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Placebo
Das Gegenstück ist der Nocebo-Effekt (lat. nocebo: „ich werde schaden“). Hierbei handelt es sich um negative Wirkungen, die analog einer Placebowirkung auftreten können. Vom Nocebo-Effekt unterschieden werden müssen Fälle, in denen Bestandteile eines Placebos/Nocebos Unverträglichkeitsreaktion auslösen, z.B. im Rahmen von Allergien gegen diese Bestandteile oder auch bei gestörter Verstoffwechselung dieser Bestandteile. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
DefinitionEin Placebo wird in einer für Medikamente üblichen Darreichungsform hergestellt; es enthält jedoch keinen wirkenden Inhaltsstoff. Weiß der Patient, dass er ein Scheinmedikament einnimmt, so reduziert sich der positive Effekt auf den Heilungsverlauf oder verschwindet ganz. In der Medizin wird zwischen verschiedenen Typen unterschieden:[1]
EinsatzForschungPlacebos werden z.B. in der Forschung eingesetzt. Durch placebokontrollierte, doppelblinde, randomisierte Studien wird die pharmazeutische Wirksamkeit von Medikamenten genau untersucht. Ein Teil der Probanden erhält das zu testende Medikament (Verum), während die Kontrollgruppe ein optisch identisches Placebo erhält. Die Differenz zwischen der gemessenen Wirksamkeit in beiden Gruppen kann so der Wirkung des Verums zugeschrieben werden. Dadurch kann der zum Placeboeffekt dazukommende Effekt des Verums ermittelt werden, welcher auch wesentlich kleiner als der Placebo-Effekt, und dennoch, für sich genommen, noch statistisch signifikant sein kann. Die in wissenschaftlichen Studien gefundene und für das Verum sprechende statistische Signifikanz der Wirkung (die in diesem Zusammenhang unbedingt von der Relevanz der Wirkung des Verums zu unterscheiden ist) ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Zulassung eines Medikamentes durch die zuständigen Gesundheitsbehörden Doppelblind sind die Studien, da weder der Arzt noch die Patienten wissen, ob Placebo oder Verum verabreicht wurde. Dadurch wird jegliche Beeinflussung des Ergebnisses ausgeschlossen. Dieser doppeltblinde Ansatz kann die Führung von Studien, in denen das Verum nicht in einer leicht in ein Placebo überführbaren Form vorliegt, vor große Herausforderungen stellen und möglicherweise nur unvollkommen durchgezogen werden. Derartige Studien können bezüglich ihrer wissenschaftlichen Qualität und der Gültigkeit ihrer Aussagen angreifbar werden. Randomisiert heißt, dass die Kontrollgruppe durch den Zufall, beispielsweise durch das Ziehen von Losen, bestimmt wird. Damit wird vermieden, dass Faktoren wie z. B. das Stadium der Krankheit unbewusst einbezogen werden. Die Wirksamkeit eines neuen Wirkstoffes muss signifikant über der Wirksamkeit eines Placebos liegen, damit seine medizinische Wirksamkeit als wissenschaftlich erwiesen gelten kann. TherapieDer Placebo-Effekt hat einen mehr oder weniger großen Anteil an jedem Behandlungserfolg. Placebos erzielen im Vergleich zur Nichtbehandlung eine signifikant größere Wirkung, diese ist allerdings auch signifikant geringer als die eines spezifisch wirksamen Medikaments. Beispielsweise können Placebos hochwirksam bei Rückenschmerzen sein. Es zeigte sich in einer Studie, dass allein die Information, ein starkes Schmerzmittel zu bekommen, zu einem klinisch relevanten analgetischen Effekt führte. Die Frage, ob eine Therapie mit Placebo ethisch zu vertreten ist, blieb allerdings offen.[3] Der Placebo-Effekt ist nach Ansicht einer Anzahl von Wissenschaftlern nicht mit einer Spontanheilung gleichzusetzen, auch wenn vermutet wird, dass bei beiden ähnliche biochemische Prozesse zu beobachten sind. Bei einer Spontanheilung beseitigt der Körper die Krankheit ohne wissentliche Hilfe von außen. Beim Placebo-Effekt hingegen werde der Körper durch äußere Einflüsse angeregt, die eine verstärkende Wirkung auf die Heilung haben sollen. Dieser These steht die entgegengesetzte Meinung entgegen, laut der der Placeboeffekt ausschließlich auf Spontanremission, natürlicher Fluktuation der Symptome und subjektive Beeinflussung der Ergebnisse seitens der Ärzte und Patienten zurückzuführen ist (siehe unten). Darüber hinaus zeigten Forschungen, dass Eigenschaften wie Größe, Farbe, Art der Verabreichung und Geschmack die positiven Effekte von Placebos beeinflussen. Demnach sind große bunte Kapseln wirkungsvoller als kleine weiße Tabletten. Dementsprechend werden Medikamente und Placebos mitunter gestaltet. Da die Beobachtungen in erster Linie auf den subjektiven Angaben von Patienten beruhen, besagen die Studienergebnisse jedoch nichts über objektiv bessere Wirkungen von bestimmten Placebo gegenüber anderen oder einer Nullbehandlung. Nocebo-Effektsiehe Hauptartikel Nocebo-Effekt Das Nocebo-Phänomen wurde erstmals 1961 beschrieben und stellt das Gegenstück zum Placebo-Effekt dar.[4] Die Angst vor den bekannten Nebenwirkungen einer bestimmten Arznei oder auch eine allgemeine, negative beziehungsweise pessimistische Grundeinstellung des Patienten gegenüber bestimmten Therapiemaßnahmen, kann spezifische und unspezifische Nebenwirkungen verstärkt in Erscheinung treten lassen und somit negativ auf die Genesung des Patienten einwirken. Placebo-Effekt invasiver MaßnahmenNicht nur Medikamente, auch Operationen weisen einen Placebo-Effekt auf. In einem Experiment in Houston in Texas wurden 120 Patienten mit Knie-Arthrose operiert, 60 erhielten oberflächliche Schnitte auf der Haut. Nach zwei Jahren waren 90 Prozent der Patienten beider Gruppen mit der Operation zufrieden. Einziger Unterschied war, dass die Nicht-Operierten weniger Schmerzen verspürten als ihre Kontrollgruppe. [5]Ob dies jedoch auf die aktive Wirkung einer Placebooperation hindeutet, oder vielmehr von negativen Auswirkungen durch die tatsächliche Operation ausgegangen werden muss, ist umstritten. Ein ähnliches Experiment wurde auch in einer niederländischen Klinik durchgeführt. Bei 200 Patienten wurde eine Bauchspiegelung durchgeführt, per Los wurde dann entschieden, ob die Operation durchgeführt wird oder nicht. Danach wurden die Patienten ein Jahr lang beobachtet, beide Gruppen unterschieden sich kaum. Abermals muss jedoch bei kritischer Sicht der Einwand erhoben werden, dass es sich bei der Operation schlicht um eine wirkungslose Behandlung handeln könnte. Ein gutes Beispiel für den Placeboeffekt ist Einsatz von Botulinumtoxin bei chronischen Spannungskopfschmerzen. Hier war die Responderrate 70 %, allerdings war die Responderrate für die Injektion von Botulinumtoxin in Nacken− und Kopfmuskeln genau so hoch wie bei der Injektion von physiologischer Kochsalzlösung. Auch dies ist wiederum ein Beispiel dafür, dass invasive Verfahren einen deutlich höheren Placeboeffekt haben, als medikamentöse Therapien [6]. Ähnliche Ergebnisse erbrachte auch eine von Relja et. al. durchgeführte Studie an 495 Migräne-Patienten [7]. Theorien zur Entstehung des Placebo-EffektsDer Anteil der Patienten in einer kontrollierten Studie, die unter Placebo eine Besserung erfahren, wird als Placebo-Rate bezeichnet. Der Placebo-Effekt ist vermutlich umso geringer, je schwerer die organische Schädigung fortgeschritten ist. Die genaue Wirkungsweise oder Nichtwirkungsweise des Placebos ist noch nicht ausreichend erforscht. Neuere Untersuchungen mit scheinbar stark wirksamen Schmerzsalben zeigen erhöhte Gehirnaktivitäten in bestimmten Regionen des Limbischen Systems, sichtbar gemacht im Magnetresonanztomogramm. Der Glaube an eine erwartete Besserung der Beschwerden in Verbindung mit dem Scheinmedikament bewirkt bei Schmerzen die Freisetzung von Endorphinen, er bewirkt bei Infektionen und Entzündungen die Aktivierung des Immunsystems, er entspannt bei Asthma verengte Bronchien, es senkt über die Erweiterung arterieller Gefäße den erhöhten Blutdruck und hat möglicherweise weitere Effekte. Die Wirkung von Placebo wird durch einen psychischen Aspekt ausgelöst und wirkt sich laut einigen Studienergebnissen auf chemische Weise aus. Man könnte von einer erwünschten psychosomatischen Reaktion sprechen. Diese könnte auch durch die Patientenführung und Autorität des Behandelnden ausgelöst und verstärkt werden. Umgekehrt könnten Skepsis und Unsicherheit im Sinne eines Nocebo-Effekts ein an und für sich potentes Mittel in seiner Wirkung beeinträchtigen. Zwei der populärsten Theorien zur Erklärung des Placebo-Effekts sind die Theorie der Erwartung und die der Konditionierung. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Wirkpotenz eines Placebos zu messen:
Ein Teil des Placebo-Effekts lässt sich über eine Regression zum Mittelwert erklären. Psychologische Wirkung: ErwartungWenn der Patient damit rechnet, dass es ihm durch die Einnahme eines Medikamentes besser geht, ist es wahrscheinlich, dass es auch der Fall sein wird. Problematisch dabei ist, dass man Schmerzen nicht objektiv messen kann, sondern sich auf die subjektiven Aussagen der Probanden verlassen muss. Somit ist es schwierig, zu beweisen, dass Placebos nicht nur eine psychische Wirkung haben (der Patient empfindet den Schmerz als weniger stark, obwohl die Reize die gleichen sind), sondern wirklich den Schmerzreiz lindert. Eine repräsentative New Yorker Studie von 1970 an Asthmapatienten zeigt beispielsweise, wie extrem die Auswirkungen auf den Körper sind. Sie bekamen zwei verschiedene Medikamente: Isoproterenol, welches die Bronchien erweitert und Carbachol, das die Bronchien verengt. Bei letzterem ist also eine Verschlimmerung des Asthmas zu erwarten. Nach der Verabreichung wurde bei jedem Patienten das Lungenvolumen und der Luftstrom gemessen. Einmal sagte man den Patienten, um welches Medikament es sich handelt, das andere Mal sagte man ihnen, dass sie das genau gegenteilige Mittel bekommen. Als Resultat fand man in erster Linie heraus, dass die Medikamente besser wirken, wenn der Patient weiß, welches Medikament er bekommt. Von weitaus größerem Interesse ist in diesem Fall die Tatsache, dass sich die Bronchien bei den Patienten, die zwar Carbachol bekamen, aber glaubten, sie bekämen Isoproterenol, tatsächlich erweitert haben - ebenso umgekehrt. Dies waren keine Nebenwirkungen, die für das jeweilige Medikament unter normalen Umständen bekannt sind. Dieses erstaunliche Ergebnis zeigt, dass die Erwartung unter bestimmten Umständen den Placeboeffekt so stark unterstützen kann, dass er die chemische Wirkung nicht nur aufhebt, sondern sogar umkehren kann. Entblindete Blindstudien sind allerdings von zweifelhaftem Wert: "Success of blinding is a fundamental issue in many clinical trials. The validity of a trial may be questioned if this important assumption is violated." [8]. Entblindete Probanden neigen dazu, das Ergebnis durch vorurteilbehaftetes Handeln massiv zu verfälschen: "When unblinded, participants may introduce bias through use of other effective interventions, differential reporting of symptoms, psychological or biological effects of receiving a placebo (although recent studies show conflicting evidence), or dropping out..") [9]. Als Beispiele für entblindete Blindstudien siehe die folgenden Beiträge, in denen Akupunkturstudien vorzeitige Entblindung vorgeworfen wird: Archives of Internal Medicine,Deutsches Ärzteblatt. Psychologische Wirkung: KonditionierungDie klassische Konditionierung besagt, dass dem natürlichen, meist angeborenen Reflex künstlich ein neuer, bedingter Reflex hinzugefügt werden kann. Gegeben sei ein unkonditionierter Reiz (US), der als Reflex eine unkonditionierte Reaktion (UR) auslöst. Bietet man nun vor dem US mehrfach einen bislang neutralen Reiz dar, so wird letzterer zum konditionierten Reiz (CS). Er löst nun ebenfalls eine Reflexreaktion (die konditionierte Reaktion CR) aus, die der unkonditionierten Reaktion UR meist sehr ähnlich ist. Da Konditionierung meist vollkommen unbewusst abläuft, kann dieser Faktor die Wirkung von Placebos ohne das Wissen des Probanden entscheidend beeinflussen. US - Lautes Geräusch UR - Angst NS - Plüschkaninchen keine besondere Reaktion Darbietung des Kaninchens mit gleichzeitigem Lärm: CS - Plüschkaninchen CR - Angst Ein Fallbeispiel: Der kleine Albert hört ein lautes Geräusch wie ein Schlag auf ein Rohr dicht hinter ihm. (US) Er erschrickt sich furchtbar und fängt an, zu weinen (UR). Als neutraler Reiz hält man ihm ein Stoffkaninchen hin. Wenn man jetzt auf das Rohr schlägt, fängt er wieder an zu weinen. Wenn man dies wiederholt, werden die Reize unbewusst gekoppelt. Das nächste mal, wenn man Albert das Kaninchen hinhält, wird er anfangen zu weinen. Das Kaninchen (jetzt CS) löst jetzt eine konditionierte Reaktion (CR) aus. Die Placebo-Konditionierung wurde im Tierversuch von Manfred Schedlowski an Ratten nachgewiesen. Hierzu erhielten herztransplantierte Ratten im ersten Schritt eine Süßstoff-Lösung (Saccharin) in Verbindung mit dem Medikament Cyclosporin A, welches immunsuppressiv wirkt. Eine Kontrollgruppe erhielt das Medikament in Verbindung mit normalem Wasser welches keine konditionierende Wirkung auf die Ratten hat. Drei Tage nach der Operation wurde das Medikament abgesetzt. Die Wirkung hielt aber bei den konditionierten Ratten an.[10] Biologische Wirkung: EndorphineSeit Jahrhunderten gehören Opioide zu den meist verwendeten Schmerzmitteln. Opioide binden an Opioid-Rezeptoren, die auf Zellen in verschiedenen Bereichen des Nervensystems vorkommen. Durch die Bindung wird die Schmerzweiterleitung zum Gehirn reduziert. Opioide wirken als Schmerzmittel gut, weil sie eine ähnliche Struktur haben wie die körpereigenen Opioide, die Endorphine. Bei der genaueren Erforschung der Endorphine ergab sich ein Problem: Moleküle, die sich im Hirn befinden, gelangen schwerer in den Blutkreislauf des Körpers (Blut-Hirn-Schranke). So konnte man auf normalem Wege - Blutabnahme und anschließende Analyse - keine korrekten Aussagen über den Endorphingehalt des Körpers machen. Eine Studie mit Naloxon, einem Stoff, der die Rezeptoren für Endorphine vorübergehend blockiert, schien zu zeigen, dass positive Placeboeffekte durch die Gabe von Naloxon aufgehoben werden können. Die Euphorie war entsprechend groß, man dachte, man habe die Wirkung des Placeboeffekts gefunden. Da Placebos aber nicht nur gegen Schmerzen helfen, ist dies nur eine unzureichende Erklärung. Später stellte sich zudem heraus, dass Naloxon Schmerzen lindern kann, ohne die Endorphine zu beeinflussen. Inzwischen hat man herausgefunden, dass es mindestens fünf verschiedene Arten von Endorphinen und drei verschiedene Endorphinrezeptorarten gibt. Somit kann man mit dieser Theorie die Wirkung von Placebos nicht genau erklären. Es ist wahrscheinlich, dass bei der Schmerzlinderung durch Placebos die Endorphine beteiligt sind. Wie die anderen Wirkungen zustande kommen, ist weiterhin unklar. Biologische Wirkung: StressentspannungsreaktionDer menschliche Körper reagiert sehr sensibel auf Stress. Häufig leiden Menschen, die starkem beruflichen Stress ausgesetzt sind, unter Kopfschmerzen oder Bluthochdruck. Verschiedene Gehirnbereiche wie Amygdala (Mandelkern, zuständig für die emotionale Färbung von Erlebnissen) oder der Hippocampus (zuständig für die Überführung von Informationen von dem Kurz- in das Langzeitgedächtnis) reagieren auf emotionale Veränderungen. Sie sind mit dem Kortex der Großhirnrinde, dem Denk- und Schaltzentrum, des Gehirns verbunden.
Kurzzeitig ist der menschliche Körper jetzt auf eine Gefahrensituation vorbereitet. Die Aufmerksamkeit ist erhöht, ebenso wie Puls und Blutdruck, während im Moment unnötige Funktionen wie Verdauung zurückgestellt werden. Der hohe Kortisolspiegel sorgt dafür, dass mehr Zucker im Blut zur schnellen Verbrennung bereit steht. Langfristig ist dieser Zustand jedoch Ursache von Schmerzen im unteren Rückenbereich und von Spannungskopfschmerzen. Nun kann man bei Studien die Kortisol- und Katecholaminspiegel durch einfache Blutabnahmen messen, um zu sehen, ob sie sich durch die Einnahme von Placebo senken. Eine Reihe ältere Studien zeigt, dass Placebos am besten bei Menschen wirken, die mit ein wenig Angst zum Arzt kommen. Wenn die Kortisol- und Katecholaminspiegel als Stressindikator am Anfang sehr niedrig wären, könnte man keine Absenkung erreichen und wenn sie sehr hoch wären, würde die Absenkung vielleicht nicht reichen, um klare Ergebnisse zu erhalten. Bei dieser Theorie geht man davon aus, dass der Placeboeffekt besonders durch die Senkung von Kortisol- und Katecholaminspiegel wirkt. Die Geschichte des PlacebosSeit vorgeschichtlicher Zeit wurden Kranke durch Besprechen behandelt. Entsprechende Texte wurden von Priester-Ärzten im Alten Orient kanonisiert und teilweise aufgezeichnet. Die erste geschichtliche Erwähnung im Abendland findet der Placebo-Effekt nicht etwa durch einen Arzt, sondern durch den griechischen Philosophen Platon (427–347 vor Christus). Er war der Meinung, dass Worte durchaus die Kraft haben, Kranke zu heilen. Auch legitimierte er die medizinische Lüge, um Ärzten die Scheu davor zu nehmen. So sei es vollkommen in Ordnung, einem schwer kranken Patienten durch Worte das Gefühl zu geben, dass er gute Heilungschancen habe oder dass seine Krankheit weitaus weniger schlimm sei, als er denke. Dass dies der damaligen Vorstellung von guter ärztlicher Behandlung widersprach, sieht man an dem Beispiel Hippokrates (460–377 v. Chr.), einem überragenden Mediziner seiner Zeit, siehe auch Eid des Hippokrates. Er war der Meinung, dass der Arzt keine beratende, sondern viel mehr eine anleitende Rolle besitzt. Den Erfolg von Medikamenten machte man nicht an dem persönlichen Bemühen des Behandelnden fest, sondern an dem möglichst strikten und genauen Befolgen der Anweisungen, was beispielsweise die Einnahme der Medikamente betraf. Ein weiterer griechischer Arzt namens Galenos von Pergamon (129-200) war Begründer einer neuen Theorie, die wesentliche Gemeinsamkeiten mit chinesischer und hinduistischer ayurvedischer Medizin hat. Diese Lehre geht von Elementen aus, die den Körper bestimmen, ein Ungleichgewicht dieser Elemente führt demnach zu einer Krankheit. Diese Elemente waren Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle. Da man annahm, dass sie sich sowohl durch physische als auch durch psychische Einwirkung beeinflussen lassen, führte Galens Theorie das erste Mal dazu, dass Ärzte sich auch psychisch mit ihren Patienten auseinandersetzen. Dies veranlasste Mediziner für die nächsten 1800 Jahre, bei theoretischen Überlegungen über die Wirkungsweise von Heilmitteln psychische Beeinflussungen nicht außer Acht zu lassen. Wann aber konkret das erste mal Scheinmedikamente eingesetzt wurden, ist nicht bekannt. Ein dokumentierter Fall eines Kaufmanns aus dem Jahre 1580, als seine Ärzte nur so taten, als würden sie ihm einen Einlauf machen, lässt sich eher auf einen Streich der Mediziner zurückführen, auch wenn sich der Kaufmann über das gleiche Wohlbefinden wie nach einem wirklichen Einlauf freute. Im vierzehnten Jahrhundert taucht der Begriff Placebo zwar in Gedichten auf, bezog sich allerdings auf einen Schmeichler oder Schönredner. In einem medizinischen Lexikon tauchte der Begriff zum ersten Mal 1785 auf und für das Jahr 1811 lassen sich Belege finden, dass er auch in einem ähnlichen Zusammenhang wie in der heutigen Zeit stand. Der erste dokumentierte Versuch, der mit einer Art Placebo kontrolliert wurde, ist aus dem Jahre 1784, durchgeführt von dem bedeutenden Naturwissenschaftler Benjamin Franklin. Damals behauptete Franz Anton Mesmer, dass es in dem Körper eine Art „Fluid“ gäbe, das er aus der Entfernung beeinflussen könne. Der König von Frankreich rief ein Komitee zusammen, welches ihn auf sein Wirken überprüfen sollte. Dieses Komitee, zu dem auch der junge Benjamin Franklin gehörte, führten nun einige Testreihen durch. So ließen sich Frauen in einem Raum „mesmerisieren“, in dem Glauben, der Ausführende säße hinter einem Vorhang im Nebenzimmer, wobei die Information richtig oder falsch sein konnte. Franklin gelang es, nachzuweisen, dass der Erfolg der Behandlung nur davon abhängt, ob die Frauen glauben, der Mesmerist sei da und widerlegte somit die der neuen Mode zugesprochene Wirkungsweise. Viele Ärzte des 19. und 20. Jahrhunderts stellten die Medikamente noch selbst her, daher fiel die Abgabe von Placebo nicht auf. Da noch die durch Platon „legitimierte Lüge der Medizin“ als ethischer Grundsatz galt, hatten sie auch kein Problem damit. Zusätzlich war den Ärzten bewusst, dass man wenig wirksame Medikamente gegen die vielfältigen Krankheiten hatte. Dies führt zu der Überzeugung mancher Ärzte, dass Placebos von der Bildfläche verschwinden würden, sobald man genügend wirksame Heilmittel zu Verfügung hatte. Dies war einer der Gründe, warum der Gebrauch von Placebos im Laufe des 20. Jahrhunderts abklang. Ein anderer war der Wandel der ethischen Grundsätze; einen Patienten zu täuschen schien nicht mehr adäquat. Zudem glaubten viele Ärzte (und glauben auch heute noch), dass Placebos nur dann wirken, wenn sich der Patient auch seine Schmerzen nur einbildet. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden doppelblinde, randomisierte Studien mit Placebos für die Kontrollgruppe zum Standard in wissenschaftlichen Untersuchungen. Dass Placebos auch heute noch ein schlechtes Ansehen haben, liegt zum Teil an der Wirkungsweise, die man nur an psychischen Faktoren festmachen kann. Trotzdem haben anonyme Umfragen bei Ärzten und Pflegern ergeben, dass ein großer Teil von ihnen Placeboeffekte bereits bewusst eingesetzt haben. Es gibt Schätzungen, dass ein bis zwei Drittel des schulmedizinischen Effektes auf Placeboeffekte zurückgehen.[11] StudienlageIn einer 2001 im New England Journal of Medicine erschienenen Metaanalyse gingen zwei Wissenschaftler der Universität Kopenhagen der Frage nach, ob es statistische Beweise für eine Überlegenheit einer Placebobehandlung gegenüber einer Nichtbehandlung gibt. Bei einer Überprüfung von insgesamt 114 randomisierten Studien fanden sie keinen Beleg dafür, dass Placebos eine höhere Wirkung als therapeutischer Nihilismus erzielen.[12] Eine drei Jahre später publizierte Untersuchung der gleichen Autoren, die weitere 52 randomisierte Studien einschloss, bestätigte diese Auffassung.[13] Siehe auch
Literatur
Quellen
Kategorien: Klinische Forschung | Medizinethik |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Placebo aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |