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Karl Friedrich SchimperKarl Friedrich Schimper (* 15. Februar 1803 in Mannheim; † 21. Dezember 1867 in Schwetzingen) war ein deutscher Naturwissenschaftler, Botaniker, Geologe und Privatgelehrter. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „K.F. Schimp.“. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
LebenKarl Friedrich Schimper gehörte einer aus der Rheinpfalz stammenden Familie an, die vier bedeutende Botaniker hervorgebracht hat. Er war ein Vetter des Bryologen und Phytopaläontologen Wilhelm Philipp Schimper (1808-1880), dessen Sohn Andreas Franz Wilhelm Schimper (1856-1901) berühmter Pflanzengeograph war. Sein Bruder Wilhelm Schimper (1804-1878) war Naturwissenschaftler, der botanische Sammelreisen unter anderem nach Nordafrika unternahm. Schimper studierte ab 1822 zunächst Theologie, dann ab 1826 Medizin an der Universität Heidelberg, später in München. 1829 wurde er von der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen „in absentia“ zum Dr. med. promoviert. In Heidelberg schloss er Freundschaft mit dem Zoologen Louis Agassiz und den Botanikern Alexander Braun und Georg Engelmann. Schimper hat, von zwei Bänden Gedichten abgesehen, niemals ein Buch geschrieben. Seine bedeutendsten Entdeckungen in der Geologie, die Eiszeitlehre und die Lehre vom Faltenbau der Alpen hat er in zwei mit fliegender Feder hingeworfenen „Sendschreiben“ an Naturforscherversammlungen bekannt gegeben – oder er gab seine Erkenntnisse der „scientific community“ in Form von „Oden“ zum Besten. Darüber hinaus informierte er über seine Forschungen vor allem in Vorträgen und fand dabei die Unterstützung so berühmter Persönlichkeiten wie Friedrich Schelling und Lorenz Oken. In München zählten zu seinen Hörern unter anderen der Embryologe Ignaz Döllinger, der Arzt Johann Ringeis und die Botaniker Carl Friedrich Philipp Ritter von Martius, Joseph Gerhard Zuccarini und Otto Sendtner. WerkeIn seiner Münchener Zeit führte Schimper umfassende Untersuchungen über die Blattstellung bei Pflanzen durch, worüber er selbst nur in einer Abhandlung über Symphytum zeyheri einiges veröffentlicht hat. Ein angekündigter zweiter Teil über die Infloreszenzen erschien nie. Da sich Schimper selbst nicht dazu entschließen konnte, diese Arbeiten zusammenzuschreiben, veröffentlichte Alexander Braun drei Vorträge Schimpers über die Blattstellung, die dieser 1834 auf der Naturforscherversammlung in Stuttgart gehalten hatte, in der Zeitschrift Flora, wobei er ausdrücklich auf Schimpers Urheberschaft hinwies. Im Frühjahr 1840 wurde Schimper von Kronprinz Maximilian von Bayern mit der geologischen Untersuchung der Alpen beauftragt. Seine Forschungen führten ihn zu der grundlegenden Erkenntnis, dass die Alpen nicht, wie Leopold von Buch lehrte, durch eine plötzliche Erhebung von unten her entstanden sein könnten, sondern durch einen Horizontaldruck, welcher die schrumpfende Erde zu Falten aufstauchte. „Auf dem Deckel der 30.sten Kiste von Belegstücken“ schrieb Schimper einen Bericht über die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchungen und schickte diesen an die Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte, die im September 1840 in Erlangen tagte. Dort wurde das „Sendschreiben“ von Leopold von Buch verlesen und von diesem in Grund und Boden verdammt. Als fünfunddreißig Jahre später Eduard Suess genau die gleichen Gedanken entwickelte (und ausführlicher als Schimper begründete, nicht nur auf einem Deckel!), gewann dieser Ruhm und Ehre, denn der eigentliche Entdecker war inzwischen längst vergessen. Schimper lebte in seinen letzten Jahren als Privatgelehrter in Mannheim, später in Schwetzingen, wo er unermüdlich auf vielen naturkundlichen Gebieten weiter forschte. Eine kleine Pension, die ihm Großherzog Leopold von Baden gewährte, bewahrte ihn vor der Armut, in der er bis dahin gelebt hatte. Zur Entstehung der EiszeitlehreBereits in den Jahren 1835 bis 1836 hielt Schimper in München Vorträge über „Weltsommer und Weltwinter“, in denen er Vorstellungen über Klimaschwankungen und Zeiten der Vereisung entwickelte und unter anderem die Verschleppung erratischer Blöcke (so genannter Findlinge) ins Vorland der bayrischen Alpen auf die Zeit der „Weltwinter“ verlegte. 1836 nahm er auf der Versammlung der Schweizer Naturforscher in Solothurn teil, lernte dort unter anderem die Gletscherforscher Franz Joseph Hugi (1796-1855) und Johann von Charpentier (1786-1855) kennen. Nach Wanderungen durch den Jura und den Schwarzwald wohnte er vier Monate bei Charpentier in Bex im Kanton Waadt und konnte seine Vorstellungen weiter entwickeln. Vom Dezember 1836 bis Mai 1837 weilte er bei Agassiz in Neuenburg, suchte dort in der näheren und weiteren Umgebung der Stadt nach alten Gletscherspuren und entdeckte unter anderem bei Le Landeron am Bielersee die bald so berühmt gewordenen Gletscherschliffe am Jurakalk. Während Schimper am 15. Februar 1837, seinem Geburtstag, die von ihm gedichtete „Eiszeit-Ode“ verteilen ließ, hielt Agassiz gleichzeitig Vorträge über die Gedanken und Ergebnisse, die wesentlich auf Schimper zurückgingen. Die Eiszeit -Für Freunde abgedruckt am Geburtstag GALILEI'S, 1837- Mehr als der Leu dort oder der Elephant, Mehr als des Äffleins Fratzengesicht, woran Sich freut der Pöbel, während Denker Heimlich sich schämen des Mitgesellen: Mehr als die Vollzahl aller Geschöpfe selbst, Die Sammellust doch häuft, und der tiefe Sinn Des Forschers so geordnet, daß fast Unwiderstehlich der Geist sich kund gibt: Mehr als das Reich rings, fesseltest du den Sinn, Eisbär des Nordpols! Führst mich in Gegenden, Wo winterfroh du noch im Treibeis Wohnst und behaglich dich übst im Fischfang. Wohnst hingedrängt dort lange bereits, doch einst War deine Heimath näher bei uns! es war Vielleicht das Urland deiner Schöpfung, Winterbedeckt noch, das Herz Europas. Wohl war zuvor mild, milder als jetzt, die Welt: Weithin im Urwald hallte Gebrüll des Rinds, Mammuthe grasten still, in Mooren Wälzten sich lüsterne Pachydermen. Längst sind vertilgt sie, deren gebleicht Gebein Einhüllt das Fluthland, oder mit Haut und Fleisch Zugleich und frisch erhalten, ausspeit, Endlich erliegend das Eis des Nordens! Ureises Spätrest, älter als Alpen sind! Ureis von damals, als die Gewalt des Frosts Berghoch verschüttet selbst den Süden, Ebnen verhüllt so Gebirg als Meere! Wie stürzte Schneesturm, welche geraume Zeit, Endlos herab! wie, reiche Natur, begrubst Du lebenscheu dich, öd und trostlos! Aber es ging ja zuletzt vorüber! Tief aus dem Grund brach Alpengebirg hervor, Brach durch die Eiswucht, deren erstarrter Zug Unendlich trümmervoll mit Blöcken Seltsam geziert noch den Kamm des Jura. Wie stand sie hoch erst, deren Zusammensturz Dich schöner See Genfs, dich auch von Neuenburg, Als jener Vorzeit Wundersiegel, Einzig entzog der Geröllverschüttung! Denn als sie hinschmolz, als sich die Erde neu Sehnsüchtig aufthat, flutheten grauenvoll, Dem Guß und Sturz der Wasser weichend, Weg die Molassen als Löß ins Rheinthal! Deß Zeuge warst du, herrlicher Kaiserstuhl, Breisgaues Hochwart, sanfterer Sohn Vulcans! Neun Linden schmücken jetzt das Haupt dir, Schauend in spätere Paradiese. Noch aber lehnt am feuergekochten Fels Spätzeitger Flötzung, der sich zu Alpen hob, Die Schaar von Gletschern, deren Rückzug Zaudernd gereihet die Block-Moränen. Hoch ragt die Jungfrau, welche der Kindheit noch Stolz eingedenk stets weiße Gewänder trägt, So gut als kurz vor ihrer Ankunft Schwer sie getragen der Pathe Montblanc. Sie, sammt dem Heerzug, Brüder und Schwestern all, Wie stehn sie stumm da, hüllen sich ein in Eis! Denn lauter als sie alle sprichst du, Das sie bewohnt, o du kleines Schneehuhn! Als nach dem Ausbruch dieser Gewaltigen Hinsank des Frosts Reich, lebengeschwellte Natur Der aus sich selbst erwärmten Erde Kinder verlieh in erneuter Schöpfung: Damals gebar euch, Zaubern der Möglichkeit Rasch folgend Tellus, ward sich zuerst in euch, Die ihr jetzt wohnt im Eis des Poles, Wieder gewahr in der Macht des Lebens. Nicht hätte nachher euch sie gebracht, da voll Freihin der Strom floß derer die jetzo sind; Vorgänger seid ihr aller Andern, Athmetet sehnlich den ersten Frühling! Nahrung genug bot Fluthengewimmel schon, Neu hing am Fels auch freudiger Flechtenwuchs, Genügsam, wie das edle Renn, das Ahnte den Herrn, der es jetzt gezähmt hat! Ihr wicht! Erfüllung wurde gewährt, und ganz, Auf letzten Umsturz, siegte das Lebenreich; Im alten und im neuen Baustyl Wandelt das Volk der verjüngten Erde! Ihr wicht! Der Schauplatz wurde zu warm, und fern Wohnt ihr am Pol jetzt! Aber der Herrschende, Der dann zuletzt erschienen, kennt euch! Staunt der Geschichten, die ihr ihm kündet! Neuchatel den 15ten Februar 1837. Dr. K. F. Schimper.
Louis Agassiz begriff die Bedeutung der neuen Eiszeitlehre am besten. Er sprach so oft und so viel darüber, dass er bald als der eigentliche Begründer des Eiszeitgedankens gefeiert wurde und sich dies auch ruhig gefallen ließ. Schimper sah dies mit Zorn und wandte sich an den gemeinsamen Freund Alexander Braun mit der dringenden Bitte, ihm bei der Wahrung seiner Priorität beizustehen. Dieser lehnte eine Vermittlung zwar ab, aus seinem Schriftwechsel aus dieser Zeit geht jedoch eindeutig hervor, wen er für den Meister und wen für den Schüler hielt. Schimper blieb also nichts anderes übrig, als sich auf eigene Faust Genugtuung zu verschaffen – mit einer Ode!, die er 1840 veröffentlichte und in deren letzten Absatz er mit Agassiz, der „diebischen Elster“ (La pie agasse!) abrechnete.
Bruder des Zeus, Neptun, dreizackausreckender, und du Schmiedender Sohn, Vulkan, wollt ihr die Herrschaft der Welt ? Neptunisten dahier und Vulkanisten, die Losen, Schleichen sich, in Theorie! auf zu dem Adler am Fels. Aber es reicht schon noch, daß der Donnerer blitzt, und sie purzeln, Plutonisten sodann, nieder in tiefstes Geklüft. Wiederum gleich theoretisch gesprengt von den Meistern ist Alles, Pluto's Thor fährt auf vor der gedunsenen Kunst. Äolus, was kannst Du? sie tändeln mit ganzen Gebirgen, Aber es kommt zum Glück nun hilfreich Pallas Athene Die sie herunter hinauf treiben mit Brei von Granit. Scheucht das Gelichter und schafft Frieden und freien Verstand. Hungernde führt sie zum Koch, der die Speisen bereitet mit Feuer, Aber mit Wasser zugleich, wenn er das Rohe gekauft Lechzende lehrt sie zur Zeit klug meidend das Wasser und labt sie Besser mit Eis, das hoch fern im Gebirge gefror. Kindlichem Blick aufhelfend ersinnt sie ein anderes Beispiel, Zeigt mit Gebirgen bedeckt eine verhuzelte Birn.
Wiedergeboren befreit und besonnener finde die Neuzeit, Was schon die alte geahnt, künftige sicher besitzt. Runzeln beloben sie noch als strotzende Fülle der Jugend: Großes Geschlecht, das so ritterlich zart sich erweist! Das galileische Folter verübt an dem Sänger der Eiszeit, Oder mit Diebssinn ihn, Tiefes verflachend, bestahl, Während Aglastergeschwätz einer diebischen Elster die Menge Ehrlich und dumm und stumm oder beklatschend bestaunt Großes Geschlecht, dir bleibt auch Größeres immer zu klein noch: Auch die Entfernung ist groß zwischen dem Großen und dir! Man begreift, dass diese Schlussverse Agassiz nicht gerade lieblich in den Ohren klangen. Die Gelegenheit zur Retourkutsche fand sich, als er 1841 sein erstes Gletscherbuch in Druck gab. Weder im Kapitel über die Geschichte der Gletscherkunde noch sonst im Buch werden die Leistungen oder auch nur der Name Karl Friedrich Schimpers erwähnt. Der Totgeschwiegene kämpfte trotzdem weiter und schickte 1842 an die in Straßburg versammelten Naturforscher aufklärende Mitteilungen mit genauen chronologischen Angaben über die Geschichte seiner Entdeckung, die dann auch gedruckt wurden. Dies hat dem bald vierzigjährigen Privatgelehrten, der es im Gegensatz zum weltläufigen und erfolgreichen Agassiz, den sogar Alexander von Humboldt mit „mon cher ami“ anredete, nichts genutzt. Mit seinen Oden kam Schimper gegen ein vielgelesenes Buch, in dem seine Leistungen unterschlagen wurden, nicht an und so galt Agassiz in der geologischen Zunft Europas über ein halbes Jahrhundert unbestritten als der eigentliche Begründer der Eiszeitlehre. In den USA, dem späteren Wirkungsort von Agassiz wird dieser heute auch in der Fachwelt noch als genialer Entdecker der Eiszeit gefeiert. Literatur
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