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Holistische Sprachgenesetheorie



Die Holistische Sprachgenesetheorie, auch bekannt als complexity-before-simplicity-approach, ist eine Theorie zur evolutionären Entstehung der menschlichen Sprache.

Sie wurde 1922 von Otto Jespersen begründet und geht im Gegensatz zu den bis dahin existenten Sprachgenesetheorien davon aus, dass Sprache ursprünglich kein erkennbares grammatisches System oder Morpheme besaß, also die für die heutige menschliche Sprache typische Kompositionalität fehlte.

Statt dessen wird angenommen, dass Sprache ursprünglich aus Äußerungen bestand, die eine komplette Situation erfassen, etwa "Kommt lasst uns Mammuts jagen". Diese Äußerung ließe dann nicht darauf schließen, dass die Äußerung für "Kommt, lasst uns Antilopen jagen" in irgendeiner Weise ähnliche Komponenten enthält. Beide Äußerungen sind dieser Sprachtheorie zufolge vollkommen eigen und nicht in kleinere Einheiten auflösbar.

Jespersen geht davon aus, dass es sich bei der frühen menschlichen Protosprache um Gesänge handelt, die im Laufe der Zeit Bedeutungskomponenten erhielten, die immer ausgefeilter wurde. Durch Assoziation bestimmter Gesänge mit ihren Singern oder mit Orten u.ä. entstehen daraus die Eigennamen als erste Wortkategorie, weiter Onomatopoetika und schließlich durch Übertragungen, Lautverschiebungen und andere Wandelprozesse sowohl der Umgebung als auch der Sprache vollkommen abstrakte Begriffe.

Ein anderer holistischer Ansatz wird von der amerikanischen Linguistin Alison Wray vertreten: Demnach blieben die holistischen Äußerungen (ob als Worte oder Gesänge bleibt ungenannt und ist unerheblich) lange erhalten und verhinderten durch ihre Präsenz die Entstehung echter Worte, da diese zu spezifisch waren und daher nicht tradiert wurden.
Stattdessen entwickelten sich erst spät systematische Strukturen in der Sprache, die zuerst nur sehr allgemeine Begriffe (vermutlich Verben) ausdrücken konnten. Da das holistische System in sich geschlossen war dauerte es sehr lange, bis der Mensch es durch systematische Sprache ersetzte. Dieses System hat den großen Vorteil, zu erklären warum die menschliche Zivilisation erst so spät in der biologischen Geschichte des Homo sapiens auftrat bzw. warum es mit dem Beginn der Sesshaftigkeit zu einem plötzlichen Fortschritt der menschlichen Evolution kam. Dies kann allerdings auch mit dem Phänomen der Sesshaftigkeit selber und vielen anderen Ansätzen erklärt werden. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Sprache eine elementare Rolle in der Begründung der historischen Zivilisation spielt.
Wray begründet die Entstehung einer holistischen Sprache mit der Beobachtung holistischer Äußerungen bei Primaten, bleibt aber einen Nachweis der Holistizität primatischer Kommunikationssysteme schuldig.

Den holistischen Sprachgenesetheorien stehen die konstruktivistischen Sprachgenesetheorien gegenüber.

siehe auch: Evolution der Sprache

Literatur

  • Jespersen: Language: Its Nature, Development, and Origin. 1922 ISBN 0044000073
  • Wray: Protolanguage as a holistic system for social interaction. in: Language and Communication, 18(1). 1998:47-67.
 
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