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Periduralanästhesie



  Die Periduralanästhesie (von altgriech. περί „neben, rundherum“, Dura „harte Hirnhaut“ und altgriech. αἶσϑησις „Wahrnehmung“, ἀν- „nicht“; Abkürzung PDA; synonym Epiduralanästhesie) ist eine Form der Regionalanästhesie. Sie bewirkt die zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung von ausgewählten Nervensegmenten, führt dabei zu Sympathikolyse, Empfindungslosigkeit, Schmerzfreiheit und Hemmung der aktiven Beweglichkeit im zugehörigen Körperabschnitt und ermöglicht die Durchführung unangenehmer (etwa schmerzhafter) medizinischer Prozeduren.

Inhaltsverzeichnis

Anatomische Grundlagen

Im Bereich des Rückenmarks liegen die Nervenzellen und -fasern geschützt von mehreren Schichten an Bindegewebe, den Rückenmarkshäuten. Von innen nach außen sind dies: die Pia mater, eine dünne Schicht aus Stützzellen, die direkt dem Rückenmark aufliegen und auch in dieses ausstrahlen; die Arachnoidea mater und als äußere Begrenzung die Dura mater, die harte Rückenmarkshaut. Die Dura mater teilt sich in ein inneres und äußeres Blatt; das äußere Blatt ist gleichzeitig die Knochenhaut der Wirbelkörper des Wirbelkanals. Zwischen innerem und äußerem Blatt der Dura mater liegt der sogenannte Periduralraum, in den bei der Periduralanästhesie das Lokalanästhetikum injiziert wird.

Während des Wachstums des Menschen wächst die Wirbelsäule schneller als das Rückenmark, so dass das Rückenmark auf Höhe des ersten Lendenwirbels endet, die zugehörigen Nervenfasern aber weiter kaudal aus dem Rückenmarkskanal austreten (siehe Abbildung). Dieses ist bei der Wahl des Punktionsortes zu berücksichtigen, da dieser nicht unbedingt auf der gleichen Höhe wie der Ort der Operation liegt. Bei Säugetieren reicht das Rückenmark etwa bis zum Übergang zwischen letztem Lendenwirbel und dem Kreuzbein. Hier werden Periduralanästhesien meist zwischen Kreuzbein und erstem Schwanzwirbel vorgenommen.

Durchführung

Die Periduralanästhesie (PDA) wird im Sitzen oder in Seitenlage angelegt. Der Patient wird gebeten, seine Schultern zu entspannen und seinen Rücken zu krümmen. Die Wahl der Höhe des Punktionsortes an der Wirbelsäule des Patienten ist in erster Linie abhängig vom Ort der Operation. Nach Desinfektion und Lokalanästhesie der Haut wird zwischen zwei Dornfortsätzen der Wirbelsäule eine sogenannte Tuohy-Nadel (s. Foto) in den Rücken des Patienten eingeführt. Die Nadel durchtritt beim Einstechen die folgenden Strukturen: Haut – Zwischenwirbelbänder – Ligamentum flavum. Um den Periduralraum beim Vorschieben dieser Nadel zu identifizieren wird die so genannte „loss-of-resistance“-Technik angewendet. Dabei wird eine Spritze mit Flüssigkeit auf die Nadel aufgesteckt. Liegt die Nadel noch vor dem Periduralraum in Bändern der Wirbelsäule ist das Einspritzen von Flüssigkeit nicht möglich (resistance). Unter ständiger Kontrolle dieses Einspritzwiderstandes wird die Nadel vorsichtig weiter vorgeschoben (meistens ca. 4-5 cm tief), bis plötzlich widerstandsfrei Flüssigkeit eingespritzt werden kann (loss of resistance). Dies kennzeichnet das Austreten der Nadelspitze aus der Bänderstruktur in den Periduralraum. Ein durch die Nadel in den Periduralraum eingespritztes Lokalanästhetikum (beispielsweise Bupivacain) wirkt nun im Wirbelkanal von außerhalb der Dura mater auf die Nervenstrukturen. Die Tuohy-Nadel wird nach der Injektion wieder entfernt.

  Meist wird eine Kathetertechnik angewendet. Hierbei wird nach Auffinden des Periduralraums über die Tuohy-Nadel ein dünner Kunststoffkatheter eingeführt, der einige Tage (und gelegentlich viel länger) im Periduralraum belassen werden kann. Dies ermöglicht einen Therapiezeitraum über den eigentlichen operativen Eingriff hinaus oder auch eine längerfristige Therapie chronischer Schmerzen. Üblicherweise wird an den Katheter eine Pumpe angeschlossen, über die kontinuierlich ein Lokalanästhetikum, oft auch mit Zusatz eines Opioids, zugeführt wird. Diese Pumpen ermöglichen es auch, dass die Patienten sich bei Bedarf per Knopfdruck zusätzliche Dosen geben können („PCA“ = „patient controlled analgesia“) und so unabhängig von Ärzten oder Pflegepersonal selbständig Schmerzfreiheit herbeiführen können. Eine Überdosierung wird durch die Pumpensoftware weitgehend verhindert, jedoch sind eine tägliche Kontrolle der zugeführten Menge an Schmerzmitteln, sowie des Katheters selbst und seiner Wirkung unabdingbar. Durch diese Maßnahmen ist es möglich, Patienten nach Operationen frühzeitig schmerzfrei wieder zu mobilisieren und durch Bewegungsmangel entstehende Komplikationen (Lungenentzündungen, Thrombosen, Verkürzung von Muskeln, Gelenkversteifungen) zu verhindern.

Unterschied zur Spinalanästhesie

Bei der Spinalanästhesie wird eine wesentlich feinere Nadel etwas tiefer vorgestochen, so dass die harte Hirnhaut (Dura mater) im Gegensatz zur Periduralanästhesie durchdrungen wird. Eingespritztes Lokalanästhetikum breitet sich nun frei im Liquor cerebrospinalis aus und Rückenmark und Nervenfasern im Spinalkanal werden innerhalb weniger Minuten betäubt. Für die Ausschaltung der Empfindung werden im Vergleich zur Periduralanästhesie wesentlich geringere Mengen des Lokalanästhetikums benötigt, da das Ausbreitungsvolumen kleiner und die Diffusionsstrecke geringer ist. Dies erklärt auch den schnelleren Wirkungseintritt der Spinalanästhesie.

Anwendungsgebiete

Die Periduralanästhesie (PDA) ist zur Schmerzausschaltung bei vielen Operationen geeignet. In den meisten Fällen kommt die PDA bei größeren orthopädischen, gynäkologischen oder urologischen Eingriffen zum Einsatz. In der Geburtshilfe wird sie ebenfalls angewendet, um eine schmerzarme Geburt zu ermöglichen. Im Falle von Geburtskomplikationen ist ein Kaiserschnitt unter dieser Art der Betäubung möglich. Bei dringlichen Operationen wird wegen der einfacheren Technik und des schnelleren Wirkungseintritts allerdings eine Spinalanästhesie bevorzugt. Aber auch bei größeren Eingriffen im Brust- und Bauchbereich wird sie angelegt: dabei wird der operative Eingriff mit einer Kombination aus PDA und Vollnarkose durchgeführt. Längerfristige Periduralanästhesie (bis zu einigen Monaten) kann auch bei der palliativen Behandlung schwerer chronischer Schmerzen angewendet werden, und kann auch zur symptomatischen Linderung von debilitierender, therapierefraktärer Angina pectoris zum Einsatz kommen. Hierbei wird der Periduralkatheter vom Austrittspunkt auf dem Rücken unter der Haut zur Vorderseite des Patienten „getunnelt“, um eine Infektion des Periduralraumes über den längeren Therapiezeitraum zu verhindern.

Nebenwirkungen und Komplikationen

  • Das technische Nicht-Gelingen oder die suboptimale Wirksamkeit einer Periduralanästhesie sind gelegentlich Ursache erhöhter Schmerzen.
  • Blutdruckabfall. Durch die Blockierung der Nerven die die Gefässe engstellen (Vasokonstriktion) kommt es zu einer Weitstellung der Gefässe (Vasodilatation). Die Areale die unter Einfluss der Periduralanästhesie stehen fühlen sir durch den vermehrten Blutfluss warm an. Durch die Vasodilattion kommt es gelegentlich zu einem Blutrckabfall, der allerdings durch Flüssigkeitszufuhr (Infusion) in der Regel vermeitbar ist.
  • Verletzung der Dura mater mit Tuohy-Nadel (0,6-1,3%). Dies geschieht, wenn die dicke Tuohy-Nadel zu weit vorgeschoben wird und die Dura mater durchsticht. Durch das verursachte Loch kann nun Zerebrospinal-Flüssigkeit entweichen. Dies führt in 16-86% zu einem intensiven sogenannten postpunktionellen Kopfschmerz. V.a. jüngere Patienten sind hier ggf. betroffen.
  • Versehentliche totale Spinalanästhesie. Wird die soeben beschriebene Durapunktion ungewöhnlicherweise vom Anästhesisten nicht bemerkt und die gesamte für den Periduralraum vorgesehene Menge an Lokalanästhetikum nun in den Spinalraum eingespritzt, kann dies zu starken Blutdruckabfällen, Atemlähmung und Verlangsamung des Herzschlages bis - im Extremfall - zum Herzstillstand führen. Jeder Anästhesist sollte jedoch in der Lage sein, dieser Situation Herr zu werden ohne dass der Patient bleibenden Schaden nimmt (Beatmung, Vasopressoren, Atropin, etc.)
  • Verletzung des Rückenmarks (äußerst selten)
  • Periduraler Bluterguss durch Verletzung einer Vene im Periduralraum. Kleinere Blutungen kommen recht häufig vor, stillen sich jedoch selbst und verursachen keine klinischen Symptome. Blutet es jedoch ungehemmt in den Periduralraum ein, kann der Druck des entstehenden Ergusses das Rückenmark dauerhaft schädigen. Ein solcher Bluterguss mit neurologischen Symptomen kommt bei etwa 1:150.000 Periduralanästhesien vor; bei Gerinnungsstörungen besteht ein erhöhtes Risiko (1:3.000). Nur eine neurochirurgische Notoperation und Dekompression kann nun dauerhafte Schäden verhindern.
  • auch systemische Nebenwirkungen des verwendeten Lokalanästhetikums sind möglich, z.B. neuro- und kardiotoxische Symptome; Allergie
  • Meningitis (0,02 %)

Voraussetzungen für die Anlage einer Periduralanästhesie

  • Einverständnis des Patienten
  • intakte Wirbelsäule; nach Operationen an der Lendenwirbelsäule z.B. ist eine Periduralanästhesie manchmal schwierig.
  • keine neurologische oder psychiatrische Störung (ansprechbarer Patient); eine Periduralanästhesie für einen Patienten mit Multipler Sklerose z.B. ist kein Problem. Jedoch muss dem Patienten klar sein, dass sich im Rahmen der geplanten Operation vorbestehende neurologische Beschwerden verschlimmern (aber auch verbessern) können, da dies in der Natur dieser Erkrankung liegt. Dies liegt daher nicht per se an der Periduralanästhesie.
  • intakte Blutgerinnung
  • keine Infektion im Injektionsgebiet
  • keine Sepsis
  • keine schwere Herz-Kreislauferkrankung
  • keine Hypovolämie, kein Vorliegen eines Schocks

Kontraindikationen für die Periduralanästhesie

  • Ablehnung durch Patienten
  • Gerinnungsstörung
  • Sepsis
  • Lokale Infektion im Injektionsgebiet
  • Neurologische Erkrankung (relative Kontraindikation, forensische Gründe)

Siehe auch

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Periduralanästhesie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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