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Siamesischer Zwilling



  Siamesische Zwillinge (auch Doppelfehlbildung) bezeichnen eine Fehlentwicklung, bei der eineiige Zwillinge nach der Geburt körperlich miteinander verbunden bleiben.

Bei eineiigen (monozygoten), monochorial-monoamnioten Zwillingen teilt sich die befruchtete Eizelle in zwei eigenständige Embryonalanlagen auf. Bei einer unvollständigen Durchschnürung des Embryoblasten im späten Entwicklungsstadium der Blastozyste nach dem 13. Tag nach der Befruchtung bleiben die beiden Feten miteinander verbunden.

Die statistische Wahrscheinlichkeit für eine Doppelfehlbildung liegt zwischen 1:60.000 und 1:200.000. Dies entspricht einer Frequenz bei monozygoten Zwillingsschwangerschaften von 1:300. Da jedoch durchschnittlich 30 von 100 siamesischen Zwillingen pränatal versterben, kommt nur etwa ein siamesisches Zwillingspaar auf eine Million Lebendgeburten. Wenn bekannt ist, dass es sich um ein Siamesisches Zwillingspaar handelt und sich die Schwangere bzw. das Elternpaar nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließt, wird die Geburt in der Regel per Kaiserschnitt durchgeführt, um die gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kinder möglichst gering zu halten.

Inhaltsverzeichnis

Ausprägungen

    Die Verbindung kann sowohl bis zu den inneren Organen reichen oder auch nur äußeres Gewebe betreffen. So kann es vorkommen, dass ein siamesisches Zwillingspaar nur ein Herz oder eine Lunge hat.

In der Medizin wird nach Art und Ausmaß der Verwachsung unterschieden. Verwachsungen können in verschiedenen Körperbereichen auftreten:

  • Brustbereich (Thorakopagus, ca. 70 % der Fälle)
  • Hüftenbereich (Ischiopagus, ca. 5 % der Fälle)
  • Kopf (Kraniopagus (Kephalopagus), weniger als 2% der Fälle)
    • Sonderform: Dizephalie (einzelner Körper mit zwei Köpfen)

Ist eine Trennung möglich und innerhalb der ersten drei Wochen nach der Entbindung erforderlich, liegt die Sterblichkeit bei durchschnittlich 50%, während zwischen der vierten und 14. Woche die Überlebensschance bei 90 % liegt. Die (vor- und nachgeburtliche) Prognose ist jedoch stets abhängig von Art und Ausmaß der Fusion der Kinder.

Die Teilung muss nicht immer symmetrisch sein. Entwickelt sich zum Beispiel das Zellmaterial eines Zwillings nur unvollständig kann es auch zu asymmetrischen (oder auch parasitären) Doppelfehlbildungen kommen.

Das weiter entwickelte Kind, in diesem Fall auch Autosit genannt, trägt das weniger entwickelte Kind, den „Parasiten“, am oder im Körper. Im Extremfall kann das weniger entwickelte Kind nur aus einem tumorähnlichen Zellhaufen bestehen.

Trennung

Je nach Art und Umfang der Verbindung ist eine chirurgische Trennung der beiden Zwillinge möglich. Dabei müssen einige Voraussetzungen gegeben sein:

  • Die beiden Zwillinge müssen jeweils alle lebensnotwendigen Organe besitzen.
  • Die stoffwechsel- und lebensnotwendigen Prozesse dürfen nicht zu kompliziert verflochten sein (z.B. gemeinsame Blutbahnen oder ähnliches)

Bis September 2004 überlebten 30 an der Schädeldecke zusammengewachsene Kinder eine Trennung, 17 von ihnen waren jedoch nach dem Eingriff behindert.

Berühmte Fälle

  Zu den ersten Überlieferungen über siamesische Zwillinge zählt die Legende von Mary und Eliza Chulkhurst aus Biddenden, die unter dem Namen Biddenden Maids bekannt wurden, und am Anfang des 12. Jahrhunderts gelebt haben sollen. Der Name Siamesische Zwillinge kommt von dem berühmten thailändischen Zwillingspaar Chang und Eng Bunker (1811−1874), deutsch wird als Name meistens Bunkes statt Bunker angegeben. Die beiden Brüder wurden in Siam (heute Thailand) geboren und wurden unter dem Namen Die siamesischen Zwillinge als Jahrmarktsattraktion bekannt und gaben so dieser Fehlbildung den Namen. Die Brüder heirateten die zwei Schwestern Adelaide und Sarah Yates und zeugten mit ihnen insgesamt 22 Kinder. Beide Brüder starben nur wenige Stunden nacheinander. Erst nach ihrem Tod wurde festgestellt, dass ihre gemeinsame Verwachsung keine wichtigen Organe betraf, so dass eine Trennung zu Lebzeiten möglich gewesen wäre.

Die 1908 geborenen Schwestern Daisy und Violet Hilton waren an Becken und Rücken verwachsen. Ihrer Mutter kurz nach der Geburt abgekauft, wurden sie wie andere siamesische Zwillingspaares auf Jahrmärkten ausgestellt. Als Erwachsene führten sie ihre Showkarriere auf eigene Faust fort und spielten in zwei wenig erfolgreichen Filmen mit.

Bekanntheit erreichten auch die beiden 29-jährigen Schwestern Ladan und Laleh Bijani aus dem Iran (* 17. Januar 1974), die am Kopf zusammengewachsen waren und ab dem 7. Juli 2003 durch eine aufwändige Operation einer Ärztegruppe in Singapur getrennt wurden. Kurz nach der Trennung verstarb Ladan Bijani, wenige Stunden später auch ihre Schwester Laleh. Todesursache war laut Aussage der Ärzte Kreislaufversagen aufgrund zu hohen Blutverlustes während der Operation.

Die 1990 geborenen Schwestern Abigail and Brittany Hensel haben einen gemeinsamen Unterkörper, führen dennoch ein relativ normales Leben sogar mit sportlichen und musikalischen Aktivitäten.

Im September 2004 begann in Baltimore die Trennung der ebenfalls am Kopf zusammengewachsenen einjährigen Zwillinge Lea und Tabea B. aus Lemgo. Von vornherein rechneten die Ärzte mit einer 50-prozentigen Überlebenschance der Schwestern. Die Operation wurde zunächst nach wenigen Stunden unterbrochen, nachdem sich bei einem der Mädchen Komplikationen einstellten. Wenige Tage später erfolgte die Trennung. Trotz Wiederbelebungsversuchen starb Tabea an niedrigem Blutdruck und unregelmäßigem Herzschlag. Ihre Schwester war nach der Operation in kritischem, aber stabilem Zustand. Die Ärzte weckten Hoffnungen, dass sie sich zu einem gesunden Mädchen entwickeln wird. Am 7. Dezember 2004 kehrte Lea nach Lemgo zurück.

Lakshmi

Ein 2005 im indischen Bihar geborenes Mädchen wurde von seinen Eltern Lakshmi genannt, weil es ähnlich wie die hinduistische Göttin überzählige Extremitäten hatte. Bis zum November 2007 waren durch eine Missbildung im Mutterleib vier Arme und vier Beine am Körper vorhanden.

Im Beckenbereich war Lakshmi, als Autosit zu bezeichnen, mit einem parasitischen Zwilling verbunden, der Arme und Beine, aber keinen Kopf entwickelt hatte. Diese sehr seltene Situation wird medizinisch als Ischiopagus parasiticus bezeichnet.

Die Eltern leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze in einem ländlich strukturierten Distrikt im nordöstlichen Indien. Weder sie noch ein Gesundheitssystem konnten eine Behandlung nach der Geburt finanzieren. Die Operation wird auf umgerechnet 144.000 Euro veranschlagt.

Durch eine gesponsorte, im Blick der Öffentlichkeit durchgeführte Diagnostik und Behandlung in der Sparsh-Klinik in Bangalore wurden am 6. November 2007 je zwei Arme und Beine entfernt, damit die körperliche Entwicklung ein Überleben des Kindes ermöglichen kann. Der Eingriff dauerte 27 Stunden; 36 Ärzte waren beteiligt.

Vor allem ländliche Einwohner des Distriktes in dem das Kind geboren wurde, betrachteten es als gesegnet. Von dieser Seite gab es deutliche Opposition zur Operation. Sie wollen einen Tempel für das Kind errichten.[1][2]

Siamesische Zwillinge in der Kunst

  • Bobby Farrelly und Peter Farrelly griffen das Thema in einer Komödie mit dem Titel Unzertrennlich - Stuck On You 2003 auf.
  • Als Symbol liegen siamesische Zwillinge u. a. dem Psychothriller Die Unzertrennlichen zu Grunde.
  • Im Roman Stark – The Dark Half wird enthüllt, dass der Wiedergänger George Stark die nicht geborene Seele eines parasitären Zellhaufens ist, der seinem Zwillingsbruder operativ aus dem Kopf entfernt wurde.

Literatur

 

  • Juliet Butler: Masha & Dasha. Autobiographie eines siamesischen Zwillingspaars. Scherz, Bern [u.a.] 2000, ISBN 3-502-15097-4, auch Droemer Knaur, München 2003, ISBN 3-426-77607-3 (Masha und Dasha Kriwoschljapowa (* 3. Januar 1950 in Moskau; † 2003) waren an der Taille verwachsen. Sie hatten zwei Oberkörper, teilten sich aber einen Unterkörper.)
  • Stephanie Möller und Henning Röhl: Lea und Tabea. So Gott will. Die bewegende Geschichte der siamesischen Zwillinge. Brunnen-Verlag, Gieen-Basel 2005, ISBN 3-7655-3867-1
Wikisource: Die siamesischen Zwillinge – Quellentexte
  • Siamesische Zwillinge mit nur einer Niere getrennt (Der Spiegel)
  • Lea und Tabea (Stern)
  • Glückliches Doppelleben (Süddeutsche Zeitung)
  • Geschichte, Definition und Trennung von Siamesischen Zwillingen (Thieme)
  • Nur gemeinsam sind sie stark: Abigail und Brittany teilen sich einen Körper (Abendblatt)
  • Mark Twain über Siamesische Zwillinge, (englisch)
  • Seite über bekannte Siamesische Zwillinge und berühmte Menschen mit Fehlbildungen, (englisch)
  • Lakshmi, mit Video

Einzelnachweise

  1. Priyanjana Dutta, Surgery for girl with eight limbs is going smoothly doctors say CNN
  2. Many-limbed India girl in surgery, BBC vom 6. November 2007
  Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Siamesischer_Zwilling aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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