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Rizin



 

Ricin oder Rizin, ein äußerst toxisches Lektin aus den Samen von Ricinus communis - Familie der Wolfsmilchgewächse -, ist ein starker Inhibitor der eukaryotischen Proteinbiosynthese. Rizin ist einer der giftigsten Eiweißstoffe, die in der Natur vorkommen. Gelangt das Gift in den menschlichen Organismus, so bringt es die kontaminierten Zellen zum Absterben. Für eine tödliche Vergiftung eines Erwachsenen sollen 0,25 Milligramm isoliertes Rizin oder 2-4 der ornamentierten Samenkörner genügen, bei Kindern entsprechend weniger. Hier kann, je nach Alter und Konstitution, schon ein halbes Samenkorn tödlich wirken. Allerdings wird auch berichtet, dass selbst nach Einnahme von 40 - 60 Samen eine Überlebenschance besteht. Dabei kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt das Erbrechen einsetzt. Rizin ist fettunlöslich. Daher ist es im durch kalte Pressung der Samen gewonnenen Rizinusöl nicht enthalten.

Rizin ist in der Kriegswaffenliste des Kriegswaffenkontrollgesetzes aufgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Vergiftungsfolgen

Da Rizin meist versehentlich durch den Verzehr von Rizinus-Samen aufgenommen wird, werden vor allem Zellen des Verdauungstraktes in Mitleidenschaft gezogen (Magen, Darm, Leber, Nieren). Letztlich führt eine Vergiftung mit Rizin auch zu einer Zerstörung der roten Blutkörperchen. Nach der Aufnahme einer tödlichen Dosis tritt der Tod nach 36 bis 72 Stunden ein. Nach einer Latenzzeit von mehreren Stunden bis Tagen können folgende Symptome auftreten: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwäche, Tachykardie, Abdominalschmerzen und akuter Flüssigkeitsverlust. In schweren Fällen kommen Mydriasis, Krämpfe an Händen und Beinen, Fieber sowie die Symptome einer Lebernekrose und eines akuten Nierenversagens dazu. Der Tod erfolgt durch Lähmung medullärer Zentren, besonders des Atemzentrums.

Das Gift kann auch inhaliert (als Aerosol eingeatmet) oder injiziert werden. Die Symptome ändern sich dementsprechend: Lungenödem und Atemstillstand bzw. schwere Lähmungen sind die Folge.

Symptome

Etwa 4 bis 8 Stunden nach dem Verzehr der Samen:

Erste Hilfe

Gegen eine Vergiftung mit Rizin gibt es zurzeit noch kein Antidot.

Wirkungsweise

  Rizin besteht aus zwei verschiedenen Polypeptiden - der A- und der B-Kette - die durch Sulfidbrücken miteinander verbunden sind. Dabei dient die B-Kette zur Bindung an die Zelloberfläche und unterstützt dadurch das Eindringen der A-Kette in das Zytoplasma.

Die in das Zytoplasma eingedrungene A-Kette, oder Ricin A, wirkt wie ein Enzym - genauer: wie eine RNA-N-Glycosidase - welches Ribosomen inaktiviert. Ricin A modifiziert ferner die betroffenen Ribosomen derart, dass zum einen die Bildung des Initiationskomplexes während der Transkriptionsinitiation beeinträchtigt - es erfolgt eine starke Verlangsamung dieses Vorgangs der Translation auf ein Sechstel der sonst üblichen Geschwindigkeit - und zum anderen der Translokationsschritt während der Elongation unterbunden wird.

Wegen ihrer zytostatischen Eigenschaften, also einer wachstumshemmenden Wirkung auf Zellen, werden Toxine vom Typ des Rizins inzwischen vermehrt auf ihre Eignung als Therapeutika bei Tumoren untersucht.

Gebrauch als Biowaffe

Rizin wurde von der britischen Armee aufgrund seiner extremen Toxizität auf eine Verwendbarkeit als Kampfmittel geprüft, sein Einsatz jedoch verworfen und die entsprechenden Vorräte vernichtet, insbesondere, da es sich nur schwer als Aerosol verbreiten lässt und eher für Anschläge auf Einzelpersonen geeignet ist. Es fällt sowohl unter die Biowaffenkonvention als auch unter die Chemiewaffenkonvention.

Inspektoren der UNSCOM fanden nach dem Golfkrieg im Irak 10 Liter konzentrierte Rizinlösung zum Abfüllen in 155-mm-Artilleriegeschosse.

Traurige Berühmtheit erlangte der Mordanschlag mit Rizin als „Regenschirmattentat“ auf den bulgarischen Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markow in London 1978. Der Täter, vermutlich ein Agent des damaligen bulgarischen Geheimdienstes, verletzte das Opfer scheinbar zufällig mit einer präparierten Regenschirmspitze. Dabei wurde ein winziges Platinkügelchen von ca. 1 mm Durchmesser in den Unterschenkel des Opfers injiziert. In der Platinkugel fanden sich zwei mit Zuckermasse verschlossene dünne Kanäle, die mit 40 µg Rizin gefüllt waren und daraufhin kontinuierlich dieses Gift freisetzten. Zunächst als harmloser Zwischenfall abgetan, wurde die Ursache der spät einsetzenden Symptome der Vergiftung erst spät erkannt. Markov starb drei Tage nach dem Attentat. Das Platinkügelchen wurde durch Zufall entdeckt, da nach Markovs Tod auch von der verfärbten Injektionsstelle eine Gewebeprobe entnommen und untersucht wurde. Aufgrund des geringen Innenvolumens konnten die in Frage kommenden Gifte auf wenige, darunter Botulinustoxin und Rizin eingegrenzt werden.

1991 wurden in Minnesota mehrere Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe Patriot's Council festgenommen, weil sie für einen Anschlag auf Bundespolizisten eine Menge an Rizin hergestellt hatten, die für die Tötung von über 100 Menschen ausreichend gewesen wäre. Vier von ihnen wurden gemäß dem „Biological Weapons Anti‑Terrorism Act“ von 1989 für schuldig befunden, sie waren die ersten nach diesem Gesetz Verurteilten überhaupt. 1995 wurde an der kanadisch-amerikanischen Grenze ein ebenfalls dem rechtsextremistischen Lager zugerechneter Mann beim versuchten Schmuggel von 130 Gramm pulverisiertem Rizin festgenommen.

Die Londoner Times berichtete am 16. November 2001, dass in verlassenen al-Qaida-Häusern in Kabul Herstellungsanleitungen für Rizin gefunden wurden, allerdings kein Rizin selbst. Im August 2002 gaben US-Behörden bekannt, dass die islamistische Terrororganisation Ansar al Islam Versuche mit Rizin und mit anderen chemischen und biologischen Kampfstoffen im Nord-Irak angestellt habe.

Am 9. Januar 2003 meldete dpa, dass in London kleinere Mengen Rizin sowie Geräte zu seiner Herstellung gefunden wurden. In diesem Zusammenhang wurden sechs Algerier festgenommen. Im April 2005 wurden bis auf einen alle Beteiligten freigesprochen. Ein Angeklagter wurde wegen Mordes an einem Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilt, den er während einer Hausdurchsuchung erstochen hatte. Die Ermittlungsbehörden gaben in dem Verfahren entgegen früheren Meldungen an, kein Rizin, sondern lediglich amateurhafte Anweisungen zu seiner Herstellung gefunden zu haben.

Literatur

  • Roth, Daunderer, Kormann: Giftpflanzen, Pflanzengifte. ecomed, Landsberg/Lech, 1994. ISBN 3-933203-31-7
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Rizin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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