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Neighbor-Joining-Algorithmus
Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
AnwendungIn der Bioinformatik bezeichnet das Neighbor-Joining-Verfahren eine bottom-up Clustermethode, welche zur Erstellung von phylogenetischen Baumstrukturen verwendet wird. Hiermit soll anhand von variierenden Merkmalen in der Datenmatrix die Wahrscheinlichkeit einer Abstammungs- oder Verwandtschafts-Beziehung in einer Stammbaumartigen Darstellung berechnet werden. Normalerweise werden damit Bäume aus DNA- oder Proteinsequenzdaten oder klassisch morphologischen Datensätzen erstellt. Der Algorithmus benötigt Wissen über die Distanz zwischen zwei Paaren von Taxa (also beispielsweise Arten oder Sequenzen) in einem Baum. AlgorithmusNeighbor-joining basiert meist auf dem "Minimum Evolution Kriterium" für phylogenetische Bäume: Ausgehend von einem zunächst sternförmigen "Baum", in dem alle Taxa mit einem "Zentrum" verbunden sind, werden paarweise die DNA- oder Proteinsequenzen mit der geringsten genetischen Distanz ausgewählt und zu einem Ast des Baumes vereinigt. Die genetischen Distanzen der Sequenzen werden neu berechnet und wieder die nächstverwandten zu einem Ast mit zwei Taxa zusammengefügt. Dies erfolgt solange, bis alle Taxa in dem Baum eingefügt wurden und die Sternstruktur des Baumes völlig aufgelöst wurde. Im Unterschied zum UPGMA berücksichtigt Neighbour-Joining, daß die Evolutionsgeschwindigkeit nicht konstant ist: Wenn ein Taxon von allen anderen Taxa weit entfernt ist, so ist dies nicht auf einen entfernten Verwandschaftsgrad, sondern auf beschleunigte Evolution zurückzuführen. BeispielFolgend ist eine typische Tabelle von Distanzen zwischen Taxa angegeben, wobei die Werte rein hypothetisch aber realistisch sind:
Da die Tabelle symmetrisch ist, muss die untere Hälfte nicht unbedingt gespeichert werden. Die Werte in dieser Tabelle werden als di,j benannt. Schritt 1: Es müssen die Durchschnittlichen Distanzen von jedem Taxon zu jedem anderen berechnet werden. Dies geschieht mit folgender Formel für die Netto-Divergenz ri:
Wobei N die Anzahl der Taxa ist.
Interpretation: Die Rose besitzt in unserem Beispiel die größte Netto-Divergenz, hat also im Vergleich mit den anderen Taxa eine größere Evolutionsgeschwindigkeit durchlebt. Schritt 2: Wir berechnen eine Zwischenmatrix M. Mi,j = di,j − (ri + rj) Wie z.B. zwischen Mensch und Maus: M1,2 = d1,2 − (r1 + r2) = 3 − (14,5 + 13,5) = − 25
Schritt 3: In dieser neu berechneten Distanzmatrix M wird nun der kleinste Wert, also die kleinste Distanz zwischen zwei Taxa, gesucht, und die gefundenen zwei Taxa zusammengefügt zu einem neuen Teilbaum u = (i,j). In diesem Beispiel ergeben sich also die zwei Möglichkeiten Mensch und Maus, oder Rose und Tulpe zu einem Teilbaum zusammenzufügen. Wir entscheiden uns zunächst für Mensch und Maus. Die Kantenlänge des Knotens zu der Verzweigung berechnet sich wie folgt:
vj,u = di,j − vi,u Also Mensch zu MeMa ist gleich Schritt 4: In der ursprünglichen Distanzmatrix wird der neue Eintrag u = MeMa angefügt:
Um die Distanzen des neuen Eintrages u = (i,j) = (1,2) = (Mensch, Maus) = MeMa zu den restlichen Taxa zu berechnen, wird folgende Formel verwendet:
Wobei die Einträge i und j zu einem neuen Eintrag u zusammengefügt wird, und die Distanz zum Eintrag k ausgerechnet wird. Die Distanz zwischen Rose und dem neuen Teilbaum ist also:
Die "alten", zusammengefügten Einträge, werden aus den Distanzmatrixen gelöscht.
Danach werden wieder ri und Mi,j berechnet, neu zusammengefügt und wieder von vorne angefangen. Dies wird solange wiederholt, bis nur noch zwei Taxa übrig bleiben, die dann schlussendlich verbunden werden. Das Ergebnis unseres Beispiels lässt sich als additiven Baum darstellen: Mensch Rose \ / \ 2 3 / \ 9 / ----------------- / \ / 1 1 \ / \ Maus Tulpe
oder die Ausgabe des Phylip Programms +----Maus ! ! +-------------Rose 1-----------------------------------------2 ! +----Tulpe ! +--------Mensch
EinordnungNeighbor-Joining gehört zu den expliziten Methoden. Dies bedeutet, dass bei der Berechnung der genetischen Distanzen unterschiedliche Evolutionsmodelle, d. h. unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für Punktmutationen angenommen werden können. Die Richtigkeit dieser Stammbäume beruht auf der Annahme, dass die Veränderung der betrachteten Merkmale keine unbekannten Zwischenschritte enthält. Es wird also vereinfacht angenommen, daß "die Evolution keine Umwege geht" ("minimum evolution"). Der Neighbour-Joining-Algorithmus berechnet den Stammbaum schrittweise und findet deshalb nicht zwangsläufig die optimale Baum-Topologie mit der geringsten Verzweigungslänge. Dies beruht auf seinem Konstruktionsprinzip, als Greedy Algorithmus. Im Gegensatz zu anderen Algorithmen berechnet dieser nicht alle möglichen Bäume und wählt zum Schluss die optimalen aus, sondern verwirft schon während des Verfahrens einige Rechenwege. Obwohl der Algorithmus suboptimal ist, wurde er ausführlich getestet und findet normalerweise einen Baum, der dem Optimum relativ nahe kommt. VorteileDer größte Vorteil dieses Verfahrens ist seine Geschwindigkeit. Man kann es auf gewaltige Datenmengen anwenden, selbst dort, wo andere Methoden der phylogenetischen Analyse wie maximum parsimony und Maximum-Likelihood) nicht mehr durchführbar sind. Im Gegensatz zum UPGMA-Algorithmus (Unweighted Pair Group Method with Arithmetic mean) zur phylogenetischen Baumrekonstruktion nimmt Neighbor-Joining nicht an, dass die Entwicklung der Abstammungslinien mit derselben Rate (siehe auch Molekulare Uhr) stattfindet und erzeugt daher infolgedessen einen unbalancierten Baum. Literatur
Quellen
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Neighbor-Joining-Algorithmus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |