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Pharmakoepidemiologie



Das Arbeitsgebiet der Pharmakoepidemiologie kann als Grundlagenwissenschaft der Arzneimittelsicherheit verstanden werden. Die Pharmakoepidemiologie wird in einschlägigen Nachschlagewerken als Lehre von dem, was mit/in der Bevölkerung durch die Arzneimittel geschieht bezeichnet.

Etymologie: Das Wort ist eine Zusammensetzung aus den griechischen Wörtern φάρμακον, τό (Gift, Arznei), ἐπί (über), δημόθεν (vom Volk her) und λόγος, ὁ (das Wort, die Rede).

In den universitären Lehrplänen und Ausbildungsordnungen der Pharmazie sind die Arbeitsgebiete der Pharmakoepidemiologie und Pharmakoökonomie inzwischen verbindliche bzw. scheinpflichtige Bestandteile des Studiums der Pharmazie.

Im internationalen Rahmen werden die Belange der Pharmakoepidemiologie von der International Society for Pharmacoepidemiology (ISPE) vertreten. In der Bundesrepublik Deutschland geschieht dies durch die Gesellschaft für Arzneimittelepidemiologie und Arzneimittelanwendungsforschung (GAA). Beide Gesellschaften führen regelmäßig Jahrestagungen durch, bei denen die aktuellen Arbeitsergebnisse der verschiedenen Forschungsgruppen präsentiert und zur Diskussion gestellt werden. Pharmakoepidemiologische Forschungsergebnisse haben in der Vergangenheit oft zu erheblichen Veränderungen im Anwendungsverhalten und im Bereich der Arzneimittelzulassung geführt.

Inhaltsverzeichnis

Hauptarbeitsbereiche der Pharmakoepidemiologie

Die zwei Hauptarbeitsgebiete der Pharmakoepidemiologie können mit den Begriffen deskriptive (beschreibende) und analytische (untersuchende) Pharmakoepidemiologie charakterisiert werden. Alle Methoden und Studientypen der Epidemiologie werden in der Pharmakoepidemiologie eingesetzt, um die Charakteristika des Arzneimittelgebrauchs in der Bevölkerung zu untersuchen. Insbesondere die Arbeitsmethoden der analytischen Pharmakoepidemiologie werden auch zur Signalgenerierung bei der Ermittlung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW; engl.: Adverse drug reactions, ADR) im Rahmen der Pharmakovigilanzforschung eingesetzt. Von besonderer Bedeutung sind solche Studientypen, bei denen der Arzneimittelgebrauch nicht nur durch Befragungen der Studienteilnehmer, sondern zusätzlich durch Messung der Serum-/Harnspiegel ausgewählter Wirkstoffe sicher erfasst und beschrieben werden kann. Dabei kommen sowohl enzymimmunologische als auch chromatographische/massenspektrometrische Analysenverfahren zum Einsatz. Die Komplexität der Fragestellungen bei der Durchführung pharmakoepidemiologischer Studien setzt in hohem Maß interdisziplinäres Planen und Arbeiten voraus. Die Beteiligung von Ärzten, Pharmazeuten und/oder Pharmakologen, Chemikern (mit dem Arbeitsschwerpunkt klinisch-chemische und toxikologische Analytik), Soziologen, Psychologen und Statistkern ist unumgänglich, um diese Studien korrekt durchzuführen. Zur Erfassung der Arzneimittel kommt das System der ATC-Codes zur Anwendung, Krankheiten werden unter Einsatz der ICD-Codes erfasst, und unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden häufig unter Verwendung der WHO-Adverse-Reaction-Terminology (WHO-ART) codiert. Die Kosten umfangreicher pharmakoepidemiologischer Studien, bei denen nicht selten viele tausend Studienteilnehmer untersucht und befragt werden, sind – insbesondere bei Längsschnittstudien (engl.: longitudinal studies) mit Laufzeiten von mehreren Jahren – als hoch einzuschätzen. Sie haben aber den entscheidenden Vorteil, dass bei sinnvoller Planung und Datenauswertung bevölkerungsrepräsentative Aussagen unter Bedingungen des täglichen Lebens im zeitlich definierten Rahmen ermöglicht werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die abschließenden Auswertungen ist, dass auch eine sogenannte Nonresponder-Analyse durchgeführt wird. Unter dem Begriff Nonresponder-Analyse wird der Studienanteil verstanden, der sich mit den Charakteristika solcher Studienteilnehmer auseinandersetzt, die trotz mehrfacher Einladung an der Studie teilzunehmen, nicht zur Untersuchung/Befragung erschienen sind. Erst die Einbeziehung der Beschreibung und gründliche Untersuchung dieser Daten, die in Nachgeh-Befragungen durch Interviewer gewonnen werden können, ermöglicht eine Beurteilung der gesamten epidemiologischen Studienergebnisse.

Deskriptive Pharmakoepidemiologie

Das Arbeitsfeld der deskriptiven Pharmakoepidemiologie beschreibt mit Hilfe epidemiologischer Feldstudien oder unter Verwendung von sogenannten Sekundärdaten (z. B. Krankenkassendaten, Versicherungsdaten, Verordnungsdaten o. ä.) meist zunächst die soziodemographischen Randbedingungen der Arzneimittelanwendung in der Geamtbevölkerung oder in Teilen der Bevölkerung. Ein entscheidender Nachteil der Nutzung von Sekundärdaten ist, dass dabei in der Regel nicht sicher dargestellt werden kann, ob die im Verlauf der Studien/Befragungen genannten bzw. erfassten Arzneimittel auch tatsächlich angewandt wurden. Diesem Mangel kann nur dann abgeholfen werden, wenn durch das Studiendesign analytische Aussagen zum Serum-/Harnspiegel der zu beschreibenden Arzneimittelwirkstoffe ermöglicht werden.

Analytische Pharmakoepidemiologie

In diesem Arbeitsfeld der Pharmakoepidemiologie wird – ergänzend zur rein deskriptiven Vorgehensweise – der Versuch unternommen, durch Anwendung adäquater statistischer Verfahren Ursache/Wirkungsbeziehungen – unter Einbeziehung einer Vielzahl physiologischer, anamnestischer, klinisch-chemischer, hämatologischer und toxikologischer Daten – bei der Arzneimittelanwendung zu erkennen. Der Umfang der erfassten Daten erfordert für die Bearbeitung, insbesondere bei Studien zur analytischen Pharmakoepidemiologie, sehr leistungsfähige Softwareprodukte und Rechner. Statistikprogramme, die hierfür Verwendung finden, sind z. B. SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) und SAS.

Pharmakoepidemiologische Studien mit aktuellen Bezügen

Beispielhaft seien hier die Studien zur so genannten Hormonersatztherapie erwähnt, zur Anwendung von Schilddrüsenhormonen, zur Anwendung von koffeinhaltigen Schmerzmitteln, zur Anwendung von Vitamin E (tocopherolhaltigen Präparaten) und zur Arzneimittelanwendung bei/von Kindern und Jugendlichen (z. B. KiGGS, der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts). Besondere Aufmerksamkeit kommt solchen Studien zu, die neben den rezeptpflichtigen Präparaten auch den Gebrauch frei verkäuflicher Arzneimittel (engl.: over-the-counter-drugs, OTC-drugs) zuverlässig erfassen, da dann auch mögliche Arzneimittelinteraktionen bei den statistischen Auswertungen besser berücksichtigt werden können.

Forschungseinrichtungen mit pharmakoepidemiologischen Arbeitsgruppen

Da die Pharmakoepidemiologie inzwischen Bestandteil der Ausbildung zum Pharmazeuten ist, sind Forschungsgruppen im universitären Bereich meist in Pharmazeutischen Instituten und dort im Umfeld der Klinischen Pharmakologie zu finden.

Wissenschaftliche Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), die zur Zeit Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Pharmakoepidemiologie bzw. Pharmakovigilanz durchführen und/oder begleiten, sind das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn.

Literatur

  • Annekarin Bertelsmann: Pharmakoepidemiologie Englisch-deutsches Wörterbuch. Springer Verlag 1983, ISBN 3-540-57560-x.
  • Eva Susanne Dietrich: Grundlagen der Pharmakoepidemiologie und Pharmakoökonomie. Govi-Verlag 2002, ISBN 3-7741-0915-x.
  • Abraham G. Hartzema, Miquel Porta and Hugh H. Tilson (Editors): Pharmacoepidemiology – An Introduction. Harvey Whitney Books Co., Cincinnati 1998, ISBN 0-929375-18-1.
  • Brian L. Strom: Parmacoepidemiology. J. Wiley & Sons, 1994 (2nd Edition), ISBN 0-471-94058-5.
  • Yong Du, Martina Dören, Hans-Ulrich Melchert, Christa Scheidt-Nave, Hildtraud Knopf: Differences in Menopausal Hormone Therapy Use among Women in Germany between 1998 and 2003. In: BMC Women's Health. 7, 2007, S 19.
  • Hildtraud Knopf und Hans-Ulrich Melchert: Bundes-Gesundheitssurvey. Arzneimittelgebrauch, Konsumverhalten in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Robert Koch-Institut, Berlin 2003, ISBN 3-89606-147-x.
  • Yong Du, Hans-Ulrich Melchert, Hildtraud Knopf, Marianne Braemer-Hauth, Barbara Gerding & Ellen Pabel: Association of serum caffeine concentrations with blood lipids in caffeine-drug users and nonusers – Results of German National Health Surveys from 1984 to 1999. In: European Journal of Epidemiology. 20, 2005, S. 311-316.
  • Yong Du, Hans-Ulrich Melchert, Monika Schäfer-Korting: Use of oral contraceptives in Germany: Prevalence, determinants and use-associated health correlates – Results of National Health Surveys from 1984 to 1999. In: Journal of Obstetrics & Gynecology and Reproductive Biology. 134, 2007, S. 57–66.
 
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