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Reeler-Maus



Die Reeler-Maus (engl. to reel = schwanken, taumeln) ist eine spontan auftretende Mutation der Hausmaus und wurde erstmals 1951 beschrieben [1]. Sie ist charakterisiert durch eine typisch schwankende Gangart, Tremor und Ataxie (generelle Defizite in Balance und motorischer Koordination) [2] (Media:Reeler.ogg).

Es gibt verschiedene Varianten (Allele) der Reeler-Mutation in verschiedenen Mausstämmen. Grundsätzlich fehlt allen Reeler-Mäusen jedoch ein intaktes Gen für die Bildung bzw. Sekretion des extrazellulären Glykoproteins Reelin. Reelin spielt eine besondere Rolle in der frühen embryonalen und postnatalen Entwicklung des Gehirns [3][4]. Daher wird die Reeler-Maus vor allem in der Neurobiologie als Modell für Groß- und Kleinhirnentwicklung studiert [5].

Ein ähnlicher Gendefekt beim Menschen verursacht die sog. Lisencephalie, die zur Degeneration des kindlichen Gehirns führt [6]. Unter Fachleuten häufig strittig diskutiert, gilt die Reeler-Maus auch als Modell für bestimmte Aspekte anderer neuronaler Erkrankungen wie Schizophrenie [7], Epilepsie [8] oder Alzheimer-Krankheit [9].

Das Reeler-Gehirn

 Das Gehirn von Reeler-Mäusen unterscheidet sich makroskopisch und mikroskopisch bedeutend von dem normaler Mäuse. Das Kleinhirn ist deutlich in seiner Größe reduziert (ca. -30%) und zeigt bei mikroskopischer Betrachtung nicht die typische Laminierung in unterschiedliche Zellschichten. Die Großhirnrinde (lat. Cortex) und der Hippocampus sind ebenfalls stark in ihrer zellulären Architektur verändert. Während im normalen Gehirn der Cortex üblicherweise in sechs Schichten unterteilt werden kann, scheint diese Schichtung in Reeler-Mäusen völlig aufgehoben zu sein [10].

Es wurde gezeigt, dass die cortikale Schichtung in der Reeler-maus keinesfalls komplett aufgehoben ist, sondern dass sie vielmehr auf dem Kopf steht [11]. ; d.h. Nervenzellen, die normalerweise in den tiefen Schichten des Cortex liegen, finden sich in der Reeler-Maus weiter Richtung Hirnoberfläche und umgekehrt. Dieses Phänomen steht in direktem Zusammenhang mit der Funktion des "Reelin"-Proteins während der embryonalen Entwicklung. Obwohl über den genauen Modus in Fachkreisen noch gestritten wird, ist es allgemein anerkannt, dass Reelin als Signalmolekül die Wanderung von Neuronen während der Entwicklung des Gehirns beeinflusst. Die Abwesenheit von Reelin in der Reeler-maus führt zu gestörter neuronaler Migration und ist somit Ursache für die neuroarchitektonischen Fehlbildungen.

Entwicklung des Reeler-Cortex

  Neocorticale Neurone gehen aus Vorläuferzellen einer teilungsaktiven Zone hervor, der sogenannten Ventrikularzone, die sich nahe der lateralen Hirnventrikel befindet. Die erste Struktur, die gebildet wird, ist die sog. "Preplate", eine dichte Zellschicht aus Reelin produzierenden Cajal-Retzius-Zellen und daran anliegenden "subplate"-Zellen. Neu gebildete Neurone aus der Ventrikularzone wandern in die Preplate ein und spalten diese in eine obere und eine untere Schicht. Jede neue gebildte Generation von Neuronen durchwandert ihre Vorläuferschicht, bis sie den oberen Teil der früheren Preplate erreicht. Die Schichten, die sich weiter oberflächlich im erwachsenen Cortex befinden, werden daher später angelegt als tieferliegende Schichten. Man spricht deshalb davon, die Schichtung des Cortex entwickle sich in einem "Innen zuerst, außen zuletzt"-Modus.

In der Reeler-Maus ist dieser Mechanismus der cortikalen Entwicklung gestört. Neu gebildete Neurone in Reeler-Mutanten sind unfähig in die "Preplate" einzuwandern und diese zu spalten und sammeln sich deshalb schrittweise unterhalb der zuerst gebildten Preplate, wodurch der "Innen zuerst, außen zuletzt"-Modus der Cortexschichtung letztlich umgekehrt wird.

  1. Falconer, D.S. (1951) Two new mutants 'Trembler' and 'Reeler', with neurological actions in the house mouse. Journal of Genetics 50:192-201
  2. Hamburgh M (1960) Observations on the neuropathology of "Reeler", a neurological mutation in mice. Experientia 16:460-461.
  3. Goffinet AM (1979) An early development defect in the cerebral cortex of the Reeler mouse. A morphological study leading to a hypothesis concerning the action of the mutant gene. Anat Embryol (Berl) 157:205-216.
  4. D'Arcangelo G (2005) The Reeler mouse: anatomy of a mutant. Int Rev Neurobiol 71:383-417.
  5. Rouvroit de CL, Goffinet AM (1998b) The Reeler mouse as a model of brain development. Adv Anat Embryol Cell Biol 150:1-106.
  6. D'Arcangelo, G. (2006) Reelin mouse mutants as models of cortical development disorders. Epilepsy Behav. 2006 Feb;8(1):81-90.
  7. Fatemi SH (2001) Reelin mutations in mouse and man: from reeler mouse to schizophrenia, mood disorders, autism and lissencephaly. Mol Psychiatry. 2001 Mar;6(2):129-33.
  8. Patrylo, et al. (2006) Reeler homozygous mice exhibit enhanced susceptibility to epileptiform activity. Epilepsia. 2006 Feb;47(2):257-66.
  9. Grilli, et al. (2003) Alzheimer's disease linking neurodegeneration with neurodevelopment. Funct Neurol. 2003 Jul-Sep;18(3):145-8.
  10. Hamburgh M (1963) ANALYSIS OF THE POSTNATAL DEVELOPMENTAL EFFECTS OF "REELER," A NEUROLOGICAL MUTATION IN MICE. A STUDY IN DEVELOPMENTAL GENETICS. Dev Biol 19:165-185.
  11. Caviness VS, Jr. (1982) Neocortical histogenesis in normal and Reeler mice: a developmental study based upon [3H]thymidine autoradiography. Brain Res 256:293-302.
 
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