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Nonverbale Kommunikation




Als nonverbale Kommunikation (deutsch Verständigung ohne Worte) wird der Teil der Kommunikation bezeichnet, der sich nicht nach den konventionalisierten Regeln einer gesprochenen Sprache ausdrückt, sondern durch Gesten, Gebärden, Mimik, Miene oder andere nichtsprachliche Zeichen. Auch der Habitus einer Person oder einer sozialen Gruppe hat bedeutsame nichtsprachliche Komponenten. Jedes Verhalten als Reaktion auf etwas oder jemanden ist eine Art der Kommunikation, da jedes reaktive Verhalten Mitteilungscharakter besitzt.

Die Kinesik ist die Wissenschaft, die sich mit der nichtsprachlichen Verständigung befasst.

Inhaltsverzeichnis

Kommunikationskanäle nonverbaler Kommunikation

Da Verhalten kein Gegenteil hat, man sich also nicht nicht verhalten kann, kommt Paul Watzlawick zu der Folgerung, dass es unmöglich sei, nicht zu kommunizieren: "Man kann nicht nicht kommunizieren". Als Ergebnis dieser Überlegungen kann festgestellt werden, dass nonverbale Kommunikation unabhängig von verbaler Kommunikation existiert. "Die Körpersprache ist nicht nur eine wünschenswerte, zur Not aber entbehrliche Zutat zur Verbalsprache, sondern ihre umfassende leibliche Grundlage" (Meyer, 1991).

Um sich der Bedeutung der nonverbalen Kommunikation klar zu werden, müssen nicht nur die Ebenen bestimmt werden, auf denen diese abläuft, sondern muss auch der Informationsfluss quantifiziert und in Beziehung zur bewussten Wahrnehmung gesetzt werden. Es müssen also Aussagen über die Art und Sensibilität der informationsaufnehmenden Rezeptoren getroffen werden:

  1. Das Auge mit den nachgeschalteten Sehbahnen liefert Informationen über Mimik, Gestik und Körperhaltung sowie über Bewegungsmuster, Nähe und Distanz, die Pupillengröße des Gegenübers, vegetative Symptome (z. B. Erröten, Schwitzen) und anderes (vgl. Blickkontakt).
  2. Die Rezeptoren der Haut liefern Empfindungen, die dem Tast-, Temperatur- und Schmerzsinn zugeordnet werden. Dabei liegen dem Tastsinn Sensationen wie °Kitzel, °Berührung, °Vibration, °Druck und °Spannung zugrunde.
  3. Der Geruchssinn (Olfaktorik) bestimmt z. B., ob man „jemanden riechen kann“.
  4. Daneben übermitteln die averbalen Elemente der sprachlichen Kommunikation – wie Stimmfärbung, Tonhöhe usw. – über die akustische Wahrnehmung °mitschwingende Informationen, die eine bestimmte emotionale Einstellung bewirken sollen.

Folgende Tabelle gibt einen quantitativen Überblick darüber, wieviel an Information pro Sekunde von den Sinnesorganen aufgenommen werden kann. Ein Bit stellt dabei die kleinste mögliche Informationseinheit dar:

Sinnesorgan Bandbreite
(gerundet)
Augen 10.000.000 Bit/s
Haut 1.000.000 Bit/s
Ohren 100.000 Bit/s
Geruch 100.000 Bit/s
Geschmack 1.000 Bit/s

Der größte Teil von Informationen wird vom Menschen unbewusst aufgenommen und selektiert. Das Bewusstsein (?) wäre mit dieser Fülle an Information überfordert. Diese allgemeingültige Aussage stützt sich zwar auch auf Sigmund Freud, der den vom Es gesteuerten Motiven eine wesentlich höhere Bedeutung beigemessen hat als den bewussten. Freuds Unterbewusstsein und das Unbewusste, von dem hier auch gesprochen werden soll, sind jedoch nicht deckungsgleich.

Entscheidend sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die Mechanismen, die das Bewusstsein des Menschen vor einer Informationsüberflutung schützen, ohne die wesentlichen Botschaften zu unterschlagen. Hier unterscheidet sich der Mensch nicht prinzipiell vom Tier: Die Informationsmenge, die unser Bewusstsein erreicht, ist vergleichsweise klein. Sprache und Bewusstsein sind gut, die Grundlagen zum Überleben in einem sozialen System wurden jedoch schon vor deren Entwicklung geschaffen.

In zweiter Linie wird es darauf ankommen, jene zerebralen Verarbeitungs- und Strukturierungsmechansimen zu betrachten, die die Wertigkeit der unbewusst wahrgenommenen Informationen nach verhaltensrelevanten Gesichtspunkten ordnen. Da es hier um nonverbale Kommunikation im engeren Sinn geht, das heißt um den zwischenmenschlichen Aspekt derselben, wird in dritter Linie auf die Strukturen der Interaktion von Menschen einzugehen sein, die vor dem Erwerb der Sprache schon vorhanden waren.

Gliederung der nonverbalen Kommunikation

Allgemein

Nicht jede Bewegung, die Menschen ausführen können, zählt zur nonverbalen Kommunikation. Wird das Gesicht einer Person durch äußere Umstände willkürlich oder unwillkürlich in irgendeiner Weise verzerrt, sei es durch Berührung mit Händen oder Gegenständen, durch starken Winddruck beim Autofahren oder im Windkanal, oder durch Zentripetalkräfte, wie es im Sport oder bei Piloten schneller Flugzeuge vorkommen kann, so liegt ein Ausdruck vor. Ihm kann zwar durch den Beobachter Information entnommen werden, aber es handelt sich hierbei nicht um eine aktive Leistung. Auch Zweckbewegungen oder kurzfristige farbliche Ausdrucksveränderungen, wie z.B. durch Schattenwurf zählen nicht zur nonverbalen Kommunikation. Nonverbale Kommunikation wird manchmal auch als analoge Kommunikation bezeichnet, verbale Kommunikation als digitale.

Unbewusste nonverbale Kommunikation

Neben den visuell aufgenommenen Informationen, denen in der nonverbalen Kommunikation generell ein hoher Stellenwert beigemessen wird (Mimik und Gestik), haben auch die übrigen Sinne eine enorme Bedeutung für das durch nonverbale, direkte Kommunikation gesteuerte Verhalten.

Vor allem die über den Geruchssinn unterhalb der Wahrnehmungsschwelle aufgenommenen Signale wie beispielsweise entfernter Verwesungsgeruch, ein Feuerherd, die Zusammensetzung der Luft vor einem Gewitter oder die Rezeption von Pheromonen (sexuelle Botenstoffe des menschlichen Körpers) beeinflussen unser Verhalten unbewusst.

Dies hat seine Ursache in der bereits auf der Ebene des Stammhirns stattfindenden Verarbeitung, auch wenn die Schwelle zum Bewusstsein nicht überschritten wird. Da das Stammhirn, auch als "Reptilienhirn" bezeichnet, ein wichtiges Steuerungsorgan für unsere autonomen Funktionen darstellt, können wir oft nicht erklären, warum uns plötzlich die Libido, Angst oder Unsicherheit scheinbar unvermittelt überkommen.

Die genetische Prägung solch elementarer Signale, die auf Tod, Fortpflanzungsmöglichkeit oder Gefahr durch Naturgewalten hinweisen, werden als Erbe aus frühgeschichtlicher Vorzeit des Menschen angesehen. Die so gewonnenen Informationen werden anschließend im entwicklungsgeschichtlich viel jüngeren Großhirn kognitiv verarbeitet und mit archetypischen Verhaltensmustern gekoppelt.

Im letzten Bearbeitungsschritt formt der intelligente Verstand aufgrund von sozialisierter Erfahrung dann die passenden Begründungen und Argumente und entwickelt intelligente Strategien, um beispielsweise einen Heimweg zu finden oder die Paarung zu ermöglichen.

Während der fruchtbaren Tage sendet der Körper der Frau Pheromone aus, die dem Mann auf der unbewussten Ebene entsprechende Paarungsbereitschaft signalisieren. Nimmt umgekehrt der weibliche Körper allerdings über einen längeren Zeitraum keine männlichen Pheromone über den Geruchssinn auf (beispielsweise in Frauenhaftanstalten), so bleibt der Follikelsprung aus. Der genetische Code verwandter Menschen sorgt auf dem gleichen Wege für sexuelle Unattraktivität und Abkehr, wodurch Inzucht verhindert werden kann.

Von Seiten der Industrie wurde bereits mehrfach auf diesen Mechanismus zurückgegriffen. So begann Audi Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, seine Verkaufsräume mit Zitronella, einem Zitronenextrakt, zu beduften, was eine Steigerung von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung bewirken sollte. Dies wurde jedoch wieder eingestellt, da der aufmerksame Verkäufer, der mit einem Lächeln auf den Kunden zugeht, auf anscheinend preiswertere Weise eine viel höhere Aufmerksamkeit erreicht.

Teilbewusste nonverbale Kommunikation

Bestimmte körpersprachliche Signale laufen teilbewusst ab. So bemerken wir i. d. R. durchaus bestimmte Veränderungen unserer Mimik selbst, über weite Strecken nehmen wir diese Veränderungen jedoch nicht wahr und können diese auch nicht bewusst zur Kommunikation einsetzen. Friedrich Nietzsche hat das schon auf den Punkt gebracht: "Man lügt zwar mit dem Mund, mit dem Maul, doch durch das, was man dabei macht, sagt man doch die Wahrheit." Bestimmte autonome Körperfunktionen wie beispielsweise Schweißbildung, Pupillenveränderung oder Pulsschlag, welche dem Gegenüber auffallen, können nicht bewusst gesteuert werden, sind jedoch zum Teil durchaus selbst wahrnehmbar.

Ähnlich den olfaktorischen Signalen bildet die Körpersprache ebenfalls Ausdrucksformen einer genetisch veranlagten Verhaltenssteuerung ab. Diese führen uns beispielsweise bei Gefahr zu erhöhter Leistungs- und Wahrnehmungsfähigkeit (Hautwahrnehmung durch Schweißbildung, gesteigerte Leistungsfähigkeit durch Pulsveränderung, Wahrnehmungsveränderungen des Gesichtsfeldes bei Gefahr etc.) oder sie helfen uns bei der Vorbereitung der Fortpflanzung, das jeweils beste erreichbare genetische Material zu gewinnen (die kräftige männliche Erscheinung als Zeichen für Durchsetzungsfähigkeit beziehungsweise die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale der Frau zur Versorgung der Kinder). Da diese Einschätzungen teilweise unbewusst ablaufen, werden sie kulturell oft verleugnet.

Längerfristige Veränderungen in den Lebensgewohnheiten des Menschen drücken sich ebenfalls körpersprachlich aus. Zu nennen sind hier exemplarisch die Beschaffenheit von Fingernägeln und Haaren, ernährungsbedingte Veränderungen der Haut oder Fettablagerungen beziehungsweise Muskelaufbau, Haltungsstörungen im Wirbelsäulenbereich aufgrund mangelnder Vitalität oder mimische Veränderungen aufgrund lang anhaltender einseitiger emotionaler Lebenssituationen (die "griesgrämige Erscheinung", die "Lachfalten", das "markante Kinn").

Die Fähigkeit der Decodierung derartiger Signale hat sich, ebenso wie die unbewusste nonverbale Aussendung solcher Signale und die körpersprachliche Ausdrucksform im Laufe der Evolution als nützlich erwiesen. Zum einen, um im Wettbewerb das beste genetische Material für den Arterhalt zu sichern. Zum anderen, um im sozialen Umgang miteinander Vorteile zu gewinnen.

Ein besonders wichtiges Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Lachen. Vor allem Frauen haben aufgrund ihrer sozialbetonten Veranlagung das Lachen und das Lächeln kulturhistorisch auch immer schon als "Waffe" eingesetzt, und zwar als "Gegengewicht" zu sozialen Spannungen in der Gruppe und in der Familie. Auch heute noch beobachten Verhaltensforscher, dass Frauen in Führungspositionen eher gekonnt mit einem Lächeln zum rechten Zeitpunkt entscheidende Verhandlungssituationen entspannen können. Eine Fähigkeit, die genetisch veranlagt und durch die evolutionär geprägte Übung im Umgang mit Sozialisationsprozessen bei der Erziehung und Versorgung der Gruppe von überlebenswichtiger Bedeutung war.

Bewusste nonverbale Kommunikation

Die Gestik des sprechenden Menschen drückt sich durch Arme und Hände aus. Die Mimik ist auf das Gesicht, insbesondere die Augen- und Mundpartie bezogen. Hier finden sich nuancenreiche Ausdrucksformen, die über das innere Erleben oft mehr sagen als viele Worte. Auch die Fähigkeit des "Lesens" in einem Gesicht ist Teil unserer genetischen Veranlagung aus der Zeit, in der die Sprache noch nicht entwickelt war. Versuche, diese vielschichtige und facettenreiche Sprache in wissenschaftliche Kategorien zu systematisieren, sind bisher gescheitert oder werden nicht anerkannt, da sie nicht falsifizierbar sind (siehe Physiognomik).

Als Teil der gesellschaftlichen Sprache ist der bewusste Einsatz von Gesten, Mimik und Körperstellungen Bestandteil jeder menschlichen Kultur. In unterschiedlichen Gebieten der Erde haben ähnlich ausgeführte Gesten zum Teil eine vollkommen gegenteilige Bedeutung:

  • So bedeutet beispielsweise das Kopfnicken in Griechenland und Bulgarien Ablehnung,
  • das Abwinken mit der Handfläche nach unten in Afrika und Asien eine Einladung.

Im Gegensatz zu den teilbewussten Ausdrucksformen nonverbaler Sprache, ist es in den bewussten Bereichen der Körpersprache möglich, nonverbale Ausdrucksformen zu erlernen.

Beispiele hierfür sind:

  • das Anlächeln des Gegenübers zur Kontaktaufnahme
  • das „Pokergesicht“ des Kartenspielers
  • die unterstützende Gestik mit den Händen im Dialog
  • der "selbstbewusste Händedruck" des Verkäufers

Das "Schönmachen" durch die gezielte Verwendung von Duft- und Farbstoffen (Parfum, Lippenstift, Mascara usw.), sowie sorgfältig ausgewählter Kleidung ist eine kultivierte Kombination verschiedener Signalhandlungen bewusster nonverbaler Kommunikation. Sie dient in gesellschaftlicher Umgebung als Ausdruck "gepflegter" und somit attraktiver Erscheinung.

Für Stumme ist Gestik nur bedingt als "nonverbal" zu bezeichnen, da sie sich sowohl zeitlich als auch inhaltlich direkt auf die zu ersetzende verbale Kommunikation bezieht, diese ergänzt und auch ersetzen kann. In der Gebärdensprach-Linguistik werden die "nicht-sprachlichen" begleitenden Kommunikationsanteile der Körperbewegungen anders als unter Sprechenden als "nonverbale Kommunikation" bezeichnet. Beispiele hierfür sind das Winken und Wedeln mit den Armen oder das Antippen des Gesprächspartners, um seine Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Mimik wird dagegen von der Gebärdensprach-Linguistik als wichtiger Bestandteil des Gebärdensprach-Korpus betrachtet und hierzu um eine Bedeutungsebene gegenüber Sprechenden angehoben.

Umgangssprachlich stehen die Feststellungen "Kleider machen Leute" bzw. "Des Kaisers neue Kleider" oder die Geschichte des "Hauptmann von Köpenick" exemplarisch für die Bedeutung, die dem Geschmack, dem Stil, aber auch dem Wert und der Funktion menschlicher Kleidung als gezielte Ausdruckselemente nonverbaler Kommunikation beigemessen wird.

Kleidung und andere Maßnahmen der Körpergestaltung (wie Schmuck, Frisur, Barttracht, Tattoos, Kopfbedeckungen etc.) als Elemente der Körpersprache, sowie Maßnahmen der weiteren Umfeldgestaltung (Wohnung, Haus, Auto, Garten etc.), stellen den dritten Bereich der bewussten nonverbalen Kommunikation dar (Kleidung als Zeichensystem).

Die "Verkleidung" im Karneval macht manchen Menschen besonders viel Freude, sodass sie mitunter das ganze Jahr damit verbringen, wertvolle Kostüme zu nähen, um einmal im Jahr eine andere Rolle zu spielen. Der "Karnevalsprinz" ist in rheinischen Hochburgen des Karnevals Ausdruck des Wunsches nach Macht und Status.

Auch hier lassen sich wiederum Motivationselemente des social standing, der (unbewussten) Partnerwahl oder zur Bildung von Hierarchien in sozialen Gruppen erkennen.

Distanzzonen

Siehe auch: Proxemik

Zu unterscheiden sind:

  • intime Distanz (50 cm etwa Armlänge)
  • Nahdistanz (1-3 Meter)
  • öffentliche Distanz (> 3 Meter).

Diese Distanzzonen haben sich aufgrund der möglichen Bedrohung des Menschen durch seine Umgebung evolutionär gebildet. Sie unterscheiden sich von Kontinent zu Kontinent. So sind zum Beispiel die Distanzzonen in Europa wesentlich geringer als in Nordamerika, aber immer noch weitaus größer als in Südamerika. Zum Teil beträgt die intime Distanz bis zu neun Meter, aber nur bei Menschen, die allein in einem abgeschiedenen Gebiet leben.

Wir lassen freiwillig nur ungern fremde Menschen in unsere Intimzone eindringen. Dies ist mit ein Hauptgrund für die starke Entwicklung des Individualverkehrs, der dem Menschen auch nach dem Verlassen seiner "Behausung" eine gesicherte Intimzone gewährt. In Großstädten stellt das eigene Automobil im Gegensatz zur Nutzung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs nach wie vor ein entsprechendes Statussymbol dar, das ungern aufgegeben wird.
Bei ungewolltem Eindringen in die Intimzone unter Platzmangel (vgl. überfüllter Bus, Lift) wird das Gegenüber meist schlichtweg ignoriert, das Gegenüber wird zur Unperson.

Die Nahdistanz oder Soziale Zone hat sich auf Grund der mittleren Reichweite normal gesprochener Sprache gebildet. Hier kann von lebhafter Kommunikation ausgegangen werden, die andererseits nicht unmittelbar bedrohlich (handgreiflich) werden kann. Es ist die typische Distanz bei gemeinsamer Arbeit.

In der öffentlichen Distanz bewegen wir uns relativ sicher. Die "Obacht" lässt nach, da potenzielle Gegner aus dem Umfeld eine gewisse Distanz zu überbrücken haben, bis sie uns erreichen. Verbale Kommunikation ist mit erhobener Stimme möglich, oft werden Gesten zur Verständigung eingesetzt. Wenn ein Restaurant sich langsam füllt, bildet diese Zone regelmäßig die Zellenstruktur der Besetzung von Tischen, und zwar solange, bis der Raum gefüllt oder die attraktiven Plätze besetzt sind. Erst später werden, notgedrungen, soziale und intime Abstände gewählt.

In der Soziologie wird "Soziale Distanz" stärker formalisiert behandelt.

Rollenverhalten

Bei näherer Betrachtung und bewusster Wahrnehmung wird deutlich, dass nonverbale Kommunikation und Körpersprache zum überwiegenden Teil nicht steuerbar und oft auch nicht unmittelbar nachvollziehbar sind.

Die Teile der Körpersprache, die der Mensch hingegen im Rahmen sozialer Rollen zu kontrollieren versucht, kommen beim Gegenüber deswegen häufig als inkongruent an, weil sie "unbewusst" als unstimmig zur verbalen Aussage aufgedeckt werden. (Siehe auch Körpersprache im Rollenverhalten der Frau.) Diese Fähigkeit hat den Menschen bis zur Entwicklung des Großhirns evolutionär sinnvoll begleitet. Versuche, diese Abläufe kognitiv zu überlagern, stellen eine enorme Anforderung an die Konzentration dar und sind nur mit jahrelangem Training möglich. In einer ausgeprägten Rolle kann der Mensch ohne intensives Training häufig nur Stunden, im besten Fall Tage ausharren, dann holt ihn seine angestammte und länger etablierte Körpersprache wieder ein.

Die Alternative besteht darin, neue Werte, Sozialumgebungen und Gewohnheiten zu entwickeln, in denen er langsam lernt, ein neues, sozialtypisches Körperverhalten zu zeigen.

Eine weitere Sicht des menschlichen Rollenverhaltens hat Moreno im medizinischen Rahmen für das Psychodrama entwickelt. Sein Konzept zum Rollenverständnis im Umgang mit Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelt einen therapeutischen Zugang zur Persönlichkeit.

Nonverbale Kommunikation in der Psychotherapie

Vor allem die teilbewusste nonverbale Kommunikation hat in vielen psychotherapeutischen Richtungen eine wichtige Bedeutung. Menschen, die sich gut verstehen, gleichen sich dem anderen in Tonfall, Gestik und Mimik, Distanz, Lautstärke und Körperhaltung unbewusst an. In der neurolinguistischen Programmierung wird diese Fähigkeit "Pacing" genannt und ist Teil der Ausbildung in bewusster Kommunikation. Durch längeres "Training" oder eine schauspielerische Ausbildung bzw. mit Hilfe einer Psychotherapie und hier besonders der Verhaltenstherapie ist es oft möglich, die diesen Veränderungen zugrunde liegenden emotionalen Ursachen wie z.B. Stress, Furcht, Angst, Scham usw. zu bearbeiten und neue Verhaltensmuster zu lernen oder besser zu kontrollieren. Besonders guten Schauspielern gelingt es beispielsweise spontan zu weinen; eine nonverbale Aussage, die normalerweise nicht bewusst gesteuert werden kann und zu der erlernbaren Fähigkeit gehört bis in die teilbewussten körpersprachlichen Bereiche hinein "in den Ausdruck gehen" zu können (Vgl.: Mimesis). In den Methoden der Körperpsychotherapie hat die unbewusste und teilbewusste nonverbale Kommunikation als körperlicher Ausdruck psychischer Prozesse zentrale Bedeutung.


Nonverbale Lernstörung und Prosopagnosie

Menschen, die aufgrund ihrer angeborenen Neurologie Körpersprache nicht verwenden oder verstehen (Nonverbale Lernstörung engl. Nonverbal Learning Disorder (NLD)) sind für Körpersprache nicht empfänglich. Ein schmerzverzerrtes Gesicht bleibt für sie bedeutungslos. In den USA reichen Schätzungen über die Verbreitung der nonverbalen Lernstörung bis 0,5 Prozent der Bevölkerung. Menschen mit Prosopagnosie verstehen Körpersprache, aber sie erkennen Menschen nicht an ihren Gesichtern, sondern z.B. an ihrer Stimme. Daher reagieren sie möglicherweise nicht auf Körpersprache, solange sie ihren Kommunikationspartner nicht alleine am Aussehen erkannt haben. In einer Untersuchung unter 500 Schülern in Münster wurden zwei Prozent mit Prosopagnosie diagnostiziert.


Siehe auch

Literatur

  • Gabriele Cerwinka, Gabriele Schranz: Die Macht der versteckten Signale. Wortwahl, Körpersprache, Emotionen. Ueberreuter, Wien 1999, ISBN 3-7064-0578-4
  • Samy Molcho: Alles über Körpersprache. Sich selbst und andere besser verstehen. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2001, ISBN 3-442-39047-8
  • Alice Weinlich: Körpersprache von Politikern. Agenda Verlag, Münster 2002, ISBN 3-89688-154-X
  • Sylvia Neuhäuser-Metternich: Kommunikation im Berufsalltag, Verstehen und Verstanden werden. Beck-Wirtschaftsberater im dtv, C.H.Beck, München 1994, ISBN 3-423-05869-2
  • Horst Rückle: Körpersprache für Manager. Kunden richtig verstehen, Mitarbeiter besser führen, Geschäftspartner leichter überzeugen. Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 1998, ISBN 3-478-54100-X
  • Udo Pollmer, Andrea Fock, Ulrike Gonder und Karin Haug: Liebe geht durch die Nase. Was unser Verhalten beeinflusst und lenkt. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03011-6
  • Tor Nørretranders: Spüre die Welt. rororo, Reinbek 1997, ISBN 3-499-60251-2
  • Allan & Barbara Pease: Der tote Fisch in der Hand und andere Geheimnisse der Körpersprache. Ullstein-Bücher, Berlin 2003, ISBN 3-548-36393-8
  • Sabine Mühlisch: Mit dem Körper sprechen. Gabler, Wiesbaden 1997, ISBN 3-409-19572-6
  • Sabine Mühlisch: Fragen der KörperSprache. Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 3-87387-662-0
  • Leon Tsvasman (Hrsg.): Das große Lexikon Medien und Kommunikation. Kompendium interdisziplinärer Konzepte. Ergon Verlag, Würzburg 2006, ISBN 3-89913-515-6
  • Mark Asher: Körpersprache. Richtig einsetzen und deuten. Gondrom Verlag, Bindlach 1999, ISBN 3-8112-1709-7
  • Desmond Morris: Körpersignale. (engl. Originalausgabe: Bodywatching. A Field Guide to the Human Species). Wilhelm Heyne Verlag, München 1986, ISBN 3-453-37101-1
  • Peter Collett: Ich sehe was, was du nicht sagst. So deuten Sie die Gesten der anderen - und wissen, was diese wirklich denken. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, ISBN 3-404-60568-3
 
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