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Influenzavirus
Die drei Gattungen Influenzavirus innerhalb der Familie Orthomyxoviridae sind behüllte Viren mit einer einzelsträngigen, segmentierten RNA von negativer Polarität als Genom. Unter den Gattungen finden sich auch die Erreger der Influenza oder „echten“ Grippe. Zu medizinischen Aspekten der Influenzaviren und Grippe-Erkrankung siehe Influenza. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Aufbau
VirionDas virale Nukleokapsid, ein Komplex aus dem Genom des Virus und bestimmten Proteinen, besitzt helikale Symmetrie. Im Elektronenmikroskop sieht man alle Gattungen dieses Virus als kugelige oder auch vielgestaltige, behüllte Viruspartikel mit einem Durchmesser von 80-120 nm, in deren Hülle eine jeweils verschiedene Anzahl an Proteinen und Glykoproteinen eingelagert sind. Diese Glykoproteine ragen als 10-14 nm lange, Spikes oder Peplomere genannte Fortsätze über die Virusoberfläche hinaus. Bei den Influenza-A- und Influenza-B-Viren sind genau zwei Typen dieser Spikes für die Virologen von besonderem Interesse. Das sind das Hämagglutinin (HA) und die Neuraminidase (NA). Das Hämagglutinin bewirkt die Verklumpung von Erythrozyten und vermittelt bei der Infektion einer Wirtszelle die Anheftung und das Eindringen des Virus beziehungsweise des Virions. Dieses Ankoppeln geschieht durch eine Anlagerung eines kleinen Bereiches des HämagglutininMoleküls an spezielle Proteine, Salisinsäure (SA), der Wirtszellenhülle, die als Rezeptoren (SA-Rezeptoren) fungieren.[1] Jede unterschiedliche Hämagglutininvariante passt dabei wie ein Schlüssel in einen andersartigen besonderen Wirtszellenrezeptor als Schloss, wobei jeder Wirt nur über einen Teil aller möglichen Rezeptoren verfügt. Diese Tatsache ist auch der Grund dafür, dass bestimmte Subtypen oder Virusvarianten mit ihrem speziellen Hämagglutinintyp bestimmte Wirte leicht infizieren und dabei eine Erkrankung auslösen können und andere prinzipiell mögliche Wirte wiederum nicht oder nur sehr eingeschränkt. Durch Virusmutationen besonders in Hinblick auf mögliche Veränderungen des Hämagglutinins kann sich die Infektionsgefahr für den einen oder anderen potentiellen Wirt erheblich ändern. Allerdings können die Viren die HA-Bindungsstelle nicht beliebig verändern, da diese auch eine wichtige Funktion in ihrem Lebenszyklus besitzt.[1] Die Neuraminidase hat im Infektionsvorgang eine noch nicht abschließend geklärte enzymatische Funktion. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand spielt die Neuraminidase durch Zerstörung der N-Acetylneuraminsäure zellulärer Rezeptoren eine entscheidende Rolle bei der Freisetzung von durch die Replikation neu entstandenen Viren beziehungsweise Tochtervirionen aus den infizierten Zellen und damit einem Ausbreiten der Infektion sowohl innerhalb des selben Organismus wie auch ein Übergreifen der Infektion auf andere Organismen. Außerdem verhindert die Neuraminidase das Hämagglutinin-vermittelte Anheften der Tochtervirionen an bereits infizierte Zellen. Zugleich verhindert sie, dass in einer infizierten Zelle ein Zelltodprogramm gestartet werden kann und drosselt auch eine Bildung des Immunsystembotenstoffs Interferon und behindert damit eine Immunantwort des infizierten Organismus.[2] GenomDas Genom fast aller Influenzaviren besteht aus acht RNA-Segmenten negativer Polarität und diese acht RNA-Moleküle beinhalten die genetische Information, die für die Vermehrung und den Zusammenbau der Viruspartikel benötigt wird. Diese Segmentierung des Genoms ist auch für die erhebliche Steigerung der genetischen Veränderlichkeit (Variabilität) der Influenzaviren über eine hohe Mutationsfrequenz und die Fähigkeit zur genetischen Reassortierung verantwortlich. Die Segmente kodieren zehn virale Proteine: Hämagglutinin (HA), Neuraminidase (NA), Nukleoprotein (NP), die Matrixproteine (M1) und (M2), die Polymerase Proteine (PB1), (PB2) und (PA) und die Nichtstrukturproteine (NS1) und (NS2). Eines der acht Gensegmente enthält allein das NS-Gen, welches die beiden Nichtstrukturproteine (NS1) und (NS2) bildet. Ein Forscherteam um Clayton Naeve vom St. Jude Children's Hospital in Memphis, Tennessee - USA hat durch vergleichende Analysen der DNA-Sequenzen von Influenzaviren festgestellt, dass sich an einem Ende des NS-Gens ein Abschnitt befindet, der vermutlich mit über die Heftigkeit eines Infektionsverlaufs entscheidet. Änderungen in diesem Genabschnitt führen zu einer Variation in einem variablen Bereich auf dem NS1-Protein. Dieser variable Proteinbereich kann sich je nach Struktur mehr oder minder effektiv an sogenannte PDZ-Domänen (spezieller Teilbereich von Eiweißmolekülen in Zellen) binden und dadurch die Signalübermittlung in den Zellen unterschiedlich stark stören. Eine Störung der Signalübermittlung bewirkt dann eine Überstimulation des Immunsystems, bei der viele Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet werden. Der hiermit angesprochene Genomabschnitt ist demzufolge auch als einer der Orte anzusehen, bei denen eine Anpassung der verschiedenen Gattungen und Virussubtypen an ihre jeweiligen Reservoirwirte stattfindet oder schon stattgefunden hat. VermehrungDie Influenzaviren vermehren (replizieren) sich im Atemtrakt (Respirationstrakt) eines infizierten Individuums. Dort können sich bis zu 100.000 neue Influenzaviren in einer einzigen Wirtszelle bilden, bevor diese dann abstirbt und anschließend die freigesetzten Viren weitere Nachbarzellen infizieren. Diese produzieren dann ebenfalls im Schneeballsystem jeweils hunderttausende neue Viren. Dadurch erklärt sich auch die Schnelligkeit, mit der sich in der Regel diese virale Infektion im Körper eines Betroffenen ausbreitet. SystematikEs gibt drei verschiedene Gattungen dieser Viren, welche mit den Gattungen Thogotovirus und Isavirus alle zusammen zur Familie der Orthomyxoviren gehören.
In Fachkreisen wird jeder Virusstamm mit den Kennungen Typus, Ort der erstmaligen Isolierung (Virusanzucht), Isolierungsnummer, Isolierungsjahr (Beispiel: Influenza B/Shanghai/361/2002) und nur bei den A-Viren auch zusätzlich mit der Kennung des Oberflächenantigens benannt [Beispiel: Influenza A/California/7/2004 (H3N2)]. Variabilität und SubtypenAntigendriftEine Häufung von Punktmutationen in den Nukleotiden der beiden Glykoproteinen HA und NA führt zu einer Antigendrift. Dies führt zu einer Änderung ihrer Oberflächenantigene des Grippevirus. Menschliche Antikörper können immer nur eine solche Variante erkennen. Diese eher kleinen Veränderungen sind der Grund dafür, dass ein Mensch mehrmals in seinem Leben mit einer anderen nur geringfügig veränderten Virusvariante (Driftvariante) infiziert werden kann und dass sowohl Epidemien wie regional begrenzte Ausbrüche regelmäßig wiederkehren. Siehe auch: Antigenerbsünde Antigenshift bei DoppelinfektionWird ein Organismus gleichzeitig von zwei Virusvarianten infiziert (Doppelinfektion), kann es zu einer Neuzusammenstellung (zum Neuarrangement) unter den zweimal 8 Genomsegmenten der beteiligen Influenzaviren kommen, in dem einzelne oder mehrere RNA-Moleküle zwischen den Influenzaviren in einer doppelt infizierten Zelle ausgetauscht werden. Diesen Vorgang nennt man genetische Reassortierung, und er kann im Menschen, aber auch in anderen Wirten, wie beispielsweise bei Vögeln und Schweinen erfolgen. Die so verursachten größeren als Antigenshift bezeichnete Veränderungen in den viralen Oberflächenantigenen werden allein bei den Influenza A-Viren beobachtet (Shiftvarianten), allerdings kommen sie nur selten vor. Derartige Veränderungen können dann der Ursprung von Pandemien sein, von denen es im 20. Jahrhundert die von 1918-19 mit dem Subtyp H1N1, 1957 mit H2N2, 1968 mit H3N2 und die von 1977 mit dem Wiederauftauchen von H1N1 gab. Influenza-A-SubtypenIm Allgemeinen werden die Influenza-A-Viren in erster Linie nach bestimmten, deutlich unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften in Untertypen bzw. Subtypen eingeteilt. Dies geschieht nach dem Muster A/HxNx oder A/Land/HxNx/Probe. Bisher wurden bei ihnen insgesamt 16 H-Untertypen und 9 N-Untertypen erkannt. Die wichtigsten Oberflächenantigene beim Influenza-A-Virus sind die Hämagglutinine (H1, H2, H3, H5 seltener H7 und H9) und die Neuraminidase (N1, N2, seltener N7), und deshalb sind auch folgende Subtypen für den Menschen von besonderer Bedeutung: A/H1N1Sehr bekannter Subtyp der Humaninfluenza. Dieses Virus war der Auslöser der so genannten Spanischen Grippe von 1918 und konnte im Lungengewebe der Opfer nachgewiesen werden. Im Jahr 2005 gelang Jeffery Taubenberger eine Rekonstruktion des Erregers aus Genfragmenten. Dieser Virustyp kann aufgrund seiner Struktur besonders leicht in menschliche Körperzellen eindringen und sein Erbgut einschleusen. Ein erneuter weltweiter Ausbruch ereigente sich 1977 (so genannte Russische Grippe). [3] 2007 wurde durch Forscher des St. Jude Children's Hospital, Memphis (Tennessee), bekannt, dass ein nur 90 Aminosäuren großes Virusprotein mit der Bezeichnung PB1-F2 verantwortlich zu sein scheint für die ungewöhnlich hohe Letalität von A/H1N1 in den Jahren nach 1918. [4] Es bewirke besonders ausgeprägte Entzündungen bei den Infizierten. Testtiere erkrankten schon dann schwer, wenn nur ihre Nasenschleimhaut mit dem Protein in Berührung kam. Die heute noch kursierenden H1N1-Viren verfügen hingegen über ein verstümmeltes, nur 67 Aminosäuren umfassendes Protein: Dies sei die Folge davon, dass infolge einer Mutation ein Stopp-Signal ins PB1-F2-Gen eingefügt worden sei, so dass es nicht mehr vollständig abgelesen werde und das entstehende Protein daher minder pathogen sei. A/H2N2Bekannter Subtyp der Humaninfluenza. Weltweiter Ausbruch einer Pandemie 1957 als Asiatische Grippe. A/H3N2Sehr bekannter Subtyp der Humaninfluenza (Fujian Typ). Er ist in Europa und in den USA verbreitet. Weltweiter Ausbruch einer Pandemie 1968 als Hongkong-Grippe. A/H5N1Der Subtyp A/H5N1 ist einer von mehreren Auslösern der Geflügelpest. Trotz mehrerer Dutzend Übergänge auch auf den Menschen gehört dieser (HPAI, Highly Pathogenic Avian Influenza) Subtyp bisher nicht in die Reihe der Influenza-A-Viren, die beim Menschen eine Grippe auslösen können, da das Virus bislang allenfalls in sehr seltenen Einzelfällen von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Die WHO sieht jedoch derzeit noch keine große Gefahr darin, dass sich das Virus an den Menschen anpasst und dann zu einer Pandemie führt. Details zum Virus siehe unter Influenza A/H5N1 und zu seiner Ausbreitung unter Vogelgrippe. A/H7N7Dieser Subtyp gehört nicht in die Reihe der Influenza-A-Viren, die beim Menschen eine Grippe auslösen können. Zuletzt 2003 wurden in den Niederlanden auch 89 Infektionen von Menschen mit diesem (HPAI, Highly Pathogenic Avian Influenza) Subtyp bestätigt. Ein Fall verlief tödlich. Siehe Geflügelpest A/H9N2Dieser Subtyp gehört nicht in die Reihe der Influenza-A-Viren, die beim Menschen eine Grippe auslösen können und er wurde bislang auch beim Menschen nur in einer minder pathogenen Form (LPAI, Lowly Pathogenic Avian Influenza') von Peiris et al. (1999) isoliert und dokumentiert. Bei drei Fällen in Hongkong und China (1999, 2003) erholten sich die Patienten von dieser influenzaähnlichen Infektion. Siehe Geflügelpest Influenza-B-SubtypenDie Influenza-B-Viren werden in zwei Stamm-Linien eingeteilt
Influenza-C-SubtypenDie Unterschiede zwischen einzelnen Virusstämmen sind derart gering, dass hier bislang keine weitere Unterteilung vorgenommen wurde. UmweltstabilitätJe nach Temperatur ist die Umweltstabilität der Influenzaviren sehr unterschiedlich. Bei einer normalen sommerlichen Tagestemperatur von etwa 20 °C können an Oberflächen angetrocknete Viren in der Regel zwei bis acht Stunden überdauern. Bei 22 °C überstehen sie sowohl in Exkrementen wie auch in Geweben verstorbener Tiere und in Wasser mindestens vier Tage, bei einer Temperatur von 0 °C mehr als 30 Tage und im Eis sind sie nahezu unbegrenzt überlebensfähig. Oberhalb von 22 °C verringert sich allerdings die Umweltstabilität der Influenzaviren sehr deutlich. Bei 56 °C werden sie innerhalb von 3 Stunden und bei 60 °C innerhalb von 30 Minuten inaktiviert [5]. Ab 70 °C stirbt das Virus ab und verliert damit auch endgültig seine Infektiösität. VorkommenDie Influenzaviren und die durch sie ausgelösten Erkrankungen existieren weltweit, allerdings kommen im Gegensatz zu den anderen Virustypen die Influenza-C-Viren nur gelegentlich vor. Einzelnachweise
Kategorien: Viren, Viroide und Prionen | Meldepflichtiger Erreger |
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