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Martin GumpertMartin Gumpert (* 13. November 1897 in Berlin; 18. April 1955 in New York) war ein deutsch-US-amerikanischer Mediziner und Schriftsteller. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
LebenMartin Gumpert stammte aus einer großbürgerlich-liberalen jüdischen Familie; bereits sein Vater war Arzt. Schon während seiner Schulzeit verfasste der junge Gumpert expressionistische Gedichte, die in Zeitschriften wie Die Aktion und Die weißen Blätter veröffentlicht wurden. Nachdem er während des Ersten Weltkriegs als Sanitätssoldat in der Türkei stationiert gewesen war, begann er 1918 mit dem Studium der Medizin an der Universität Berlin. In der ersten Phase seines Studiums engagierte er sich in der Freien Studentenschaft, dem linken Flügel der Jugendbewegung, einer sozialistischen Studentengruppe. Als 21-Jähriger wurde er Mitglied des Rates der geistigen Arbeiter von Großberlin und Nie wieder Krieg-Pazifist. 1919 setzte er das Studium in Heidelberg fort; von 1920 bis zu seinem Staatsexamen 1921 war er wieder in Berlin. Dort spezialisierte er sich auf die Dermatologie und betrieb gleichzeitig medizinhistorische Studien, die in seiner Dissertation von 1923, Der Streit um den Ursprung der Syphilis, Niederschlag fanden. Im gleichen Jahr heiratete er Charlotte Blaschko, die Tochter des kollegialen Arzt-Freunds und führenden sozialdemokratischen Sozialhygienikers Alfred Blaschko. Unter dessen Einfluss ernüchterte der anfängliche revolutionäre Enthusiasmus zu sozialpolitischem Engagement für konkrete Projekte und Menschen-Gruppen.
In den folgenden Jahren war Gumpert als Assistenzarzt am Berliner Rudolf-Virchow-Krankenhaus tätig. Ab 1927 war er niedergelassener Facharzt, ab 1928 leitete er zudem das städtische Ambulatorium für Geschlechtskrankheiten. Seine auf soziale Rehabilitation seiner Patienten ausgerichtete Einstellung veranlasste ihn, sich von französischen Fachkollegen neuartige Operationspraktiken anzueignen und das erste Beratungs- und Behandlungszentrum dieser Art in Deutschland einzuführen. Er war in der deutschen Hauptstadt Berlin der Pionier der heilenden Behandlung von Entstellungen. Er setzte sich bei staatlichen Institutionen dafür ein, seinen oft mittellosen Patienten Hilfsleistungen zukommen zu lassen und behandelte sie selber in solchen Fällen ohne Entgeltforderung. Neben zahlreichen Veröffentlichungen zu seinem Fachgebiet verfasste Gumpert weiterhin Literatur. 1933 wurde er unmittelbar nach der Nazi-Machtergreifung gezwungen, seine Ämter niederzulegen. Er zog sich ins Privatleben zurück und arbeitete wieder verstärkt an literarischen Werken, Biografien berühmter Forscher und Ärzte. Nachdem er allerdings 1935 durch die NS-Rechtspraxis als Jude sogar aus dem RDS zwangsweise ausgeschlossen worden war, sah er für sich keine Zukunft mehr in Deutschland und wählte 1936 die Emigration. Gumpert siedelte in die Vereinigten Staaten über. Er eröffnete im Herbst 1936 eine dermatologische Praxis in New York. Er kam oft zusammen mit einer Gruppe exilierter deutscher Schriftsteller, die sich im Bedford-Hotel in der 40th Street trafen. Darunter waren Klaus und seine zeitweilige Geliebte Erika Mann, mit denen ihn bald eine enge Freundschaft verband. Klaus Mann gibt in seinem autobiografischen Buch Der Wendepunkt ein Porträt Gumperts: Unser Freund Martin Gumpert, Arzt, Dichter, Biograph, Erzähler; ein sehr ruhiger Mann mit runder Buddha-Miene, kleinem Mund und dunklen, starken Augen. Im Blick verrät sich eine Leidenschaft, von der die stoische Fassade sonst nichts merken ließ. Eben deshalb wirkt die Ruhe so suggestiv: sie ist beherrschtes Temperament, diszipliniertes Feuer, nicht Apathie oder Kälte. Die historische Epochenschilderung Dunant - Der Roman des Roten Kreuzes, der 1938 zugleich in deutscher wie in englischer Sprache veröffentlicht wurde, hatte sehr viel Erfolg und wurde in fünf weitere Sprachen übersetzt. Thomas Mann schrieb dazu in seinem im Vorwort der englischen Ausgabe abgedruckten Brief an Martin Gumpert:
In den folgenden Jahren veröffentlichte er - teils in deutscher, teils in englischer Sprache - eine Reihe von erzählerischen, autobiografischen Werken, in denen er die Erfahrungen seines Exils verarbeitete. Der Lyrikband Die letzte Zeit (1949) spiegelt seine erste Nachkriegseuropareise. Die Berichte aus der Fremde, eine 1948 in Konstanz publizierte Sammlung von zuvor in Exilzeitschriften gedruckten reimlosen Gedichten, zeigt die Arbeit an der Entwurzelung und Selbintegration im Exil. Diese lyrischen Bestandsaufnahmen der eigenen Existenz sind im Gestus nach außen ganz unsentimental, darin ähnlich den gleichzeitig entstandenen Versen Bertolt Brechts. Gumpert lieferte den Gepflogenheiten seiner neuen Wahlheimat gemäß regelmäßig wissenschaftsjournalistische medizinische Beiträge für US-amerikanische Zeitschriften. Daneben begann er sich für das damals neue Gebiet der Alterskrankheiten zu interessieren, zu dem er ebenfalls vielfältig publizierte. Er gilt als einer der Gründerväter dieses neuen medizinischen Fachgebiets. Über Jahre gab er die Fachzeitschrift Lifetime living heraus und publizierte der großen Nachfrage entsprechend mehrere auch für medizinische Laien lesbare wissenschaftliche Bücher zu diesem Sachgebiet. Er arbeitete als medizinischer Gutachter für das weltweit bekannte Nachrichtenmagazin TIME und lehrte als Professor am New York Medical College. Ab 1952 war Gumpert, der seit 1942 US-amerikanischer Staatsbürger war und nur noch für kurze Besuche nach Europa zurückkehrte, Leiter der Geriatrischen Klinik des Jewish Memorial Hospital in New York City. Werke
RezeptionsgeschichteAls aus der deutschen Jugendbewegung stammender expressionistischer Lyriker war Gumpert zwar sehr produktiv, aber reichte nach Einschätzung der publizierten Literturkritik nicht an den gleichermaßen als Dermatologe und Schriftsteller tätigen Gottfried Benn in punkto Originalität heran. Im Grunde war er im jugendlichen Alter vom Wandervogel inspiriert. Das Erlebnis als Kriegsteilnehmer und Sanitätssoldat in türkischen Lazaretten des Ersten Weltkriegs verarbeitete er gefühlsmäßig in expressiven Gedichtzeilen wie Zersprengte Jugend! / Uns die Zeit / Zerbiß die Stirn / Es schreit, schreit, / Kann nicht ruhn, / Lauert bereit / Ohne zu tun. Kurt Wolff nahm den Band in seine Der jüngste Tag-Reihe auf. Auch der Schmerz über den frühen Tod seiner durch den Krieg zurückgelassenen Geliebten, die er bei seiner Rückkehr verheiratet und bald darauf tödlich erkrankt vorfand, ließen ihn nicht zuletzt durch einen zweiten eigenen Lyrikband gereift daraus hervorgehen. Der Kiepenheuer Verlag fand Heimkehr des Herzens ebenso würdig und der Zeit Ausdruck gebend wie Alfred Wolfensteins Jahrbuch für neue Dichtung und Wertung. Auch in späteren Veröffentlichungen brachte er auf diese selbsttherapeutische Weise für den Leser eindrucksvoll, aber ohne expressionistischen Überschwang seine Erlebnisse als Arzt, Exilant und Zeitzeuge der Naziherrschaft und Kriegs(folge)zeit mit seinem Innenleben in Einklang. Die Nachkriegsbedingungen in Deutschland hatte er auf zwei Reisen in jener Zeit mit seinen Jugenderinnerungen aus Brandenburg vergleichen können. Seine damals in deutscher Sprache erscheinenden Prosawerke gingen am deutschen Publikum der 1950er und 60er Jahre weitgehend unbemerkt vorbei. Darin ging es ihm wie den meisten verbrannten Dichtern der deutschen Exilliteratur. Auch aus den öffentlichen Bibliotheken war er nahezu per Nazidekret ausgemerzt, verschwunden als hätte es ihn nie gegeben. Seine unbestreitbaren literarischen Qualitäten als Erzähler (z.B. Der Geburtstag) und Beschreiber gesamter Epochen (z.B. Hahnemann) wurden erst in den 1970er Jahren wiederentdeckt. Es folgten in den 1980ern einige Neuausgaben. Beträchtlichen Anteil daran hatte das bei der Berliner Akademie der Künste angesiedelte Martin-Gumpert-Archiv, das seinen gesamten literarischen Nachlass erhielt und forschend erschloss. Der autobiografische Roman Hölle im Paradies, der wie im dortigen Vorwort von Professor Frithjof Trapp ausgewiesen mehr eine Epochenbeschreibung ist als nur die üblichen subjektiven Eindrücke und Anekdoten eines Schriftstellerlebens, gibt ein sehr tiefenscharf ausgeleuchtetes, trotz nüchtern sachlichem Tonfall aber doch sprachlich ausdruckstarkes Porträt der damaligen Zeitläufte. Der um das Erreichen (s)eines 50sten Geburtstag handelnde Roman Der Geburtstag ist eine eindrucksvolle Schilderung der Selbstreflexion und Zwischenbilanz in diesem Alter und zugleich eine sehr lebendige Wiedergabe des New Yorks von damals (späte 1940er). Literatur
Kategorien: Mediziner (20. Jahrhundert) | Medizinhistoriker | Gerontologe |
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