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Jan Evangelista PurkyněJan Evangelista Purkyně (* 17. Dezember 1787 in Libochovice bei Leitmeritz; † 28. Juli 1869 in Prag) war ein böhmischer Physiologe. Unter der eingedeutschten Version seines Namens, Purkinje, sind diverse anatomische Strukturen des menschlichen Körpers, und auch der Biologie in die Nomenklatur eingegangen (siehe Punkt Eponyme). Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
FamilieEr war ältester Sohn des Beamten Josef Purkyně, der als Verwalter des dem Fürsten Dietrichstein zugehörigen Besitzes tätig war. Der Vater starb, als Purkyně sechs Jahre alt war. Seine Frau (geb. Safránek) stammte aus einer Bauernfamilie. Purkyně erwähnte sie später als seine erste Lehrerin für hauswirtschaftliche Anatomie und Physiologie. Sein Bruder Josef Heinrich (* 1793) wirkte als Professor der Land- und Wasserbaukunst am Polytechnischen Institut in Wien. 1827 heiratete Purkyně Julia (Rudolphi), Tochter des Berliner Physiologen Karl Asmund Rudolphi. Zwei Töchter starben während einer Choleraepidemie 1832, kurz darauf seine Mutter und seine Frau († 1834). Ausbildung und BerufIn den Jahren 1793 bis 1797 besuchte Purkyně eine rein tschechische Volksschule in seinem Heimatort. Anschließend schickte man ihn auf Empfehlung des Dorfschullehrers an das Piaristengymnasium nach Nikolsburg (Mähren), wo sich sowohl das Ordenszentrum, als auch die Verwaltung des Landbesitzes der Familie Dietrichstein befand. Da Purkyně gut singen konnte und sich auch für das Geigenspiel als talentiert erwies, erhielt er eine bezahlte Stelle als Chorsänger in der dortigen Kirche. Zunächst beherrschte er nur die tschechische Sprache, lernte aber bald die beiden wichtigsten Unterrichtssprachen (Latein und Griechisch). Nach Abschluss des Gymnasiums (1804) besaß er zwar eine glänzende Ausbildung, hatte aber praktisch mittellos kaum berufliche Perspektiven. Deshalb entschloss er sich in den Orden der Piaristen einzutreten (Ordensname: Silverius a sancto Joanne Evangelista). Als bester Novize seiner Gruppe beendete er 1805 die Ausbildung zum Ordenslehrer und wurde mit einem Lehrauftrag für die zweite Klasse des Gymnasiums betraut. Ein Jahr später sandte man ihn zur Vorbereitung seiner Ordination an einen Kolleg nach Ostböhmen, wo er sich nicht nur mit religiösen Aufgaben beschäftigte, sondern auch die französische und italienische Sprache erlernte. Er beherrschte insgesamt sechs Sprachen. Darüber hinaus machte er sich in der Ordensbibliothek mit der deutschen Philosophie vertraut (Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling), was dazu führte, dass er dem Orden schließlich kurz vor dem Gelöbnis den Rücken kehrte, um sich weiter ausbilden zu können. Nach einjährigem Philosophiestudium in Prag folgte von 1809 bis 1812 Hauslehrertätigkeit bei Franz Freiherr Hildprandt von Ottenhausen in Blatná. Danach begann Purkyně mit dem Studium der Medizin in Prag (1813–1818). Die Vorliebe für die Fächer Anatomie und Physiologie wurde vor allem durch den Anatomen Johann Georg Ilg (1771–1836) gefördert. 1818 promovierte Purkyně und arbeitete als Assistent der Anatomie und Physiologie (Prosektor), ohne Aussicht auf Festanstellung. Der preußische Heeressanitätschef Johann Nepomuk Rust setzte 1823 gegen den Widerstand der Medizinischen Fakultät Purkyněs Berufung nach Breslau als ordentlicher Professor der Physiologie und Pathologie durch. Die Habilitationsschrift behandelte wieder Probleme der Physiologie des Sehens. Im gleichen Jahr (wohl am 13. Dezember) traf Purkyně mit Johann Wolfgang von Goethe in Weimar zusammen, dessen Freundschaft er sehr schätzte. Nach dem Ankauf eines Mikroskops 1832 und mehreren Umzügen seines „Physiologischen Instituts“ gelang ihm 1839 die Einrichtung einer wirklichen experimentell-physiologischen Institution in einem ehemaligen Karzerraum der Universität. Die bahnbrechenden Dissertationen seiner Schüler (insgesamt 14 Arbeiten) waren vor 1839 größtenteils in Purkyněs Wohnung entstanden. Diese bescheidene physiologische Einrichtung genoss jedoch bald Weltruf, wurde als die Wiege der Histologie in Mitteleuropa bezeichnet. Im übrigen wohnte und arbeitete auch Johann Nepomuk Czermak im Haus Purkyněs (1847–1849). Im Oktober 1849 wurde Purkyně von Breslau nach Prag berufen, wo man ihm in der Errichtung eines Physiologischen Instituts entgegenkam (1851 eröffnet). Das Institut verfügte über vier große und vier kleine Mikroskope, Czermak arbeitete hier als Assistent (1850–1855). Nach 1853 ließ Purkinjes wissenschaftliche Produktivität merklich nach, da die Organisation des Prager Instituts, die Herausgabe der Zeitschrift Ziva (1853–1864) und nicht zuletzt sein Engagement in der national-tschechischen Bewegung viel Zeit verschlang. Als gewählter böhmischer Landtagsabgeordneter wurde er einer der Führer der Jungtschechen und vertrat vehement die Gründung einer böhmischen Universität. LeistungPurkyně veröffentlichte mehr als 80 eigene Beiträge in deutscher, tschechischer und polnischer Sprache, darunter befanden sich auch Übersetzungen von Schillers Lyrischen Dichtungen in die tschechische Sprache. Er erhielt im Laufe seines Lebens zahllose Ehrungen der gesamten wissenschaftlichen Welt im damaligen Europa und war Mitglied in mehr als 37 wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Gesellschaften. NaturwissenschaftIn Breslau erforschte Purkyně zunächst die Physiologie des Sehens sowie den Tast- und das Schwindelgefühl. Dann beschäftigte er sich mit dem Vogelei, pflanzlichen Keimzellen und mikroskopisch-histologischen Untersuchungen von Pflanzen. Experimentelle Pharmakologie und Psychologie, Phonetik, Embryologie und physikalische Anthropologie gehörten ebenfalls zu seinen Arbeitsgebieten. Er war Anhänger der Naturwissenschaft, deren Prinzipien auf Beobachtung und Experiment beruhten. Purkyně gilt als Entdecker des Augenleuchtens, welches das Beleuchtungsprinzip des Helmholtz-Augenspiegels darstellte. Am Breslauer Institut benutzte man erstmals ein Mikrotom und das Drummond-Kalklicht zur Darstellung mikroskopischer Bilder auf weißem Grund (Fixierung auf Daguerre-typischen Platten). Purkyně prägte auch den Begriff Protoplasma (1840). 1837 prägte er den Begriff Axencylinder, 1839 den Begriff Enchym (Kennzeichen der Drüsenfunktion). Neben zahlreichen Eponymen der Sinnesphysiologie verdankt auch die anatomische Nomenklatur Purkyně zahlreiche Begriffe:
Er entwarf auch einen Apparat (Phorolyt bzw. Kineziskop), der eine Serie von projizierten Bildern stehend oder bewegt darstellen konnte. Politik und KulturPurkyně war auch Vorkämpfer der Idee der kulturellen und politischen Eigenständigkeit des Slawentums („slawische Mission“ Purkinjes). Dies hatte vor allem mit dem Schicksal Polens zu tun, das im Zentrum der Interessenkonflikte der damaligen Großmächte lag (Preußen, Österreich-Ungarn, Russland). Er betrachtete beispielsweise Schlesien als slawisches Gebiet, ein Viertel der Bevölkerung dieses zu Preußen gehörenden Gebietes sprach Polnisch. Er propagierte die Annäherung der slawischen Stämme über die Schaffung einer gemeinsamen Sprache. Purkyně wurde wegen seiner Beziehungen zu den slawischen Nationalbewegungen (Tschechoslowakei, Polen) bei der Geheimpolizei in Prag und Wien unter der Rubrik „gefährlichstes Individuum“ geführt, nur seine Prominenz bewahrte ihn vor massiver staatlicher Repression. Zu seinen Ehren ist die 1991 gegründete Jan Evangelista Purkyně-Universität Ústí nad Labem nach ihm benannt worden. Eponyme
Werke
Literatur
Kategorien: Physiologe | Mediziner (19. Jahrhundert) |
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