replikationsystem haben gezeigt, dass die DNA-Reparaturenzyme nicht, wie das bis dahin gültige Modell vorschlug, die kleine Furche der DNA-Doppelhelix entlangwandern und den Nukleotidstrang nach nichtbindenden Elektronenpaaren der Wasserstoffbrücken-Donatoren absuchen. Konstruktion von EnzymenBereits 1983 begann Kevin Ulmer die Aminosäuresequenzen von Enzymen zu verändern, um neue katalytische Eigenschaften erzeugen zu können. Ziel war es bestimmte, in verschiedenen Enzymen immer wieder vorkommende, Domänen wie α-Helix oder β-Faltblatt als Grundbausteine zu isolieren und sie so zu modifizieren, dass sie als Module wie bei einem Baukastensystem zu verschiedenen neuen Enzymen mit vorbestimmten Eigenschaften zusammengesetzt werden können [11]. Da die Wechselwirkungen vor allem zwischen weiter entfernten Aminosäureresten zur Zeit kaum bekannt sind, konnte dieses Ziel nicht erreicht werden. Allerdings wurden bei diesen Forschungen Enzyme entwickelt, die als Polymerase für die DNA-Sequenzierung, als reverse Transkriptase für die Vermehrung künstlicher genetischer Systeme und als Enzyme in Waschmitteln Verwendung finden. Konstruktion von StoffwechselwegenMit Hilfe der Rekombinationstechnik können transgene Organismen bestimmte Stoffe synthetisieren, die sie mit ihrer natürlichen Genausstattung nicht hätten herstellen können. Dabei wird in der Regel ein Strukturgen mit dem entsprechenden Promotor und Steuergenen in das Wirtsgenom integriert. Mit Hilfe des vorhandenen Stoffwechselweges wird dieses Gen exprimiert, der gewünschte Stoff hergestellt (Beispiel: Synthese von Insulin durch das Bakterium Escherichia coli). Die Synthetische Biologie geht bei der Konstruktion neuer Stoffwechselwege noch einen Schritt weiter. Ziel ist ein modulares System von exprimierbaren Genen, die in einem Wirtsorganismus je nach Bedarf zusammengefügt werden und nicht nur die vorhandenen, natürlichen Stoffwechselwege nutzen, sondern auch neue in der Zelle etablieren. Da auch hier die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den zahlreichen Stoffwechselwegen und ihrer Regulation nur unzureichend bekannt sind, konnte bis jetzt ein Modulares System nicht aufgebaut werden. Es konnte aber in einem Escherichia-coli-Stamm der Stoffwechselweg von Acetyl-CoA zu Amorphadien eingerichtet werden. Dieser Stoff ist eine Vorstufe zu Artemisinin, das als Medikament gegen Malaria eingesetzt werden kann. Für diesen Stoffwechselweg wurden Gene aus der Blutregenalge (Haematococcus pluvialis) und Hefe (Saccharomyces cerevisiae) verwendet. Artemisin wird vom Einjährigen Beifuß (Artemisia annua), allerdings nur in ungenügenden Mengen, hergestellt. Konstruktion von biochemischen SignalwegenGrundlage ist die Regulation der Genexpression, bei der zum Beispiel ein Signalmolekül ein die Transkription blockierendes Eiweißmolekül (Repressor) dergestalt verändert, dass es den Weg für die RNA-Polymerase und damit für die Enzymsynthese eines bestimmten Stoffwechselweges freigibt. Dieser Stoffwechselweg produziert wieder Moleküle, die ihrerseits als Signalmoleküle für Induktion oder Repression der Expression bestimmter Gene dienen können. Die erste Kombination von zwei verschiedenen Signalwegen gelang mit der Verknüpfung von zwei in der Natur nicht voneinander abhängigen Mechanismen: So konnte durch ein Signal, das eigentlich Wachstum fördert, der Zelltod ausgelöst werden. [12] Im Laufe der Forschung vor allem von Drew Endy (MIT Cambridge, USA) konnten modulare Einheiten aus Genen und Regulatorproteinen, sogenannte „BioBricks“ („biologische Bausteine“), konstruiert werden, die, in Bakterien kombiniert ein definiertes Verhalten analog den technischen Schaltkreisen, wie sie in Computern zu finden sind, bewirkten (natural computing). Endy konstruierte einen genetischen Schaltkreis, der Bakterien periodisch aufleuchteten ließ. Dieser sogenannte „Repressilator“, besteht aus drei verschiedenen BioBricks, die sich gegenseitig hemmen. Ein Baustein produziert auch ein Fluoreszenz-Protein. Die zeitliche Verzögerung bewirkt in diesem Schaltkreis eine Oszillation: Zwar ahmen diese genetischen Schaltkreise technische nach, es bestehen aber grundsätzliche Unterschiede, die eine technologische Anwendung erschweren:
Die Nachahmung elektronischer Schaltkreise erscheint zunächst wie eine Spielerei. Neben dem Erkenntnisgewinn über intrazelluläre Informationswege bestehen aber auch Möglichkeiten zu technologischen Anwendungen. So ist es denkbar, dass mit entsprechenden genetischen Schaltkreisen versehene Bakterien die Anwesenheit von Landminen anzeigen, wobei das Signal eine bestimmte Konzentration von TNT im Boden und die Reaktion ein Aufleuchten in von der Konzentration des TNT abhängigen Farben ist. Genom-Komplettsynthese
Derzeit (Juni 2007) ist es möglich, synthetische DNA bis zu etwa 35.000 Basenpaaren zu produzieren. [14] Der rasante Fortschritt der technischen Möglichkeiten lässt vermuten, dass bereits im Jahr 2008 erstmals ein komplettes Prokaryoten-Genom (Bakterien-Genom) synthetisiert werden kann. Dies wird dadurch wahrscheinlicher dass die Größe lebensfähiger Minimalorganismen auf mittlerweile nur noch ca. 110.000 Basenpaare geschätzt wird. [15] Genom-RekonstruktionEndy zerlegte mit seinem Team das Genom des Bakteriophagen T7 in seine bekannten funktionellen Einheiten, die stückweise wieder zusammengefügt wurden. Jede Kombination wurde auf ihre Funktion hin geprüft. Dadurch erhoffte man sich, die essentiellen Bestandteile von den überflüssigen, redundanten zu unterscheiden und damit zu erfahren, welches Minimalgenom für den Übergang von unbelebten, chemischen Systemen zu Lebewesen notwendig sind und damit Erkenntnisse über die frühe Evolution der Lebewesen zu erlangen. Experimente in silicoKapazitäten und Rechnerleistungen sowie spezielle Algorithmen ermöglichen die Simulation komplexer biologischer Netzwerke im Computer. Dadurch werden die Methoden in vivo (im lebenden Organismus) und in vitro (im Reagenzglas) um die Möglichkeit in silico (wörtlich „im Silicium“) erweitert. Mit dem Computer können Selbstorganisationsprozesse, wie die Bildung von Membranen aus amphiphilen Molekülen in Wasser oder die Faltung von Eiweißmolekülen untersucht und mit den Beobachtungen an natürlichen Systemen verglichen werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Erforschung der Bedeutung der Basensequenzen des menschlichen Genoms (siehe Humangenomprojekt). Dabei werden isolierte Basensequenzen der DNA mit Hilfe des Computers in Aminosäuresequenzen übersetzt. Diese werden mit Sequenzen bereits bekannter Proteine von Modellorganismen wie Taufliege, (Drosophila melanogaster), Fadenwurm (Caenorhabditis elegans) oder Darmbakterium (Escherichia coli) verglichen. Anhand der gefundenen Eiweißstruktur wird im Computer das menschliche Proteinmolekül in seiner räumlichen Gestalt konstruiert und untersucht. So lassen sich zum Beispiel noch im Computer Wirkstoffe und Medikamente finden und konstruieren, welche die Funktion dieses Proteins beeinflussen können. Einen großen Zuwachs an neuen Fragestellungen, Hypothesen und Erkenntnissen erwartet man sich von der Simulation regulatorischer Netzwerke einer Zelle im Computer. So ist es bereits gelungen, das Kammerflimmern des Herzens anhand von vier Genen, die dabei ihre Aktivität ändern, im Computer zu reproduzieren. Fragen zur Biosicherheit, Ethik, Geistiges EigentumNeben den vielen potenziell positiven Auswirkungen der synthetischen Biologie, müssen natürlich immer auch die potenziell negativen Auswirkungen berücksichtigt werden. [16] In den USA und teilweise in Großbritannien wird diesbezüglich vor allem das mögliche Missbrauchspotential durch (Bio-)Terroristen diskutiert, was vor allem im Zusammenhang mit dem "Kampf gegen den Terror" zu sehen ist. Beispielsweise hat die Sequenzierung pathogener Viren (Spanische Grippe, Polio) zu einer heftigen Diskussion geführt, [17] ob und wie die Synthese pathogener Genome eingeschränkt werden könnte um einen Missbrauch zu verhindern. Wiederholte Warnungen in Zeitungsartikeln (z.B. in "The Guardian") sorgten durch Warnung vor Bioterrorismus für eine Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit, auch wenn es sich dabei nicht um eine realistische Einschätzung der Gefahren handelt (vgl. z.B. Kommentar zum Artikel in "The Guardian". In Europa hingegen wird sich eine künftige Diskussion vermutlich weniger um Bioterroristen drehen, als um Fragen zu den unbeabsichtigten Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt sowie um Fragen der Ethik und des geistigen Eigentums. [18] Vergangene öffentliche Debatten wie etwa zu gentechnisch verändertem Saatgut, oder Stammzellen zeigen, dass neue Technologien durchaus auch Konfliktpotential beinhalten. Das von der europäischen Kommission geförderte Projekt SYNBIOSAFE soll nun die Debatte zu diesem Thema stimulieren und sicherheitsrelevante und ethische Aspekten der synthetischen Biologie beleuchten. Referenzen
weitere verwendete Literatur
Presseartikel
Multimedia
Siehe auch
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