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Samuel Hahnemann



Christian Friedrich Samuel Hahnemann (* 10. April 1755 in Meißen; † 2. Juli 1843 in Paris) war ein deutscher Arzt, medizinischer Schriftsteller und Übersetzer. Er ist der Begründer der Homöopathie.

     

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die Zeit vor der Entwicklung der Homöopathie

Hahnemann wurde als drittes Kind von Christian Gottfried Hahnemann und seiner zweiten Frau Johanna Christiane Spieß geboren. Sein Vater war Porzellanmaler in der berühmten Meißener Porzellanmanufaktur.

Samuel Hahnemann besuchte die Meißener Stadtschule und bekam danach ein Stipendium an der Fürstenschule St. Afra in Meißen. Nach dem Schulabschluss begann er 1775 ein Medizinstudium in Leipzig. Seinen Lebensunterhalt verdiente er in dieser Zeit mit Sprachunterricht und mit Übersetzungen physiologischer und medizinischer Werke ins Deutsche. Bald wechselte Hahnemann für ein Dreivierteljahr an die Wiener Universität, wo er bei dem Medizinprofessor und ärztlichen Direktor des Spitals der Barmherzigen Brüder Joseph Freiherr von Quarin Unterricht am Krankenbett und bei Visiten erhielt, bis ihm das Geld ausging.

Im Oktober 1777 bot ihm Freiherr Samuel von Brukenthal, eben von Kaiserin Maria Theresia zu ihrem Statthalter in Siebenbürgen ernannt, eine Stelle als Bibliothekar und Leibarzt an. Hahnemann begleitete ihn nach Hermannstadt und blieb dort knapp zwei Jahre lang. Er hat dort offenbar zahlreiche Fälle von Wechselfieber (Malaria) gesehen, es gibt auch Hinweise darauf, dass er selbst daran erkrankt ist (was für seinen Chinarindenversuch von Bedeutung ist). In der hermannstädter Zeit trat er einer Freimaurerloge bei. Danach schloss Hahnemann sein Medizinstudium in Erlangen ab, und zwar im August 1779 mit der Promotion.

In den Folgejahren praktizierte er als Arzt, Chemiker, Übersetzer und Schriftsteller in vielen nord- und mitteldeutschen Städten - mit wechselndem Erfolg. Zeitweise gab er seine ärztliche Praxis völlig auf, "weil sie mir mehr Aufwand gekostet, als Einnahme gebracht, und gewöhnlich mich mit Undank belohnt hat" (Brief vom 29. August 1791, zit. nach Jütte, S. 48), und widmete sich ganz chemischen Versuchen, Übersetzungen und Publikationen. Zu anderen Zeiten wiederum hatte er so viele Patienten, dass er kaum mit der Versorgung nachkam: "Fast hätte ich nicht schreiben können, weil ich in den wenigen Wochen, die ich in Eilenburg wohne, schon so mit Kunden gesegnet bin, dass ich oft nicht essen kann" (Brief vom 18. September 1801, zit. nach Jütte, S. 74). Seine psychotherapeutischen, chemischen und schriftstellerischen Aktivitäten brachten ebenfalls recht wechselhafte Resultate, wie unten deutlich wird.

Die Gründe für Hahnemanns unstetes Umherziehen dürften vielfältig sein. Anthony Campbell fasst sie wohl treffend so zusammen: "…wurde weitergetrieben durch seinen ruhelosen Geist und die Notwendigkeit, einen Lebensunterhalt zu erwirtschaften…". Es war für einen unbemittelten freischaffenden Geistesarbeiter wie Hahnemann nicht leicht, sich und bald auch seine schnell wachsende Familie zu ernähren; andererseits gehört ein ausgeprägter Ehrgeiz, welcher ihn zu diversen Experimenten trieb (vgl. etwa den Aufenthalt in Altona), ganz sicher zu Hahnemanns Charaktereigenschaften. Schließlich gab es oftmals Streit, besonders häufig mit Apothekern, wegen Hahnemanns "interdisziplinärer" Tätigkeit als Chemiker bzw. Pharmazeut und Arzt (der Leipziger Dispensierstreit, s.u., ist nur eines von vielen Beispielen).

Ein Beispiel für die ökonomischen Probleme und den Ehrgeiz des Schriftstellers, Übersetzers und Chemikers, die häufige Ortswechsel begünstigten:

„Es ist unmöglich, noch einen Winter hieraußen auf dem Dorfe zu leben. Ich kann nicht hier mit der Literatur fortleben; auch zu chemischen Arbeiten habe ich keinen rechten Gelaß; alles muß ich durch Boten aus der Stadt kommen lassen, alles, das trockene Brod ausgenommen. Nun hätte ich mir längst eine Wohnung in Leipzig genommen, wenn ich gern daselbst wohnen wollte. Die Teuerung, ungesunde Luft, schwerer Mietzins vertrieben mich mit meinen Kindern hieraus …“

– Brief Hahnemanns vom 29. August 1791 aus Stötteritz, nachgedruckt in Haehl, S. 25.

Zunächst ließ sich Hahnemann in Hettstedt, dann in Dessau nieder, wo er 1782 die Apothekerstochter Johanna Leopoldina Henriette Küchler heiratete. Die nächste Station war Gommern bei Magdeburg, 1785 begann Hahnemann in Dresden zu praktizieren. Neben einer ganzen Reihe von Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen (hauptsächlich medizinischer Fachbücher, aber auch eines umfangreichen belletristischen Werkes) begann er dort regelmäßig wissenschaftliche Beiträge zu veröffentlichen, so die Schrift „Über die Weinprobe auf Eisen und Blei“ (1788), die es ermöglichte, die Verfälschung von Wein mit giftigem Bleizucker nachzuweisen. Die hahnemannsche Weinprobe machte seinen Namen bekannt; sie wurde von der preußischen Regierung für die Weinhändler der Stadt Berlin vorgeschrieben. In Dresden fungierte Hahnemann zeitweise als Vertreter des Stadtphysicus und bekam so Einblick in die Gerichtsmedizin, was sich u.a. in einer Schrift über die Arsenikvergiftung niederschlug.

Anfänge der Homöopathie und psychotherapeutische Experimente

1789 zog Hahnemann mit Frau und mittlerweile drei Kindern nach Lockwitz, später nach Leipzig und dann in den Leipziger Vorort Stötteritz. Dort übersetzte er 1790 die zweibändige Arzneimittellehre des Schotten William Cullen, eines damals sehr bekannten Mediziners, des Lehrers von John Brown, dem Begründer des populären Brownianismus. Diese Übersetzung enthält eine Fußnote, die als die erste Spur der Homöopathie betrachtet werden kann. Hahnemann kritisierte darin, dass Cullen die bekannte Wirkung der Chinarinde bei Malaria („Wechselfieber“) auf deren magenstärkende Eigenschaften zurückführte. Und er gab einen Bericht über einen von ihm vorgenommenen wiederholten Selbstversuch mit der Chinarinde, die nach seinen Angaben bei ihm „alle mir sonst beim Wechselfieber gewöhnlichen Symptomen“ hervorrief – „doch ohne eigentlichen Fieberschauder“. Er formulierte, zunächst sehr vorsichtig, die Vermutung, dass diese Fähigkeit, vergleichbare Symptome hervorzurufen, für die Heilwirkung der Chinarinde bei Malaria verantwortlich sein könnte.

Im Jahre 1791 wurde Hahnemann in die renommierte "Churfürstlich Mayntzische Academie nützlicher Wissenschaften" zu Erfurt aufgenommen.

In Gotha, wohin Hahnemann 1792 umgezogen war, kündigte der mit ihm befreundete Verleger Rudolph Zacharias Becker die Gründung einer „Genesungs-Anstalt für etwa 4 irrsinnige Personen aus vermögenden Häusern“ an, die ein „menschenfreundlicher Arzt“ (nämlich Hahnemann) leiten sollte. Es sollte auf Züchtigung, Fixierung und andere Disziplinierungsmaßnahmen verzichtet werden; die Therapie bestand im Wesentlichen offenbar in Gesprächen und möglicherweise auch bereits homöopathischen Medikamentengaben. Es gab jedoch nur einen Patienten, der das Honorar aufbringen konnte, den hannoverschen Autor und Beamten Friedrich Arnold Klockenbring, der offenbar an einer Art manisch-depressiver Gemütskrankheit litt. Im Frühjahr 1793 entließ Hahnemann Klockenbring als geheilt, musste danach allerdings seine Anstalt mangels weiterer Patienten schließen. In seinem Artikel „Striche zur Schilderung Klockenbrings während seines Trübsinns“, veröffentlicht in der „Deutschen Monatsschrift“ 1796, berichtet Hahnemann über seinen psychotherapeutischen Versuch.

Weitere Stationen Hahnemanns waren Molschleben, Göttingen, Pyrmont (1794), Wolfenbüttel, Braunschweig (1795) und Königslutter (1796-1799). Er publizierte weiterhin eifrig, insbesondere chemische und pharmazeutische Übersetzungen und eigene Schriften, u.a. zur Herstellung eines löslichen Quecksilberoxids und zur Entdeckung eines Mittels gegen Milchschorf der Kinder (Kalkschwefelleber, noch heute als homöopathisches Mittel Hepar sulphuris benutzt), aber auch ein zweiteiliges, viel gelesenes „Apothekerlexikon“. Vermutlich hat er während der ganzen Zeit auch weitere, dem Chininversuch vergleichbare Experimente an sich selbst und evtl. anderen vorgenommen, denn 1796 erschien sein erster Aufsatz über das Heilprinzip, das später das homöopathische heißen sollte, in Hufelands "Journal der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst“: „Versuch über ein neues Princip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneysubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen“. In diesem Beitrag formulierte Hahnemann das Prinzip, „Ähnliches mit Ähnlichem“ (similia similibus) zu heilen, und versuchte es mit einer ganzen Reihe empirischer Beobachtungen abzustützen, u.a. mit weiteren Selbstversuchen, Vergiftungsberichten, Lesefrüchten und eigenen und fremden Heilungsgeschichten, die durch das Simileprinzip erklärt werden.

1799 zog Hahnemann mit seiner Familie, die inzwischen acht Kinder umfasste, nach Altona. Seine Versuche, die dortigen hohen Lebenshaltungskosten zu erwirtschaften, ließen sich nicht gut an: Die Kur des psychisch kranken Dichters Johann Karl Wezel, die er nach dem Muster der früheren Klockenbring-Behandlung übernahm, schlug fehl, da er mit dem aggressiven Patienten nicht zurechtkam, und seine im „Reichsanzeiger“ beworbene Schrift „Heilung und Verhütung des Scharlach-Fiebers“ nebst einem „Pülverchen“, das gegen Ansteckung mit Scharlach schützen sollte, erwies sich ebenfalls als erfolglos. Aufgrund seiner prekären ökonomischen Lage folgte ein weiterer Ortswechsel nach Mölln (1800), wo ein weiterer Versuch scheiterte: Das von Hahnemann hergestellte und angepriesene „neue Laugensalz“ erwies sich als altbekanntes Borax. Er gestand seinen Fehler ein und gab das eingenommene Geld zurück.

Die Begründung der Homöopathie als heilkundliches System

Hahnemann wechselte nun erneut den Ort, zunächst nach Machern, dann nach Eilenburg (1801-1803) und schließlich nach Schildau. In dieser Zeit sind ausweislich des Hahnemannschen Krankenjournals erstmals zweifelsfrei Behandlungen nach dem homöopathischen Ähnlichkeitsgesetz nachzuweisen. Hahnemann begann nun auch immer kleinere Dosen zu verwenden, was er in einem Aufsatz „Ueber die Kraft kleiner Gaben der Arzneien überhaupt und der Belladonna insbesondere“ in Hufelands "Journal der practischen Arzneykunde“ begründete. 1805 ließ er sich endlich für einige Jahre in Torgau nieder. In diese Zeit fällt ein Aufsatz von Hahnemann, ebenfalls in Hufelands Zeitschrift, der erstmals den Begriff "homöopathisch" einführt: "Fingerzeige auf den homöopathischen Gebrauch der Arzneien in der bisherigen Praxis". Vor allem aber erschienen dort zwei Schriften, die deutlich machten, dass er seine Selbst- und wahrscheinlich auch Fremdversuchspraxis in den letzten Jahren konsequent fortgesetzt hatte: die lateinische Arzneimittellehre „Fragmenta de viribus medicamentorum positivis sive in sano corpore observatis“ (Fragmente zu den gesicherten Arzneikräften oder auch denjenigen, die am gesunden Körper beobachtet wurden) und das Buch „Heilkunde der Erfahrung“, die erste Gesamtdarstellung des neuen Heilprinzips. 1810 schließlich veröffentlichte Hahnemann die erste Auflage seines Grundlagenwerks zur Homöopathie, damals noch unter dem Titel „Organon der rationellen Heilkunde“ (spätere Auflagen tragen den Titel „Organon der Heilkunst“). Dieses Werk enthielt bereits alle Wesenszüge der Homöopathie, wurde aber in den kommenden Jahren noch erheblich überarbeitet und ergänzt. Es ist bis heute das theoretische Werk der Homöopathie geblieben.

Das „Organon“ wirkte, auch wegen der in ihm enthaltenen scharfen Polemik, sofort deutlich polarisierend. Hahnemann wurde nun als Haupt einer neuen Schule angesehen. 1811 folgte das erste große Werk, das sein Programm der Prüfung von Arzneimitteln an Gesunden umsetzte, nämlich der erste Band der „Reinen Arzneimittellehre“ (die es später auf sechs Bände bringen sollte) mit im Experiment an Gesunden (vor allem an sich selbst, seiner Familie und seinen Schülern) herausgefundenen „reinen Arzneiwirkungen“ sowie zahlreichen Literaturzitaten. Ein solches experimentell begründetes Werk kann als für die damalige Zeit einzigartig gelten.

Die Leipziger Jahre 1811-1821

1811 zog Hahnemann nach Leipzig um. Dort gelang es ihm 1812 mit einem weiteren wissenschaftlichen Werk („De Helleborismo veterum“, d.h. über den Gebrauch der Nieswurz bei den Alten = antiken Autoren), die Lehrbefugnis an der Universität zu erlangen (Habilitation). Hahnemann wurde nun tatsächlich zum Begründer einer heilkundlichen Richtung, sammelte Schüler um sich, vermochte sein Arzneiprüfungsprogramm mit neuen Kräften (insbesondere seinen Studenten und seinem ältesten Sohn) fortzusetzen und Vorlesungen über die Homöopathie zu halten – und wurde in ausgedehnte akademische Fehden verwickelt, da er unter den Medizinprofessoren auch erbitterte Gegner hatte. So gab es eine Auseinandersetzung mit Karl Heinrich Dzondi von der Universität Halle über die Frage, ob bei Verbrennungen möglichst kaltes oder eher warmes Wasser angewandt werden solle (als Exemplifikation des "Contraria"- gegen das Ähnlichkeitsprinzip). 1816 erschien der zweite Band seiner „Reinen Arzneimittellehre“, 1819 die zweite Auflage des „Organon der Heilkunst“, nun mit dem aufklärerischen Motto „aude sapere“ ("Wage zu wissen") von Horaz, das durch Kants Aufklärungsdefinition so bekannt geworden war.

In seiner Leipziger Zeit unterhielt Hahnemann auch eine ausgedehnte Praxis. Sein bekanntester Patient war, neben Friedrich Wieck, dem Vater von Clara Wieck (spätere Clara Schumann), Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg, österreichischer Generalfeldmarschall, der als Sieger von Leipzig sehr populär war (selbst Goethe kommentierte diese Entscheidung Schwarzenbergs interessiert). Der schwerkranke Fürst, der bereits alle möglichen anderen Ärzte in Anspruch genommen hatte, verstarb schließlich aber trotz aller Anstrengungen im Oktober 1820. In diese Zeit fiel auch der „Leipziger Dispensierstreit“: Hahnemann, der ja über ausgedehnte chemische und pharmazeutische Kenntnisse verfügte, bestand darauf, seine homöopathischen Arzneien selbst herstellen zu dürfen, worauf ihn drei Leipziger Apotheker verklagten, da die Apotheker das Privileg besaßen, als einzige Arzneien verfertigen zu dürfen. Er endete 1820 mit einem Kompromiss: Die Apotheker behielten ihr hergebrachtes Dispensierrecht, Hahnemann durfte jedoch in Notfällen, insbesondere auf dem Land, auch selbst Medikamente zubereiten.

Die Köthener Zeit 1821-1835

  Nach dieser Teilniederlage entschloss er sich zu einem weiteren Umzug und ging 1821 als Herzoglicher Leibarzt nach Köthen, wo ihm Herzog Heinrich von Anhalt-Köthen das Recht auf Verfertigung eigener Arzeneien und Selbstdispensierung derselben nach Intervention des österreichischen Politikers Adam von Müller, eines einflussreichen Förderers der Homöopathie, schriftlich garantierte. 1822 wurde er zum Hofrat ernannt. 1829 beging er in Köthen feierlich das 50. Jubiläum seiner Erlanger Promotion.

In Köthen erschien 1828-1830 die erste Auflage der „Chronischen Krankheiten“, die einen erheblichen Wandel in der Doktrin der Homöopathie bedeuteten und auch bei seinen Anhängern durchaus nicht nur auf Begeisterung stießen. Während das Simileprinzip grundsätzlich in Kraft blieb, stellte Hahnemann fest, dass bei gewissen chronischen Krankheiten eine einfache homöopathische Medikation nicht half. Er teilte sie in drei Typen ein: die Geschlechtskrankheiten Syphilis und „Sykosis“ (Gonorrhoe) sowie die Mangelkrankheit „Psora“, unter die er eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsmanifestationen rechnete und die er mit Hauterscheinungen vom Typ der Krätzebläschen in Verbindung brachte. Das Ähnlichkeitsprinzip sollte in diesen Fällen entsprechend nicht in erster Linie auf die gegenwärtigen Krankheitssymptome, sondern auf die „Ur-Übel“ angewandt werden, die das chronische Kranksein hervorgebracht hatten und in Form eines „Miasmas“, sozusagen einer dauerhaften Prägung, weiterhin das Leben der Patienten beeinträchtigten. Die von ihm in den nach und nach erscheinenden fünf Bänden der „Chronischen Krankheiten“ vorgestellten und an Gesunden experimentell geprüften Arzneien sollten auch imstande sein, das psorische Miasma zu bekämpfen. Ein weiterer, später noch schärfer formulierter Stein des Anstoßes war die neue Lehre von der Arzneipotenzierung: Hahnemann verkündete nun, dass die Methode der Verdünnung mit gleichzeitiger mechanischer Bearbeitung (Schütteln, Reiben) nicht nur nebenwirkungsärmere Arzneien hervorbringe, ja dass diese spezielle Methode ihre Heilkräfte erst wahrhaft aufschließe. Auch in dieser Lehre folgten ihm seine Schüler keineswegs bedingungslos.

Zugleich begann Hahnemann, der zuvor auf eine theoretische Begründung seines Ähnlichkeitsprinzips verzichtet und es als rein empirisches Gesetz bezeichnet hatte, sich der Lehre des Vitalismus anzunähern (was ihm unter anderem Beifall von Seiten des berühmten Hufeland einbrachte). In der vierten (1829) und vor allem der fünften Auflage des Organon (1833) räumte er einer immateriellen Lebenskraft des Organismus, die in den ersten Organon-Ausgaben keine Rolle gespielt hatte, einen prominenten Platz bei der Argumentation für das Ähnlichkeitsprinzip ein, freilich in Form einer Hypothese:

„Da dieses Naturheilgesetz (das Ähnlichkeitsprinzip) sich in allen reinen Versuchen und allen ächten Erfahrungen der Welt beurkundet, die Thatsache also besteht, so kommt auf die scientifische Erklärung, wie dieß zugehe, wenig an und ich setze wenig Werth darauf, dergleichen zu versuchen. Doch bewährt sich folgende Ansicht als die wahrscheinlichste, da sie sich auf lauter Erfahrungs-Prämissen gründet“

Organon, § 20

Am 31. März 1830 starb Hahnemanns erste Frau in Köthen nach 48jähriger Ehe; vier seiner Töchter unterstützten ihn nun in seiner ausgedehnten Praxis. Eine große Rolle für die weitere Durchsetzung der Homöopathie spielten seine Stellungnahmen zu den großen Choleraepidemien der Jahre 1830 und 1831. Hahnemann hat zwar selbst nie einen Cholerakranken zu Gesicht bekommen, veröffentlichte aber in Köthen vier einflussreiche Texte zum Wesen der Cholera und zur Cholerabehandlung, die insbesondere in Wien auf großes Interesse stießen und mit recht gutem Erfolg (jedenfalls verglichen mit der damals herrschenden Medizin) angewendet wurden. Bemerkenswert ist insbesondere, dass Hahnemann die Cholera zu Recht für eine von „feinsten Thieren niederer Ordnung“ übertragene Infektionskrankheit hielt und dafür zumindest in der Anfangsphase eine Art antiseptische Therapie in Form einer Kampfer-Anwendung empfahl; zum relativen Erfolg der Homöopathie bei Cholera dürfte beigetragen haben, dass Hahnemann allen schwächenden Maßnahmen strikt widersprach und vor allem das von anderen Ärzten empfohlene Trinkverbot für widersinnig erklärte.

In die 1830er-Jahre fielen auch erbitterte Kämpfe um die Reinheit der neuen Lehre, die besonders in den Auseinandersetzungen um das erste homöopathische Krankenhaus in Leipzig, das 1833 begründet wurde, Gestalt annahmen. Hahnemann nahm in schärfster Form Stellung gegen jeden Versuch, die Homöopathie mit herkömmlichen, insbesondere schwächenden Mitteln (Aderlass, Abführmittel etc.) zu verbinden. Dies richtete sich speziell gegen den Leiter dieses Krankenhauses, Moritz Müller, der ein eklektisches Vorgehen bevorzugte. Die Konflikte mit den „Halbhomöopathen“ rissen danach nicht mehr ab.

Ende 1834 suchte die 35-jährige französische Malerin Mélanie d'Hervilly Hahnemann in Köthen als Patientin auf. Es kam zu einer stürmischen Liebesgeschichte mit dem mittlerweile achtzigjährigen Arzt, die zu Hahnemanns zweiter Ehe führte. Die Hochzeit, die ohne kirchlichen Segen am 18. Januar 1835 in seinem Haus in der Köthener Wallstraße stattfand, erregte gewaltiges Aufsehen. Zusammen mit seiner 45 Jahre jüngeren Gattin zog er bald darauf nach Paris um.  

Die letzten Jahre in Paris 1835-1843

In Paris verbrachte Hahnemann seine letzten acht Jahre als angesehener und vielbeschäftigter Arzt. Sein prominentester Patient dort dürfte 1837 der Geiger Niccolò Paganini gewesen sein, der offenbar unter Priapismus, Harnverhaltung und Husten litt. Er brach die Behandlung ab, nachdem sein Annäherungsversuch an Hahnemanns Frau von dieser brüsk zurückgewiesen worden war.

In den letzten Jahren arbeitete Hahnemann an einer 6. Auflage seines Organon, die neue Vorschriften zur Arzneibereitung („Potenzierung“) enthielt, insbesondere zu den später so genannten Q-Potenzen (mit besonders großen Verdünnungsschritten von 1:50.000), über die es fast ein Jahrhundert lang eine virulente Gerüchteküche gab. Sie wurde, hauptsächlich aufgrund von Querelen zwischen Mélanie Hahnemann und verschiedenen Hahnemann-Schülern, erst 1921 von Richard Haehl aus dem Nachlass veröffentlicht. Eine nach Hahnemanns Tod von Arthur Lutze veröffentlichte Version gilt als nicht authentisch.

Hahnemann starb am 2. Juli 1843 in Paris, vermutlich an einer Lungenentzündung. Er wurde zunächst auf dem Friedhof Montmartre beigesetzt, später (1898) zusammen mit seiner zweiten Frau auf dem Friedhof Père Lachaise begraben. Auf seinem Grabstein steht „Non inutilis vixi“, wie er es sich gewünscht hatte: Ich habe nicht unnütz gelebt.

Aufgrund seiner Verdienste wurde er zum Ehrenbürger von Meißen ernannt.

 

Ehrungen

Am 10. August 1851 wurde im Rahmen einer Tagung des Homöopathischen Central-Vereins ein Denkmal für Hahnemann in Leipzig enthüllt. Die Inschrift lautet: "DEM // GRÜNDER DER HOMÖOPATHIE // SAM. HAHNEMANN // GEB. ZU MEISSEN D. 10. APRIL 1755 // GEST. ZU PARIS D. 2. JULI 1843 // VON // SEINEN DANKBAREN SCHÜLERN // UND VEREHRERN"

Im Jahre 1900 wurde in Washington (D.C.) ein mächtiges Hahnemann-Denkmal errichtet und am 21. Juni feierlich eingeweiht. In den USA war damals die Homöopathie sehr weit verbreitet, und US-amerikanische Homöopathen hatten nicht weniger als 75.000 $ für das Monument gesammelt. Es trägt die Inschrift Similia similibus curentur, die kürzeste Zusammenfassung des homöopathischen Prinzips: Ähnliches soll mit Ähnlichem geheilt werden. Eine Fotoserie findet sich unter "Weblinks".

In Hahnemanns längstem Wirkungsort Köthen wurde 1897 ein Denkmal errichtet, das zugleich auch dem Gründer der Köthener homöopathischen Klinik, Arthur Lutze (1813-1870), gewidmet ist. Das Hahnemann-Lutze-Denkmal steht gegenüber dem neugotischen Prachtbau der Lutze-Klinik, der heute ebenso wie Hahnemanns Köthener Wohnhaus und Praxisräume wieder für Besucher zugänglich ist.

Seit 1906 trägt eine Straße im Leipziger Stadtteil Lindenau den Namen Hahnemannstraße.

Schriften (Auswahl)

Eigene Schriften

  • Conspectus adfectuum spasmodicorum aetiologicus et therapeuticus (Diss.). Erlangen 1779. (Als Reprint sowie in deutscher Übersetzung erhältlich: Übersicht über die Krampfzustände nach Ursache und Heilung. Bad Langensalza, Reprint 1779/2007, Verlag Rockstuhl, ISBN 978-3-938997-98-7.)
  • Anleitung, alte Schäden und faule Geschwüre gründlich zu heilen. Leipzig 1784, Crusius.
  • Ueber die Arsenikvergiftung, ihre Hülfe und gerichtliche Ausmittelung. Leipzig 1786, Crusius.
  • Abhandlung über die Vorurteile gegen die Steinkohlenfeuerung. Dresden 1787, Waltherische Hofbuchhaltung.
  • Unterricht für Wundärzte über die venerischen Krankheiten, nebst einem neuen Quecksilberpräparate. Leipzig 1787. Crusius.
  • Ueber die Weinprobe auf Eisen und Blei. Leipzig 1788.
  • Freund der Gesundheit. Frankfurt 1792.
  • Apothekerlexikon. 4 Theile in 2 Bänden, Leipzig 1793-1798. Bei zeno.org online unter [1]
  • Striche zur Schilderung Klockenbrings während seines Trübsinns. In: Deutsche Monatsschrift, 1. Jg. (1796), S. 147-159.
  • Versuch über ein neues Princip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen. In: Hufelands Journal der practischen Arzneykunde, Bd. 2 (1796), 3. Stück, S. 391 ff. sowie 4. Stück, S. 1 ff. Bei zeno.org online unter [2]
  • Heilung und Verhütung des Scharlach-Fiebers. Gotha 1801.
  • Ueber die Kraft kleiner Gaben der Arzneien und der Belladonna insbesondere. In: Hufelands Journal der practischen Arzneykunde, Band 13 (1801), 2. Stück, S. 152-159.
  • Der Kaffee in seinen Wirkungen. Leipzig 1803.
  • Fragmenta de viribus medicamentorum positivis sive in sano corpore humano observatis. Leipzig 1805, Barthius.
  • Heilkunde der Erfahrung. Berlin 1805, Wittich. Bei zeno.org online unter [3]
  • Fingerzeige auf den homöopathischen Gebrauch der Arzneien in der bisherigen Praxis. In: Hufelands Journal der practischen Arzneykunde, Bd. 16 (1807), S. 5-43.
  • Ueber den Werth der speculativen Arzneisysteme, besonders im Gegenhalt der mit ihnen gepaarten, gewöhnlichen Praxis. In: Allgemeiner Anzeiger der Deutschen (1808).
  • Auszug eines Briefes an einen Arzt von hohem Range über die höchst nöthige Wiedergeburt der Heilkunde. In: Allgemeiner Anzeiger der Deutschen (1808).
  • Organon der rationellen Heilkunde. Dresden 1810, Arnoldische Buchhandlung. Spätere, jeweils vermehrte und veränderte Auflagen unter dem Titel: Organon der Heilkunst. 2. Auflage: Dresden 1818. 3. Auflage: Dresden 1824. 4. Auflage: Dresden und Leipzig 1829. 5. Auflage: Dresden und Leipzig 1833 (bei zeno.org online unter [4]). 6. Auflage (posthum): Leipzig 1921 (hrsg. von Richard Haehl; bei zeno.org online unter [5]).
  • Reine Arzneimittellehre. Theil 1-6. Leipzig, 1811-1821. Zweite, vermehrte Auflage: Leipzig 1822-1827. Bei zeno.org online unter [6]
  • De helleborismo veterum. Leipzig 1812.
  • Die chronischen Krankheiten. Ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung, Theil 1-5. Erste Auflage: Leipzig 1828-1830. Zweite, veränderte und vermehrte Auflage: Leipzig und Dresden 1835-1839. Bei zeno.org online unter [7]
  • Allöopathie. Ein Wort der Warnung an Kranke jeder Art. Leipzig 1831.
  • Heilung der asiatischen Cholera und Schützung vor derselben. Nürnberg 1831.
  • Sicherste Ausrottung und Heilung der asiatischen Cholera. Leipzig 1831, Glück.

Übersetzungen

  • William Falconer: Versuch über die mineralischen Wasser, 1777.
  • Jean Baptiste van den Sande: Die Kennzeichen der Güte und Verfälschung der Arzneimittel, 1787.
  • Joseph Berrington: Geschichte Abälards und der Heloise, Leipzig 1789.
  • William Cullen: Abhandlung über die Materia Medika, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von S.H. 2 Bände. Leipzig 1790.
  • D. Monro: Chemisch pharmaceutische Arzneimittellehre. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von S.H. 2 Bände. Leipzig 1791.
  • Neues Edinburgher Dispensatorium, Leipzig 1797/1798.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Jütte: Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie. München 2005, dtv premium. ISBN 3-423-24447-X
  • Rima Handley: Eine homöopathische Liebesgeschichte. Das Leben von Samuel und Melanie Hahnemann. München 2002, C.H. Beck. ISBN 3-406-45991-9
  • Anthony Campbell: Homeopathy in Perspective, engl. Buch als pdf
  • Richard Haehl: Samuel Hahnemann. Sein Leben und Schaffen. 2 Bände, Leipzig 1922, Willmar Schwabe (Ndr. Dreieich 1988)
  • Samuel Hahnemann: Die Krankenjournale. Hrsg. von Robert Jütte. Heidelberg 1992-2005, Haug.
  • Georg Bayr: Hahnemanns Selbstversuch mit der Chinarinde 1790. Die Konzipierung der Homöopathie. Heidelberg 1989, Haug, ISBN 3-8304-0210-4

Belletristische Darstellung

  • Guido Dieckmann: Die Gewölbe des Doktor Hahnemann. Berlin 2002
Wikiquote: Samuel Hahnemann – Zitate
  • Literatur von und über Samuel Hahnemann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Werke von Samuel Hahnemann bei Zeno.org
  • Der Gründungstext der Homöopathie: Versuch über ein neues Princip …
  • Das Organon der Heilkunst
  • digitalisierte Werke Hahnemanns in der Digital General Collection der University of Michigan
  • Robert Jütte: Samuel Hahnemann: Mehr als nur ein Denkmal
  • Michael Emmans Dean: Homeopathy and the Progress of Science Wissenschaftshistorischer Aufsatz über die Stellung Hahnemanns zur Medizin seiner Zeit und seinen Bezug zur Aufklärung.
  • Seite mit Fotos des Hahnemann-Monuments in Washington
  • Das Homöopathie-Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Dort befindet sich der Nachlaß von Samuel und Melanie Hahneman.
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