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Septische Granulomatose



Klassifikation nach ICD-10
D71 Funktionelle Störungen der neutrophilen Granulozyten
  • Angeborene Dysphagozytose
  • Chronische Granulomatose (im Kindesalter)
  • Defekt des Membranrezeptorenkomplexes (CR3)
  • Progressive septische Granulomatose
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Septische Granulomatose ist eine sehr seltene Erbkrankheit, bei der die Funktion der neutrophilen Granulozyten gestört ist. Diese auch als Fresszellen bezeichneten weißen Blutkörperchen können daher ihren Beitrag zur Immunabwehr nicht erfüllen. Dies hat zur Folge, dass sich Krankheitserreger, speziell pathogene Bakterien und Pilze, ohne ständige medikamentöse Behandlung weitgehend ungehindert im Körper dieser Menschen ausbreiten können, was häufig zu Granulomen an unterschiedlichsten inneren Organen und im Bereich der Haut und in der Folge zum frühen Tod führt.

In der ärztlichen Fachsprache wird diese Krankheit auch als CGD (aus der englischen Bezeichnung chronic granulomatous disease).

Inhaltsverzeichnis

Inzidenz

Ungefähr eines von 200.000 Neugeborenen wird mit dieser Störung des Immunsystems geboren. In Deutschland sind ca. 150 Patienten bekannt. Pro Jahr sterben etwa fünf Prozent eines Geburtsjahrgangs, so dass nur etwa die Hälfte der Neugeborenen das Erwachsenenalter erreicht.

Pathogenese und Diagnose

Ursache für die Erkrankung sind Gendefekte bei Genen (Erbanlagen), welche Proteine für Teile des Eiweisskomplexe Cytochrom b (CYBB) verschlüsseln. Es existieren entsprechend den Mutationen von Genen mehrere Typen der septischen Granulomatose.

Die häufigste Form (ca. 70 Prozent aller Fälle vom septischen Granulomatosen) ist die X-chromosomal-rezessive vererbte septische Granulomatose (X-CGD). Diese wird durch die Mutation des gp91-phox-Gens auf dem X-Chromosom, Abschnitt p21.1 (Xp21.1) verursacht. Sie betrifft aufgrund des Erbgangs ausschließlich Jungen. Das gp91-phox-Gen verschlüsselt die beta-Untereinheit (β-subunit) des Proteins Cytochrom b. Cytochrom b wiederum ist ein unabdinglicher Bestandteil des Eiweisses NADPH-Oxidase, welches in den weißen Blutkörperchen (Leukozyten, genauer Granulozyten) durch die Produktion von Superoxid-Radikalen und anderen Oxidantien für die Abtötung von Bakterien oder Pilzen mit verantwortlich ist.

Veränderungen des gp91-phox-Gens führen zu Veränderungen der Eiweissstruktur von Cytochrom b, und diese wiederum führen zu Veränderungen der Eiweissstruktur von NADPH-Oxidase mit Funktionsverlust. Die Abwehr von Infektionserregern durch Granulozyten ist durch die Minderung oder den Ausfall der Superoxid-Radikalproduktion behindert oder schwer eingeschränkt. Granulozyten können Bakterien und Pilzzellen durch Phagozytose zwar unverändert in sich aufnehmen: die nachfolgende Abtötung von Bakterien und Pilzen mit Hilfe von Wasserstoffperoxid bzw. Superoxid-Radikalen entfällt aufgrund der defekten NADPH-Oxidase nicht. Die Erreger verbleiben im wesentlichen ungeschädigt in den Granulozyten und werden mit diesen durch den gesamten Körper transportiert. Dies kann zur Verschleppung der Erreger von einem Organ zum nächsten führen.

Da die Abwehr von Bakterien und Pilzen nicht allein auf den Granulozyten beruht, ist die Abwehr nicht vollends zusammengebrochen, aber sehr stark eingeschränkt. Dies führt zu entweder besonders schwer verlaufenden Infektionen wie beispielsweise Lymphknotenentzündungen (Lymphadenitis) oder zur Streuung von Infektionserregern im gesamten Organismus wie bei einer infektiösen Blutvergiftung (Sepsis bzw. septische Streuung). Typisch für den Krankheitsverlauf ist beispielsweise, dass eingeatmete Sporen von Schimmelpilzen, die bei gesunden Menschen innerhalb weniger Minuten durch Fresszellen beseitigt werden, in der Lunge auskeimen, das Lungengewebe durchwachsen und auch benachbarte Organe schädigen. Es sind Fälle bekannt, dass, von der Lunge ausgehend, das Rückenmark geschädigt und eine Querschnittslähmung verursacht wurde.

Da das Cytochrom b aus mehreren Untereinheiten von Eiweissen besteht, führen Veränderungen der für diese Eiweisse verschlüsselnden Gene ebenfalls zu einer Minderfunktion oder gar Ausfall der NAPDH-Oxidase in den Leukozyten und damit zum Bild einer septischen Granulomatose. Neben dem gp91-phox-Gen sind auch Veränderungen der Gene p22-phox (Chromosom 16q24), p47-phox (Chromosom 7q11.23) und p67-phox (Chromosom 1q25) bekannt. Die Veränderungen dieser Gene sind allesamt seltener als die Mutation von gp91-phox. Im Unterschied zur gp91-phox Genmutation werden die Veränderungen dieser Gene nicht X-chromosomal rezessiv, sondern autosomal-rezessiv vererbt. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zur X-chromosomal-rezessiv vererbten septischen Granulomatose (nur Jungen betroffen) bei diesen Formen der septischen Granulomatose sowohl Jungen als auch Mädchen betroffen sind.

Zwei weitere Gene (rac1 und rac2) verschlüsseln für Proteine, die zur Funktion von NADPH-Oxidase ebenfalls notwendig sind. Mutationen des rac2-Gens auf Chromosom 22q12.3 bis 22q13.2 führen zum Krankheitsbild des neutrophilen Immundefizienzsyndroms (NIDS), welches dem der septischen Granulomatosen sehr ähnelt. Auch dieses wird autosomal-rezessiv vererbt (Jungen und Mädchen betroffen) und ist erheblich seltener als die klassische X-chromosomal-rezessiv vererbte septische Granulomatose (X-CGD).

Die Proteine rac2, p47-phox (NCF1) und p67-phox (NCF2) sind Bestandteile der granulozytären NADPH-Oxidase. Das Protein p22-phox ist die α-Untereinheit des Cytochroms b.

Übersicht über die verschiedenen Formen der septischen Granulomatose (CGD)
CGD-Typ Synoym OMIM ID Gen Chromosom Erbgang Betroffene
X-chromosomal-rezessive CGD X-CGD, XR-CGD, p91-phox-CGD 306400 p91-phox
β-Unterheit Cytochrom b
Xp21.1 X-chromosomal-rezessiv nur Jungen
keine Mädchen
CGD Cytochrom b positiv Typ 1 AR-CGD Typ 1, NCF1-Mangel 233700 p47-phox
NCF1
7q11.23 autosomal-rezessiv Jungen und Mädchen
CGD Cytochrom b positiv Typ 2 AR-CGD Typ 2, NCF2-Mangel 233710 p67-phox
NCF2
1q25 autosomal-rezessiv Jungen und Mädchen
CGD Cytochrom b negativ CYBA-Mangel, AR-CGD CYBA- 233690 p22-phox
α-Untereinheit Cytochrom b
16q24 autosomal-rezessiv Jungen und Mädchen
Neutrophiles Immundefizienzsyndrom NIDS, rac2-Mangel 608203 rac2 22q12.3-22q13.2 autosomal-rezessiv Jungen und Mädchen

Diagnose

Die Diagnose kann durch Messung des Sauerstoffwechsels (O2- Test) in den Granulozyten (Granulozytenfunktionstest) und durch eine genetische Analyse abgesichert werden.

Andere Formen der Immunschwäche sind gegenüber der septischen Granulomatose abzugrenzen: hierzu gehören Erkrankungen wie HIV (AIDS), angeborene oder erworbene Neutropenien, schwere kombinierte Immundefekte, variable kombinierte Immundefekte (CVID) oder angeborene und/oder erworbene Immunglobinmangel.

Das Blutbild - insbesondere die Zahlen von Leukozyten und Granulozyten - sind bei der septischen Granulomatose normal.

Symptome

Erste Symptome der Krankheit zeigen sich bereits im frühesten Kleinkindalter in Form von schwersten bakteriellen Erkrankungen, Entzündungen und Pilzbefall auch an inneren Organen. Es kommt häufig zu eitrigen Entzündungen der Lymphknoten, zu Abszessen der Haut, der Leber und der Lunge. Immer wieder treten ferner Lungenentzündungen und Entzündungen an allen Knochen (Osteomyelitis) auf. Diese Entzündungen sowie häufige Granulome können zu Verengungen im Verdauungstrakt führen, so dass viele Patienten zusätzlich noch an Schluckbeschwerden und Darmverschlüssen zu leiden haben.

Aufgrund der Dauerbehandlung mit Antibiotika und Antimykotika treten bei vielen Patienten Resistenzen auf, so dass die Infektionen mit zunehmendem Alter immer schwieriger zu bekämpfen sind. Die Folge hiervon ist eine sehr häufige Einweisung in Krankenhäuser.

Die Sterblichkeit ist infolge der vielfältigen Schädigungen von lebenswichtigen inneren Organen sehr hoch. Sie hängt auch ab von der Exposition gegenüber Schimmelpilzsporen (geringeres Risiko in der Stadt als auf einem Bauernhof) und von der Disziplin bei der Einnahme der Medikamente.

Therapie

Die Therapie ist zunächst rein symptomatisch durch eine tägliche, vorbeugende Gabe von Antibiotika und Antimykotika. Dennoch ist es häufig nötig, zusätzlich Medikamente intravenös zu verabreichen. Häufig müssen sich die Patienten später wiederholten Operationen unterziehen, um größere Infektionsherde oder Gewebswucherungen (Granulome) zu beseitigen. Auch die regelmäßige Gabe von Gamma-Interferon kann angezeigt sein.

Zur Therapie gehört auch, dass die Patienten alle Orte und Tätigkeiten zu meiden haben, bei denen sie mit höheren Konzentrationen von Schimmelpilzen und Bakterien rechnen müssen. Hierzu gehört beispielsweise der Umgang mit Blumenerde und Biomüll, aber auch Klimaanlagen und selbst Whirlpools können für sie gefährlich sein.

Sofern ein geeigneter Spender gefunden wird, ist heute bei schweren Krankheitsverläufen eine Stammzelltransplantation die erfolgversprechendste Therapie. Allerdings gelingt sie nur in etwa 80 Prozent der Fälle, zudem ist sie nicht ungefährlich: Die Sterblichkeit nach einer Transplantation beträgt trotz "perfekter Spender" ca. 15 Prozent, weil es immer wieder zu schweren Komplikationen kommt, bei denen insbesondere Lunge und Haut in Mitleidenschaft gezogen werden.

Anfang April 2006 wurde ferner bekannt, dass ein Ärzteteam der Universitätsklinik Frankfurt am Main die weltweit erste erfolgreiche Gentherapie bei Erwachsenen durchgeführt hat. Zwei Patienten im Alter von 26 und 25 Jahren, die an septischer Granulomatose litten, waren 15 bzw. 12 Monate zuvor mit gentechnisch veränderten, eigenen Blutstammzellen behandelt worden. Auch ein dritter Therapieversuch bei einem fünfjährigen Jungen am Universitätsspital Zürich hatte eine dramatische Verbesserung seines Leidens zur Folge (Details siehe hier). Einer der Frankfurter Patienten verstarb allerdings rund zwei Jahre nach dem Eingriff an den Folgen einer erneut aufgetretenen schweren Infektion des Darms.

Das neue Gentherapie-Protokoll stößt weltweit auf Interesse, denn auch andere Blutkrankheiten, die auf einem Gendefekt beruhen, könnten nach dem gleichen Prinzip behandelt werden, beispielsweise die Thalassämie und diverse Speicherkrankheiten.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Septische_Granulomatose aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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