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Neuronales Korrelat des BewusstseinsNeuronale Korrelate des Bewusstseins (engl. neural correlates of consciousness) sind Gehirnaktivitäten, die mit Bewusstseinsprozessen einhergehen. Eine gängige Definition lautet, dass ein neuronales Korrelat des Bewusstseins eine neuronale Struktur ist, die minimal hinreichend für einen Bewusstseinszustand ist.[1] [2] Die Suche nach neuronalen Korrelaten ist ein zentrales Projekt der neurowissenschaftlichen Erforschung des Bewusstseins. Die Theorien zu den neuronalen Korrelaten des Bewusstseins befinden sich in weiten Teilen noch in einem sehr spekulativen Stadium. Dies liegt zum Teil an technischen Problemen, wie der mangelnden zeitlichen und räumlichen Auflösung von bildgebenden Verfahren, die die Aktivitäten im Gehirn messen. Außerdem ist aufgrund der ungeheueren Komplexität des Gehirns bis heute umstritten, in welcher Weise das Gehirn Informationen speichert. Schließlich werden durch die Forschung grundsätzliche philosophische Probleme aufgeworfen, über die ebenfalls keinerlei Einigkeit besteht.
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Geschichte und ÜbersichtBei der Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins handelt es sich um einen noch relativ jungen Teilbereich der Neurowissenschaften, viele Entdeckungen wurden in den letzten 20 Jahren gemacht. Dennoch ist die Idee einer Korrelation von mentalen und neuronalen Strukturen schon recht alt. Ein solches Forschungsprogramm ist zwar im Rahmen der cartesianischen Metaphysik nicht sinnvoll, da Descartes von einem immateriellen Geist ausging, der nur an einer Stelle - der Epiphyse - mit dem Gehirn interagieren sollte. Allerdings versuchte schon Franz Josef Gall im ausgehenden 18. Jahrhundert, mentale Fähigkeiten mit bestimmten Bereichen des Gehirns zu korrelieren[3]. Galls Phrenologie konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da ihr jegliche Daten fehlten, die für eine erfolgreiche Korrelation notwendig gewesen wären. Erste Fortschritte stellten sich durch die neuropsychologische Forschung des 19. Jahrhunderts ein. Wissenschaftlern wie Paul Broca und Carl Wernicke gelang es, Hirnregionen ausfindig zu machen, die mit bestimmten kognitiven Fähigkeiten assoziiert sind. Eine große Rolle spielten dabei die Untersuchung von Patienten mit genau lokalisierbaren Läsionen des Gehirns und damit korrelierten kognitiven und/oder mentalen Ausfällen. Allerdings waren auch die Methoden der Neurowissenschaft des 19. Jahrhunderts zu grob, um zu einer Kenntnis der Korrelate von einzelnen Bewusstseinsprozessen zu führen. Eine grundsätzliche Verbesserung gab es erst mit der Einführung der Elektroenzephalografie (EEG) und der bildgebenden Verfahren. Durch diese neuen Methoden wurde es möglich, die neuronale Aktivität in einzelnen Gehirnregionen zu messen. Diese technologische Revolution hat in den letzten Jahrzehnten zu einer schnell voranschreitenden Forschung geführt, in der die Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins eine zunehmend große Rolle spielt. So kann etwa durch die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) ein Magnetfeld produziert werden, das auf nichtinvasive Weise Gehirnregionen stimuliert. Trotz dieser Fortschritte befindet sich die Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins noch in einem weitgehend spekulativen Stadium. Zwar sind in einigen Teilbereichen sehr gut bestätigte Ergebnisse erzielt worden, wie die beginnende Entwicklung von Neuroprothesen zeigt. Andererseits besteht jedoch eine große Uneinigkeit in Bezug auf die Interpretation dieser Ergebnisse. Zudem betreffen diese Fortschritte nur Teilbereiche wie Gesichts- und Formwahrnehmung oder den motorischen Output. Bei höheren kognitiven Funktionen wie dem Denken gibt es nur wenige, allgemein akzeptierte Ergebnisse. Die neurowissenschaftliche Bewusstseinsforschung weist verschiedene Verbindungen zur Philosophie des Geistes auf: Zum einen scheint es der Forschung erstmals möglich zu sein, die biologischen Prozesse ausfindig zu machen, die mit dem Phänomen des Bewusstseins zusammenhängen. Gleichzeitig impliziert die Suche nach neuronalen Korrelaten keine bestimmte philosophische Position: Reduktionisten können davon ausgehen, dass die Suche nach Korrelaten der erste Schritt in der Zurückführung des Bewusstseins auf biologische Prozesse ist. Sind die neuronalen Korrelate gefunden, so könne man die mentalen Zustände auch auf eben diese Korrelate reduzieren. Andere Theoretiker verstehen die Suche nach neuronalen Korrelaten als eine Alternative zu reduktiven Theorien: Man könne mit ihnen die Beziehung zwischen Geist und Gehirn beschreiben, ohne das eine auf das andere zurückzuführen. Sogar einige dualistische Positionen – etwa die von David Chalmers[4] - sind mit der Existenz von neuronalen Korrelaten kompatibel. Was ist ein neuronales Korrelat des Bewusstseins?Die Idee des neuronalen Korrelats des Bewusstseins scheint leicht verständlich: Es wird nach Strukturen und Prozessen im Gehirn gesucht, die mit Bewusstsein verknüpft sind. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Begriff des neuronalen Korrelats des Bewusstseins jedoch als recht unklar. Dies hat zum einen dazu geführt, dass in der Forschung sehr verschiedene Projekte mit der Suche nach neuronalen Korrelaten verbunden wurden. Andererseits hat es in den letzten Jahren auch Bemühungen um eine Begriffsklärung gegeben, die zu einer gewissen Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs geführt haben. Zunächst muss danach gefragt werden, ob man nach einem Korrelat des Bewusstseins im Allgemeinen oder nach Korrelaten von speziellen Bewusstseinsprozessen, wie einer Wahrnehmung oder einer Erinnerung, sucht. Beide Ziele können legitime Forschungsprojekte darstellen. Ein Korrelat im ersten Sinne wäre ein Zustand, der hinreichend ist, um einem Wesen Bewusstsein zuzusprechen. In den Neurowissenschaften wird jedoch meistens[5] nach Korrelaten im zweiten Sinne gesucht. Notwendige und hinreichende BedingungenEin zentrales Thema der Begriffsbestimmung ist die Frage nach notwendigen und hinreichenden Bedingungen. Es ist leicht einzusehen, dass man nicht generell fordern kann, dass ein neuronales Korrelat notwendig für Bewusstsein ist: Man kann nicht ausschließen, dass verschiedene neuronale Zustände hinreichend für einen mentalen Zustand - etwa Kopfschmerzen oder eine Blauwahrnehmung - sind. Doch wenn es mehrere hinreichende Zustände gibt, dann kann keiner der Zustände notwendig sein. Da man nicht durch eine Definition mehrere hinreichende Zustände ausschließen will (vgl. auch multiple Realisierung), kann man von neuronalen Korrelaten nicht fordern, dass sie eine notwendige Voraussetzung für Bewusstsein darstellen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die empirische Forschung zeigen könnte, dass es für bestimmte mentale Prozesse auch nur ein neuronales Korrelat gibt. Doch man kann neuronale Korrelate auch nicht dadurch definieren, dass man nur fordert, dass sie hinreichend für einen Bewusstseinszustand sind. Das Problem ist folgendes: Wenn eine Person in einem Bewusstseinszustand ist, so ist der Gesamtzustand des Gehirns hinreichend für den Bewusstseinszustand. Dennoch möchte man nicht den Gesamtzustand des Gehirns als neuronales Korrelat des Bewusstseins bezeichnen - in der empirischen Forschung sucht man nach etwas Spezifischerem: Man sucht nach speziellen Prozessen im Gehirn, die für einen bestimmten Bewusstseinszustand eine essentielle Rolle spielen. Diese Zusatzbedingung wird in der Regel eingefügt, indem man von „minimal hinreichenden“ Prozessen im Gehirn spricht. Die Definition lautet damit: Ein neuronales Korrelat des Bewusstseins ist eine neuronale Struktur, die minimal hinreichend für einen Bewusstseinszustand ist. Total- und KernkorrelateDoch auch diese Definition ist noch mit gewissen Problemen konfrontiert. „Minimal hinreichend“ kann wohl nicht bedeuten, dass die entsprechende neuronale Struktur vollkommen isoliert von ihrer Umgebung für den Bewusstseinszustand hinreichend ist. Kaum ein Neurowissenschaftler oder Philosoph würde behaupten, dass die entsprechende neuronale Struktur etwa isoliert in einer Petrischale hinreichend für Bewusstsein wäre. Doch kann man dann noch von einem neuronalen Korrelat sprechen? Der Philosoph David Chalmers hat vorgeschlagen, zwischen einem Totalkorrelat und einem Kernkorrelat des Bewusstseins zu unterscheiden [1]. Ein Totalkorrelat wäre in jeder beliebigen Situation hinreichend für einen bestimmten Bewusstseinszustand. Bei einem solchen Totalkorrelat würde es sich wohl um eine sehr umfassende Struktur handeln. Auch wenn es ein legitimes Forschungsprojekt ist, nach einem solchen Totalkorrelat zu suchen, haben die meisten Neurowissenschaftler doch ein spezifischeres Ziel. Chalmers schlägt vor, diesen Zielen durch die Formulierung eines Kernkorrelats entgegen zu kommen. Ein Kernkorrelat ist nicht in jeder denkbaren Situation hinreichend für einen Bewusstseinszustand, vielmehr ist es in einem normal funktionierenden Gehirn hinreichend. Nach Chalmers sollte man die aktuellen neurowissenschaftlichen Forschungsprojekte als eine Suche nach Kernkorrelaten verstehen. Allerdings hat die Definition des Kernkorrelats Konsequenzen für die empirische Forschung: Wenn das Kernkorrelat an normal funktionierende Gehirne gebunden ist, muss man bei der Suche nach dem Kernkorrelat skeptisch gegenüber Läsionsstudien und Ähnlichem sein. Methoden und ForschungsergebnisseBewusste und unbewusste VerarbeitungenEin zentrales Element der Suche nach neuronalen Korrelaten ist die Aufzeichnung von neuronalen Aktivitäten. Allerdings ist mit der Kenntnis der neuronalen Aktivität noch bei weitem nicht das Forschungsziel erreicht. Wenn eine Person zu einem Zeitpunkt t ein blaues Objekt wahrnimmt, so haben viele neuronale Aktivitäten zum Zeitpunkt t nichts mit der bewussten, phänomenalen Blauwahrnehmung zu tun. Es gilt daher in einem zweiten Schritt die Teilmenge der neuronalen Aktivitäten zu bestimmen, die zum neuronalen Korrelat des Bewusstseins gehört. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist dabei die Unterscheidung zwischen bewussten und unbewussten Verarbeitungen. Kognitionspsychologische Standardtechniken wie das Priming zeigen, dass auch psychologische Prozesse wie Wahrnehmung oder Gedächtnis in Teilen unbewusst ablaufen. Dies hat offensichtliche Konsequenzen für die Neurowissenschaft: Wird einer Person etwa ein Objekt visuell präsentiert, so wird das Gehirn zahlreiche Informationen über dieses Objekt verarbeiten, doch nur ein Teil dieser Informationen wird der Person bewusst werden. Für die Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins ergibt sich damit die Herausforderung, die neuronalen Verarbeitungsmechanismen, die mit Bewusstsein verknüpft sind, von den Mechanismen zu trennen, die ohne Bewusstsein möglich sind. An dieser Stelle ist die Unterscheidung zwischen einem dorsalen und einem ventralen Strom des visuellen Wahrnehmungsprozesses wichtig. Gestützt durch Läsionsstudien führten Leslie Ungerleider und Mortimer Mishkin die Unterscheidung zwischen zwei Verarbeitungsbahnen ein [6]. Vom visuellen Cortex sollen zwei Verarbeitungsströme weg führen: 1) Ventraler Strom: Zum einen sollen Signale in den unteren Temporallappen (IT) geleitet werden, dort findet eine Analyse der Eigenschaften - etwa Farbe, Muster oder Form - statt. 2) Dorsaler Strom: Zum anderen werden nach Ungerleider und Mishkin Signale zum hinteren Parietallappen weitergeleitet, wo eine räumliche Lokalisation des Objektes stattfindet. In einigen neueren Arbeiten haben Melvyn Goodale und David Milner die Idee der zwei Verarbeitungsströme der visuellen Wahrnehmung übernommen und mit einer These über Bewusstsein verknüpft [7]. Laut Goodale und Milner ist die Verarbeitung im ventralen Strom mit bewusster, phänomenaler Wahrnehmung verbunden, während die dorsale Verarbeitung weitgehend automatisiert abläuft und ohne bewusste Wahrnehmung möglich ist. Neuronale Korrelate der bewussten, visuellen Wahrnehmung wären nach dieser Theorie vorwiegend im unteren Temporallappen zu suchen. Die Unterscheidung zwischen bewussten und unbewussten Verarbeitungsprozessen muss bei der Suche nach neuronalen Korrelaten berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist nicht unmittelbar einsichtig, wie der Neurowissenschaft eine solche Unterscheidung gelingen soll. Einem Hirnscan kann man nicht ansehen, welche Aktivität mit Bewusstsein einhergeht, das Gleiche gilt für die Daten eines EEGs. In den Neurowissenschaften wurden jedoch zahlreiche Methoden entwickelt, um eben diese neuronalen Aktivitäten voneinander zu unterscheiden. Einige der wichtigsten Methoden werden im Folgenden dargestellt. Binokulare RivalitätEine klassische Methode bei der Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins basiert auf dem Phänomen der binokularen Rivalität [8]. Als binokulare Rivalität bezeichnet man den spontanen Wechsel des bewussten Wahrnehmungszustands. Eine binokulare Rivalität tritt auf, wenn man den beiden Augen zwei unterschiedliche Bilder präsentiert, die nicht in ein einheitliches Bild integriert werden können. Ein Beispiel: Man kann dem linken Auge etwa einen roten, vertikalen Balken präsentieren und dem rechten Auge einen grünen, horizontalen Balken. Damit konfrontiert, wird die Versuchsperson in abwechselnder Folge einen roten und einen grünen Balken wahrnehmen, nie jedoch beide Bilder zugleich. Die Person kann die Wahrnehmungsumschwünge zudem nicht willentlich kontrollieren. Auf der Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins kann man sich dieses Phänomen zunutze machen, indem man untersucht, welche Änderungen des neuronalen Geschehens im Moment des Umschlags des Wahrnehmungsbildes stattfinden. Wichtige Experimente zu diesem Thema wurden insbesondere von Nikos Logothetis durchgeführt [9] [10]. Die Ergebnisse zeigen, dass Teile der neuronalen Verarbeitung gegenüber dem Wahrnehmungsumschwung indifferent sind. Nicht nur, dass die Stimulation der Retina bei verschiedenen Wahrnehmungszuständen gleich bleiben kann, sogar in weiten Teilen des visuellen Cortex wird der Wahrnehmungsumschwung nicht reflektiert. Vielmehr scheinen dort noch Informationen über beide präsentierten Bilder vorhanden zu sein. Anders sieht es allerdings in Teilen des Temporallappens aus, wo nach Logothetis Experimenten die Aktivität vom phänomenalen Wahrnehmungsbild abhängt. LäsionenFür die Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins sind Studien zu den Auswirkungen von Gehirnläsionen wichtig. Kann eine neuronale Struktur beschädigt sein, ohne dass die Fähigkeit zu einem bestimmten Bewusstseinszustand verloren geht, so scheint diese neuronale Struktur nicht zum neuronalen Korrelat dieses Zustandes zu gehören. Allerdings kann man dieses Verhältnis nicht umkehren: Die Tatsache, dass die Beschädigung einer neuronalen Struktur zum Verlust eines Bewusstseinszustands führt, bedeutet nicht, dass die neuronale Struktur ein Teil des neuronalen Korrelats ist. Man kann sich diesen Zusammenhang leicht klar machen, indem man an eine Läsion der Retina denkt. Werden von der Retina keine Informationen mehr zum visuellen Cortex projiziert, so kann die Umwelt auch nicht phänomenal wahrgenommen werden. Doch dies bedeutet nicht, dass die Retina Teil des neuronalen Korrelats von bewussten, visuellen Wahrnehmungen ist: Eine direkte Stimulation passender neuronaler Strukturen könnte zu Wahrnehmungserlebnissen führen, auch wenn die Retina beschädigt ist. Von besonderer Bedeutung für die Bewusstseinsforschung sind neuropsychologische Fälle, in denen das bewusste Erleben gestört ist, aber die Informationsverarbeitung in Teilen intakt bleibt. Der bekannteste Fall ist wohl die insbesondere von Lawrence Weiskrantz erforschte Rindenblindheit (blindsight) [11]. Patienten mit Rindenblindheit nehmen sich als vollständig blinde Personen wahr, sie können subjektiv keinen visuellen Input erleben. Wenn man die Patienten jedoch bittet, zu „raten“, wo sich ein gegebener, visueller Stimulus befindet, so zeigen diese Patienten Leistungen, die weit über ein zufallsgesteuertes Raten hinausgehen. Die Erklärung ist, dass bei Rindenblindheit nicht die Retina, sondern der visuelle Cortex beschädigt ist. Dabei bleiben andere Verarbeitungswege intakt, die einen Informationsfluss ermöglichen. Ähnliche Phänomene lassen sich auch für andere kognitive Zustände ausmachen. Einige Patienten mit Aphasie, Amnesie oder Agnosie erleben subjektiv einen Verlust von Sprachverständnis, Gedächtnis oder Objekterkennung. Experimente zeigen jedoch, dass einige dieser Patienten unbewusst Teile eben der Leistungen bringen können, zu denen sie subjektiv nicht mehr in der Lage scheinen [12]. Für die Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins sind solche neuropsychologischen Erkenntnisse wichtig. Sie können zum einen helfen, Verarbeitungswege zu beschreiben, die unabhängig von einem Bewusstseinszustand funktionieren und daher wohl nicht zum neuronalen Korrelat dieses Zustandes gehören. Zum anderen zeigen solche Fälle, welche Strukturen notwendig für einen bestimmten Bewusstseinszustand sind. TheorienEs gibt viele Hypothesen zu der Frage, welche neuronalen Strukturen das Korrelat von Bewusstseinszuständen bilden. Manche Forscher vermuten, dass Neuronen, die Teil des neuronalen Korrelats sind, auf ganz bestimmte Weise feuern [13]. Andere Theorien versuchen die neuronalen Korrelate des Bewusstseins anatomisch einzugrenzen [14]. Die verschiedenen Hypothesen zum neuronalen Korrelat des Bewusstseins müssen nicht immer als Gegensätze begriffen werden, zum Teil ergänzen sie sich sogar recht gut. Bindungsproblem und 40-Hz-OszillationenEine einflussreiche Theorie der neuronalen Korrelate des Bewusstseins wird etwa von Francis Crick und Christof Koch vertreten und basiert auf Ideen, die im Kontext des Bindungsproblems formuliert worden sind. Das Bindungsproblem entsteht durch die Frage, wie es dem Gehirn gelingt, die vielfältigen sensorischen Informationen zu einheitlichen Wahrnehmungen zu verbinden. Experimente und theoretische Überlegungen führen zu der Erkenntnis, dass das Gehirn auf Informationen mittels verteilter Repräsentationen zugreifen muss. Zwar mag es zunächst plausibel klingen, dass das Gehirn ein Objekt mittels eines spezifischen Neurons repräsentiert: Wäre ein solches „Großmutterneuron“ aktiv, so wäre das entsprechende Objekt (etwa die Großmutter) vom Gehirn repräsentiert - ansonsten nicht. Eine derartige Form der Repräsentation kann jedoch nicht durchgängig realisiert sein. Die Menge von möglichen Kombinationen von Merkmalen führt dazu, dass Menschen nahezu unbegrenzt viele verschiedene Objekte wahrnehmen können. Bei einer derartigen kombinatorischen Explosion kann nicht für jedes Objekt ein spezielles Neuron bereitgehalten werden. Durch verteilte Repräsentationen generiert das Gehirn selbst eine kombinatorische Explosion. Verschiedene Neuronen sollten nicht mehr einzelne Objekte, sondern verschiedene Merkmale repräsentieren. Diese Merkmale können miteinander kombiniert und so ein etwa visuell wahrgenommenes Objekt repräsentiert werden. Nun stellt sich allerdings die Frage, wie das Gehirn registriert, welche Merkmale in einem Objekt miteinander verknüpft sind. Besonders drängend ist dieses Problem, wenn - wie im Alltag üblich - mehrere Objekte zugleich wahrgenommen werden. Man nehme an, dass das Gehirn die unterschiedlichen Merkmale der verschiedenen Objekte durch verteilte Repräsentationen speichert. Wie kommt es nun zu einer korrekten Verknüpfung der Merkmale und zu einer einheitlichen Wahrnehmung? Diese Frage bezeichnet man als „Bindungsproblem“. Der Neuroinformatiker Christoph von der Malsburg entwickelte Anfang der 1980er Jahre einen Lösungsvorschlag für das Bindungsproblem: Das Gehirn könne die Merkmale verknüpfen, indem die repräsentierenden Neuronen durch synchrones Feuern ein Assembly bilden [15]. Diese Hypothese erregte einige Jahre später internationale Aufmerksamkeit, nachdem die Forschergruppe um Wolf Singer experimentelle Evidenzen für diese Hypothese finden konnte [16]. Da mit dem Phänomen des synchronen Feuerns das Entstehen einer einheitlichen Wahrnehmung erklärt werden soll, liegt es nahe, es auch mit dem bewussten Erleben zu verknüpfen. Einflussreich ist hier insbesondere ein spekulativer Aufsatz von Crick und Koch aus dem Jahre 1990 geworden [13]. Die beiden Forscher nahmen an, dass eine oszillierende Aktivität im 40-Hz-Bereich das neuronale Korrelat des Bewusstseins sei. Auch noch heute spielen synchrone Neuronenaktivitäten eine zentrale Rolle in vielen Theorien zu den neuronalen Korrelaten. Allerdings wird meistens davon ausgegangen, dass ein derart synchrones Feuern alleine noch nicht hinreichend für eine bewusste Wahrnehmung ist. Dies haben selbst Crick und Koch in einem ihrer letzten, gemeinsamen Aufsätze erklärt: „Wir glauben nicht mehr, dass synchronisiertes Feuern - etwa die so genannte 40-Hz-Oszillation - hinreichend für das neuronale Korrelat des Bewusstseins ist.“ [17] Will man die Assemblybildung weiterhin mit der Idee des neuronalen Korrelats des Bewusstseins verbinden, so kann man die These auf bestimmte Assemblies eingrenzen - etwa solche, die in einer definierten Gehirnregion auftreten. Mit vielen Untersuchungen konnte der Psychologe Ernst Pöppel, München, die theoretischen und neurophysiologischen Ergebnisse dieser Theorie untermauern und ihre psychologischen Konsequenzen formulieren. E. Pöppel geht davon aus, dass eine synchronisierende Aktivität von Nervenzellen die notwendige Bedingung für Entscheidungen und für die Identifikation von Ereignissen ist und auch dafür sorgt, dass wir Bewegungen in einem regelmäßigen Tempo ablaufen lassen können, also mit gleichbleibendem Tempo sprechen, gehen und auch musizieren können. Neuronale Oszillationen bezeichnet er als das Grundgerüst einer zeitlichen Koordinierung, eines inneren Fahrplans. Die Zeit wird nach Pöppel durch das Gehirn für uns überhaupt erst hergestellt in rhythmischen „Zeitquanten“, deren Periode ca. 30msec dauert, aber in gewissen Grenzen variabel ist. „Synchronizität erzeugt Ganzheit“ ist der Grundsatz, unter dem der Philosoph Thomas Metzinger die Korrelationstheorie mit der Grundfrage der Philosophie (nach dem Verhältnis von Geist und Materie) in Verbindung bringt. In dem Aufsatz „Ganzheit, Homogenität und Zeitkodierung“ machte er folgende Grundannahme: „Die im Rahmen der Korrelationstheorie postulierte Form der Zeitkodierung ist der allgemeine Integrationsmechanismus, mit dessen Hilfe - zumindest bei Systemen unseres eigenen Typs - alle Formen repräsentionaler Ganzheit generiert werden.“ Warum diese theoretische Annahme für eine philosophische Theorie des Geistes interessant ist, erklärte Metzinger so: „Wenn wir ein begrifflich konsistentes und auch empirisch nicht unplausibles Modell der Eigenschaftsbindung, also der Bildung von repräsentationalen Objekten als einer Form der Selbstorganisation besitzen, dann verfügen wir nämlich über die ersten Bausteine für eine naturalistische Theorie des Bewusstseins -;also: für eine Erklärung von unten.“ Ein Vergleich dieser "Korrelationstheorie" mit dem Straßenverkehr soll ihre Aussage anschaulich machen: Wer in der Verkehrsleitstelle einer Großstadt den Verkehr über Bildschirme verfolgt, sieht hunderte von Autogruppen, die sich völlig koordiniert, ruckartig, schrittweise fortbewegen. Des Rätsels Lösung sind die Ampeln, die rhythmisch hemmend und erregend auf den Fahrzeugstrom wirken. Ähnlich wirken nach der Korrelationstheorie die corticalen Oszillationen hemmend und aktivierend auf den „Strom des Bewußtseins“. Neuroanatomische Theorien
Eine entscheidende neurowissenschaftliche Frage ist, ob es möglich ist, das neuronale Korrelat des Bewusstseins anatomisch einzugrenzen: Können Aktivitäten in allen Gehirnregionen Teil des neuronalen Korrelats des Bewusstseins sein? Genau dies meinte noch der Psychologe und Philosoph William James im ausgehenden 19. Jahrhundert [18]. Heutige Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass nicht alle Regionen in gleicher Weise mit Bewusstseinsprozessen verknüpft sind. So gibt es etwa umfassende Läsionen von Gehirnregionen, die zu keiner Beeinträchtigung eines Bewusstseinszustands führen. Welche neuronalen Strukturen haben nun eine herausgehobene Stellung? Die oben ausgeführten Ergebnisse über den dorsalen und ventralen Strom und über die binokulare Rivalität legen eine zentrale Rolle des unteren Temporallappens zumindest bei der visuellen Wahrnehmung nahe. Eine weitere wichtige Region ist der Thalamus, eine Teilstruktur des Zwischenhirns. Schon Wilder Penfield erklärte 1937: „Alle Teile des Gehirns können in den normalen, bewussten Prozess eingebunden sein, doch das unerlässliche Substrat des Bewusstseins liegt vermutlich außerhalb der Großhirnrinde - im Zwischenhirn.“[19] Auch wenn viele Elemente von Penfields Bewusstseinstheorie heute als veraltet gelten, spielt das Zwischenhirn - und im Besonderen der Thalamus - weiterhin eine große Rolle bei der Suche nach den neuronalen Korrelaten des Bewusstseins. Joseph Bogen behauptet etwa, dass Bewusstsein mit Aktivität in und um die unspezifischen Thalamuskerne korreliert sei [20]. Eine solche Theorie impliziert, dass eine Zerstörung eben dieser neuronalen Struktur bewusstes Erleben unmöglich mache. Auch Gerald Edelman und Giulio Tononi betonen in ihrer Theorie die Rolle des Thalamus [21]. Allerdings ist nach Edelman und Tononi die Aktivität im Thalamus alleine nicht hinreichend für Bewusstsein, vielmehr muss diese Aktivität gewisse Kriterien erfüllen, die durch das Bewusstsein vorgegeben werden. Bewusstseinszustände haben nach Edelman und Tononi zwei zentrale Eigenschaften: 1) Die verschiedenen Merkmale eines Bewusstseinszustandes werden als Einheit erlebt, das Erleben lässt sich nicht in Teilkomponenten aufspalten. 2) Zudem sind Bewusstseinszustände in dem Sinne differenziert, dass es möglich ist, extrem viele, sehr verschiedene Bewusstseinszustände in einem kurzen Zeitraum zu erleben. Nach Edelman und Tononi muss eine adäquate neurowissenschaftliche Theorie diese Eigenschaften berücksichtigen, es sollten neurophysiologische Prozesse ausfindig gemacht werden, die sich durch eine vereinheitlichende Integration und eine entsprechende Differenziertheit auszeichnen. Edelman und Tononi gehen im Folgenden von rekursiven neuronalen Prozessen aus, deren Aktivierung durch eine Art Schleifenbahn („reentrant loops“) läuft. Der Thalamus spielt in dieser Schleife eine zentrale Rolle. Allerdings vertreten Edelman und Tononi dabei einen eher holistischen Ansatz, sie denken also, dass sich keine eng umgrenzten Neuronenverbände ausfindig machen lassen, die als neuronales Korrelat des Bewusstseins gelten können. Vielmehr komme es immer auf eine sehr umfassende Aktivität in weiten Teilen des Gehirns an. Auch wenn sich die Theorien zum neuronalen Korrelat des Bewusstseins zum Teil erheblich unterscheiden, gehen doch die meisten Forscher davon aus, dass eine anatomische Eingrenzung notwendig aber nicht hinreichend für das Auffinden für neuronalen Korrelaten ist. Zusätzlich zur anatomischen Auszeichnung muss die Art der neuronalen Aktivität bestimmt werden, die für Bewusstseinzustände zentral ist. Wie diese Aktivität konkret vorzustellen ist, bleibt weiterhin umstritten - die Ideen des synchronen Feuerns (siehe oben) und der Schleifenbahnen stellen wichtige Ansätze dar. Wenn man die thalamo-corticalen Schleifen (die auch über die "Basalganglien" laufen) als Ursache der corticalen Oszillationen betrachtet, stehen sie nicht im Widerspruch zur "Korrelationstheorie" sondern ergänzen diese bzw. beantworten die Frage, woher die synchronen Rhythmen kommen. Die Funktion des Thalamus kommt schon in der alten Metapher "Tor zum Bewußtsein" zum Ausdruck. Ob dieses Tor weit offen oder geschlossen ist oder nur ein wenig offen, spielt für den Inhalt des Bewußtseins natürlich eine entscheidende Rolle. Fortschritte und technische GrenzenBetrachtet man die aktuelle Forschungslage zu den neuronalen Korrelaten des Bewusstseins, so ergibt sich kein einheitliches Bild. Neben zum Teil spektakulären Forschungsergebnissen stehen zahlreiche Probleme, von denen nicht klar ist, ob und wie sie gelöst werden können. Das Resultat ist, dass in der aktuellen Literatur gut verifizierte Daten neben hoch spekulativen Grundlagentheorien stehen. Erfolge bei der Suche nach neuronalen Korrelaten ergeben sich insbesondere aus der zum Teil modularen Arbeitsweise des Gehirns: Es lassen sich einige Regionen im Gehirn ausmachen, die selektiv bei bestimmten Bewusstseinszuständen aktiv werden. Beispiele sind die Fusiform Face Area, die bei Gesichtswahrnehmungen aktiv wird [22] und die Parahippocampal Place Area, die auf Häuser und visuelle Szenen anspricht [23]. Aktivitäten in diesen Regionen erlauben daher Schlüsse auf den Inhalt der Wahrnehmung. Noch detailliertere Kenntnis über den aktuellen Wahrnehmungszustand kann man durch Messung der Aktivität von einzelnen Neuronen erreichen. So wurden Neuronen gefunden, die nur auf die Gesichter eines bestimmten Prominenten ansprechen. Bei einem Patienten wurde etwa ein Neuron gefunden, das nur bei Bildern von Bill Clinton überdurchschnittlich aktiv wurde. Bei 50 präsentierten Bildern antwortete das Neuron nur auf eine Karikatur Bill Clintons, sein offizielles Portrait und ein Gruppenbild mit Clinton [24]. Ähnliche Ergebnisse wurden auch bei Bildern anderer Prominenter erzielt. Diesen Fortschritten stehen jedoch zahlreiche Begrenzungen gegenüber. Diese Grenzen haben zum Teil technische Gründe: Die Messung der Aktivität von einzelnen Neuronen im menschlichen Gehirn ist nur selten möglich. Meistens wird mit bildgebenden Verfahren, insbesondere mit der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) gearbeitet. Nun bietet die fMRT jedoch nur eine begrenzte zeitliche und räumliche Auflösung, so dass es sein kann, dass viele relevante Unterschiede nicht gemessen werden können. Hinzu kommt, dass die fMRT sehr teuer und immobil ist, Messungen zu bewussten Zuständen sind daher Messungen in künstlichen Laborsituationen. Holismus und AtomismusNeben diesen technischen Beschränkungen gibt es Probleme, die sich aus der Arbeitsweise des Gehirns ergeben. Auch wenn sich einige Gehirnregionen finden lassen, die hoch spezialisiert sind, so wird man bei vielen Bewusstseinszuständen doch Aktivitäten sehr verschiedener Regionen in Betracht ziehen müssen. Ein Beispiel: Man wird im Gehirn kein Neuron finden, dass nur aktiv wird, wenn man den Gedanken hat, dass der Präsident Mexikos gestern ungewöhnlich schlecht rasiert war. Vielmehr wird man eine verteilte Aktivität im Gehirn messen und es ist sehr umstritten, ob sich eine gut umgrenzte Teilmenge der Aktivitäten als neuronales Korrelat des Gedankens finden lässt. Man kann grob zwischen zwei Hypothesen unterscheiden: Holistische Theorien behaupten, dass es bei den meisten Bewusstseinszuständen nicht möglich ist, eine gut umgrenzte Anzahl von Neuronen anzugeben, die als neuronales Korrelat gelten können. In seiner radikalsten Form behauptet der Holismus, dass sich nur der Gesamtzustand des Gehirns als neuronales Korrelat eines Bewusstseinszustands angeben lässt. Atomistische Ansätze gehen hingegen von der Annahme aus, dass sich relativ kleine Neuronensätze – im Idealfall einzelne Neuronen - als neuronale Korrelate bestimmen lassen. Der Streit zwischen diesen beiden Ansätzen ist nicht entschieden und es fehlen wohl auch in der näheren Zukunft die Daten, um eine Entscheidung herbeizuführen. Allerdings sind sich nahezu alle Forscher einig, dass weder ein radikaler Holismus (man muss immer alle Neuronen betrachten) noch ein radikaler Atomismus (man muss immer nur ein Neuron betrachten) plausibel ist. Damit ist jedoch nicht entschieden, ob das Gehirn auf eine eher holistische oder eine eher atomistische Weise arbeitet. Philosophische ProblemeExternalismus und situierte KognitionswissenschaftManche Forscher üben eine noch grundsätzlichere Kritik: Sie argumentieren, dass nicht einmal der Gesamtzustand des Gehirns ausreiche, um ein Korrelat für Bewusstseinszustände zu finden. Eine Argumentationslinie stützt sich auf den Externalismus in der Philosophie des Geistes [25] Externalisten argumentieren, dass der Gehalt eines Gedankens auch von der Umwelt abhänge, in der sich eine Person befinde. Ist diese Theorie wahr, so legt der Gesamtzustand des Gehirns nicht fest, welchen Gedanken eine Person hat. Derartige Behauptungen mögen auf den ersten Blick sonderbar wirken, lassen sich jedoch besser verstehen, wenn man bedenkt, dass viele Eigenschaften von Personen von der Umwelt und nicht alleine von internen Zuständen abhängen. Die Eigenschaft, der größte Mensch in einem Raum zu sein, hängt von der Größe der Person (interner Zustand) und den Größen der anderen Personen im Raum ab (externe Zustände). Externalisten argumentieren nun, dass es sich bei Gedanken ähnlich verhalte: Ein Gedanke über Lilien hänge etwa nicht nur von den internen Zuständen im Gehirn, sondern auch von der aktuellen biologischen Theorie ab. Wenn in einer taxonomischen Reform der Umfang der Gattung „Lilie“ geändert würde, so würde dies den Gehalt der Gedanken über Lilien ändern – auch wenn viele Personen von dieser Reform nichts mitbekommen würden und es folglich keine Änderung im Gehirnzustand der Personen gäbe. Dass sich der Gehalt verändere, könne man an einer Veränderung der Wahrheitswerte sehen: Es mag sein, dass vor der Reform der Satz „Alle Lilien sind kleiner als zwei Meter.“ wahr war, nach der Reform jedoch falsch. Auch Vertreter der so genannten verkörperten oder situierten Kognitionswissenschaft argumentieren, dass man sich nicht auf den Blick auf das Gehirn beschränken dürfe: Die z.B. von Alva Noë und Evan Thompson[26] vorgebrachte Kritik wendet sich gegen alle Modelle, die keine aktive Handlungskomponente in ihre Theorien einbeziehen. So kann man nach Noë und Thompson Wahrnehmungen nicht als passive Repräsentationen der Außenwelt verstehen. Vielmehr sei Wahrnehmen ein grundsätzlich aktiver Prozess, der sich aus der Interaktion mit der Welt ergebe. Wenn jedoch die Handlungskomponente konstitutiv für Wahrnehmungen sei, so könne eine auf das Gehirn beschränkte Untersuchung nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Die Logik von KorrelationenKorrelationen sind Beziehungen zwischen zwei oder mehr Variablen. Die Tatsache, dass A und B miteinander korreliert sind, meint zunächst nur, dass eine Verknüpfung des Auftretens von A und B existiert. Eine Korrelation impliziert nicht, dass A und B identisch sind, oder dass sich A auf B reduzieren lässt. Ein Beispiel kann dies deutlich machen: Die Bewegung meines Armes ist mit der Bewegung des Schattens meines Armes korreliert, dennoch sind mein Arm und sein Schatten nicht identisch oder aufeinander reduzierbar. Andererseits kann eine Korrelation auf Identität beruhen. Die Tatsache, dass die Handlungen von Benjamin Franklin mit den Handlungen vom Erfinder der Glasharmonika korreliert sind, liegt daran, dass Benjamin Franklin und der Erfinder der Glasharmonika identisch sind. Philosophisch-begrifflich kann man diese Tatsache fassen, indem man sagt, dass korrelative Beziehungen ontologisch neutral sind. Eine Korrelation von A und B ist möglich, wenn A und B identisch sind (uneigentliche Korrelation), ist jedoch auch möglich, wenn es sich um verschiedene Entitäten handelt. Es ist diese ontologische Neutralität, die die Suche nach neuronalen Korrelaten zu einem weitgehend akzeptierten Programm gemacht hat[27] - neuronale Korrelate sind mit fast jeder Position der Philosophie des Geistes kompatibel. Selbst Dualisten können neuronale Korrelate akzeptieren, sie müssen lediglich Argumente dafür finden, dass es sich bei A und B um zwei ontologisch wesensmäßig verschiedene Entitäten handelt. Die sog. verkörperlichte bzw. situierte Kognitionswissenschaft (bekannter unter den Schlagworten "enactive" bzw. "sensorimotor" cognition) kritisiert die Annahme von neuronalen Korrelaten dahingehend, dass eine Erklärung des Phänomens Bewusstsein stets den Körper und vor allem die spezifische Umgebung miteinbeziehen müsse. Eine zweite, wichtige Beobachtung ist, dass es sich bei Korrelaten um nichtexplikative Beziehungen handelt. Mit der Feststellung, dass A und B miteinander korreliert sind, ist noch nicht verständlich gemacht, warum sie miteinander korreliert sind. Dies hat Konsequenzen für die Theorie von neuronalen Korrelaten des Bewusstseins. Selbst wenn man solche Korrelationen ausfindig gemacht hat, ist noch nicht erklärt worden, warum Bewusstseinszustände mit bestimmten neuronalen Prozessen einhergehen. Für die Korrelation kann es wiederum verschiedene Erklärungen geben: Die Identität von A und B macht eine Korrelation unmittelbar verständlich, doch A und B könnten auch etwa durch einen kausalen Prozess miteinander verknüpft sein. Korrelationen sind ontologisch neutral und nichtexplikativ, dennoch können sie eine zentrale Rolle in physikalistischen und reduktionistischen Projekten spielen. Es ist nämlich eine plausible Annahme, dass das Auffinden einer Korrelation oft der erste Schritt in einer reduktiven Erklärung ist. Man kann sich diesen Zusammenhang durch ein stark vereinfachtes Beispiel verdeutlichen. Findet man bei der chemischen Analyse von Wasser immer H20, so enthält diese Entdeckung noch keine reduktive Erklärung von Wasser. Dennoch kann eine solche Entdeckung der erste Schritt auf dem Weg zu einer solchen Erklärung sein. Nun gilt es nämlich die Eigenschaften von H20 zu erforschen, um letztlich die Eigenschaften des Wassers durch eine adäquate chemische Theorie zu erklären. Ist dies gelungen, so ist auch eine reduktive Erklärung geglückt. Nun kann man sich vorstellen, dass das Auffinden der neuronalen Korrelate in ähnlicher Weise der erste Schritt in einer reduktiven Erklärung ist: Wären die neuronalen Korrelate des Bewusstseins gefunden, so hätte man die Möglichkeit, eben diese Strukturen genauer zu erforschen. Eine detaillierte Kenntnis eben dieser neuronalen Prozesse könnte nach Auffassung einiger zu einer Erklärung des Phänomens des Bewusstseins führen. Erleben und WirklichkeitsbezugZahlreiche Philosophen und Naturwissenschaftler halten den eben dargestellten reduktionistischen Optimismus für überzogen. Sie argumentieren, dass selbst eine detaillierte Kenntnis der neuronalen Prozesse nicht die Erklärungslücke[28] zwischen dem Bewusstsein und den biologischen Prozessen schließen können werde. Die Erklärungslücke ergebe sich daraus, dass Bewusstseinszustände durch besondere Eigenschaften ausgezeichnet sind - insb. durch die Qualia. Unter „Qualia“ versteht man die subjektiven Erlebnisgehalte von Bewusstseinszuständen, also etwa das subjektive Erleben von Schmerzen oder Freude. Nun wird argumentiert, dass keine noch so detaillierte Beschreibung des neuronalen Geschehens verständlich machen kann, warum etwas subjektiv erlebt wird. Man könne eben nur zeigen, dass etwa bei Kopfschmerzen bestimmte Aktivitäten im Gehirn auftreten. Damit sei aber noch nicht erklärt, warum es bei dieser Aktivität zu dem Erlebnis von Schmerzen komme. Dies bedeute jedoch, dass eine neurowissenschaftliche Theorie das Erleben eben nicht erklären und daher auch nicht reduzieren könne. Ein zweites Argument gegen den Reduktionismus basiert auf dem Phänomen der Intentionalität [29]. Mit „Intentionalität“ ist gemeint, dass sich einige mentale Prozesse auf Objekte oder Sachverhalte in der Welt beziehen. Es ist diese Bezugnahme, die Gedanken wie Sätze wahr oder falsch sein lässt. Ein Beispiel: Der Gedanke, dass Salamanca die älteste Universität Spaniens besitzt, lässt sich auf den historischen Sachverhalt beziehen, dass Salamanca die älteste Universität Spaniens besitzt. Es ist dieser Bezug, der den Gedanken wahr macht. Nun argumentieren einige Philosophen, dass sich neuronale Prozesse nicht auf Salamanca oder einen Sachverhalt über Salamanca beziehen und daher auch nicht wahr oder falsch sein können. Da Gedanken die Eigenschaft der Intentionalität haben, neuronale Prozesse jedoch nichtintentional seien, ließen sich Gedanken nicht auf neuronale Prozesse reduzieren. Dies sei auch dann nicht möglich, wenn man die neuronalen Korrelate von Gedanken gefunden und erforscht hat. Nicht alle Philosophen und Naturwissenschaftler akzeptieren diese Argumente gegen die Reduzierbarkeit des Bewusstseins. Insbesondere beim Phänomen der Intentionalität halten viele Forscher neurowissenschaftliche Erklärungen für möglich. Oft beziehen sich solche Erklärungsversuche auf den Begriff der Repräsentation: Einige neuronale Prozesse sind Repräsentationen von Sachverhalten. Durch derartige Repräsentationen werde ein intentionaler Bezug hergestellt, und die Prozesse könnten wahr oder falsch genannt werden. Derartige Erklärungsversuche setzen allerdings voraus, dass man den Begriff der Repräsentation in einem nichtintentionalen Vokabular erklären kann. Es bleibt umstritten, ob dies möglich ist. Das Phänomen der Qualia wird von vielen Forschern als noch drängender angesehen, es ist nämlich nur schwer zu verstehen, wie eine reduktive Erklärung des subjektiven Erlebnisgehalts überhaupt aussehen könnte. Einige Philosophen, wie Daniel Dennett[30] und Paul Churchland[31] bestreiten schlicht die Existenz von Qualia. Bei einer derartigen Leugnung des Phänomens verschwindet natürlich jede Erklärungslast, allerdings wird damit auch das ganze Projekt einer Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins untergraben: Wie sollte man nach dem Korrelat von etwas suchen, was es gar nicht gibt? Viele Forscher wollen nicht so weit gehen wie Dennett und die Churchlands und wollen dennoch an der Möglichkeit einer reduktiven Erklärung festhalten. Sie argumentieren oft mit der Analogie der wissenschaftlichen Erklärung des Lebens: Auch das Phänomen des Lebens galt lange Zeit als (naturwissenschaftlich) unerklärbar, was zu mysteriös anmutenden Positionen wie der des Vitalismus führte. Mit den Fortschritten der modernen Biologie verschwand jedoch ein großer Teil der Erklärungslücke, so dass heute Leben nicht mehr als ein grundsätzlich mysteriöses und unerklärliches Phänomen gilt. Während manche Forscher glauben, eine ähnliche Entwicklung in Bezug auf das Bewusstsein erwarten zu dürfen, weisen andere diese Analogie zurück. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den damaligen Problemen bei der Erklärung des Lebens und den heutigen Problemen bei einer Erklärung des Bewusstseins. Es gibt jedoch auch weiterhin Philosophen (etwa Vertreter der Neuscholastik), die nicht nur Bewusstsein, sondern auch Leben weiterhin nur durch eine immaterielle Substanz wie den Geist bzw. die Seele für ausreichend erklärbar halten. Siehe auch
Literatur
Quellen
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