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StangerbadDas Stangerbad (auch Hydroelektrisches Vollbad bzw. Hydroelektrisches Dreiviertelbad) gehört zu den Elektrotherapien, genauer gesagt zu den Hydroelektrischen Bädern, und wird meistens von Medizinischen Bademeistern oder Physiotherapeuten, seltener von Ärzten angewendet. Der Patient sitzt in einer mit Wasser gefüllten Badewanne und wird von konstantem Gleichstrom (Galvanismus) durchflutet. Es handelt sich um eine Kombination aus einer elektrophysiologischen Anwendung mit einem Wärmereiz. Das Stangerbad ist in den Heilmittelkatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen[1]. Das Stangerbad ist seit dem 04.05.1951 als Wortmarke geschützt.[2] Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
GeschichteDie ersten Erwähnungen von medizinischen Versuchen mit Elektrizität und Wasser stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Albert Eulenberg brachte 1883 das Buch Die hydroelektrischen Bäder heraus, in dem er seine wissenschaftlichen Untersuchungen darstellte[3]. Der Gerbermeister Heinrich Stanger kam während seines Studiums der Gerberei und Elektrotechnik auf die Idee, das Gerbeverfahren mit Hilfe von Strom zu verbessern. Seine Versuche waren erfolgreich, woraufhin er in Ulm eine elektrische Gerberei einrichtete. Sein Vater, Johann Stanger, litt zu dieser Zeit an Gicht. Durch die Arbeit in den neuen Gerbgruben stellte sich eine Besserung an den Händen und Ellenbogen ein. Heinrich Stanger startete darauf hin Versuche mit anderen Gicht- und Rheumtismuskranken, bei denen sich ebenfalls erkennbare Erfolge darstellten. Seiner Theorie nach waren die im Wasser gelösten Gerbstoffe der Grund für die Linderung der Beschwerden und der Strom das Transportmittel in den Körper. Heinrich Stanger nannte das Bad Stangerbad und richtete jeweils eins in Ulm und Nagold ein. Die Wannen, die aus elektrisch isolierendem Material bestehen müssen, ließ er aus Holz bauen. Andere Wannen dieser Zeit wurden aus Fayence (Ton)[4] hergestellt. Heutzutage sind die Wannen aus Kunststoff, manchmal verstärkt durch Glasfaser. AnwendungIn den Badewannen für das Stangerbad, die meist auch mit einer Unterwasserdruckstrahlmassage ausgestattet sind, befinden sich am Fußende und an den Seiten Metallplatten. Zusätzliche Metallplatten können am Boden und am Kopfende der Wanne sein, diese müssen aber aus Sicherheitsgründen mit gelöcherten Kunststoffüberzügen versehen sein. Diese Platten dienen als Anode (Pluspol) und Kathode (Minuspol) und wirken unterschiedlich auf den Körper ein. Welche Seite der Platten welchen Pol repräsentiert, ist bei heutigen Wannen frei wählbar. Dies ist notwendig, da der Patient sich während der Behandlung immer in der gleichen Position, auf dem Rücken liegend mit leicht erhöhtem Oberkörper, befindet. Könnte die Polarität nicht geändert werden, wäre es z. B. nicht möglich bei einem Patienten die rechte Schulter mit der Wirkung der Anode und einen anderen Patienten die rechte Schulter mit der Wirkung der Kathode zu versorgen. Manche Ausführungen der Wannen bieten die Möglichkeit einen Pol an einer Bürste zu schalten, der dann gezielt über die zu behandelnde Stelle des Körpers geführt werden kann. Die Wassertemperatur ist ganz von der Verträglichkeit beim Patienten und dessen Erkrankung abhängig. Bei Schmerzen und Muskelhypertonus wird die Wassertemperatur bei 34°C und drüber, bei Muskelhypotonie und Paresen darunter liegen. Die Stromstärke wird dem Empfinden des Patienten angepasst. Der Strom sollte auf der Haut kribbeln, aber keine Schmerzen oder Unwohlsein auslösen. Für gewöhnlich kommen Stromstärken von 200 - 600 mA zum Einsatz. Oft werden dem Wasser salz- oder gerbstoffhaltige Zusätze beigemischt, die die Leitfähigkeit des Wassers verbessern, was zu der Annahme geführt hat, dass dies der Grund für die Zusätze ist. Gillert und Rulffs, die Autoren eines Lehrbuches[4], widersprechen dieser Annahme, da eine Verbesserung der Leitfähigkeit eine weitere Minderung des sowieso schon geringen Stromanteils (nur ca. 1/3[4][3]), der durch den Körper fließt, bedeuten würde und damit dem Therapieziel eher im Wege stünde. Sie gehen vielmehr davon aus, dass die Zusätze eine Hautreizung verursachen, die den Hautwiderstand reduziert und somit die Haut durchlässiger für den Strom macht. Da die Gesetzgeber bei der Kombination von Wasser und Strom sehr strenge Vorgaben geben, müssen Stangerbäder heutzutage die Vorschriften der Medizingeräteverordnung (MedGV), die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Berufsgenossenschaften, die Gewerbeordnung, die Vorschriften des TÜV und die DIN-Normen erfüllen. Des Weiteren müssen die Geräte das GS-Zeichen (alternativ auch das VDE-Zeichen) und die CE-Kennzeichnung haben. Ferner muss der Raum, in dem ein Stangerbad aufgestellt werden soll, den IEC-Festlegungen entsprechen[5]. WirkungMit Hilfe von Wärmeleitzahlmessungen konnte nachgewiesen werden, dass sich bei einer Durchflutung mit Gleichstrom die Durchblutung in der Haut um 500 %, in tiefer gelegenen Muskeln noch bis zu 300 % erhöht[4]. Die oberflächliche Durchblutungssteigerung wird zusätzlich durch den Wärmereiz des Badewassers begünstigt. Durch die gesteigerte Durchblutung wird der Stoffwechsel der Zellen (Trophik) verbessert[6]. Die beruhigende Wirkung der Anode auf die Erregbarkeit der Nerven führt zu einer Schmerzdämpfung und Muskeltonussenkung. Die Kathode bewirkt durch ihre Steigerung der Erregbarkeit der Nerven eine Erhöhung des Muskeltonus und erreicht, bezogen auf die Wirkung der Anode, eine stärkere Mehrdurchblutung des Gewebes. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass das Stangerbad eine tonusregulierende, schmerzdämpfende und durchblutungsfördernde Wirkung hat. IndikationDa mit dem Stangerbad der Tonus der Muskulatur in beide Richtungen verändert werden kann, lässt sich die Therapie sowohl bei Muskelhypertonus oder -hypotonus, Spastiken und Paresen einsetzen. Die Steigerung der Durchblutung hat positive Auswirkungen auf peripher-arteriellen Durchblutungsstörungen. Weitere gute Ergebnisse zeigt die Behandlung bei Rheuma, Ischiasbeschwerden und bei Morbus Bechterew und Spondylarthrosen. Das Stangerbad kann auch bei Adnexitis (Entzündungen von Eierstock und Eileiter) sowie bei Menstruationsbeschwerden und Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhoe) angewendet werden. Eine Studie im Auftrag des türkischen Gesundheitsministeriums zeigte, dass bei Patienten mit Fibromyalgie eine Therapiekombination von Amitriptylin und Stangerbad einen länger anhaltenden Effekt bewirkt, als bei einer reinen medikamentösen Therapie[7]. Das Stangerbad ermöglicht die Durchführung einer Iontophorese, einem medizinischen Verfahren, bei dem der Körper Arzneistoffe über die Haut resorbiert. Das Arzneimittel muss hierfür in ionisierter Form vorliegen und wird dem Badewasser beigemischt. Durch den elektrischen Strom können die Arzneistoffe die Haut durchdringen und werden vom Körper aufgenommen. KontraindikationDer hydrostatische Druck, die Wärme des Wassers und der elektrische Strom sind Risikofaktoren bei Patienten mit akuten Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz und Herzschrittmachern. Hier ist von einer Therapie mit dem Stangerbad auf jeden Fall abzuraten. Auch Patienten mit Metall im Körper (z. B. Splitter oder nach einer Osteosynthese) und Hauterkrankungen sollten nicht behandelt werden. Des Weiteren sind Fieber und ein geschädigtes Lymphsystem Kontraindikationen für das Stangerbad. WirtschaftlichkeitDas Stangerbad ist aufgrund seiner Anschaffungs- und Unterhaltskosten und des hohen Wasserverbrauchs (bis zu 800 l pro Anwendung) eine sehr kostspielige Therapie. Daher sind Stangerbäder nur selten in kleinen Therapiezentren oder privaten Massagepraxen zu finden. In den großen Kurzentren und den Universitätskliniken zieht man inzwischen das günstigere Vierzellenbad dem Vollbad vor. Die Universität Heidelberg verfügte z. B. im Jahr 1999 über insgesamt 3 Anlagen für Stangerbäder, inzwischen nur noch über eine. Das Klinikum der Universität Wien behandelt seit einigen Jahren nur noch im Vierzellenbad.[8] Referenzen
Literatur
Kategorien: Lesenswert | Physikalische und Rehabilitative Medizin |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Stangerbad aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |