Um alle Funktionen dieser Seite zu nutzen, aktivieren Sie bitte die Cookies in Ihrem Browser.
my.bionity.com
Mit einem my.bionity.com-Account haben Sie immer alles im Überblick - und können sich Ihre eigene Website und Ihren individuellen Newsletter konfigurieren.
- Meine Merkliste
- Meine gespeicherte Suche
- Meine gespeicherten Themen
- Meine Newsletter
Karl Jaspers
Jaspers gilt als herausragender Vertreter der Existenzphilosophie, die er vom Existentialismus Jean Paul Sartres strikt unterschied. Er war zunächst Lehrer und anschließend lebenslanger Freund von Hannah Arendt, mit der ihn auch ein jahrzehntelanger Briefwechsel verband. Auch mit Martin Heidegger stand er in Briefwechsel, der – in der Zeit des Nationalsozialismus unterbrochen – nach dem Krieg nur noch spärlich war. Mit Max Weber, Hans W. Gruhle und Kurt Schneider verband ihn eine langjährige Freundschaft. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
LebenKarl Jaspers war Schüler des Alten Gymnasiums in Oldenburg. Er entstammte einer wohlhabenden Bankiersfamilie, die er als liberal-konservativ bezeichnete. Vor dem Hintergrund des verschwenderischen Umgangs seines Großvaters mit einem von dessen Vater durch Schmuggelgeschäfte erworbenen immensen Vermögen vermittelten ihm seine Eltern Verantwortungsbewusstsein und kritisches Denken. Von Kindheit an litt Jaspers an Bronchialproblemen (angeborenen Bronchiektasen), die seine körperliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten und ihn anfällig für Infektionen machten. Strikte Disziplin zur Aufrechterhaltung seiner Gesundheit bestimmte und beschränkte nach autobiographischen Zeugnissen daher sein Leben, das allerdings wie das seiner Geschwister zusätzlich durch familiäre Umstände erheblich belastet war und ihn für psychologische Fragen sensibilisierte. Er studierte zunächst Ende 1901 in Heidelberg und später in München drei Semester Rechtswissenschaft. Nach einem Kuraufenthalt in Sils-Maria nahm er 1902 in Berlin ein Medizinstudium auf, das er ab 1903 in Göttingen und ab 1906 in Heidelberg weiterführte. Hier promovierte er mit Unterstützung von Karl Wilmanns am 8. Dezember 1908 bei Franz Nissl, dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik, der ihm nach seiner Approbation von 1909 bis 1914 als Volontärassistent Gelegenheit zur Mitarbeit gab. Heidelberg1907 lernte Jaspers die 1879 geborene Gertrud Mayer kennen, die Pflegerin in einer psychiatrischen Anstalt war. Gertrud war die Schwester seines Studienfreundes Ernst Mayer, der ihm als sehr wichtiger Gesprächspartner über Jahrzehnte verbunden blieb. Gertrud und Ernst Mayer entstammten einer orthodoxen jüdischen Kaufmannsfamilie. In Gertrud Mayer fand Jaspers eine kluge, ihm sehr nahestehende, lebenslange Partnerin, die ihn 1910 heiratete, im Nationalsozialismus nur dank dieser Ehe überleben konnte und fünf Jahre nach ihm 1974 96-jährig verstarb. Max Weber, den er 1909 durch Hans Walter Gruhle kennen gelernt hatte, wurde wissenschaftliches Vorbild für Jaspers. 1910/11 nahm er zeitweise am Arbeitskreis über die psychologischen Theorien Freuds und verwandter Anschauungen teil. Diese Gruppe hatte sein jüngerer Mitassistent Arthur Kronfeld aufgrund des jahrelangen Austausches mit seinem Freund, dem späteren Nobelpreisträger Otto Meyerhof aus dem Kreis des Göttinger Philosophen Leonard Nelson heraus ins Leben gerufen. Daran beteiligt waren neben Gruhle auch Meyerhofs Kollege Otto Warburg sowie der Medizinstudent Wladimir Eliasberg, der später mit Kronfeld in der großen, europaweiten Psychotherapiebewegung in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielte. Eigenartigerweise hat Jaspers diesen Kreis nie erwähnt, obwohl er später selbst eine wissenschaftliche Begründung der Psychotherapie einforderte und sich bis zu seinem Lebensende mit der Psychoanalyse und ihren weltanschaulichen Ansprüchen kritisch auseinander setzte. Am 13. Dezember 1913 legte Jaspers als gerade Dreißigjähriger mit Unterstützung von Nissl und Weber an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg bei Wilhelm Windelband sein Lehrbuch der Allgemeinen Psychopathologie als Habilitationsschrift vor und konnte sich für Psychologie habilitieren. Mit dieser Schrift hinterließ Jaspers bei seinem Wechsel in die Philosophie der Psychiatrie ein bis heute richtungweisendes Werk, das in der Fachwelt umgehend große Anerkennung fand. Mit seiner Erweiterung des psychiatrischen Methodenarsenals um die psychische Krankheitserscheinungen beschreibende psychologisch-phänomenologische Methode überwand Jaspers Vorbehalte seitens der Hirnforschung bezüglich der von ihm so genannten Hirnmythologie und ging gleichzeitig deutlich über den experimental-psychologischen Ansatz Wilhelm Wundts hinaus, der vor ihm von Emil Kraepelin in die Psychiatrie eingebracht worden war. Bereits nach zwei Jahren Lehrtätigkeit am Philosophischen Seminar wurde Jaspers dort 1916 zum außerordentlichen Professor ernannt. 1920 konnte er die Nachfolge von Hans Driesch antreten und damit zum Extraordinarius aufrücken. Im selben Jahr begann seine Freundschaft mit Martin Heidegger, die bis zu dessen Eintritt in die NSDAP dauerte. Noch schneller wurde Jaspers ordentlicher Professor: 1921 führten Bleibeverhandlungen wegen an ihn ergangener Berufungen dazu, dass für ihn ein persönliches Ordinariat eingerichtet und er damit neben Heinrich Rickert 1922 Mitdirektor des Seminars wurde. Nach Ausbildung und Haltung bestand zu Rickert eine erhebliche Distanz, die sich auch in beider Auffassung von Philosophie niederschlug. Für Rickert als neukantianisch eingestellten wissenschaftsorientierten Philosophen war schon die Berufung des fachfremden Jaspers mit seinem psychologischen Hintergrund, vor allem aber seine Orientierung an der Seinsfrage schwer zu akzeptieren. Über die unterschiedliche Bewertung von Leistung und Person des von Jaspers hoch geschätzten Max Weber kam es früh auch zum persönlichen Bruch zwischen Jaspers und Rickert. In den folgenden Jahren konzentrierte sich Jaspers auf eine intensive und tiefe Einarbeitung in die Geschichte und Systematik der Philosophie. Zunächst las er über die großen Philosophen und begann ab 1927 mit der Ausarbeitung seines dreibändigen Hauptwerks „Grundriss der Philosophie“, die er ab 1924 im regen Austausch mit seinem Freund und Schwager Ernst Mayer entwickelte. Von den 1933 sofort eingeleiteten Maßnahmen der nationalsozialistischen Machthaber zur Gleichschaltung der Universitäten in Deutschland war Jaspers trotz seiner – nach dem Nazi-Jargon – „jüdischen Versippung“ durch seine Ehe zunächst kaum betroffen; da er jedoch nicht bereit war, sich von seiner Frau zu trennen, wurde er Ende September 1937 in den Ruhestand versetzt und ab 1938 mit Publikationsverbot belegt. Seine Arbeiten und Studien setzte Jaspers ungeachtet dessen konsequent fort. Viele langjährige Freunde hielten zu ihm, so dass er nicht isoliert war. Er stand jedoch ständig unter der Bedrohung durch die Nationalsozialisten, die ihn noch am 14. April 1945 in ein KZ verschleppen wollten, wie er kurz vorher zu Anfang März von einem Freund erfuhr. Jaspers hatte für diesen Fall vorgesorgt und verfügte für sich und seine Frau über Zyankali; es zu benutzen wurde ihm jedoch erspart, da Heidelberg am 30. März von amerikanischen Truppen befreit wurde. Aufgrund seiner untadeligen Haltung während des Dritten Reichs war Jaspers einer der profiliertesten Wissenschaftler, die nach 1945 zur Neubegründung und Wiedereröffnung der Universität Heidelberg beitragen konnten. BaselPersönlich hochgeachtet durch die Wahl zum Ehrensenator der Universität im Jahre 1946 und die Verleihung des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt im Jahr darauf, aber bald enttäuscht von der weiteren allgemein- und hochschulpolitischen Entwicklung im Nachkriegsdeutschland, wechselte er 1948 als Nachfolger von Paul Häberlin nach Basel und nahm als Reaktion auf die Wahl des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Kurt Georg Kiesinger zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sowie die Verabschiedung der Notstandsgesetze 1967 dort auch die Schweizer Staatsbürgerschaft an. Gleichwohl gab er weiterhin immer wieder stark beachtete Stellungnahmen zu Zeitfragen wie auch zu wissenschaftlichen Themen wie beispielsweise zur Psychoanalyse ab. Jaspers erhielt deswegen viele Ehrungen: 1953 die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg, 1958 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 1959 den Erasmuspreis sowie Ehrendoktorate der Sorbonne in Paris und der Universität Genf. Seine Emeritierung erfolgte 1961. 1962 zeichnete ihn seine eigene Universität mit einem medizinischen Ehrendoktor aus. Neben zahlreichen Ehrenmitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften folgten weitere Auszeichnungen: 1963 der Preis der Oldenburg-Stiftung (eine Ordensverleihung durch die Bundesrepublik in diesem Jahr lehnte Jaspers ab), 1964 der Orden Pour le Mérite und 1965 der Internationale Friedenspreis Lüttich. Er ist Ehrenbürger der Stadt Oldenburg (Oldb). Karl Jaspers' Werk umfasst über 30 Bücher mit etwa 12.000 Druckseiten, einen Nachlass von 35.000 Blättern mit einigen tausend Briefen. Es gibt Jaspers-Gesellschaften in Österreich, Japan und Nordamerika. In der Schweiz besteht eine Karl-Jaspers-Stiftung. Seit 1990 veranstaltet die Universität in Oldenburg die jährlichen Karl-Jaspers-Vorlesungen zu Fragen der Zeit. PsychiatrieKarl Jaspers war unter den ersten deutschen Psychiatern des 20.Jahrhunderts, die die philosophischen Vorannahmen ihrer Disziplin untersuchten und reflektierten. Zu den damaligen Pionieren gehörten weiterhin die Psychiater Ernst Kretschmer (Sensitiver Beziehungswahn, 1918), Arthur Kronfeld (Das Wesen des psychiatrischen Erkennens, 1920), Ludwig Binswanger (Einführung in die Probleme der Allgemeinen Psychologie, 1922) und andere wie Otto Meyerhof, der unter Rückgriff auf die Philosophie des Kant-Nachfolgers Jakob Friedrich Fries wie sein Freund Kronfeld schon 1910 mit Beiträgen zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen zu einer wissenschaftlich adäquaten und tragfähigen Grundlegung der Psychiatrie beizutragen versucht hatte. Jaspers bezog sich auf Husserls frühe Arbeiten zur deskriptiven Psychologie und Wilhelm Diltheys viel diskutierte Unterscheidung von „Erklären“ und „Verstehen“, mit der er die Psychopathologie auch in methodologischer Hinsicht ergänzte; er hinterließ ihr damit allerdings ein heute noch erörtertes Methodenproblem, zu dessen weiterer Diskussion er später trotz nachdrücklicher Bitte von Kurt Schneider selbst allerdings nichts mehr beitrug. Jaspers legte besonderen Wert darauf, die Grenzen der psychopathologischen Methode zu bestimmen. Hierzu beschrieb er ausführlich psychiatrische Vorurteile, wie die sogenannte Hirnmythologie, nach der Geisteskranke Gehirnkranke sein sollen. Auch die theoretischen Annahmen Freuds rechnete er zu den Vorurteilen, die es in der Psychiatrie zu bekämpfen galt. Er betonte, dass seelische Prozesse immer nur indirekt, durch die Mitteilungen von Patienten über ihre Erlebnisse, zugänglich seien. Technische Parameter für eine seelische Störung ließen sich hieraus nicht ableiten, wodurch die psychopathologische Analyse sich grundsätzlich von naturwissenschaftlichen Verfahren unterscheide. Neben Wilhelm Griesinger, der nach Binswanger der „Psychiatrie ihre Verfassung“ gab, indem er „seelische Krankheiten [als] Erkrankungen des Gehirns“ definierte, sowie Emil Kraepelin, der als erster ein brauchbares nosologisches Bezugssystem in der Psychiatrie eingeführt hat, gilt Jaspers Allgemeine Psychopathologie als der „Beginn einer methodisch reflektierten psychopathologischen Forschung“ (Max Schmauß). PhilosophieAusgangspunkteWichtige Quellen der Philosophie von Karl Jaspers sind Kierkegaard, Spinoza, Nietzsche und vor allem Kant, dem er jedoch vorhielt, dass er die Dimension des Zwischenmenschlichen, insbesondere der Liebe, nicht erfasse. Seine Philosophie ist außerdem stark von lebensphilosophischen Elementen durchzogen. In einer sinnlosen Wirklichkeit, in der die Naturwissenschaften keine Hilfe bei der Selbstvergewisserung bieten, braucht der Mensch ihm zufolge eine illusionslose Sicht seiner Existenz als Grundlage seiner Handlungsentscheidungen. Seine Psychologie der Weltanschauungen aus dem Jahre 1919 ist ein Übergang von der Psychologie zur Philosophie und kann als erstes Werk der modernen Existenzphilosophie eingestuft werden. Jaspers interessierte sich vor allem für die seelischen Antriebe, die Weltanschauungen begründen. Bereits hier problematisierte er die „Grenzsituationen“ wie Tod, Leiden, Schuld, Geschichtlichkeit, die die Erfahrungen des Menschen bestimmen, an denen er mit rationalem Denken scheitere, und in denen der Mensch Skeptizismus und Nihilismus überwinden kann, indem er sich als Existenz gegenüber der Transzendenz bewusst wird. Für ihn hatte dieses Buch
Das anthropologische Menschenbild in Jaspers' Philosophie ist geprägt durch eine vierstufige Seinsweise als Verwirklichungsdimensionen des Menschen:
Nach einer Schreibpause, die intensiven Studien und Vorarbeiten gewidmet war, veröffentlichte Jaspers 1931 als 1000. Band der Sammlung Göschen die erste rein philosophische Schrift über Die geistige Situation der Zeit, in der er sich kritisch mit Themen der Massengesellschaft, der Entfremdung und der Herrschaft der Technisierung auseinander setzte. Nur im alle Sachkunde nutzenden, aber diese überschreitenden Denken könne der Mensch er selbst sein und die Massendaseinsordnung bewältigen. Bei dieser grundsätzlichen Schrift, die auch eine Warnung vor der Verführung durch Bolschewismus und Faschismus darstellte, handelte es sich um eine Vorarbeit zu seinem 1932 erschienenen dreibändigem Hauptwerk, das er schlicht Philosophie nannte. Die Bände tragen die Titel: I. Philosophische Weltorientierung; II. Existenzerhellung, III. Metaphysik. Mit dieser Dreiteilung übernahm Jaspers die klassische philosophische Struktur der Fragen nach dem Kosmos, der Seele und Gott. WissenschaftPhilosophie war für Jaspers keine Wissenschaft, sondern vielmehr Existenzerhellung, die sich mit dem Sein als Ganzes befasst. Jede Äußerung zur Philosophie ist so gesehen selbst schon Philosophie. Philosophie tritt da auf, wo Menschen wach werden. Philosophie ist das Gewahrwerden der eigenen Ohnmacht und Schwäche. Jaspers unterschied damit wissenschaftliche Wahrheit von existentieller Wahrheit. Während die eine intersubjektiv nachvollziehbar ist, könne man bei der anderen nicht von Erkenntnis sprechen, da sie sich auf transzendente Gegenstände (Gott, Freiheit) richtet. Wissenschaft kennt Fortschritt, Philosophie nach seiner Auffassung nicht.
Jaspers wandte sich strikt gegen eine Vermengung der Philosophie, wie er sie verstand, mit einer Philosophie, die mit der Wissenschaft wetteifern will und sich auf deren Methoden beschränkt. Diese macht sich zur Magd der Wissenschaft. So kommentierte er Husserls Philosophie als strenge Wissenschaft als ein Meisterwerk auch in seiner vor keiner Absurdität zurückschreckenden Konsequenz. Und der sprachanalytischen Philosophie Carnapscher Prägung hielt er vor:
Wissenschaft sei methodische Erkenntnis, auf hypothetischer Basis zwingend gewiss und allgemeingültig im Sinne von Intersubjektivität. Sie habe aber ihre Grenzen im Absoluten, in der unüberwindbaren Endlosigkeit und der Unerreichbarkeit der Einheit der Welt. Wissenschaft sei begrenzt auf das Dasein, das Bewusstsein überhaupt und den Geist. Die Existenz aber bleibe unerfasst von der Wissenschaft. Die Erkennbarkeit der Welt im Ganzen sei ein Aberglaube, wie er im Marxismus, der Psychoanalyse und Rassentheorien gegeben ist. Bei diesen seien Soziologie, Psychologie und biologische Anthropologie in Weltanschauungen verwandelt worden und somit zum „Afterbild der Philosophie“ geworden. In dieser Einschätzung war er Popper so nahe wie selten. Für die Philosophie gibt es nach Jaspers keinen externen Standpunkt, von dem aus man sie überblicken, vergleichen oder definieren kann: „Wahrheit, deren Richtigkeit ich beweisen kann, besteht ohne mich selber. [...] Wahrheit, aus der ich lebe, ist nur dadurch, dass ich mit ihr identisch werde.“ (Glaube, 11). Der Gegenstand der Philosophie sei außerhalb der Gegenstandserkenntnis. Aus diesem Grunde habe die Philosophie ein Mitteilungsproblem. Sie könne ihren Gegenstand nur indirekt ansprechen und ihn nur erfassen, indem sie ihn transzendiert. Existenz – Transzendenz – Das UmgreifendeExistenz und Transzendenz sind für Jaspers nicht gegenständlich. Das Sein selbst sei nicht als Gegenstand aufzeigbar, ebenso wenig wie das Ich, durch das die Gegenstände konstituiert werden. Nur in dem Maße, in dem der Mensch zu sich selber findet, sei der Mensch Existenz. Das Transzendente begegnet dem Menschen in Chiffren. Darunter versteht er besondere Erlebnisse, die ihm die Existenz von Höherem, materiell nicht Erfassbarem vermitteln. Existenz ist stets auf den Anderen gerichtet. Das Selbstsein bedarf wesentlich der Kommunikation mit anderen Menschen. In der Kommunikation von Mensch zu Mensch realisiert sich Philosophie im „liebenden Kampf“, in dem Angriff und Rechtfertigung nicht dem Gewinn von Macht dienen, sondern Menschen sich gegenseitig nahe kommen und sich einander ausliefern. So erreicht man das „Innewerden des Seins“, die „Erhellung der Liebe“ und die „Vollendung der Ruhe“. In der Schrift Vernunft und Existenz (1935) führte Jaspers seinen Schlüsselbegriff „das Umgreifende“ ein, das sich in der Existenz des Menschen sowie in der Transzendenz des Ganzen der Welt widerspiegelt, ohne dass der Mensch es je in seiner Ganzheit erfassen kann. Jaspers unterschied als Weisen des Umgreifenden das Dasein, das Bewusstsein überhaupt, den Geist, die Existenz, die Transzendenz (Welt), Chiffren und als Verbindendes die Vernunft als Wille zur Einheit, als Bewegung ohne gesicherten Bestand, als grenzenlose Offenheit. Die Weisen des Umgreifenden sind nicht objektivierbar.
Wahrheit des Daseins ist nach Jaspers pragmatische Wahrheit, ist das, was im Leben nützt. Wahrheit des Bewusstseins überhaupt ist Wahrheit im Gegenständlichen der Wissenschaften, insbesondere in der Mathematik. Wahrheit im Geiste ist Erkenntnis der Idee. Existenzielle Wahrheit basiert auf Kommunikation mit dem Anderen und ist an das persönliche Vollziehen gebunden. Wie die verschiedenen Wahrheitsbegriffe zeigen, sind die Weisen des Umgreifenden nicht aufeinander reduzierbar und müssen im Sinne der Ganzheit jeweils vollzogen werden. Die Existenz des Menschen ist bestimmt durch die Freiheit, die sich weder beweisen noch widerlegen lässt, die aber den Menschen ständig in Entscheidungssituationen stellt und sich in dessen Lebenspraxis offenbart. Durch die Freiheit wählt der Mensch sich selbst. Zum Selbstsein gehört auch die Kommunikation in der Beziehung zum anderen. „Niemand kann allein selig werden.“ Auf dem Wege zu sich selbst stößt der Mensch auf Grenzsituationen. Er lernt, dass er mit den Fragwürdigkeiten der faktischen wissenschaftlichen Weltorientierung an den Abgrund des schlechthin Unbegreiflichen stößt. In Tod, Kampf, Leiden und Schuld zeigt sich die Ausweglosigkeit, ein Scheitern zu verhindern. Nur im Annehmen dieser Situation kann der Mensch zu seiner eigentlichen Existenz gelangen. Jaspers Philosophie ist häufig als irrational bezeichnet worden. Doch dies wird wiederum mit folgenden Argumenten bestritten. Einerseits hatte Jaspers durchgängig ein positives Verhältnis zu den Naturwissenschaften und der rationalen Philosophie. Im Gegenteil sprach er (aus erkenntnistheoretischer Sicht problematisch) den Wissenschaften ungeprüft fraglose Geltung zu (Rechenschaft und Ausblick). Andererseits ist seine Philosophie vom freien Individuum her gedacht, welches in Kommunikation mit anderen, eigene Ideen und Handlungsweisen für sich finden muss. Insofern war Jaspers zu keiner Zeit ein Ideologe, der für seine Philosophie die absolute Wahrheit beanspruchte. Seine Grundfrage nach dem Ganzen des Seins und der Erhellung der Existenz setzt dort ein, wo alle Fragen der wissenschaftlichen Erkenntnis und der Vernunft beantwortet sind und nicht mehr weiterhelfen. Seine Antworten sind keine metaphysische 'Spekulation', sondern zeigen die Offenheit der Entscheidung und der Verantwortung des Menschen in seiner Freiheit. Sein philosophischer Ansatz ist vorwärts gerichtet im Gegensatz zu dem Heideggers, dem er eine ontologische Fixierung auf die Existentialien vorhielt. Auch vom Nihilismus des Existenzialismus grenzt sich die Philosophie Jaspers’ ab, indem sie dem Einzelnen in der Existenzerhellung sein mögliches Selbstbewusstsein bewusst macht und ihn auffordert, in der Freiheit seine Verantwortung wahrzunehmen. Insbesondere die Vorstellungen des Ekels des Menschen vor sich selbst oder das Verdammtsein zur Freiheit bei Sartre sind Jaspers fremd, auch wenn in vielen Gedanken die Verwandtschaft zum Existentialismus zu finden ist. Freiheit ohne Bezug zur Transzendenz ist für ihn nicht möglich. ReligionÄhnlich wie zur Wissenschaft nahm Jaspers auch zur Religion eine eindeutige Abgrenzung vor. Er wendete sich unter anderem in Der Philosophische Glaube angesichts der Offenbarung (1962) vor allem gegen jeden Absolutheitsanspruch positiver Religionen. Das Bekennen, in Form einer absoluten Wahrheit, trenne die Menschen, öffne den Abgrund der Kommunikationslosigkeit und schränke die Wahrheit anderer ein. Jede Offenbarung sei bereits vom Menschen formulierte Endlichkeit. Der Offenbarungsglaube darf demnach verkündigen, aber nicht erwarten, dass die anderen seinem Glauben folgen. (S. 534) Er schloss die Identität der Transzendenz als „alles Umgreifenden“ mit Gott nicht aus, jedoch lehnte er den tradierten Gottesbegriff ab. „Wer gewiss weiß, was Gott sagt und will, macht Gott zu einem Wesen in der Welt, über das er verfügt, und ist damit auf dem Wege zum Aberglauben.“ (S. 136) Das Individuum ist verwiesen auf die philosophisch verstandene Ahnung der Transzendenz.
Philosophischer Glaube ist ohne Kult, ohne personifizierendes Gebet und ohne Glaubensgemeinschaft (siehe zu diesem Themenkreis auch die Natürliche Theologie) als philosophische Besinnung möglich. Für diese Art des Glaubens gibt es keine Sicherheit, er ist angewiesen auf das Innerste, wo „die Transzendenz sich fühlbar macht oder ihm (dem Menschen) ausbleibt.“ (S. 527)
Jaspers geht davon aus, dass auch im Offenbarungsglauben die Möglichkeit der menschlichen Freiheit besteht, obwohl er lange Zeit als Mittel der politischen Macht benutzt wurde und wird. Jedoch sind die Auferstehungsverheißungen des Offenbarungsglaubens etwas anderes als die Hoffnung auf die Wahrheit auf Grund der philosophischen Vernunft. (S.532) Die Verbindung zwischen philosophischem Glauben und Offenbarungsglauben besteht darin, dass es „dem, der auf der einen Seite steht, geschehen kann, den eigenen Glauben angesichts des anderen fragwürdig zu finden...“ (S. 534) Es gibt zwar keine Gleichzeitigkeit der beiden Denkweisen, jedoch die uneingeschränkte Achtung vor dem anderen Menschen. EthikJaspers lehnte eine explizite Ethik als Gehäuse von Weltbildern ab, weil er die individuelle Wahlfreiheit prinzipiell nicht eingeschränkt sehen wollte. Aber die Möglichkeit der menschlichen Selbstverwirklichung ist notwendige Bedingung zum eigentlichen Selbstsein, das den Leitfaden praktischen Handelns ausmacht. Die eigene Existenzerhellung erreiche man durch „innere Aneignung“, „Gelassenheit im Wissen“, „tiefe Heiterkeit“, „Offenheit gegen sich und andere“ und „Tapferkeit“ (Philosophie II. Grenzsituationen). Es ist die Vernunft, die den Weg zu der individuellen Selbstverwirklichung weist und die moralischen und politischen Einstellungen wie „Redlichkeit“, „Wahrhaftigkeit“, „Uneigennützigkeit“ oder „Verantwortungsbereitschaft“ zur Geltung bringt (insbes. in: Von der Wahrheit). Geschichte und WeltphilosophieWährend die Geschichtlichkeit des Menschen in seinem Selbstwerden für Jaspers schon immer ein Element des Grundverständnisses der menschlichen Existenz war, wendete er sich insbesondere nach 1945 immer mehr den Fragen der Philosophiegeschichte als konstituierendem Element einer Philosophia perennis (Aussagen über universal gültige Wahrheiten) zu, die jedoch niemals vollständig zu verwirklichen sei. Philosophie entsteht nicht aus der Reinheit selbständiger Anschauung, sondern immer schon durch – zumeist ungemerkte und ungeprüfte – Assimilation und Führung bereits bestehender Begriffe. Das Bewusstsein der Geschichtlichkeit ist eine Voraussetzung des existentiellen Philosophierens. Der Dialog, die Kommunikation mit den „großen“ Philosophen öffnet einen Raum des Philosophierens, in dem man über grundlegende Fragen in ein Gespräch kommt, das es ermöglicht, sich das Denken dieser herausragenden Personen der Philosophiegeschichte anzueignen und eigenes Denken zu entwickeln. Dabei kommt es nicht auf das historisierende Nacherzählen an, sondern auf den Bezug zur eigenen Existenz. Die Autorität der großen Werke ermöglicht das Wiederfinden des eigenen Ursprungs. So sind Jaspers Studien über die großen Philosophen keine historischen Arbeiten - das wird häufig kritisch angemerkt -, sondern philosophische Auseinandersetzungen im Rahmen einer Gesamtschau des jeweiligen Denkens. „Philosophie geht uns an als sie selber in ihrer Kraft, die durch die großen Philosophen zu uns gelangt, nicht als historisches Wissen von ihr.“ Historisch betrachtet sei die Philosophie lediglich ein Bericht über eine Kette von Irrtümern. Jaspers griff eine kleine Gruppe von „großen“ Philosophen heraus und bildete eine Rangfolge ihrer Bedeutung:
Es fehlen Aristoteles, Thomas und Leibniz, die nach Jaspers nicht ins Innerste der Philosophie führen und somit keine Verwandlung des „Selbstbewusstseins“ bewirken. Aus seiner Betrachtung dieser großen Philosophen heraus entwickelte Jaspers die Idee der Achsenzeit sowie des Ursprungs der Philosophie aus mindestens drei Quellen: China, Indien und Griechenland. Diese Einsicht sowie die sich durch Technik, insbesondere Verkehrstechnik der modernen Zeit, zu einer einheitlichen Gemeinschaft entwickelnde Weltsituation führte Jaspers zu der Idee einer Weltphilosophie, also einer sehr frühen Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Globalisierung.
Eine universale Kommunikation als erhellende existentielle Begegnung ist durch ein gestuftes Vorgehen möglich. Es umfasst:
Jaspers Philosophie ist Existenzphilosophie, Philosophie des Umgreifenden und zugleich noch mehr. Sie ist nicht Philosophie des Seins oder des Seienden, sondern Philosophie der Möglichkeit der Existenz, der Offenheit und Verantwortung, die aus der Geschichtlichkeit kommend als Weltphilosophie zugleich die Perspektive öffnet für eine interkulturelle Philosophie. Dabei hat Jaspers die Zuschreibung abgelehnt, er habe eine neue Philosophie entworfen. Er betonte stets, dass seine Philosophie nur das aufnehme, was sich aus der aktuellen Zeit als Weise der Philosophiegeschichte ergebe.
Jaspers – Heidegger – ArendtMartin Heidegger und Karl Jaspers standen sich als junge Akademiker verhältnismäßig nahe, da beide sich vom vorherrschenden Neukantianismus gelöst und den Begriff der Existenz des Individuums und die Abwesenheit einer sinnstiftenden höchsten Instanz in den Mittelpunkt ihrer Philosophie gestellt hatten. Kennen gelernt hatten sie sich auf einer Tagung im Jahr 1920 in Freiburg. Es folgten gegenseitige Besuche und ein reger Briefwechsel. Heidegger hatte Jaspers' Psychologie der Weltanschauungen in einer großen Rezension gewürdigt und war sehr vom diesen Werk beeinflußt. Da ihre Ausarbeitung des Seinsdenken aber doch sehr unterschiedlich war, hielt sich die fachliche Diskussion in Grenzen. Hannah Arendt promovierte 1926–1928 bei Jaspers. Ihre Freundschaft begann im Jahr 1932 und endete erst mit seinem Tod. Nach Heideggers berüchtigter Rektoratsrede 1933 brach der Kontakt zu Jaspers weitgehend ab. Nach Kriegsende wurde Jaspers aufgefordert, in Hinblick auf Heideggers Lehrbefugnis eine Stellungnahme zu dessen Wirken in der NS-Zeit abzugeben. Jaspers empfahl ein befristetes Lehrverbot, das nach Ablauf der Frist überprüft werden sollte. Er setzte sich gleichzeitig für eine Publikationserlaubnis ein. Das Heidegger daraufhin erteilte Lehrverbot endete am 26. September 1951. Seine frühere Freundschaft mit Heidegger wurde trotz Briefwechsels nicht wieder aufgenommen. Zwar hat Heidegger 1950 Jaspers gegenüber brieflich seine Scham über den Abbruch der Beziehung während der NS-Herrschaft eingestanden, dieser war jedoch nicht bereit, die frühere Vertrautheit wieder zu beleben. Die Distanz zum ehemals befreundeten Philosophen findet man im Briefwechsel mit Hannah Arendt, wo Jaspers schrieb: „Kann man als unreine Seele – d.h. als Seele, die ihre Unreinheit nicht spürt und nicht ständig daraus herausdrängt, sondern gedankenlos im Schmutz fortlebt, – kann man in Unaufrichtigkeit das Reinste sehen?“. Die bei Heidegger feststellbare Form sei Selbstinterpretation von Sein und Zeit, als ob er immer ein und dasselbe gewollt und getan habe. (1. September 1949). Hierauf antwortete Arendt: „Was Sie Unreinheit nennen, würde ich Charakterlosigkeit nennen.“ (29. September 1949) "Dein Eichmann-Buch lese ich ständig weiter. Es ist großartig für mich", schreibt Karl Jaspers am 2. November 1963 an Arendt. Kurz darauf beginnt Jaspers, seinen eigenen Text zu schreiben: ein Buch über Arendt und ihren Denkstil. Sein Buch über die Schülerin und Freundin bleibt unvollendet. In der unten genannten Ausstellung (Herbst 2006) werden seine erstaunlichen Fragmente erstmals sichtbar. Der politische SchriftstellerNoch vor Ende des Krieges hatte Jaspers in seinem Tagebuch notiert: „Wer es überlebt, dem muß eine Aufgabe bestimmt sein, für die er den Rest seines Lebens verzehren soll.“ Als praktische Handlungsanleitung seiner Philosophie sah Jaspers das Eintreten für die Freiheit, denn nur in Freiheit könne man wirklich zur Existenzerhellung gelangen. Jaspers zog für sich die Schlussfolgerung, zum politischen Leben künftig Stellung zu beziehen. Mit der Schrift Die Schuldfrage von 1946, zugleich seine erste Vorlesung an der mit seiner Unterstützung neu begründeten Universität von Heidelberg, machte er den ersten Schritt. Hier entwickelte er ein Verständnis von Schuld, das auch heute noch die politische Diskussion maßgeblich beeinflusst. Er unterschied dabei die kriminelle, die politische, die moralische und die metaphysische Schuld. Die erste zu verurteilen ist Sache der Gerichte, die zweite Sache des Siegers. Doch der moralischen Schuld kann sich niemand entziehen, auch wenn darüber nicht vor Gericht entschieden wird. Die Verantwortung bleibt. Nur der kann vergeben, dem Unrecht geschehen ist. Der späte Jaspers erkennt nunmehr die Existenz Gottes an. Dass der Mensch überhaupt schuldig werden kann, sei Sache Gottes. In die kollektive Verantwortung bezog er sich selbst, der doch unter dem Nationalsozialismus zu leiden hatte und existentiell bedroht war, mit ein:
Mit dieser Stellungnahme wandte sich Jaspers, sperrig wie schon oft, gegen den Zeitgeist des Verdrängens und forderte auch, dass jeder einzelne seine Verantwortung hinterfrage. Gleichzeitig wandte er sich gegen die These von der Kollektivschuld: „Es ist aber sinnwidrig, ein Volk als Ganzes eines Verbrechens zu beschuldigen. Verbrecher ist immer nur der einzelne. …Es ist auch sinnwidrig, ein Volk als Ganzes moralisch anzuklagen ... Moralisch kann immer nur der einzelne, nie ein Kollektiv beurteilt werden ... “ Er warnte weiterhin vor einem Aufrechnen mit jedwedem anderen politischen Unrecht. Auch in der Folgezeit nahm er immer wieder öffentlich Stellung zur politischen Situation. Gemeinsam mit Dolf Sternberger gab er von 1946 bis 1949 die Zeitschrift Die Wandlung heraus, in der prominente Autoren (Hannah Arendt, Bertolt Brecht, Martin Buber, Albert Camus, Thomas Mann, Jean-Paul Sartre, Carl Zuckmayer) zur geistig moralischen und zur politischen Erneuerung aufriefen. Sein Programm zur Modernisierung und vor allem Demokratisierung der Heidelberger Universitätsverfassung konnte Jaspers allerdings nicht durchsetzen. Viel Beachtung fand 1958 sein Buch Die Atombombe und die Zukunft des Menschen, in dem er sich gegen die Blockbildung und die Unterdrückung von Freiheit wandte. Angesichts der Bedrohung durch einen Nuklearkrieg sah Jaspers nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamte Menschheit in einer Grenzsituation. In seiner Rede Wahrheit, Freiheit und Friede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958, setzte sich Jaspers mit den Voraussetzungen für Frieden als Weltfrieden auseinander. Es könne keinen äußeren Frieden ohne den inneren Frieden der Staaten geben. "Der gewaltsame Kampf erlischt in der Kommunikation." Frieden gibt es demnach nur durch Freiheit, sowohl des Einzelnen als auch daraus folgend des Staates. Die Demokratie als Verfassungsform allein genüge nicht. Die Freiheit kann nach Jaspers allein aus der Wahrheit entstehen. Diese haben die Philosophen seit dem Altertum gesucht. Sie liege nicht vorrangig im Inhalt, sondern in der Art der Diskussion, in der "Denkungsart der Vernunft". Zwar lehnt er die marxistischen Regimes ab, sieht aber die "politisch freie Welt" nicht als wirklich frei an. Wichtig sei dort allein das Produzieren und Konsumieren, die Güter seien nicht haltbar, das Leben häufig leer und auf Prestige beruhend.Die Staatsmänner hätten die "Fühlung" mit dem Volk verloren. Das geschichtliche Wissen der Bevölkerung sei mangelhaft, daher hält er eine politische Bildung für erforderlich. "Unsere politische Freiheit ist nicht unser Verdienst, die Unfreiheit im Osten ist nicht Schuld der Deutschen dort...Beide Regimes haben ihren Grund im Willen der Besatzungsmächte." Das deutsche Selbstbewusstsein könne sich aufgrund der Vergangenheit nicht auf die politischen Verhältnisse beziehen, sondern liege, anders als beispielsweise in der Schweiz, "in der Gemeinschaft vorpolitischer Substanz, in der Sprache, im Geist und in der Heimat". Sehr kritisch aufgenommen wurde seine Schrift über Freiheit und Wiedervereinigung von 1960, in der er dafür eintrat, einen eigenen Staat in der DDR zu akzeptieren, wenn dadurch auch für diesen Teil Deutschlands die Freiheit hergestellt werden könnte. Nach einem entsprechenden Fernsehinterview wurde er als Vaterlandsverräter und Handlanger des Kommunismus beschimpft. Jaspers suchte dennoch weiter die Kontroverse. Er wohnte als Beobachter dem Auschwitz-Prozess bei und trat massiv gegen die damals diskutierte Verjährung von NS-Verbrechen ein. Vor allem erhob er 1966 mit dem Buch Wohin treibt die Bundesrepublik? Tatsachen – Gefahren – Chancen noch einmal warnend seine Stimme mit einer Absage an Machtpolitik und Parteienstaat. Er trat für eine Verfassungsänderung zugunsten mehr „direkter Demokratie“ ein. Die Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen, seien für das Volk sehr gering. Die Wahlen bezeichnete er als „Akklamation zur Parteienoligarchie“. Mit diesen Thesen geriet er in die Debatte um die damalige Große Koalition und den „Selbstverrat“ der SPD bei der Anerkennung der Notstandsgesetze. Kritik erhielt er dabei fast unbesehen aus der Politik von rechts und links in gleicher Weise, fand jedoch auch eine breite Zustimmung in der Öffentlichkeit. Werke
Aus dem Nachlass:
AusstellungKarl Jaspers: Das Buch Hannah Literaturmuseum der Moderne, Marbach. 28. September bis 26. November 2006 In Marburg lernen sich um 1930 neun junge Leute kennen, die zu den wichtigsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts zählen werden: Karl Löwith, Gerhard Krüger, Hans-Georg Gadamer, Leo Strauss, Hans Jonas, Erich Auerbach, Werner Krauss, Max Kommerell und Hannah Arendt. Mit Hans Saner und Richard Wolin: Tagung über diese Marburger Konstellation. [3] Literatur
| |
Wikiquote: Karl Jaspers – Zitate |
- Literatur von und über Karl Jaspers im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (Englisch, inkl. Literaturangaben)
- Tabellarische Biographie von Karl Jaspers beim DHM
- Zu Jaspers' Wirken an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg unter Franz Nissl.
- Die Österreichische Karl-Jaspers-Gesellschaft
Personendaten | |
---|---|
NAME | Jaspers, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph und Psychiater |
GEBURTSDATUM | 23. Februar 1883 |
GEBURTSORT | Oldenburg |
STERBEDATUM | 26. Februar 1969 |
STERBEORT | Basel |