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Manfred Spitzer



 

Manfred Spitzer (* 27. Mai 1958 in Darmstadt) ist ein deutscher Psychiater, Psychologe und Hochschullehrer. Seit 1998 ist er ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, als der er auch die Gesamtleitung des 2004 dort eröffneten Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) innehat, das sich vor allem mit Neurodidaktik beschäftigt.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Spitzer studierte Medizin, Philosophie und Psychologie gleichzeitig in Freiburg im Breisgau. Sein Studium finanzierte er mit Auftritten als Einmannorchester auf Hochzeiten oder Faschingsfeiern. Nach dem Diplom in Psychologie und Promotionen in den beiden anderen Fächern (Medizin (1983) und Philosophie (1985), habilitierte er sich 1989 hier auch für das Fach Psychiatrie (Facharzt für Psychiatrie).

Von 1990 bis 1997 war er an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg als Oberarzt tätig. Zweimal war er als Gastprofessor an der Harvard University; ein weiterer Forschungsaufenthalt führte ihn an das Institute for Cognitive and Decision Sciences der University of Oregon.

1997 wurde er auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm berufen und war damit der dato jüngste Professor einer Psychiatrie Deutschlands. Kurze Zeit darauf wurde Spitzer Chefredakteur der „Zeitschrift für interdisziplinäre Fortbildung Nervenheilkunde“ des Schattauer Verlags in Stuttgart, der seine Beiträge seit „Geist, Gehirn und Nervenheilkunde“ (2000) jährlich in dünnen orange-farbenen Büchern herausgibt. Die Bücher tragen längere humorvolle Titel wie „Schokolade im Gehirn“ (2002) oder „Gott-Gen und Großmutterneuron“ (2006), enthalten bunt zusammengewürftelte Geschichten rund um die Hirnforschung und erfreuen sich einer großen Leserzahl. 2003 erschien das „Best Of“ „Nervensachen“, 2006 folgte „Nervenkitzel“.

Bekannt wurde Spitzer vor allem durch Vorträge und populärwissenschaftliche Bücher, die er seit „Geist im Netz“ (1996) regelmäßig schreibt. „Lernen: Gehirnforschung und die Schule des Lebens“ (2002) wurde nach dem Pisa-Schock zum meistverkauften Buch des Spektrum Verlags. Auch „Vorsicht Bildschirm!“ (2005) war in sämtlichen Sachbuch-Bestseller-Listen. Mit beiden Büchern begab sich Spitzer mit konkreten politischen Forderungen ins Kreuzfeuer der Kritik.

Mittlerweile gilt Spitzer als „der wohl bekannteste Hirnforscher Deutschlands“ und „einer der führenden Hirnforscher Europas“ (beides aus amazon.de). Seine Vorträge füllen ganze Mehrzweckhallen, wurden abgetippt oder gefilmt (z.B. Vorsicht Bildschirm! bei youtube.com im livestream). Vier Staffeln seiner Serie Geist und Gehirn sind auf DVD erschienen. Es gibt zwei Manfred Spitzer-CDs: „Mozarts Geistesblitze“ (2006) und „Glück ist...“ (2007). Seine Bücher wurden ins Englische, Japanische, Spanische und Polnische übersetzt.

Die Liste der namhaften Naturwissenschaftler, mit denen Manfred Spitzer bereits publizierte, ist endlos. Fachübergreifend arbeitete er u.a. mit der jetzigen Bildungsministerin Annette Schavan und Komiker Eckart von Hirschhausen.

Das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen

  Das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) ist ein Drittmittelprojekt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums Ulm. Das ZNL in Ulm betreibt Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Kognitionswissenschaften mit Schwerpunkt Lernforschung. Die daraus gewonnenen Einsichten werden im Dialog mit Praktikern aus Bildungseinrichtungen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen auf ihre Anwendbarkeit in der Praxis überprüft. Spitzer ist Leiter des Zentrums.

Ziele des Transferzentrums sind die kognitiv-neurowissenschaftliche Grundlagenforschung zu Lernprozessen, eine anwendungsorientierte Forschung an Schulen und Bildungseinrichtungen sowie die Weiterbildung von Lehrenden zum raschen Transfer der Ergebnisse.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Geist im Netz (1996)
  • Geist, Gehirn und Nervenheilkunde (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2000)
  • Schokolade im Gehirn (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2002)
  • Musik im Kopf (2002)
  • Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens (2002)
  • Ketchup und das kollektive Unbewusste (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2002)
  • Nervensachen (Nervenheilkunde Best Of, 2003)
  • Selbstbestimmen. Gehirnforschung und die Frage: Was sollen wir tun? (2003)
  • Von Geistesblitzen und Hirngespinsten (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2004)
  • Vorsicht Bildschirm! (2005)
  • Frontalhirn an Mandelkern (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2005)
  • Gott-Gen und Großmutterneuron (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2006)
  • Braintertainment (Hrsg., 2006)
  • Nervenkitzel (Nervenheilkunde Best Of #2, 2006)
  • Vom Sinn des Lebens (Geschichten aus der Nervenheilkunde, 2007)


  • Liebesbriefe und Shoppingcenter (Geschichten aus der Nervenheilkunde, gepl. f. Ende 2007)
  • Das Gehirn. Eine Gebrauchsanleitung (gepl. f. Anfang 2008)

Stil und Buchgestaltung

Manfred Spitzers Bücher zeichnen sich seit „Geist im Netz“ durch einen einfachen, humorvollen Schreibstil aus, wie man ihn sonst eher aus englisch-sprachigen Sachbüchern wie z.B. Eine kurze Geschichte der Zeit kennt. Seine Bücher sind sachlich strukturiert, indem sie aus einer handvoll Teilen bestehen, welche sich wiederum aus Kapiteln zusammensetzen, welche wiederum in Kapitelchen - Geschichten, erklärten Studien, Überlegungen oder persönlichen Erfahrungen - unterteilt sind. Jedes Kapitel wird mit einem leserfreundlichen Fazit abgeschlossen. Spitzer im Vorwort zu „Musik im Kopf“: „Es ist meine Hoffnung, dass beim Lesen vor lauter Bäumen (sprich: interessanten Details) auch der Wald (der Grundgedanke) nicht untergeht, sondern im Gegenteil immer deutlicher hervortritt."

Spitzer erstellt oder bearbeitet alle seine Schaubilder, Tabellen und Fotos selbst. Außerdem kümmert er sich bei seinen Büchern um die Covergestaltung und versieht diese oft mit einer persönlichen Note. So ist das Baby auf dem „Lernen“-Umschlag eine seiner Töchter, das Gemälde auf „Gott-Gen und Großmutterneuron“ malte ein weiteres Kind, der Weg auf dem Cover von „Vom Sinn des Lebens“ ist die Einfahrt vor seiner Haustüre usw. Als er 1997 Chefredakteur der „Nervenheilkunde“ wurde, war es Spitzer selbst, der das Umschlagdesign der Zeitschrift radikal änderte. Auch das Logo des Transferzentrums entwarf er zusammen mit einem Freund.

Rezeption

Der Nutzen des Wissenstransfers des von ihm gegründeten Zentrums ist in der Bildungsforschung umstritten. In einem Streitgespräch mit Manfred Spitzer vertrat die Psychologin Elsbeth Stern den Standpunkt, die Hirnforschung habe noch keine Ergebnisse hervorgebracht, „die uns zwingen, Erkenntnisse der Unterrichtsforschung anders zu sehen.“ [1]

Im Vorwort des Buches Wie wir lernen − Was die Hirnforschung darüber weiß, das Stern für die deutsche Ausgabe verfasste, führt sie dies aus: Spitzer, der in seiner Kritik vor allem auf Didaktiken einzelner Fächer abzielt, vergesse, dass gerade die Didaktiken das geeignete Instrument seien, die Vorgänge in Klassenräumen wirklich erfassen und angemessen intervenieren zu können: „Auch wenn es eines Tages gelänge, allein aus den neurophysiologischen Vorgängen im Gehirn auf die geistigen Aktivitäten einer Person zu schließen, wenn wir also beispielsweise aus dem, was ihre Nervenzellen tun, ablesen könnten, dass sie sich gerade an der Rechenaufgabe 728 : 7 = versucht, könnten Lehrer aus einem solchen Ergebnis allein noch nichts darüber lernen, wie sie in ihrer Klasse die Grundrechenarten unterrichten sollten. Selbst die einfachsten Lernvorgänge lassen sich nicht allein auf Hirnvorgänge reduzieren. Dies gilt um so mehr für schulisches Lernen, bei dem es um komplexes Wissen geht, das sich erst im kulturellen Kontext entwickelt hat.“ (Stern, Zitat aus dem o.g. Vorwort)

Die Meinung von Stern wird von anderen deutschen Wissenschaftlern gestärkt, sie gehen sogar noch weiter. Gerhard Roth schreibt in seinem Artikel Möglichkeiten und Grenzen von Wissensvermittlung und Wissenserwerb[2], er möchte „im Folgenden zeigen, dass Lehren und Lernen aus inhärenten Gründen grundsätzlich schwierig sind. Ich will dies aufgrund der neuen Erkenntnisse der Kognitions- und Emotionspsychologie und der Hirnforschung tun. Ich möchte eines − dreimal unterstrichen − betonen: Nichts von dem, was ich vortragen werde, ist einem guten Pädagogen inhaltlich neu. Der Erkenntnisfortschritt besteht vielmehr darin, dass man inzwischen besser zeigen kann, warum das funktioniert, was ein guter Pädagoge tut, und das nicht, was ein schlechter tut.“

Generell eckt Spitzer mit flappsigen Äußerungen bei seinen Vorträgen hier und da an, bezeichnet die Teletubbies als „volligen Blödsinn - egal, wie süß“, imitiert einen dümmlichen George W. Bush oder sorgt mit spitzen Bemerkungen über Lehrer, Politiker und Sozialpädagogen für Aufsehen. Allerdings muss man ihm zu Gute halten, dass er Gesprächen nie aus dem Weg geht und sich auch mal zu Diskussionsrunden einladen lässt.

Auszeichnungen

  • 1992 Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde
  • 2002 Preis der Cogito-Foundation zur Förderung der Zusammenarbeit von Geistes- und Naturwissenschaften
  • Literatur von und über Manfred Spitzer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Manfred Spitzer auf der Website der Universität Ulm mit Liste seiner Publikationen
  • Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen Ulm
  • Medizin für die Pädagogik, Artikel von Manfred Spitzer für Die Zeit, Nr. 39 vom 18. September 2003
Interviews
  • Bildschirme raus aus Kinderzimmern! auf der Website des Deutschlandradios
  • Hirnforscher fordert Extra-Steuer auf „Killerspiele“ auf der Website des Deutschlandradios
Radio- und Fernsehsendungen
  • Mediale Umweltverschmutzung. Wie reagiert das Gehirn auf Gewalt im Fernsehen und Computerspielen?, SWR2, 27. Februar 2005
  • BR-alpha Fernsehserie „Geist und Gehirn“ als Videostream

Fußnoten

  1. Wer macht die Schule klug?, Streitgespräch mit Elsbeth Stern, Die Zeit, Nr. 28 vom 1. Juli 2004
  2. in: Caspary, Ralf: Lernen und Gehirn - Der Weg zu einer neuen Pädagogik, Herder Spektrum, Freiburg 2006, S. 54
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Manfred_Spitzer aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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