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Informierte Einwilligung
Die rechtlich wirksame Einwilligung nach erfolgter Aufklärung oder die informierte Einwilligung, eine Wortschöpfung nach dem engl. Vorbildsbegriff informed consent, bezeichnet in der Medizin die von Information und Aufklärung getragene Einwilligung des Patienten in Eingriffe und ist aus wirtschaftlicher wie juristischer Sicht ein zentrales Thema der Arzthaftung. So wird in zahlreichen Haftpflichtfällen (auch) die Rüge unzureichender oder falscher ärztlicher Aufklärung erhoben, sie ist nach einem eingetretenen Schaden immer wieder auch alleinige Grundlage von Entschädigungsleistungen. In der Person des Patienten setzt sie die Einwilligungsfähigkeit voraus. Diese Einsichtsfähigkeit kann aber auch bei fehlender Geschäftsfähigkeit ausnahmsweise vorhanden sein (Dies spielt evtl. eine Rolle zwischen einer "betreuten Person" und ihrem rechtlichen Betreuer). In der Forschung am Menschen ist erst die Einwilligung nach erfolgter Aufklärung die qualifizierte Zustimmung, die gegeben wird, nachdem die Gegenseite (z.B. der Arzt, Therapeut, Experimentator) ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Die Idee des Informed consent hat auch Anwendung in verschiedenen anderen gesellschaftlichen Bereichen gefunden, wie im Verbraucherschutz und im Wissenschaftsrecht. Im angelsächsischen Recht ist der fehlende informed consent (im Sinne der fehlenden Einwilligungsfähigkeit) die Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung von sexuellen Handlungen mit Kindern. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Einwilligung in ärztliche EingriffeZwischen Arzt und Patient kommt durch Aufnahme der Behandlung ein Dienstvertrag zustande, kraft derer der Arzt seine Bemühungen um die Gesundheit des Patienten nach den Regeln der Heilkunst schuldet. Gleichzeitig erfüllt jede ärztliche Behandlung formal den Tatbestand einer Körperverletzung, definiert als „Verletzung der äußeren Integrität des menschlichen Körpers oder als Störung seiner inneren Lebensvorgänge“. Zu der vertraglichen Haftung tritt daher die deliktische Haftung nach § 823 BGB. Danach ist, „wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit ... eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Beide Haftungsgrundlagen begründen die Pflicht des Arztes, den Patienten über die Risiken der beabsichtigten Behandlung aufzuklären. Die anglo-amerikanische Literatur entwickelte hierfür den Begriff des informed consent. Schon 1914 urteilte Justice Cardozo: “Every human being of adult years and sound mind has the right to determine what shall be done with his own body.” (Zit. nach Joseph H. King, the Law of Medical Malpractice in a Nutshell, St. Paul, Minn., 2nd ed. 1986, p.130) Die Eingriffsaufklärung rechtfertigt den Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten und wird von anderen Informationspflichten getrennt, etwa von der Pflicht, dem Patienten Wesentliches zu seiner Behandlung mitzuteilen, und von der Sicherungsaufklärung, die den Erfolg der Therapie sichern soll (z.B. ist nach Sterilisationen die Patientin zu informieren, dass eine Versagerquote besteht und weitere Verhütung angezeigt ist). Während der Arzt im Streitfall seine Einwilligungsaufklärung belegen muss, müssen Fehler in der Sicherungsaufklärung durch den Patienten belegt werden. EingriffsaufklärungInhaltZunächst sind dem Patienten die medizinischen Tatsachen an die Hand zu geben, damit er sich für oder gegen die vorgesehene Maßnahme entscheiden kann. Ihm sind hierbei die wesentlichen Risiken darzustellen, die mit dem Eingriff nach der Erfahrung verbunden sind; die zu erwartenden Folgen eines Unterlassens sollen dargelegt werden, um ihm eine Wahlmöglichkeit zu eröffnen. Aus diesem Grund sind auch nach ärztlicher Prüfung in Frage kommende, echte Alternativen darzulegen und zu erläutern.
Zeitpunkt und FormDie Aufklärung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Patient die Möglichkeit hat, die Entscheidung ruhig, nach Beratung mit seinen Angehörigen oder evtl. weiteren (auch ärztlichen) Ratgebern zu treffen. Eine „Formaleinwilligung“ am Abend vor dem Eingriff genügt nicht. In der Praxis hat sich die Stufenaufklärung nach Weissauer durchgesetzt, die dem Patienten Grundinformation zum geplanten Eingriff gibt, und es ihm ermöglicht, Fragen zu formulieren oder auf weitere Information zu verzichten. Dies geschieht meist in vorgedruckten Aufklärungsbögen. Im persönlichen Aufklärungsgespräch werden auf Basis dieser Information die speziellen Risiken angesprochen und Fragen des Patienten erörtert. Dieses Gespräch kann an nachgeordnete Ärzte delegiert werden. Bei ausländischen Patienten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, stehen oft Familienangehörige als ausreichend sprachkundige Übersetzer zur Verfügung. Wo dies nicht der Fall ist, muss ein sprachkundiger Übersetzer zugezogen werden. Besondere Situationen
Es ist die Zustimmung beider Elternteile (soweit sorgeberechtigt) erforderlich; der Arzt kann aber regelmäßig auf die Mitteilung des erschienenen Elternteils vertrauen, zur Zustimmung für den anderen bevollmächtigt zu sein. Dies gilt jedenfalls bei Routineeingriffen leichterer Art ohne weitreichende Risiken. Andernfalls ist auch der nicht erschienene Elternteil zu beteiligen. Die vertretungsweise Fremdbestimmung der Eltern geht weniger weit als die Selbstbestimmung erwachsener Patienten: religiös oder weltanschaulich motivierte Ablehnung absolut indizierter Behandlungen ist unbeachtlich, gleichfalls die Wahl einer objektiv verfehlten Therapie. Bei widersprüchlichen Erklärungen der Eltern oder bevor ein von beiden Eltern abgelehnter, jedoch lebensnotwendiger Eingriff eingeleitet wird, muss im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten die Ersetzung der elterlichen Einwilligung durch das Vormundschaftsgericht beantragt werden; im Notfall kann der Arzt eine zweifelsfrei gebotene Maßnahme ausnahmsweise selbst verantworten.
Folgen fehlender EinwilligungWo die Einwilligung des informierten Patienten nicht vorliegt oder nachgewiesen werden kann, stellt sich die Frage, ob dieser Mangel kausal für den eingetretenen Schaden war. Dies fehlt generell, wenn die Aufklärung in nebensächlichen Teilen unvollständig war, sich aber ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklichte. Weiter begründet ein Aufklärungsmangel keine Haftung, wenn die Schadenfolge nicht auf die Eigenmächtigkeit zurückzuführen ist oder wenn ihr Unterlassen zu ähnlichen negativen Folgen geführt hätte. Der Arzt, der zu seiner Entlastung vorträgt, der Patient hätte bei einer Aufklärung jedenfalls zugestimmt, ist beweisbelastet dafür, dass ein vernünftig denkender Mensch der Behandlung zugestimmt hätte, während der Patient nur einen Entscheidungskonflikt plausibel vorzutragen hat. Nachweis der AufklärungDer Arzt kann seiner Beweislast durch seine Behandlungsunterlagen entsprechen. Der BGH lässt vor allem bei niedergelassenen Ärzten als Nachweis genügen, wenn in der Dokumentation die Tatsache der Aufklärung niedergelegt und der Arzt regelmäßige Aufklärungsgespräche etwa durch sein Personal beweist. Der BGH steht formularmäßiger Aufklärung skeptisch gegenüber, akzeptiert sie allerdings, wenn sie ausreichend speziell erfolgt und konkrete Risiken erwähnt sind. Sinnvoll und von der Rechtsprechung gefordert sind im klinischen Bereich auch entsprechende Dienstanweisungen. Der vollständig ausgefüllte und vom Patienten unterzeichnete Einwilligungsbogen erbringt zunächst den Beweis der Richtigkeit der Urkunde; er begründet die Vermutung, dass der Patient darin richtige Tatsachen bestätigt, also dass ein Aufklärungsgespräch geführt wurde, dass die explizit erwähnten Risiken erwähnt wurden und dass der Patient der Behandlung zustimmt: er spricht gegen Behauptungen nachträglicher Änderungen. Der Nachweis erstreckt sich aber nicht darauf, dass der Patient einen nicht vervollständigten aber unterschriebenen Bogen gelesen und verstanden hat. Häufig fehlt es an einer korrekten Vervollständigung der Einwilligungsbögen bezüglich essentieller Punkte (Angabe weitere Risiken, Zustimmung „mit weiteren Fragen“ oder „ohne“ sie, Bezeichnung der Operation). Den meisten Erfolg für die Absicherung des Arztes verspricht es, wenn in einer Aktennotiz über Gesprächsinhalt und -zeitpunkt festgehalten wird, dass jeder Schritt der Aufklärung stattgefunden hat. Auch die Aushändigung von Aufklärungsbögen, ihre Unterzeichnung oder der Grund ihrer evtl. neuerlichen Aushändigung und späten Unterzeichnung sollen gleichermaßen festgehalten werden. Darüber hinaus sollte die schriftliche Einwilligung des Patienten zu wesentlichen Aufklärungsschritten festgehalten werden, sei es in Einwilligungsformularen, sei es in der Dokumentation direkt. Siehe auch
Informed consent in der Debatte um den sexuellen MissbrauchDer Begriff Informed consent wurde in den 1980er Jahren maßgeblich vom amerikanischen Autor David Finkelhor als Begründung für eine generelle Ablehnung von Sex mit Kindern eingeführt. Er beschreibt, dass Kinder und teilweise Jugendliche zwar willentlich in sexuelle Handlungen einstimmen können, dabei aber nicht die Tragweite einer solchen Zustimmung überschauen. Demnach stimmten sie der Handlung nicht wissentlich (informiert) zu unabhängig davon, wem sie zustimmen. David Finkelhor fand damit ein sitten-moralisches Argument gegen sexuelle Handlungen mit und unter Kindern, das sich nicht auf eine Schadensvermutung stützt, für die er zum damaligen Zeitpunkt keine empirischen Belege sah. Im angelsächsischen Recht wird der Informed consent weitgehend als Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung von sexuellen Handlungen Erwachsener mit Kindern und von Kindern mit Kindern herangezogen. Als Kinder gelten dort häufig Personen bis zum 18. Lebensjahr. (In Deutschland gelten Personen ab 14 Jahren rechtlich als Jugendliche.) Juristisch gelten dort solche Handlungen auch wenn sie nach dem simple consent (willentliche Zustimmung) mit dem Einverständnis der Kinder erfolgten als statutory rape (Vergewaltigung kraft Gesetz) und werden so Handlungen gegen die willentliche Zustimmung (Vergewaltigung, Nötigung) gleich gesetzt. Für die juristische Betrachtung des Sex mit Kindern als sexueller Missbrauch hat der Informed consent in Deutschland keine Bedeutung (siehe § 176 StGB). Literatur
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