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Rastertunnelmikroskop
Das Rastertunnelmikroskop (abgekürzt RTM, oder STM von englisch scanning tunneling microscope) ist ein Mikroskop, das in der Oberflächenphysik und Oberflächenchemie eingesetzt wird, um die Oberfläche einer Probe abzubilden. Die Rastertunnelmikroskopie unterscheidet sich von den länger bekannten und verwendeten oberflächensensitiven Beugungsmethoden wie z. B. der Beugung langsamer Elektronen (LEED) dadurch, dass sie ein „reales“ Abbild der Probenoberfläche erzeugt (Abbildung im Ortsraum). Dadurch kann die Rastertunnelmikroskopie, im Gegensatz zu den Beugungsmethoden (die im inversen Raum abbilden), auch nicht-periodische, lokale Strukturen – wie z. B. Oberflächendefekte und Nanostrukturen – sichtbar machen. Bei der rastertunnelmikroskopischen Messung wird eine elektrisch leitende Spitze (auch Nadel) systematisch (in einem Raster) über das ebenfalls leitende Untersuchungsobjekt gefahren. Die Spitze und die Objektoberfläche sind dabei nicht in elektrischem Kontakt, und wegen des isolierenden Mediums dazwischen (Luft oder Vakuum) findet bei makroskopischem Abstand kein kontinuierlicher Stromfluss statt. Nähert man jedoch die Spitze der Oberfläche auf atomare Größenordnungen (Nanometer) an, so überlagern sich die quantenmechanischen Zustände der Elektronen (Orbitale) von Oberfläche und Spitze, so dass mit einer Wahrscheinlichkeit größer Null ein Austausch von Elektronen auftritt, was bei Anlegen einer kleinen Spannung zu einem Tunnelstrom (Tunneleffekt) führt. Dieser Tunnelstrom ist sehr empfindlich auf kleinste Abstandsänderungen, da die Intensität negativ exponentiell mit dem Abstand skaliert. Beim Abrastern der Probenoberfläche wird die Höhe der Spitze mittels einer Feinmechanik (Piezoelemente) so geregelt, dass der Tunnelstrom entlang der Bewegung konstant bleibt. Damit fährt die Spitze ein „Höhenprofil“ der Oberfläche nach, wobei das Höhen-Regelsignal zur Darstellung der Probenoberfläche benutzt wird. Die Rastertunnelmikroskopie ist ein indirektes Abbildungsverfahren, da das Gesamtbild einer Messung aus den an jedem Rasterpunkt gemessenen und in Graustufen umgerechneten Werten des Höhen-Regelsignals zusammengesetzt wird. Da das Prinzip der Rastertunnelmikroskopie auf der Messung eines Stromflusses zwischen der Probe und der Spitze des Rastertunnelmikroskops beruht, können nur elektrisch leitende Proben (Metalle, Halbleiter oder Supraleiter) direkt untersucht werden. Nicht leitende Proben zeigen zwar ebenfalls Tunnelphänomene, der Tunnelstrom kann jedoch nicht durch die Probe an die Gegenkathode gelangen und gemessen werden. Daher müssen sie vorher mit einer feinen elektrisch leitenden Schicht bedampft werden (Graphit, Chrom oder Gold), welche am Rand der Probe Kontakt zur Probenhalterung hat. Die durch konstanten Tunnelstrom gewonnenen Abbildungen entsprechen allerdings nicht zwangsweise der Topographie der Oberfläche. Vielmehr wird hierbei vorrangig die elektronische Struktur der Oberfläche abgetastet. Alternativ kann auch der Abstand der Spitze zur Oberfläche konstant gehalten werden, und durch die Variation des Tunnelstromes eine Rekonstruktion der Oberfläche aufgezeichnet werden. Letztere Methode ist empfindlicher auf elektronische Oberflächeneffekte als auf geometrische, und durch den Vergleich beider Bilder kann die Abweichung Topographie - Elektronenstruktur abgeschätzt werden. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Experimentelle RandbedingungenAufgrund des sehr kleinen Abstandes zwischen Spitze und Probenoberfläche von ca. 1 nm (Nanometer) muss ein Rastertunnelmikroskop in der Regel gegenüber der Umwelt schwingungsisoliert werden. Dies geschieht meist mit einer Kombination aus einem Federsystem und einer Dämpfung (oft in Form einer Wirbelstrombremse). Ferner sind Temperaturschwankungen zu vermeiden, da diese Verzerrungen und Längenänderungen im Aufbau bewirken (Drift), die schnell mehr als 1 nm betragen können. Auch eine elektromagnetische Abschirmung gegenüber der Umwelt ist aufgrund der oft nur 10 bis 1000 pA (Picoampere) betragenden Tunnelströme notwendig. Die Tunnelspannungen zwischen Spitze und Probe betragen in der Regel wenige bis zu einigen 100 mV bei Metallen, Halbmetallen und Supraleitern und einige Volt bei Halbleitern. Bei der Untersuchung von organischen Adsorbatschichten auf Halbmetallen sind Tunnelspannungen um 1 Volt in Verbindung mit Tunnelströmen zwischen 100 und 500 pA zu empfehlen, da bei niedrigeren Spannungen bzw. höheren Strömen der Spitze-Probe-Abstand so gering und damit die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen Spitze und Adsorbatschicht so hoch werden, dass die Schicht beim Rastern zerstört wird (siehe Objektveränderung). Sowohl die zu untersuchende Oberfläche als auch die benutzte Spitze müssen an der Oberfläche elektrisch leitend sein. Besteht die zu untersuchende Oberfläche aus Metallen, die an Luft oxidieren können (z. B. Kupfer, Silizium oder Silber), ist die Rastertunnelmikroskopie im Ultrahochvakuum durchzuführen, was einen nicht zu unterschätzenden technischen Aufwand bedeutet. Als Oberflächen, die dagegen unter Normalbedingungen verwendet werden können, kommen leitfähige Schichtkristalle wie Graphit oder Vertreter der schichtkristallinen Übergangsmetall-Dichalkogenide wie Molybdändisulfid (MoS2), Tantaldisulfid (TaS2) oder Tantaldiselenid (TaSe2) in Frage. Eine frische, atomar glatte Oberfläche lässt sich bei diesen Schichtkristallen einfach durch Abziehen der obersten Schichten mit einem Klebeband erreichen, da die einzelnen Schichten nur über relativ schwache Van-der-Waals-Wechselwirkungen verbunden sind. Die Bewegung der Spitze relativ zur Probenoberfläche wird mit Hilfe von piezoelektrischen Keramiken bewerkstelligt. Diese lassen eine hochpräzise Kontrolle im Sub-Nanometer-Maßstab über angelegte elektrische Spannungen zu. TheorieDer Tunneleffekt im Vakuum zwischen zwei Metallen, die durch eine dünne Oxidschicht separiert sind, wurde 1961 von John Bardeen mit Hilfe der zeitabhängigen Störungstheorie erster Ordnung (Fermis Goldene Regel) erklärt[1]. Überträgt man diese Theorie auf die Rastertunnelmikroskopie, so ist eine atomar genaue Kenntnis der Spitze notwendig, um die gemessenen Bilder zu interpretieren. Eine wesentliche Vereinfachung stellt die sogenannte Tersoff-Hamann-Theorie[2] dar, die den Einfluss der Spitze auf die Messung vernachlässigt und Aussagen über die elektronische Struktur der Probe liefert. Die Spitze wird dabei als ein Metallatom mit linearer elektronischer Zustandsdichte und kugelsymmetrischen s-Wellenfunktionen angenommen. Eine Erweiterung dieser Theorie lieferte C. Julian Chen[3], der komplexere Spitzengeometrien berechnete. Eine wirklich dreidimensionale Theorie zum Rastertunnelmikroskop ist zwar analytisch aufstellbar, jedoch in der Regel kaum lösbar und damit von untergeordneter Bedeutung. Dreidimensionale Systeme können nur näherungsweise numerisch berechnet werden, meist unter der Zuhilfenahme mehrerer abgeschätzter Parameter. Mess-ModiEin Rastertunnelmikroskop arbeitet mit einem Abstand der Spitze von der Probe bzw. mit einer Auflösung, die geringer als die Wellenlänge der Tunnelelektronen (vergleiche Materiewellen und De-Broglie-Gleichung) sind. Wird eine elektrische Spannung (englisch bias oder tunneling bias) zwischen dem Untersuchungsobjekt und der Spitze angelegt, so kann ein Strom, der so genannte Tunnelstrom fließen.
Den drei Methoden (CHM, CCM und STS-Bilder mit Ausnahme der Punktspektroskopie) ist gemein, dass die Messspitze linienhaft über die Probe bewegt wird, bevor sie seitlich versetzt eine benachbarte Linie erfasst. Hieraus ergibt sich ein Linienraster auf der Oberfläche. Neben dem Aufsetzen der Spitze hat die Methode der konstanten Höhe den Nachteil, dass sich die Spitze bei Vertiefungen soweit entfernen kann, dass der Strom nicht mehr messbar ist. Im Falle von Bergen auf der Oberfläche rammt die Spitze meist in die Probenoberfläche und wird dadurch zerstört. Der Vorteil dabei ist jedoch, dass der Abstand nicht nachgeführt werden muss und damit schnelle Aufnahmen möglich sind (Video-RTM). Bei statischen Proben ist es sinnvoller, den Abstand beim Rastern so zu variieren, dass der Tunnelstrom konstant bleibt (CCM). Video-RastertunnelmikroskopieBei Scanraten ab einem Bild pro Sekunde spricht man von Video-Rastertunnelmikroskopie. Die Bildrate geht dabei bis zu 50 Hz. Mit dieser Methode können je nach System Diffusionsprozesse in Echtzeit beobachtet werden. Line-ScanBeim Scannen in einer Linie über einer Phasengrenze oder atomaren Stufe, die sich im dynamischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung befindet, kann man sogenannte Pseudobilder messen. Aus diesen Messdaten, bei denen die x-Achse eine zeitliche Angabe und die y-Achse eine Ortsangabe ist, kann man wiederum die Stufenkorrelationsfunktion berechnen, aus der sich Informationen über die Diffusionsprezesse an der entsprechenden Stelle ergeben. ObjektveränderungEine weitere Anwendung des Rastertunnelmikroskops ist die gezielte Veränderung eines Objektes. Hierbei wird die Nadel an die gewünschte Stelle des Objektes gebracht. Durch Anlegen einer (im Vergleich zur Abbildungsrasterung) hohen Spannung kann man nun Atome aus der Oberfläche lösen und an die Spitze kleben. Wird die Spitze nun von der Probe weggezogen, so reißt das Atom aus der Oberfläche heraus. An der neuen Position kann es anschließend durch ein sehr kurzes Anlegen einer hohen Spannung wieder abgelegt werden. Weiterhin gibt es auch die Möglichkeit des Schubsens oder Mitziehens von einzelnen Atomen oder Molekülen auf der Oberfläche durch geeignete, meist hohe Tunnelspannungen an der Spitze. Mit Hilfe dieser Methoden wurde das so genannte atomare Schreiben durchgeführt, das Schriftzüge wie IBM, Logos einzelner Hochschulen oder Landkartenskizzen mit einzelnen Atomen auf Oberflächen darstellt. Auf dem Gebiet der Magnetischen Datenspeicherung hat IBM ein Scanning-Tunnelmikroskop entwickelt, das bei sehr niedrigen Temperaturen funktioniert (~4 K). Damit sollen erfolgreiche Versuche durchgeführt worden sein, einzelne Atome in ihrer Spin-(magnetischen)-Ausrichtung in einer Magnetschicht zu verändern und gezielt zu beeinflussen. Die Methode wird Spin-Anregungs-Spektroskopie (Spin-Excitation-Spektroskopie) genannt. (Science Express. 2006, 4) ForschungsgeschichteDas erste erfolgreiche Experiment zum Nachweis eines abstandsabhängigen Tunnelstromes konnte am 18. März 1981 im IBM-Forschungslabor in Rüschlikon (CH) durchgeführt werden. Die beiden Physiker Gerd Binnig (Deutschland) und Heinrich Rohrer (Schweiz), die das Experiment durchführten und das Rastertunnelmikroskop letztlich auch zum einsetzbaren Instrument machten, erhielten hierfür 1986 den Nobelpreis für Physik. Ferner waren auch Christian Gerber und E. Weibel an der Entwicklung beteiligt. Es gibt aber schon frühere Arbeiten auf diesem Gebiet, in denen die wesentlichen Aspekte eines RTM/STM demonstriert wurden – insbesondere das Auftreten eines Tunnelstromes. Dieses Gerät wurde von Russel Young, John Ward und Fredric Scire Ende der 1960er Jahre als Topografiner entwickelt. Es gab jedoch bürokratische und technische Schwierigkeiten, beispielsweise störten die Vibrationen der Klimaanlage die Messungen. Das Nobelpreiskomitee erkannte jedoch später ihre Leistungen an. Das Rastertunnelmikroskop ist der Vater aller anderen Rastersondenmikroskope mit Ausnahme des Rasterelektronenmikroskops. In der Folgezeit wurden vor allem das Rasterkraftmikroskop (AFM für atomic force microscope) und das optische Rasternahfeldmikroskop (SNOM für scanning near-field optical microscope) entwickelt, welche sich einer anderen atomaren Wechselwirkung bedienen. Die Entwicklung aller dieser Rastersondenmikroskope war ein wesentlicher Schritt in Richtung der Nanowissenschaften, da man mit ihnen auf recht einfache und vergleichsweise preiswerte Art und Weise nanoskopische Objekte (Objekte, die kleiner sind als die Lichtwellenlänge von 400 bis 800 nm) beobachten und darüber hinaus auch manipulieren kann. Ferner hat die Rastertunnelmikroskopie wesentlich zur Veranschaulichung der Quantenmechanik beigetragen. Anfang der 1990er Jahre wurden sogenannte Quantum Corrals erzeugt und gemessen. Quantum Corrals sind einfache geometrische Quantensysteme auf Oberflächen. Anhand dieser Quantum Corrals konnte extrem anschaulich die Analogie zwischen Elektronenwellen und Wasserwellen dargestellt werden, was eine bis dahin nicht vorhandene direkte Bestätigung der Quantenmechanik im Realraum ist. Die Abbildungen dieser Quantum Corrals gehen inzwischen um die Welt: Sie sind die meist dargestellten STM-Bilder in Büchern und darüber hinaus auch in Tageszeitungen zu finden. Solche Bilder, ihre Interpretation und Wirkung sind inzwischen sogar Forschungsgegenstand der Bildwissenschaften (vergleiche Horst Bredekamp) und der Kunstgeschichte. Einzelnachweise
Literatur
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