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Orgelpfeife
Um verschiedene Klangfarben zu ermöglichen, verwendet man Pfeifen von verschiedener Bauart. Pfeifen gleicher Klangfarbe werden in Registern zusammengefasst. Vom Klangerzeugungsprinzip lassen sich zwei Pfeifentypen unterscheiden: Labial- oder Lippenpfeifen, die die große Mehrzahl der Pfeifen einer Orgel stellen, und Lingual- oder Zungenpfeifen. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Materialien
Orgelpfeifen können aus Holz oder aus Metall gefertigt sein. Als Metall wird in der Regel eine Legierung aus Zinn und Blei verwendet, das so genannte Orgelmetall, wobei das Mischungsverhältnis variieren kann. Orgelmetall ist so weich, dass man die Pfeifen mit den Fingern verformen kann. Für Prospektpfeifen wird manchmal – der Optik wegen – teureres reines Zinn oder Kupfer verwendet. Selten findet man Orgelpfeifen aus reinem Blei. Zwischen etwa 1850 und 1950 wurde auch Zink verwendet, als Ersatz für zu Kriegszwecken eingeschmolzene Pfeifen.
Die Zusammensetzung und die Bearbeitungsweise des Materials wirken sich nicht direkt auf den Klang einer Pfeife aus, da der Pfeifenkörper nicht der Resonanzbildung dient. Allerdings kann die Wahl des Materials die Dicke der Pfeifenwandung bedingen und die Möglichkeiten der Intonation (siehe unten) einschränken. Auch das Alter einer Pfeife hat keinen Einfluss auf ihren Klang, sondern allenfalls die abweichenden Intonationsmethoden früherer Zeiten. Siehe auch: Zinnpest Holzpfeifen können aus unterschiedlichen Holzarten gefertigt sein, aus Eiche, Nadel- oder Obsthölzern, gelegentlich auch aus exotischen Hölzern oder Bambus. Die Holzpfeifen werden zumeist innen mit Leim abgedichtet, dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich und hat eine Veränderung des Klanges zur Folge. Auch aus Porzellan und Kunststoffen wurden vereinzelt Orgelpfeifen hergestellt. Bei Zungenpfeifen sind die Zunge und die Kehle meistens aus Messing. Die Kehle von aufschlagenden Zungen kann aber auch aus Zinn oder Holz sein. Der Rand der Kehle, auf dem das Zungenblatt aufschlägt, kann beledert sein, wodurch der Klang weicher und obertonärmer wird. Die Stimmkrücke ist normalerweise aus harter Kupferlegierung. Für die anderen Teile der Zungenpfeife wird Orgelmetall oder Holz verwendet. Gelegentlich ist der Resonator aber auch aus Kupfer, Zink, Messing oder verzinntem Eisenblech („Weißblech“) gefertigt. LabialpfeifenDie Tonerzeugung der Labialpfeifen oder Lippenpfeifen beruht darauf, dass ein Luftband durch einen schmalen Spalt gegen eine Kante, das Labium, geblasen wird. Dabei biegt sich das Luftband und beginnt beiderseits der Stoßkante zu pendeln, wodurch die Luftsäule im Inneren des Pfeifenkörpers zu Schwingungen angeregt wird. Dieses entspricht dem Prinzip der Blockflöte.
AufbauObwohl die Tonerzeugung bei allen Labialpfeifen gleich ist, unterscheiden sie sich jedoch etwas, je nachdem aus welchem Material sie gefertigt sind. Labialpfeifen aus Metall besitzen in der Regel einen kreisrunden und hölzerne Pfeifen haben aus praktischen Gründen meistens einen rechteckigen Pfeifenkörper. Die Bezeichnungen der Bauteile sind leicht unterschiedlich. Pfeifen aus MetallLabialpfeifen aus Metall bestehen aus zwei Teilen, dem spitz zulaufenden Pfeifenfuß, mit dem die Pfeife auf dem Pfeifenstock steht, und dem Pfeifenkörper, der verschiedene Formen haben kann. Der Fuß ist oben mit einer waagerecht aufgelöteten Platte, dem Kern, fast vollständig verschlossen. An einer Seite ist ein Segment des kreisförmigen Kerns abgeschnitten und der Fuß an dieser Stelle nicht mit dem Kern verlötet, sondern so weit zur Kante des Kerns hin eingedrückt, dass sich eine schmale, parallele Spalte bildet, die so genannte Kernspalte. Die eingedrückte Stelle am Fuß wird Unterlabium genannt. Die Vorderkante des Kerns ist nach oben hin angeschrägt; diese Schräge heißt Kernfase. Der Pfeifenkörper ist oben auf den Kern aufgelötet. Über der Kernspalte ist eine meistens rechteckige, Aufschnitt oder Mundloch genannte Öffnung aus dem Pfeifenkörper herausgeschnitten. Die Oberkante des Aufschnitts bildet das Oberlabium. Bei kleinen Pfeifen wird das Labium in den Pfeifenkörper eingedrückt (eingedrücktes Labium) während es bei größeren Pfeifen eingelötet werden muss (aufgesetztes Labium). Pfeifen aus HolzDie hölzerne Labialpfeife besitzt kein Unterlabium. Als Begrenzung der Kernspalte dient hier der Vorschlag. Das Oberlabium wird in den Pfeifenkörper gefeilt, gefräst oder gestemmt. Je nachdem ob es sich innen oder außen befindet, spricht man von einer innenlabiierten oder außenlabiierten Pfeife. Letztere Bauform ist die übliche. Gedackte
Labialpfeifen können auch gedackt (auch gedeckt) ausgeführt werden, hierbei wird das offene Pfeifenende durch einen Deckel (bei runden Metallpfeifen) oder durch den Spund (bei rechteckigen Holzpfeifen) verschlossen. Dieses hat zur Folge, dass der von einer solchen Pfeife erzeugte Ton eine Oktave tiefer ist, als die Rohrlänge erwarten lässt. Dieses liegt daran, dass die stehende Welle im Pfeifenkorpus durch Reflexion am Rohrende dort nicht einen Schwingungsbauch, sondern erzwungenermaßen einen Schwingungsknoten hat. Innerhalb der Pfeife liegt dann statt der Hälfte, wie bei der offenen Pfeife, ein Viertel der Schwingung. Die Wellenlänge ist also doppelt so groß. Aus dem gleichen Grund sind im Obertonspektrum nur die ungeradzahligen Obertöne enthalten, die geradzahligen Obertöne, unter anderem die Oktaven, fehlen. Gedackte Pfeifen sind deutlich leiser als offene und auch dunkler in ihrer Klangfarbe. DoppeltonpfeifeEine seltene Erscheinungsform ist die Doppeltonpfeife.[1] Sie besitzt durch Ventile steuerbare Klappen, die es ähnlich einer Blockflöte die Erzeugung mehrerer Töne pro Pfeife ermöglichen. Größe
Die Größe von Labialpfeifen reicht von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern. Sehr große Pfeifenorgeln haben bisweilen Pfeifen (64'-Register), deren Frequenz unter der des menschlichen Hörbereiches liegt (Infraschall). Solch tieffrequente Töne werden als Erschütterung und Druckgefühl auf den Ohren empfunden. Der tiefste Ton, der von den meisten Menschen gerade noch als Ton wahrgenommen werden kann, ist das Subkontra-C (einige Menschen hören auch noch das Subsubkontra-H und ganz wenige das Subsubkontra-B). Das Subkontra-C ist der tiefste Ton eines 32'-Registers (16,35 Hz). Als offene Pfeife entspricht das einer klingenden Länge (ohne den Pfeifenfuß) von etwa zehn Metern. Sehr kleine Pfeifen haben sogar nur eine klingende Länge von wenigen Millimetern. Bei diesen Pfeifen ist jedoch der Pfeifenfuß, der nicht zur Klangerzeugung beiträgt, in der Regel 15 Zentimeter lang oder mehr. Die Länge der Pfeife bestimmt bei den Labialpfeifen direkt die Tonhöhe. Man unterscheidet zwischen offenen Pfeifen und den Gedackten, die oben mit einem Deckel oder Spund verschlossen sind. Gedackte Pfeifen klingen eine Oktave tiefer als gleichlange offene Pfeifen. Offene konische Pfeifen sind umso tiefer, je mehr sie sich nach oben verjüngen. Die Länge lP des Pfeifenkörpers eine offenen zylindrischen Labialpfeife lässt sich aus der Frequenz f und der Schallgeschwindigkeit c (= 343 m/s für 20 °C in Luft) wie folgt berechnen (λ ist die Wellenlänge): Hierbei ist k die Mündungskorrektur (auch praktische Verkürzung genannt), die vom Pfeifendurchmesser d abhängig ist. Sie ist nötig, da der Bauch der stehenden Welle nicht genau bündig mit dem Pfeifenende ist, sondern etwas über den Pfeifenrand hinaus ragt. Für sie hat der französische Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll folgende Formel gefunden, die einen ungefähren Anhaltspunkt liefert: Obwohl die Mündungskorrektur prinzipiell auch am Pfeifenmund auftritt, spielt sie in der Praxis bei gedackten Pfeifen eine eher unbedeutende Rolle. Die Länge lG einer gedackten zylindrischen Pfeife beträgt: Eine Pfeife kann auch absichtlich „zu lang“ gebaut werden. Dieses geschieht aus optischen Gründen häufig bei Prospektpfeifen, wobei man die effektive Länge der schwingenden Luftsäule durch Ausschnitte an der Rückseite der Pfeife reduziert. Eine Überlänge kann auch aus akustischen Gründen nötig sein, wenn man die Labialpfeife zum Überblasen bringen will. Dabei schwingt die Luftsäule auf einem der tiefsten Obertöne. Im Verhältnis zu dem klingenden Oberton ist die Pfeife also zu lang, und könnte im Prinzip auch den Grundton herstellen. In der Regel werden zylindrisch offene Pfeifen überblasend gebaut, sie sind dann doppelt so lang. Gedackte Pfeifen überblasen in den dritten Teilton und sind daher dreimal so lang (also anderthalb mal so lang wie eine offene Pfeife gleicher Tonhöhe). Man erleichtert das Überblasen durch ein kleines Loch in der Pfeifenwand etwa auf halber Höhe. MensurWährend die Länge einer Pfeife im Wesentlichen die Tonhöhe bestimmt, ist der Querschnitt sowie die Labienbreite und Höhe des Aufschnitts prägend für die Klangfarbe. Alle diese Maße fasst man zusammen unter dem Begriff Mensur. Die wichtigsten Mensuren bei Labialpfeifen sind:
Weitere Mensuren sind die Kernspaltenweite, die Fußlochgröße usw. Die Mensuren können teilweise bei der Intonation der Orgel vom Intonateur noch verändert werden. Für nicht-zylindrische Pfeifenformen (Rohrflöte, Gemshorn, Spillpfeife, Spitzflöte usw.) werden entsprechend noch weitere Maße benötigt. Im engeren Sinne ist mit Mensur die Weitenmensur gemeint, also das Verhältnis vom Durchmesser zur Länge der Pfeife. Sie ist die wichtigste Mensur im Orgelbau, aus ihr ergibt sich die Einteilung in „eng“, „mittel“ oder „weit“ mensurierte Register. Da die Aufschnittmaße oft aus dem Umfang des Pfeifenkörpers abgeleitet werden, tritt die Durchmessermensur in den Vordergrund. 1927 hat der Deutsche Orgelrat erstmals ein Standardmaß für die Mensur beschlossen, die so genannte Normmensur. Sie geht auf den Orgelbauer Dom Bédos (1709−1779) und den Orgelbautheoretiker Johann Gottlob Töpfer (1791−1870) zurück. Die tiefste Pfeife des sogenannten Normprinzipals in 8'-Lage hat nach Dom Bédos einen Innendurchmesser von 155,55 mm. Stehen die Längen zweier Pfeifen zueinander im Verhältnis 1:2, klingt also die erste Pfeife eine Oktave höher als die zweite, so haben die Weiten nach Töpfer das Verhältnis: Das bedeutet, dass die hohen Pfeifen eines Registers eher breit erscheinen, die tiefen dagegen eher schmal. Diese Art der Mensur, die die Veränderung der Weite bei Veränderung der Länge ausdrückt, heißt Verlaufsmensur. Die Töpfersche Mensur soll die hörakustischen Unterschiede ausgleichen, die sich bei der sogenannten starren Durchmessermensur von 1:2 ergeben.
In der Praxis wird die Normmensur nicht verwendet, sie dient aber als Vergleichsmaßstab. Mensuren und Mensurendiagramme werden erstellt, indem die Abweichung von der Normmensur in Halbtönen (HT) berechnet wird. Positive Zahlen bedeuten eine weitere, negative Zahlen eine engere Mensur. Hat z. B. eine Pfeife, die den Ton C abgibt, eine Weitenmensur von -4 HT, so entspricht ihr Durchmesser dem der vier Halbtöne höheren und daher schmaleren Pfeife E der Normmensur. Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, kann die Verlaufsmensur innerhalb eines Registers variieren. Man spricht dann von einer variablen (im Gegensatz zur konstanten) Verlaufsmensur. Variable Mensuren sind die Regel. Durch sie können die verschiedenen Tonlagen eines Registers hervorgehoben oder abgeschwächt werden. TonerzeugungDie Luft strömt durch den Pfeifenfuß und tritt aus der Kernspalte als auf das Oberlabium gerichtetes Luftband hervor. An diesem wird der Luftstrom abgelenkt und beginnt, abwechselnd nach außen und nach innen zu schwingen (Details siehe Holzblasinstrument). Dadurch wird auch die Luft im Pfeifenkörper zu Schwingungen angeregt. Diese Schwingungen sind, nachdem sie sich mit einer bestimmten Frequenz stabilisiert haben, als Ton wahrzunehmen. Die Einschwingvorgänge bis zur Ausbildung des stabilen Pfeifenklanges werden Ansprache genannt. Diese setzt sich zusammen aus Anblasgeräuschen und kurzzeitig auftretenden hochfrequenten Vorläufer- bzw. Schneidetönen, die den Klang der Pfeife wesentlich prägen wie zum Beispiel das sogenannte Spucken bei gedackten Registern. Die Dauer und der Charakter der Ansprache sind zunächst von Pfeifentyp, Winddruck und Aufschnitthöhe abhängig. Die Ansprache endet mit dem Erreichen des eigentlichen bzw. stationären Klangs. Bauarten
Material und Form bestimmen erheblich die Klangfarbe der Pfeife. Labialpfeifen aus Metall sind rund, der Kern ist eine an der Nahtstelle zwischen Fuß und Körper eingelötete Metallplatte. Der Körper kann zylindrisch sein, nach oben spitz zulaufend (konisch), seltener trichterförmig oder eine Kombination, z. B. unten zylindrisch, oben konisch. Der Pfeifenkörper von hölzernen Labialpfeifen hingegen ist in der Regel rechteckig gebaut; ihr Kern ist ein Holzblock, der im unteren Teil der Pfeife befestigt ist. Um die Ansprache der Pfeifen zu verbessern, verwendet man sogenannte Bärte, das sind Metallplättchen, die seitlich oder unter dem Pfeifenmund angebracht sind. Gedackte können im Deckel eine Öffnung oder ein offenes Röhrchen haben; solche Pfeifen bezeichnet man als halb- oder teilgedackt. Man kann die wichtigsten Labialregister nach der Bauart etwa wie folgt einteilen:
Neben den genannten Bauformen existieren weitere Sonderformen wie z. B. Spitzgedackt oder Rohrflöte. IntonationMit dem Begriff Intonation wird die Gestaltung des Klanges der Orgelpfeifen bezeichnet. Dabei wird der Bereich des Labiums mit Spezialwerkzeugen bearbeitet, um die Pfeife in Klangfarbe und Lautstärke zu verändern und ihr einen stabilen Ton abzugewinnen, den sie unmittelbar nach der Herstellung noch nicht hat. Außerdem müssen alle Register in sich wie auch zueinander in Klangcharakter und Lautstärke ausgeglichen und gestimmt werden. Der Intonateur bezieht den Stil der Orgel und die Raumakustik in seine Arbeit mit ein. Neben der Intonation wird der Klang einer Orgel noch durch die Disposition und die Mensuren wesentlich bestimmt. Die Intonation hat jedoch den größten klanglichen Einfluss. Das Intonieren kann man mit dem Formen der Stimme eines Sängers vergleichen. In beiden Fällen ist es wichtig, dass alle an der Klangentwicklung beteiligten Elemente optimal eingestellt und aufeinander abgestimmt sind. Beim Sänger ist dieses vor allem der Rachenbereich, bei der Pfeife der Bereich des Labiums. Die Legierung (bei Pfeifen aus Zinn und Blei), die Bearbeitung und das Alter einer Pfeife beeinflussen den Klang dagegen fast nicht, da nicht das Material der Pfeife schwingt, sondern die Luft in Form einer Art „Luftsaite“, die auch Luftblatt genannt wird. Je nachdem wie dieses Luftblatt beschaffen ist, das um die Kante des Oberlabiums pendelt, ändert sich die Tonqualität einer Pfeife. Es gibt 42 mögliche Parameter, die den Klang einer Pfeife beeinflussen. Zu den wichtigsten zählen die Höhe des Aufschnitts, die Weite der Kernspalte und die sogenannte Kernstiche (das sind Kerben, die in Richtung der Luftströmung in die Kernfase oder in das Unterlabium eingeritzt werden). IntonationsmittelUm den Klang einer Pfeife zu beeinflussen, gibt es neben den verschiedenen Bauformen eine Fülle von Möglichkeiten, die man als Intonationsmittel bezeichnen kann. Dazu gehören: Expressionen, Stimmschlitze, Bärte, Aufschnitthöhen, Kernspaltenweite und deren Beschaffenheit, Kernfase und Gegenfase, Form und Stellung von Ober- und Unterlabium, Form und Anzahl von Kernstichen und die Größe des Fußloches. Die Intonationsmittel wurden im Laufe der Orgelbaugeschichte über Jahrhunderte weiterentwickelt und finden in ihrer Vielfalt und dem differenzierten Gebrauch einen Höhepunkt zur Zeit der Romantik.
IntonationsstileIn der Orgelbaugeschichte sind schwerpunktmäßig drei Intonationsarten zu erkennen:
KlangverschmelzungEine Klangverschmelzung, wie sie in der Romantik gefordert wird, kann nur durch die richtige Intonation erzielt werden. Diese muss drei Anforderungen gerecht werden:
Mit den klassischen Intonationsmitteln (Kernstiche, Veränderung des Fußlochs, der Kernspaltenweite und der Aufschnitthöhe) kann keine befriedigende Balance zwischen diesen Anforderungen und einem homogenen und kräftigen Klang gefunden werden. Wird ein Ton mit hohem Aufschnitt, starken Kernstichen und weiter Kernspalte zu grundtönig intoniert, verliert er an Kraft und klingt stumpf. Wird er ohne Kernstiche, mit niedrigerem Aufschnitt und verengter Kernspalte intoniert, verhindern die Vorläufertöne und die hochfrequenten Klanganteile, dass sich ein eng verzahnter, harmonischer Obertonaufbau und ein homogenes Klangbild ergibt. Hohe und unharmonische Klanganteile verhindern eine gute Klangverschmelzung. Harte und helle Ansprachegeräusche stören große musikalische Linien. Hingegen nehmen zu schwach ausgebildete mittlere Obertöne dem Klang Kraft und Farbe. Expressionen sind daher ein bewährtes Intonationsmittel, um die Balance zwischen Klangkraft und Verschmelzung zu steuern. Sie wirken wie Klangfilter: Je nach Größe und Position filtern sie bestimmte Obertöne und Ansprachegeräusche aus dem Gesamtklang einer Pfeife heraus. Die mittleren Obertöne treten dadurch sogar stärker hervor und geben dem Ton einen besonderen Ausdruck (daher die Bezeichnung Expression). Die Expression ist somit ein typisches und wichtiges Intonationsmittel für Orgeln romantischen Stils, um ein Höchstmaß an Klangverschmelzung zu erreichen. Keinen Einfluss auf die Verschmelzung hat hingegen die Anordnung der Kanzellen (Ton- oder Registerkanzellen). Stimmung
Labialpfeifen werden je nach Bauart auf verschiedene Weise gestimmt:
Offene Metallpfeifen können auch auf Tonhöhe geschnitten sein und verfügen damit über keine selbstständige Stimmeinrichtung; dieses ist vor allem bei kleineren Pfeifen (ab etwa 1/2'-Lage) die Regel. Solche Pfeifen können nur mit dem Stimmhorn gestimmt werden. Dabei handelt es sich um ein kegelförmiges Werkzeug, mit dem die Pfeife an der Mündung etwas geweitet oder geschlossen wird (auf- und zureiben). Vorteil dieser Variante ist die größere Stimmstabilität gegenüber Stimmrollen oder -deckeln (die sich mit der Zeit unter anderem durch Schwerkraft und Materialermüdung verschieben können), Nachteil ist die deutlich höhere Materialbelastung während des Stimmvorganges selbst. Die Tonhöhe von Labialpfeifen verändert sich ansonsten nur bei Temperaturschwankungen, da diese sich auf die Schallgeschwindigkeit in der Pfeife auswirken: Bei Wärme werden die Pfeifen höher, bei Kälte tiefer. Die Verstimmung beträgt etwa 3,3 Cent pro Grad Celsius, was einem Halbton auf 30 °C entspricht. Hierbei ändert sich prinzipiell nur die Stimmtonhöhe; die Pfeifen untereinander bleiben in einem konstanten Stimmungsverhältnis. Etwa alle 15 bis 25 Jahre muss das Pfeifenwerk ausgebaut und gereinigt werden, da Staubablagerungen die Stimmung der Pfeifen (besonders der kleinen Labialpfeifen) unmöglich machen. LingualpfeifenDie zweite Gruppe der Orgelpfeifen sind die Lingualpfeifen oder Zungenpfeifen, bei denen der Luftstrom eine Metallzunge (Stimmzunge) in Schwingungen versetzt, der Klang wird durch einen Resonanzkörper (Becher) verstärkt. Die Metallzunge schlägt dabei entweder auf eine Kehle auf („aufschlagende“ Zungenstimme) oder schwingt (wie beim Harmonium) durch eine genau passende Öffnung hindurch („durch“ oder „einschlagende“ Zungenstimme). Durchschlagende Zungenstimmen sind allerdings selten zu finden. Der Klang von Zungenpfeifen ist wesentlich obertonreicher als der von Lippenpfeifen.
Wenn in der Höhe wenig Platz zur Verfügung steht, können Lingualpfeifen „gekröpft“ ausgeführt werden, d. h. dass sie meistens um 90 Grad geknickt werden und so horizontal weiter verlaufen. Eine seltenere Kröpfungsform ist die „spanische Kröpfung“ oder auch „Innenkröpfung“. Diese Kröpfungsart kommt am häufigsten bei Streichern vor. Bei ihr wird in den offenen Pfeifenkörper ein gedecktes Rohr eingebracht und "frei schwebend" befestigt. Dadurch ist die Pfeife halb gedeckt und halb offen. Dieses erzeugt einen streicherähnlichen Klang. Die Gesamtheit aller Zungenpfeifen einer Orgel wird auch Rohrwerk in Anlehnung an das Rohrblatt bei Holzblasinstrumenten genannt. Die Bezeichnung Schnarrwerk für die Gesamtheit aller Zungenstimmen der Orgel geht auf den schnarrenden Klang der kurzbecherigen Zungenstimmen zurück. Aufbau
Auch Zungenpfeifen sind zweiteilig aufgebaut: Im unteren Teil (Stiefel) ist die Zunge mit der Stimmvorrichtung untergebracht, der obere Teil (Becher) ist ein Hohlkörper aus Holz oder Metall, der für Resonanz und damit Verstärkung und Färbung des Klanges sorgt. Im Stiefel, der oben durch die Nuss abgedichtet ist, hängt die Kehle, ein Metallröhrchen, das am oberen Ende in den Becher geöffnet ist und das seitlich einen Schlitz hat. Auf diesem Schlitz liegt die Zunge auf. Sie ist am oberen Ende durch den Keil festgeklemmt und am unteren Ende leicht aufgebogen. Die Zunge wird an einer Stelle durch einen stabilen Draht (Stimmkrücke) auf der Kehle festgedrückt. Verschiebt man diesen Draht, ändert sich der freie Bereich der Zunge und damit die Tonhöhe. Dieser Draht ist oben aus der Nuss herausgeführt, damit Zungenpfeifen von außen stimmbar sind (durch Hoch- oder Niederklopfen mit dem Stimmeisen). TonerzeugungDa die Zunge etwas nach außen gewölbt ist und den Schlitz (längliche Öffnung in der Kehlenwand) nicht völlig schließt, kann die Luft, die in den Stiefel einströmt, unter der Zunge durch in die Kehle und weiter in den Becher gelangen. Durch diese Luftströmung entsteht in der Kehle ein Unterdruck, der die Zunge auf den Schlitz zieht. Da die Zunge den Schlitz geschlossen hat, wird die Luftströmung unterbrochen. Alsbald gleichen sich die Luftdrücke in und außerhalb der Kehle aus, und die Zugkraft auf die Zunge lässt nach. Nun ist die Zunge wieder frei und kann sich in die ursprüngliche Stellung ziehen. Wenn dieser Vorgang sich regelmäßig und schnell genug wiederholt, entsteht dabei eine Luftschwingung, die wir mit dem Ohr als einen Ton wahrnehmen. Bedingt durch die Art der Tonerzeugung mit einer schwingenden Zunge hat die Länge des Schallbechers – anders als bei den Lippenpfeifen – keinen direkten Einfluss auf die Tonhöhe, wohl aber auf die Klangfarbe und -stärke als auch auf eine gelungene Klangerzeugung. Jedoch hat der Schallbecher, genauso wie der Körper einer Lippenpfeife, eine gewisse maximale Länge für jede Tonhöhe. Deswegen darf er nicht zu lang sein, wenn man eine bestimmte Grundtonhöhe erwünscht. Die Zunge spricht aber auch ohne Schallbecher und im Prinzip mit allen Becherlängen an, die kürzer sind als die maximale Länge. StimmungLingualpfeifen verstimmen sich nicht so stark wie Labialpfeifen, da hier die Wärmeausdehnung der Zunge gegenüber der Schallgeschwindigkeit eine größere Rolle spielt. Durch Temperaturschwankungen neigen die Zungenregister jedoch durch die Methode der Stimmung zu sehr differenzierten Verstimmungen. In der Praxis werden bei kleineren Stimmarbeiten die Zungenpfeifen nachgestimmt, da diese bei einer Orgel die Minderheit des Pfeifenbestandes stellen (maximal bis etwa 40 %) und sie leichter und schonender zu stimmen sind. Lingualpfeifen werden mit dem Stimmeisen gestimmt. Mit diesem wird die Stimmkrücke hinein bzw. heraus geschlagen und so der schwingende Teil der Zunge verkürzt oder verlängert. Die Lingualpfeifen einer Orgel werden normalerweise einmal jährlich gestimmt, wobei aber meistens nur alle zwei Jahre (oder auch seltener) eine tatsächliche Komplettstimmung (inklusive der zeitaufwendigen Mixturen) vorgenommen wird. BauartenEinfluss auf den Klang einer Zungenpfeife haben die Gestalt der Kehle, die Dicke und Breite der Zunge und die Form und Mensur des Bechers. Letztere kann sehr unterschiedlich sein. Man unterscheidet zwischen lang- oder vollbechrigen Zungen (d. h. Zungenregistern), bei denen die Becherlänge auf die Tonhöhe abgestimmt ist, und kurzbechrigen Zungen mit deutlich kürzerem Becher. Im Klang besonders präsent sind im Prospekt horizontal angeordnete Zungenstimmen wie die Spanische Trompete aber auch regalartige Register, da der Ausbreitung der Schallwellen keine anderen Pfeifen oder Orgelgehäuseteile im Wege stehen.
Zungenstimmen werden auch mit hölzernen Bechern mit in der Regel quadratischem Querschnitt gebaut. Verbreitet sind derartige Becher bei den Regalen (Holzregal, Rankett), aber auch andere Zungenstimmen (z. B. Holztrompete) gibt es in dieser Bauform. Durch das Holz ist der Klang meistens etwas weicher und grundtöniger als bei vergleichbaren Registern mit Metallbechern. Die durchschlagenden Zungenstimmen fanden am meisten Verbreitung zwischen 1840 und 1920 und werden erst in den letzten Jahren wieder neu gebaut. Sie unterscheiden sich von den aufschlagenden Zungen vor allem durch eine weichere Ansprache und den starken, durchdringenden Klang. Typische Register sind Bassetthorn, Euphon, Klarinette (oder Clarinet). Auch die Oboe oder Posaune, die normalerweise aufschlagend sind, können als durchschlagende Zungenstimmen gebaut werden. Register mit Gegenschlagzungen sind im Orgelbau der Neuzeit nicht bekannt. Sie könnten aber in den Orgeln der Antike (Hydraulos) zur Anwendung gekommen sein. MensurDie wichtigsten Mensuren von Zungenpfeifen sind die Maße der Zunge (Länge, Dicke, Breite), der Kehle und die Länge und Weite des Bechers. IntonationLingualpfeifen lassen sich intonieren, indem die Wölbung des Zungenblattes verstärkt oder abgeschwächt wird. Wenn ein Deckel oder eine andere bewegliche Einrichtung am Becher vorhanden ist, kann auch hier durch Verstellen der Klang justiert werden. Für einen guten Klang und auch für das „Funktionieren“ einer Zunge ist die Mensur mit allen Detailmaßen von wesentlich größerer Bedeutung als bei Labialpfeifen. Aufwurf des ZungenblattesFür den Aufwurf gibt es unzählige Möglichkeiten. Es lassen sich jedoch zwei Grundtypen bestimmen. Weil sie eng mit der dazugehörigen Mensur und einem typischen Klangbild verbunden sind, kann man auch vom deutschen und französischen Bogen sprechen.
BourdonpunktZum Stimmen einer Zungenpfeife ist es zunächst nötig, sie auf die Tonhöhe des sogenannten Bourdonpunktes zu bringen. Dazu wird der Ton zunächst zu hoch eingestellt. Dann wird solange tiefer gestimmt, bis der Ton plötzlich abfällt und sich der Klang verändert. Ist das Zungenblatt optimal gebogen, klingt er nun grundtönig und weniger schnarrend, so, als würde ein Bourdon gleicher Tonhöhe dazu erklingen. Wird der Ton nun noch tiefer gestimmt, schmettert er immer stärker, und allmählich verschwindet die Fülle (der Bourdon). In diesem Bereich liegt die ideale Stimmtonhöhe. Ab einem bestimmten Punkt, etwa einen Halbton tiefer, ändert sich die Klangfarbe erneut, der Ton wird grell. Den Moment vor Erreichen dieses Wechsels nennt man den brillanten Punkt. Eine Zungenpfeife sollte nicht so hoch gestimmt werden, dass sie dem Bourdonpunkt sehr nahe ist, da sonst die Gefahr besteht, dass sich die Stimmung deutlich verändert, wenn die Raumtemperatur nur einige Grade kälter wird. Hörbeispiele (Stimmen des Tones f1 einer Pedaltrompete 8'):
Siehe auch
Quellen
Literatur
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