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Ruhemembranpotential



Der Begriff Ruhemembranpotential (auch Ruhepotential oder RMP) kennzeichnet in elektrisch erregbaren Zellen das Membranpotential, das die Zellen ohne Erregung aufweisen.

Die Fähigkeit zur Ausbildung eines solchen Potentials ist von grundlegender zellphysiologischer Bedeutung, unter anderem für die Erregungsleitung der Nerven, die Steuerung der Muskelkontraktion und den Transport von Molekülen durch die Membran. Elektrisch erregbare Zellen treten kurzzeitig aus dem Zustand des Ruhemembranpotentials heraus, wenn ein Aktionspotential ausgelöst wird.

Es befinden sich vier wichtige Ionenarten in der Umgebung der Zellmembran:

  • Positiv geladene Natrium-Ionen (Na+)
  • Positiv geladene Kalium-Ionen (K+)
  • Negativ geladene Chlorid-Ionen (Cl)
  • Negativ geladene organische Anionen (A), z.B. in Form von Proteinen

An der Ausbildung des Ruhemembranpotentials sind vier Faktoren beteiligt:

  1. Chemischer Gradient: Teilchen bewegen sich zufällig und tendieren zu gleichmäßiger Verteilung (Brownsche Molekularbewegung).
  2. Elektrischer Gradient: Spannungsunterschiede tendieren zu einem Ausgleich.
  3. Selektive Permeabilität (Durchlässigkeit) der Zellmembran: Die Zellmembran ist in Ruhe (d.h. am Ruhemembranpotential) vor allem für Kalium-Ionen (K+) und Chlorid-Ionen (Cl) durchlässig und praktisch undurchlässig für Natrium-Ionen (Na+) und Calcium-Ionen (Ca2+). Verantwortlich dafür sind Ionenkanäle mit jeweils spezifischer Leitfähigkeit für die unterschiedlichen Ionen.
  4. Natrium-Kalium-Pumpe: Die Tätigkeit der Natrium-Kalium-ATPase, einer Ionenpumpe, die unter ATP-Hydrolyse Natrium-Ionen aus der Zelle heraus- und Kalium-Ionen in die Zelle hineinpumpt.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen des Ruhepotentials

Grund für das Ruhemembranpotential sind bestimmte Eigenschaften der Plasmamembran, nämlich

  • grundsätzliche Impermeabilität der Lipiddoppelschicht für Ionen
  • der Konzentrationsgradient wichtiger Ionen durch die Aktivität der Natrium-Kalium-ATPase
  • spezifische hohe Permeabilität der Membran für Kaliumionen durch bestimmte Kanäle.

Einfluss haben weiterhin die

Diffusionspotential

Nicht auf die Biologie beschränkt ist das Phänomen des Diffusionspotentials. Voraussetzung sind zwei Kompartimente mit unterschiedlich hohen Konzentrationen eines Salzes, zum Beispiel eines Kaliumsalzes, die durch eine nur für Kalium permeable Membran (auch synthetisch herstellbar) getrennt sind.

  1. In der Ausgangslage ist das Gefäß elektrisch neutral, da zwar auf der einen Seite mehr Kaliumionen, aber auch mehr negativ geladene Gegenionen des Salzes vorhanden sind.
  2. Nur das Kalium kann durch die Membran hindurchtreten und wird das auch tun, und zwar in beiden Richtungen. Allerdings sind auf der einen Seite wesentlich mehr Ionen als auf der anderen, so dass in der Summe Ionen vom hoch- in das niedrigkonzentrierte Kompartiment übertreten. Triebkraft ist das chemische Potential aufgrund eines Konzentrationsgradienten.
  3. Kaliumionen besitzen aber eine Ladung. Sobald ein Ion übertritt, ist das zweite Kompartiment positiv bzw. das erste negativ geladen. Es herrscht ein elektrisches Feld, oder, was gleichbedeutend ist, eine elektrische Potentialdifferenz oder Spannung über der Membran. Dieses Feld übt auf die Ionen eine Kraft aus, die sie gegen den chemischen Gradienten wieder zurücktreibt.
  4. Zwischen den beiden Kräften bildet sich ein Gleichgewicht aus, bei dem pro Zeiteinheit genauso viele Teilchen in die eine wie in die andere Richtung diffundieren. Dieser Zustand ist genau dann erreicht, wenn der Energieaufwand für den einen Weg gleich dem des anderen ist. Setzt man die Ausdrücke für die elektrische Arbeit und die chemische Arbeit entlang eines Konzentrationsgradienten gleich, erhält man die Nernst-Gleichung.

Das Potential an diesem Punkt ist das Gleichgewichtspotential für das betreffende Ion, in diesem Fall für Kalium.

Situation an der Membran

Die biologische Membran erfüllt die Voraussetzungen für ein Diffusionspotential. Die Lipiddoppelschicht ist für Ionen nicht durchlässig. In dieser Schicht sitzen Transmembranproteine, die hochspezifische Kanäle für die Kationen K+, Na+, Ca2+ oder für Anionen darstellen. Die Öffnung dieser Kanäle kann durch verschiedene Mechanismen kontrolliert werden, die aber für das Ruhepotential nicht von Bedeutung sind.

Die meisten Kanäle sind während des Zustands des Ruhepotentials geschlossen, nur bestimmte Kaliumkanäle sind offen (beim Menschen je nach Zelltyp die Gruppe der spannungsunabhängigen Kalium-einwärts-Gleichrichter-Kanäle Kir, die 2-P-Domänen- oder Hintergrundkanäle, und ein erst bei sehr negativen Spannungen schließender spannungsabhängiger Kanal). Der bei weitem überwiegende Anteil der Kanäle für Natrium und Calcium ist geschlossen.

Ionenungleichgewicht

An der Membran herrschen physiologischerweise große Konzentrationsgradienten für die wichtigen Ionen. Der für das Ruhemembranpotential nötige Gradient wird durch die Natrium-Kalium-ATPase erzeugt, eine energieabhängige Pumpe, die pro gespaltenem ATP-Molekül drei Na+-Ionen hinaus und zwei K+-Ionen hineinpumpt. Dadurch entsteht zwar auch schon ein Ladungsungleichgewicht, das aber nur gering (10 %) am Ruhemembranpotential beteiligt ist. Das Potential ist also nicht, wie häufig angenommen und auch gelehrt, allein auf die Aktivität der Na+-K+-ATPase zurückzuführen. Diese liefert nur eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung des Ruhemembranpotentials.

Die physiologischen Konzentrationen wichtiger Ionen beim Menschen
Ion Konzentration
intrazellulär (mmol/l)
Konzentration
extrazellulär (mmol/l)
Verhältnis Gleichgewichtspotential
nach Nernst
Na+ 7–11 144 1:12 ca. +60 mV
K+ 120–155[1][2] 4–5[3][4] 30:1 −91 mV
Ca2+ 10-5–10−4 2 +125 mV bis +310 mV
Cl- 4–7 120 1:20 −82 mV
HCO3 8-10 26-28 1:3 −27 mV
H+ 10−4 (pH 7,0) 4×10−5 (pH 7,4) 1:2,5 −24 mV
Anionische Proteine 155 5

 

Ausbildung des Ruhemembranpotentials

Da nun eine selektiv permeable Membran und ein Konzentrationsgradient gegeben ist, kann sich ein Gleichgewichtspotential entwickeln.

Entscheidend für das Ruhemembranpotential ist der Konzentrationsgradient des Kalium-Ions. Das Ruhemembranpotential wird vom Gleichgewichtspotential des Kaliumions bestimmt.

Diese Behauptung gilt trotz der Tatsache, dass das Ruhemembranpotential nie genau bei dem von der Nernst-Gleichung für Kaliumionen vorgegebenen Wert liegt. Der Grund dafür ist, dass die Leitfähigkeit der Membran für Natrium- und Calciumionen zwar sehr gering, aber doch nicht null ist, und beide Ionen weit von ihrem Gleichgewichtspotential (siehe Tabelle) entfernt liegen, was eine hohe elektrochemische Triebkraft bedeutet. Daher gibt es immer Natriumleckströme (in geringerem Maß auch Calcium) ins Zellinnere, die das Potential ins Positive verschieben und wieder Kaliumionen aus der Zelle treiben. Würde nicht beständig die Natrium-Kalium-ATPase gegen diese Leckströme arbeiten, wäre das Ruhepotential schon bald nivelliert.

Auch für Chloridionen ist die Membran durchlässig. Ihr Gleichgewichtspotential liegt aber nahe dem für Kaliumionen. Dennoch ist auch das Chloridion am Ruhemembranpotential beteiligt.

Aufgrund der Beteiligung auch anderer Ionen reicht die Nernst-Gleichung für eine genaue Berechnung nicht aus. Eine bessere mathematische Beschreibung ist mit der Goldman-Hodgkin-Katz-Gleichung möglich, die neben Kalium- auch Natrium- und Chloridionen in die Berechnung einbezieht.

Die oben genannten Gleichungen beschreiben einen stationären Zustand des Potentials über der Zellmembran, also das Ruhemembranpotential. Betrachtet man jedoch die Möglichkeit einiger Ionenkanäle, ihre Leitfähigkeit in Abhängigkeit von der anliegenden Spannung zu ändern, wird die Membranleitfähigkeit zu einer Funktion der Spannung über der Membran und es herrscht kein stationärer Zustand mehr. Dies ist im Hodgkin-Huxley-Modell beschrieben, welches die elektrischen Zustände einer oder mehrerer Zellen bei unterschiedlichen Bedingungen beschreibt.

Die oben angeführten Konzentrations- und Potentialgradienten stellen die Grundlage des EM dar. Als Ursachen für die Gradienten bzw. als Gründe für die Verhinderung eines Diffusionsausgleiches kann man folgende Punkte zusammenfassen:

  1. Verschiedene Ionen-Permeabilitäten über die Membran.
  2. Immobilität der intrazellulären Proteine (Donnan-Gibbs; nach Frederick George Donnan und Josiah Willard Gibbs).
  3. Gleichgewichtspotentiale der Ionen (Nernst, Goldman).
  4. Verschiedene Leitfähigkeiten für die jeweiligen Ionen.
  5. Die Na-K-Pumpe (elektrogen, konzentrationsverschiebend).

Messung des Ruhemembranpotentials

Man kann das Ruhemembranpotential mit zwei Mikroelektroden experimentell bestimmen. Eine der beiden, die Messelektrode, wird in die Zelle hineingestochen, die zweite, die Bezugselektrode, wird von außen an die Zelle gehalten. An einem Voltmeter oder Kathodenstrahloszilloskop kann man zwischen den Elektroden eine Spannung in der Größenordnung von −70 mV (viele Säugetiere) ablesen: das Ruhepotential. Definitionsgemäß ist diese Spannung von außen nach innen zu verstehen, das Zellinnere ist negativ geladen.

Die gemessenen Werte sind je nach Zelltyp unterschiedlich und schwanken zwischen −50 und −100 mV. Bei menschlichen Neuronen liegt der Wert typischerweise bei −70 mV, Gliazellen, Herz- und Skelettmuskelzellen weisen −90 mV auf.

Bedeutung des Ruhepotentials

Wie schon erwähnt, ist die Ausbildung und Aufrechterhaltung eines Ruhepotentials grundlegende Voraussetzung für eine Reihe von Aufgaben der Zellen.

Informationsübertragung

Ein vollständig schwarz bedrucktes Blatt Papier stellt keine Informationen dar. Entsprechend würde eine Nervenzelle, die ständig erregt ist (etwa bei +30 mV), keine Information weiterleiten können. Das Ruhepotential ermöglicht sozusagen erst die Erzeugung von Aktionspotentialen und damit die Weiterleitung von elektrischen Informationen an einer Nervenzelle.

Auslösen von Vorgängen

Die durch eine Abweichung vom Ruhepotential übertragene Information kann nicht nur weitergeleitet, sondern auch zum Auslösen verschiedener Vorgänge benutzt werden. So reagieren Muskelzellen auf eine Depolarisation - unter Vermittlung von Calciumionen - mit ihrer spezifischen Aufgabe, nämlich der Kontraktion.

Transportvorgänge

Auch elektrisch nicht erregbare Zellen nutzen ihr Ruhemembranpotential, häufig um bestimmte Substanzen im Zellinneren anzureichern. Das Potential liefert dabei die Energie, die benötigt wird, den Konzentrationsgradienten aufzubauen.

Einzelnachweise

  1. Rainer Klinke, Stefan Silbernagl (Hrsg.) et. al.: Physiologie 5. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-796005-3
  2. Christian Hick, Astrid Hick: Intensivkurs Physiologie 5. Aufl., Urban & Fischer Verlag, München 2006, ISBN 3-437-41892-0
  3. Rainer Klinke, Stefan Silbernagl (Hrsg.) et. al.: Physiologie 5. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-796005-3
  4. Christian Hick, Astrid Hick: Intensivkurs Physiologie 5. Aufl., Urban & Fischer Verlag, München 2006, ISBN 3-437-41892-0

Siehe auch

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Ruhemembranpotential aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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