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Hypothese der Nischenbegrenzung



Inhaltsverzeichnis

Mechanismen der Nischenbegrenzung und Nischenabgrenzung

Alle Arten besitzen begrenzte Nischen, und die Nischen aller Arten sind mehr oder weniger (oft mit erheblicher Überschneidung) voneinander getrennt, sei es durch die Benutzung verschiedener Habitate, unterschiedliche geographische Verbreitung, zeitliche Trennung, andersartige Futterquellen, um nur einige der vielen Nischendimensionen zu nennen. Eine wichtige Frage der evolutionären Ökologie ist die nach den Ursachen der Nischenbegrenzung und –abgrenzung.

Hintergrund

Es gibt zwei Paradigmen in der Ökologie, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Das erste Paradigma wiegt in der “klassischen” Ökologie vor. Es nimmt an, dass der “Nischenraum” mit Arten und Individuen weitgehend gesättigt ist, die in starkem zwischenartlichem Wettbewerb stehen. Nischen sind ihrzufolge begrenzt, weil “benachbarte” Arten, d.h. Arten mit ähnlichen ökologischen Charakteristika wie zum Beispiel ähnlichen Habitaten oder Futterpräferenzen, eine Ausdehnung in andere Nischen verhindern und sie sogar einengen. Dieser fortwährende “Kampf ums Dasein” ist eine wichtige Annahme der von Charles Darwin als Erklärung der Evolution eingeführten natürlichen Auslese

Das andere Paradigma (siehe Konzept der leeren ökologischen Nische ) vertritt die Ansicht (begründet durch viele umfangreiche empirische Untersuchungen und die theoretischen Untersuchungen vor allem von Kauffman 1993), [1] dass viele leere Nischen bestehen (z.B. Rohde 1980, 2005a,b) [2][3][4]. Ursachen für leere Nischen können evolutionäre Zufälle sein, aufgrund derer sich Arten für bestimmte Biotope nicht entwickelt haben, sowie kurzfristige oder langwährende Umweltänderungen

Beide Paradigmen stimmen in der Ansicht überein, dass Arten nie “universal” in dem Sinne sind, dass sie alle denkbaren Möglichkeiten nutzen, sie sind immer auf gewisse Nischen spezialisiert. So gibt es zum Beispiel keinen universalen Parasiten, der alle existierenden Wirtsarten und alle Mikrohabitate dieser Wirte befällt, obwohl der Grad der Wirts- und Mikrohabitatspezifität stark variiert: Toxoplasma gondii (Protista) befällt zahlreiche Wirbeltiere, den Menschen eingeschlossen, der Rundwurm Enterobius vermicularis befällt nur den Menschen.

Die folgenden Mechanismen für die Nischenbegrenzung und -abgrenzung wurden vorgeschlagen:

Nischenbegrenzung

  1. Arten müssen spezialisiert sein, um zu überleben, da sie unter günstigen Umweltverhältissen vielleicht längere Zeit in vielen nicht optimalen Nischen überleben können, jedoch keine Überlebenschance in suboptimalen Nischen haben, sobald sich die Umweltverhältnisse verschlechtern.[5]
  2. Nischen werden (als Ergebnis natürlicher Auslese) eng gehalten oder werden enger, um die Chancen der gegenseitigen Befruchtung zu erhöhen. Diese “Paarungshypothese der Nischenbegrenzung” (mating hypothesis of niche restriction) [6] wird gestützt durch die Beobachtung, dass Nischen asexueller Stadien oft weiter sind als die der geschlechtsreifen Stadien; dass sich Nischen während der Befruchtungszeit verengen; und dass die Mikrohabitate sessiler Arten oder von Arten mit kleinen Populationsgrößen oft enger als die von nicht-sessilen Arten oder von Arten mit großer Populationsdichte sind.

Nischenabgrenzung

  1. Die zufällige Besiedlung von Nischen im weitgehend leeren Nischenraum hat oft automatisch zur Folge, dass Nischen von denen anderer Arten getrennt sind (dieser Mechanismus ist besonders wichtig im zweiten Paradigma).
  2. Nischen sind von denen anderer Arten abgegrenzt durch zwischenartlichen Wettbewerb (dieser Mechanismus ist der Hauptmechanismus des ersten Paradigmas).
  3. Nischen ähnlicher Arten sind (als Ergebnis natürlicher Auslese) voneinander getrennt, um Hybridisierung zu vermeiden, da die Überlebenschancen von Hybriden herabgesetzt sind. (Viele Fälle der Nischenabgrenzung, die durch zwischenartlichen Wettbewerb erklärt worden sind, können besser erklärt werden durch diesen Mechanismus, den sogenannten Wallace-Effekt) [4]


Relative Bedeutung der Mechanismen

Obwohl beide oben angeführten Paradigmen die Rolle der meisten Mechanismen anerkennen (vielleicht mit Ausnahme der zufälligen Nischenauswahl im ersten Paradigma), gibt es deutliche Unterschiede in der Gewichtung dieser Mechanismen. Das erste Paradigma nimmt die überragende Bedeutung des zwischenartlichen Wettbewerbes an, während das zweite Paradigma viele der durch Wettbewerb erklärten Beispiele durch den Wallace-Effekt und durch zufällige Nischenauslese erklärt. - Viele Autoren sprechen dem zwischenartlichen Wettbewerb die größte Bedeutung für die Nischentrennung zu. Intuitiv wird man erwarten, dass der zwischenartliche Wettbewerb dann besonders wichtig ist, wenn sympatrische Arten mit großen Populationsdichten die gleichen begrenzenden Ressourcen benutzen und diese Ressourcen auch weitgehend erschöpfen. Andrewartha und Birch (1954, 1984) [7][8] und andere haben aber darauf hingewiesen, dass die meisten natürlichen Populationen nur selten einer “Erschöpfung” der Ressourcen nahekommen, und dass es falsch ist, dem zwischenartlichen Wettbewerb zu viel Bedeutung zuzumessen. Was die Möglichkeit anbetrifft, dass der Wettbewerb in der evolutionären Geschichte zur Nischentrennung geführt hat, so stellt Wiens (1984) [9][10]fest, dass sich derartige Annahmen nicht beweisen lassen. Connell (1980) [11] fand, dass zwischenartlicher Wettbewerb als Mechanismus der Nischentrennung nur für wenige Pestinsekten nachgewiesen worden ist, und Barker (1983) [12] stellt fest, dass für Drosophila und verwandte Gattungen, die wohl zu den am besten untersuchten Tiergruppen gehören, die Idee der Nischentrennung durch zwischenartlichen Wettbewerb zwar attraktiv ist, dass jedoch keine der sich mit Nischentrennung befassenden Untersuchungen einen Mechanismus für die Nischentrennung nachweisen konnten. Es kann ohne spezifische Beweise nie ausgeschlossen werden, dass Nischentrennung auf evolutionären Zufällen beruht, und Annahme solcher Zufälle sollte als Null-Modell in jeder Beweisführung dienen. - Zahlreiche morphologische und physiologische Unterschiede, sowie Unterschiede im Verhalten verwandter Arten können die Hybridisierung verwandter Arten verhindern. Eine Erklärung der Nischentrennung durch den Wallace-Effekt überzeugt besonders dann, wenn solche Unterschiede nur in sympatrischen, jefoch nicht in allopatrischen Lokalitâten auftreten. Kawano (2002) )[13] hat dies zum Beispiel für Riesennashornkäfer in Südostasien gezeigt. Zwei nahe verwandte Arten kommen in 12 allopatrischen und 7 sympatrischen Lokalitäten vor. In den ersteren sind Körperlänge und Länge der Genitalien praktisch gleich, in den letzteren sind sie signifikant verschieden, und zwar bedeutend stärker für die Genitalien als die Körperlänge, -Gründliche Untersuchungen an Monogenea, die die Kiemen von Meeres- und Süßwasserfischen befallen, haben das gleiche gezeigt. Arten kommen in genau lokalisierten Mikrohabitaten vor und sie besitzen sehr komplexe Kopulationsorgane. Dies und die Tatsache, dass es eine praktisch unbegrenzte Zahl von Wirtsreplikaten gibt, machen sie gut als als ökologische Modelle geeignet. Viele Arten gehören zur gleichen Gattung, d.h. sie sind congenerisch. Die maximale Zahl congenerischer Arten auf einem Fisch war neun. Der einzige begrenzende Faktor ist Raum zum Anheften. Nahrung (Blut, Schleim und schnell regenerierende epitheliale Zellen) ist praktisch unbegrenzt vorhanden, solange ein Fisch noch lebt. Verschiedene Forscher haben übereinstimmend mit verschiedenen statistischen Methoden, gezeigt, dass Arten mit verschiedenen Kopulationsorganen in den gleichen Mikrihabitaten vorkommen können. Arten mit identischen oder sehr ähnlichen Kopulationsorganen sind immer räumlich getrennt. Dies zeigt eindeutig, dass nicht zwischenartlicher Wettbewerb sondern der Wallace-Effekt für die Trennung verantwortlich ist.[14][15][16][17][18][19]. – Schließlich haben Computermodelle gezeigt, dass der Ausgang des zwischenartlichen Wettbewerbes oft völlig unbestimmt ist, was seine evolutionäre Bedeutung unwahrscheinlicher macht.

Für eine ausführliche Diskussion, vor allem auch der Bedeutung des zwischenartlichen Wettbewerbes und des Wallace-Effekts, sei auf Rohde (2005) [4] verwiesen.

Literatur

  1. Kauffman, S.A. 1993. The origins of order. Self-organization and selection in evolution. Oxford University Press, New York Oxford.
  2. Rohde, K. 1980. Warum sind ökologische Nischen begrenzt? Zwischenartlicher Antagonismus oder innerartlicher Zusammenhalt? Naturwissenschaftliche Rundschau, 33, 98-102.
  3. Rohde, K. 2005a. Eine neue Ökologie. Aktuelle Probleme der evolutionären Ökologie. Naturwissenschaftliche Rundschau, 58, 420-426.
  4. a b c K. Rohde: Nonequilibrium Ecology, Cambridge University Press, Cambridge, 2005b, 223 pp. auf http://www.cambridge.org/9780521674553
  5. Price, P. W. 1983. Communities of specialists: vacant niches in ecological and evolutionary time. In Strong, D., Simberloff, D. and Abele, L. Eds.. Ecological Communities: Conceptual Issues and the Evidence. Princeton University Press, Princeton, N.J.
  6. Rohde, K. 1977. A non-competitive mechanism responsible for restricting niches. Zoologischer Anzeiger 199, 164-172.
  7. Andrewartha,H.G. and Birch, L.C. 1954. The distribution and abundance of animals. University of Chicago Press, Chicago.
  8. Andrewartha, H.G. and Birch, L.C. 1984. The ecological web. University of Chicago Press. Chicago and London.
  9. Wiens, J.A. 1974. Habitat heterogeneity and avian community structure in North American grasslands. American Midland Naturalist 91,195-213.
  10. Wiens, J.A. 1984. Resource systems, populations, and communities. In: Price, P.W., Slobodchikoff, C.N. and Gaud, W.S. Eds. A new ecology. Novel approaches to interactive systems. John Wiley & Sons, New York, Chichester, Brisbane, Toronto, Singapore, pp. 397-436.
  11. Connell, J.H. 1980. Diversity and the coevolution of competitors, or the ghost of competition past. Oikos 35, 131-138.
  12. Barker, J.S.F. 1983. Interspecific competition. In: Ashburner, M., Carson, H.L. and Thompson, jr., J.N. Ed. The genetics and biology of Drosophila. Academic Press, London, pp. 285-341.
  13. Kawano, K. 2002. Character displacement in giant rhinoceros beetles. American Naturalist 159, 255-271.
  14. Rohde, K. 1991. Intra- and interspecific interactions in low density populations in resource-rich habitats. Oikos 60, 91-104.
  15. Rohde, K. 1994. Niche restriction in parasites: proximate and ultimate causes. Parasitology 109, S69-S84.
  16. Simkova, A., Desdevises,Y.,Gelnar,M. and Morand, S. (2000). Co-existence of nine gill ectoparasites (Dactylogyus: Monogenea) parasitising the roach Rutilus rutilus ( L.): history and present ecology. International Journal for Parasitology 30, 1077-1088.
  17. Simkova, A., Gelnar, M. and Morand, S. (2001). Order and disorder in ectoparasite communities: the case of congeneric gill monogeneans (Dactylogyrus spp.). International Journal for Parasitology 31, 1205-1210.
  18. Simkova, A., Gelnar, M. and Sasal, P. (2001). Aggregation of congeneric parasites (Monogenea: Dactylogyrus). Parasitology 123, 599-607.
  19. Simkova, A., Desdevises,Y., Gelnar,M. and Morand, S. 2001. Morphometric correlates of host specificity in Dactylogyrus species (Monogenea) parasites of European Cyprinid fish. Parasitology 123, 169-177.
 
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