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Lackmus



 

Lackmus ist ein aus bestimmten Flechtenarten gewonnener blauvioletter Farbstoff. Die wässrige Lösung besitzt die Eigenschaft, je nachdem, ob sie mit sauren oder basischen Stoffen zusammengebracht wird (d. h. je nach pH-Wert), ihre Farbe zu ändern. Sie dient deshalb als Säure-Base-Indikator in der Chemie. Lackmus ist ein tiefblaues Stoffgemisch mit der CAS-Nummer 1393-92-6.

Inhaltsverzeichnis

Name und Geschichte

Der Name kommt aus dem Indogermanischen: leg heißt „tröpfeln“ und Mus steht für „Brei“. Der Name geht auf die Herstellung von Lackmus zurück, das aus einem Brei von Flechten und Wasser gewonnen wird, den man abtropfen ließ.

Lackmus wurde erstmals um 1300 n. Chr. von dem Arzt und Alchemisten Arnaldus de Villanova als chemisches Reagenz verwendet, d. h. als ein Stoff, der zum Nachweis und zur Identifikation eines anderen Stoffes benutzt wird. Seit dem 16. Jahrhundert gewann man den blauen Farbstoff in größerem Maßstab (vorwiegend in den Niederlanden) aus verschiedenen Flechtenarten. Nachdem das Geheimnis der Herstellung von Lackmus aus Flechten gelüftet war, wurden die grau gefärbten Flechten Leuconora tartarea und Rocella tinctoria unter den Namen Bergmoos und Klippmoos als Exportartikel aus den Niederlanden in andere Industriestaaten ausgeführt.

Natürliches Vorkommen

 

Lackmus kommt in der Natur in verschiedenen Flechtenarten vor. Für die Farbstoffgewinnung verwendet wurden früher meist Roccella tinctoria (wächst auf Felsen an den Küsten der Azoren, der Kanarischen Inseln und der Westküste Südamerikas), Roccella fuciformis (Herkunft meist Angola und Madagaskar), Roccella pygmaea (Algerien), Rocella phycopsis, Lecanora tartarea (Norwegen, Schweden), Variolaria dealbata (Pyrenäen und Auvergne), Ochrolechia parella (gesamte Atlantikküste Nordwesteuropas), Parmotrema tinctorum (ebenfalls Kanaren) und verschiedene Parmelia-Arten (weite Verbreitung auf vielen Laubbäumen). Hauptquellen sind heutzutage Roccella montagnei (Mosambik) und Dendrographa leucophoea (Kalifornien).

Herstellung

Es wurde lange Zeit versucht, die Details des Herstellungsprozesses aus wirtschaftlichen Gründen geheim zu halten, um damit ein Monopol zu schaffen. Die gepulverten Flechten werden für mehrere Wochen in einer mit Soda oder Pottasche (Kaliumcarbonat) und Ammoniak alkalisch eingestellten Lösung bei gelegentlichem Umrühren stehen gelassen. Da früher Ammoniak nicht als Chemikalie zur Verfügung stand, erhielt man den notwendigen Ammoniakanteil durch Zugabe von Urin. Der im Urin enthaltene Harnstoff wird durch Enzyme als Katalysatoren in Ammoniak umgewandelt. Während die pulverisierten Flechten in der Lösung stehen, ändert sich allmählich ihre Farbe von rot nach blau. Die am Ende des Umsetzungsprozesses blaue Mixtur wird getrocknet und zu Pulver zermahlen. In dieser Stufe des Herstellungsprozesses enthält das Pulver teilweise Lackmus- und teilweise Orcein-Farbpigmente. Mit Alkohol wird der auf Orcein entfallende, karminrote Farbanteil herausgelöst, zurück bleibt das tiefblaue Lackmus. Gepresst und teilweise mit Gips und Kreide versetzt, kommt es als leicht krümelnde Pressmasse in den Handel. Aus Lackmus wird auch eine spezielle Farbkomponente – das Azolitmin – hergestellt und als Säure-Base-Indikator mit dem Lackmus ähnlichen Eigenschaften vertrieben.

     

Verwendung und Struktur

Früher und heute

Lackmus fand früher besonders in den Niederlanden zum sogenannten Bläuen von Wäsche (leichte Blaufärbung, um Vergilben an der Luft auszugleichen) und zum Färben von Genussmitteln (Weine, Backwerk, Likör, Käse), Schminke und Zuckerpapier Verwendung. Für die Textilfärberei ist Lackmus wegen seiner Farbumschläge in Säuren und Laugen ungeeignet.

Heute wird Lackmus ausschließlich als Säure-Base-Indikator (bei pH 4,5 rot, 5,6 = gelborange und bei 8,3 blau) in der Chemie genutzt. Es kommt hauptsächlich in zwei Formen vor : in einer wässrigen Lösung als Lackmus-Tinktur und als Lackmus-Papier. Bei letzterem handelt es sich um Papierstreifen, die mit schwach saurer oder alkalischer Lackmus-Tinktur getränkt sind (Reagenzpapier). Neben blauen und roten Streifen gibt es auch gelbe, die zur Bestimmung des pH-Wertes von Urin verwendet werden (pH 5,6 = gelborange bis 8,0 = blaugrün). Der Hauptbestandteil des Lackmus ist polymer (aus mehreren Bausteinen) aus 7-Hydroxy-2-phenazinon-Chromophoren aufgebaut, was seine Verwandtschaft mit dem karminroten Farbstoff Orcein erklärt.

Erklärung zur Indikatorwirkung von Lackmus

Die Ursache der Farbveränderung des Lackmus von blau über gelb-orange nach rot bei Änderung des pH-Wertes ist äußerst komplex und setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen:

  • Hauptursache der Farbveränderung bei der Zugabe oder Wegnahme von Protonen (Halochromie) ist die reversible (wieder umkehrbare) Bildung von roten Phenolen aus blauen Phenolaten.
  • Weiterhin kann das Oxazinsystem (hier eine cyclische Anordnung mit gegenüberstehendem Sauerstoff- und Stickstoffatom) protoniert bzw. deprotoniert werden, d. h., es können sich Protonen an die Verbindung anlagern oder wieder abspalten.
  • Zusätzlich ändert sich auch noch die Tönung der für Lackmus charakteristischen Farben Rot und Blau, wenn man starke oder schwache Säuren bzw. Basen zum Lackmus gibt. Das resultiert aus der schrittweisen Anlagerung bzw. Entfernung weiterer Protonen.


Durch die Größe des Moleküls stehen mehrere Phenolgruppen sowie Oxazin-Stickstoffatome für diese Anlagerung oder Abgabe von Protonen zur Verfügung. Zusätzlich entstehen daher im pH-Bereich 5,6 bis 8 Mischsysteme mit gelb-orangener bis blaugrüner Farbe.

Enthaltene Stoffe

Das Stoffgemisch Lackmus enthält ca. 10-15 verschiedene Substanzen. Erfolgreich extrahiert wurden Erythrolein (auch Erythrolitmin), Azolitmin, Spaniolitmin, Leucoorcein und Leucazolitmin. Azolitmin als Reinsubstanz besitzt annähernd dieselbe Indikatorwirkung wie das Gemisch.[1]

Sicherheitshinweise

In englischsprachigen Quellen wird Lackmus als reizend für (Schleim-)Haut und Augen klassifiziert[2] sowie als „wahrscheinlich bei höheren Temperaturen brennbar“. EU- oder deutsche Richtlinien liegen nicht vor.

Siehe auch

  • Lackmustest

Einzelnachweise

CD Römpp Chemie Lexikon - Version 1.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag, 1995

  1. E.T. Wolf: Vollständige Übersicht der Elementar-analytischen Untersuchungen organischer Substanzen, S.450-453, veröffentlicht 1846, Verlag E. Anton
  2. Litmus, Powder auf Sciencelab (engl.; abgerufen 29. März 2007)
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Lackmus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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