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NeurowissenschaftenDie Neurowissenschaften sind ein Sammelbegriff für biologische, physikalische und medizinische Wissenschaftsbereiche, die den Aufbau und die Funktionsweise von Nervensystemen untersuchen. Untersuchungsgegenstand sind die Mechanismen, mit denen Nervensysteme dazu beitragen, dass Organismen ihre Lebensvorgänge angepasst an ihre jeweiligen Umwelten vollziehen können. Dabei werden Aufbau und Funktion sowohl von einzelnen Neuronen, von größeren Zellverbänden, die Funktionseinheiten bilden, aber auch ganzer Nervensysteme untersucht. Im Laufe der Evolution haben sich immer komplexere Nervensysteme entwickelt vom diffusen Nervensystem der Hohltiere über das Strickleiternervensystem der Arthropoden bis hin zum Zentralnervensystem der Wirbeltiere. Forschungsrichtungen der Neurowissenschaften, die sich hauptsächlich mit der Untersuchung von Aufbau und Leistungen des Gehirns von Menschen und nicht-menschlichen Primaten bezieht werden oftmals als Hirnforschung oder Gehirnforschung bezeichnet. Neben der experimentellen Grundlagenforschung wird auch medizinischen Fragestellungen nachgegangen, indem nach Ursachen und Heilungsmöglichkeiten von Nervenkrankheiten geforscht wird, wie z. B. Parkinson, Alzheimer oder Demenz. Darüberhinaus liefern die Neurowissenschaften auch Anstöße für die wissenschaftliche Untersuchung von Begriffen wie Bewusstsein, Gedächtnis, Seele, Geist, Emotionen etc. In den letzten Jahrzehnten haben sich zahlreiche weitere Interaktionen zwischen den Neurowissenschaften und anderen Fachbereichen entwickelt. Beziehungen bestehen unter anderem zwischen Neurowissenschaften und der Kognitionswissenschaft, der Psychologie und der Philosophie des Geistes. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Disziplinen der NeurowissenschaftenDie Neurowissenschaften entziehen sich dem Versuch sich nach verschiedenen Kriterien in Teilbereiche trennscharf untergliedern zu lassen. Zwar könnte man die Disziplinen zunächst einmal nach den jeweils betrachteten mikro- und makroskopischen Hierarchie-Ebenen (Moleküle, Zellen, Zellverband, Netzwerk, Verhalten) ordnen, jedoch tendieren die Neurowissenschaften zu einer sehr funktionellen Sichtweise. Das heißt meistens wird die funktionelle Rolle eines mikroskopischen Elements auf ein (makroskopisches) System ein oder mehrere Ebenen darüber untersucht. Grob lassen sich die Neurowissenschaften in vier Ebenen unterteilen:
Die Neurobiologie beschäftigt sich im wesentlichen mit den molekularen und zellbiologischen Grundlagen der Neurowissenschaften. Disziplinen, die auf dieser Ebene arbeiten, sind die neurowissenschaftlichen Zweige der Disziplinen Biochemie, Molekularbiologie, Genetik und Epigenetik, aber auch der Zellbiologie, der Histologie und Anatomie, sowie der Entwicklungsneurobiologie. An zentraler Stelle der Neurowissenschaften steht die Neurophysiologie. Obwohl die Physiologie normalerweise eine Unterdisziplin der Biologie ist nimmt sie in den Neurowissenschaften insofern eine besondere Rolle ein, da neuronale Aktivität und somit die „Sprache der Nerven“ in den Bereich der Neurophysiologie fällt. Die Neurophysiologie lässt sich untergliedern in die Elektrophysiologie, die Sinnesphysiologie, ist aber auch eng verwandt mit der Neuropharmakologie, Neuroendokrinologie und Toxikologie. Die Neuropsychologie umfasst dagegen alle höheren Leistungen des Gehirns. Einen zentralen Platz nimmt dabei die Kognitive Neurowissenschaft ein. Weiterhin gehören die Neurologie, die Biologische Psychiatrie und natürlich die Klinische Neuropsychologie in den Bereich der Neuropsychologie. Die klinisch-medizinischen Fächer der Neuropathologie, Neuroradiologie, Neurologie und Neurochirurgie beschäftigen sich mit Pathogenese, Diagnose und Therapie der Erkrankungen des Gehirns. Methoden der NeurowissenschaftenDie Methoden der Neurowissenschaften unterscheiden sich zunächst in ihrer Anwendbarkeit beim Menschen. Nichtinvasive Verfahren können zum Studium des menschlichen Nervensystems eingesetzt werden. Folgende Liste gibt die verfügbaren nichtinvasiven Verfahren der Neurowissenschaften an, also Verfahren, die das System nicht schädigen. Ausnahme hier sind die Läsionsstudien, die versuchen, durch systematischen Vergleich von geschädigten Gehirnen Aufschluss auf die Lokalisation von Funktionen zu bekommen. Allerdings wird die Schädigung nicht gezielt vorgenommen, sondern Patienten mit Hirnverletzungen oder Schlaganfällen stellen die Basis für diese Studie dar. Die Psychophysik ist ausschließlich mit der Messung der Fähigkeiten des Gehirns als Gesamtkomplex innerhalb des Lebewesens beschäftigt. Sie liefert Hinweise auf den Bereich der Möglichkeiten, den ein Lebewesen hat. Die Psychophysik wird oft zusammengebracht mit der Anatomie, wenn Läsionsstudien durchgeführt werden. Patienten mit Hirnläsionen z. B. nach einem Schlaganfall werden mit gesunden Menschen verglichen. Der Vergleich der (psychophysischen) Möglichkeiten eines neuronalen Systems mit intaktem Gehirn und eines mit geschädigtem Gehirn erlaubt, die Rolle des geschädigten Hirnbereiches für die Fähigkeiten und Vermögen einzuschätzen. Die Läsionsstudien haben allerdings den Nachteil, dass der Ort der Schädigung erst nach dem Tode des Patienten festgestellt werden konnte. Diese daher sehr langwierigen Methoden stellten über lange Zeit die Basis aller neurowissenschaftlichen Studien dar und begrenzten die Geschwindigkeit des neurowissenschaftlichen Erkenntnisgewinns. Für diese Methoden spielt übrigens die Aktivität von Nervenzellen insofern keine unmittelbare Rolle, als dass Nervenzellen nicht im Schwerpunkt der Studien stehen, sondern das Gesamtsystem Lebewesen. Mit der Entwicklung von Geräten, die direkt oder indirekt Rückschlüsse auf die Aktivität des Gehirns zulassen, änderte sich auch die Art der Studien. Die Entwicklung der Elektroenzephalographie (EEG) erlaubt es, dem Gehirn beim Arbeiten indirekt zuzuschauen. Die Aktivität von Nervenzellen erzeugt ein elektrisches Feld, das außerhalb des Schädels gemessen werden kann. Da sich orthogonal zu jedem elektrischen Feld auch ein Magnetfeld ausbreitet, kann auch dieses gemessen werden, diese Methode bezeichnet man als Magnetoenzephalographie (MEG). Beiden Methoden ist gemeinsam, dass sie es ermöglichen, die Aktivität von großen Zellverbänden in hoher zeitlicher Auflösung zu messen und damit Aufschluss über die Reihenfolge von Verarbeitungsschritten geben können. Die räumliche Auflösung ist als mäßig zu bezeichnen, dennoch erlauben diese Methoden den Forschern, Erkenntnisse über Ort und Zeitpunkt von neuronalen Prozessschritten am lebenden Menschen zu gewinnen. Mittels der Computertomographie (CT) wurde ist es möglich, Ort und Ausdehnung einer Läsion auch beim lebenden Patienten zu bestimmen. Läsionsstudien wurden damit schneller und auch genauer, da das Gehirn bereits unmittelbar nach einer Schädigung gescannt werden kann und die Anatomie der Schädigung bereits Hinweise auf mögliche (kognitive) Ausfälle geben kann, die dann gezielt studiert werden können. Ein weiterer Nebeneffekt ist die Tatsache, dass das Gehirn sich zwischen einer Schädigung bis zum Tode des Patienten verformt, was die genaue anatomische Bestimmung der Schädigung erschwert. Diese Verformung spielt beim CT insofern keine Rolle, als dass die Zeitspanne zwischen Schädigung und Tomographie für gewöhnlich kurz ist. Das obengenannte gilt im gleichen Maße für die Magnetresonanztomographie (oder auch Kernspintomographie) (MRT/MRI). Beide Methoden haben eine gute bis sehr gute räumliche Auflösung, erlauben aber keinerlei Rückschlüsse auf die Aktivität von Nervenzellen. Sie stellen die Fortsetzung der Läsionsstudien dar. Funktionelle Studien, also Studien, die Funktion bestimmter Hirnareale untersuchen, wurden erst möglich, als Bildgebende Verfahren entwickelt wurden, deren gemessene Signalstärke sich in Abhängigkeit von der Aktivität von Hirnarealen verändert. Zu diesen Methoden zählt die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) sowie die Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI/fMRT). Sie alle erzeugen ein Signal von mäßiger bis guter räumlicher Auflösung, haben aber den Nachteil, praktisch blind für die zeitliche Abfolge von neuronalen Prozessen (im Millisekundenbereich) zu sein. Eine relativ neue Methode ist die nichtinvasive Nahinfrarotspektroskopie, die zwar eine gute zeitliche Auflösung besitzt, allerdings nur kleine Bereiche des Gehirns abbilden kann. Im Gegensatz zu anderen funktionellen Methoden kann sie aber wie EEG mobil und in natürlichen Umgebungen eingesetzt werden. In tierischen Modellsystemen oder in klinischen Studien kommen auch invasive Verfahren zum Einsatz, die gezielt die Eigenschaften des Nervensystems verändern, oder aber durch die Messung Schäden oder Verletzungen anrichten. Auf globaler Ebene verändern vor allem pharmakologische Agenten die Eigenschaften von Neuronen oder anderen für die neuronale Aktivität, Plastizität oder Entwicklung relevanten Mechanismen. Die pharmakologische Intervention. Je nach Substanz kann dadurch ein Hirnareal ganz zerstört oder beeinflusst werden oder aber im gesamten Gehirn lediglich nur ein ganz bestimmter Kanal- oder Rezeptortyp der neuronalen Zellmembran beeinflusst werden. Die pharmakologische Intervention ist damit also gleichzeitig eine globale, wie spezifische funktionelle Methode. Um die Effekte der Intervention zu messen, greift man für gewöhnlich auf die Psychophysik, die Elektrophysiologie oder (post mortem) die Histologie zurück. Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) erlaubt es kurzfristig Hirnareale auszuschalten. Sie wird, obwohl invasiv, auch beim Menschen angewendet, da man nicht von bleibenden Schäden ausgeht. Mittels eines starken Magnetfeldes wird Strom schmerzfrei in ganze Hirnareale induziert, deren Aktivität dadurch nichts mehr mit der normalen Aufgabe der Areale zu tun hat. Man spricht daher manchmal auch von einer temporären Läsion. Die Dauer der Läsion ist für gewöhnlich im Millisekundenbereich und erlaubt daher Einblick in die Abfolge neuronaler Prozesse. Bei der repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) dagegen werden Hirnareale durch wiederholte Stimulation für Minuten ausgeschaltet, indem man sich einen Schutzmechanismus des Gehirns zu nutze macht. Die wiederholte gleichzeitige Stimulation ganzer Hirnareale gaukelt dem Hirn einen drohenden epileptischen Anfall vor. Als Gegenreaktion wird die Aktivität des Hirnareals unterdrückt, um eine Ausbreitung der Erregung zu verhindern. Die so erzeugte temporäre Läsion bleibt nun für einige Minuten bestehen. Die räumliche Auflösung ist als mäßig zu bezeichnen, die zeitliche Auflösung ist sehr gut für TMS und schlecht für rTMS. Mittels Elektrostimulation kortikaler Areale kann man, ebenso wie bei der TMS, kurzfristig die Verarbeitung von Nervenimpulsen in bestimmten Hirnarealen beeinflussen oder ganz ausschalten. Im Gegensatz zur TMS wird dazu allerdings der Schädel geöffnet (da von außerhalb des Schädels wesentlich stärkere, schmerzhafte Ströme appliziert werden müssen) und eine Elektrode in ein Hirnareal von Interesse implantiert. Das erlaubt allerdings gleichzeitig eine wesentlich exaktere räumliche Bestimmung der betroffenen Areale. Die Elektrostimulation findet vor allem Anwendung in der Neurochirurgie zur Bestimmung der Sprachzentren, die bei Operationen nicht beschädigt werden dürfen, wird aber auch in Tiermodellen angewendet, um kurzfristig die neuronale Aktivität beeinflussen zu können. Dem entgegengesetzt ist die Elektrophysiologie, die, anstatt Ströme ins Gehirn zu induzieren, die Hirnströme von einzelnen Zellen oder Zellverbänden misst. Hier wird zwischen in vivo- und in vitro-Experimenten unterschieden. Bei in vivo Experimente werden Elektroden in das Gehirn eines lebendigen Tieres implantiert. Diese Elektroden werden entweder permanent implantiert, dann spricht man von einem chronischen Implantat, oder sie Elektroden werden nur temporär in Hirnareale von Interesse gesteckt, dann spricht man von einem akuten Experiment. Chronische Implantate erlauben es dann, die Aktivität des Gehirns eines sich normal verhaltenden Tieres zu studieren. In vitro Experimente studieren die elektrische Aktivität von Zellen und werden nicht an lebendigen Tieren vorgenommen, sondern nur am Hirngewebe. Die Aktivität des Gewebes entspricht hier nicht der regulären Aktivität eines sich verhaltenden Tieres, aber Techniken wie die Patch-Clamp-Technik erlauben sehr viel genauere Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Neurone in einem Hirnareal, da diese systematisch studiert werden können. Zum Studium der morphologischen Struktur von Hirngewebe war die Mikroskopie schon immer relevant. Neuere Techniken, vor allem Multiphotonenmikroskopie und konfokale Mikroskopie erlauben eine bislang ungeahnte räumliche Auflösung. Einzelne Neuronen können in 3D vermessen werden und morphologische Veränderungen genau studiert werden. Bei Benutzung ionensensitiver oder spannungssensitiver Farbstoffe können auch funktionelle Studien durchgeführt werden. Weitere Felder der Neurowissenschaften auf zellulärer Ebene sind die Techniken der Genetik. Mit ihrer Hilfe können bei Versuchstieren ganz spezifische Gene gelöscht werden um die Rolle dieser für das Nervensystem zu studieren. Praktisch alle oben angeführten Methoden sind auf solchen Mutanten anwendbar. Geschichte der NeurowissenschaftenSiehe: Geschichte der Hirnforschung Studium der Neurowissenschaften
Literatur
Siehe auch
Literatur
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