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Heilpflanze



  Eine Heilpflanze (oder Arzneipflanze) ist eine Pflanze, die wegen ihres Gehalts an Wirkstoffen zu Heilzwecken oder zur Linderung von Krankheiten verwendet werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsklärung

In der Heilpflanzenkunde (Phytopharmakognosie) unterscheidet man:

  • Heilpflanze, eine Pflanze, die für medizinische Zwecke verwendet werden kann
  • Pflanzliche Droge, eine Arznei aus rohen oder zubereiteten Pflanzenteilen
  • Phytopharmakon, ein Arzneimittel, das aus einer Heilpflanze gewonnen wird
  • Phytogener Arzneistoff, ein Stoff als medizinisch wirksame Substanz einer Heilpflanze

Heilpflanze ist dabei ein relativer Begriff, der nur nach der Verwendung ungeachtet der botanischen Zugehörigkeit oder der Wuchsform verwendet wird. Jede Pflanze, für die der pharmazeutischen Biologie eine entsprechende Anwendung als Medikament bekannt ist, kann als Heilpflanze bezeichnet werden. Dabei kann es sich bei Drogen aus Heilpflanzen auch um deren Teile frisch oder getrocknet, in Form von Extrakten, Dekokten, Mazerationen usw. handeln.

Heilpflanzen sind im ursprünglichen Sinne Drogenpflanzen. Dieser Begriff wird heute aber auch für Pflanzen verwendet, die von Enthusiasten illegal angebaut werden – wie etwa der Schlafmohn, aus dem das schmerzstillende, wohltuende Opium gewonnen wird. Giftpflanzen ist ein weiteres Synonym für Heilpflanzen.

„All Ding’ sind Gift und nichts ohn’ Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“

Paracelsus

Die Ansicht, Heilpflanzen seien harmlos und pflanzliche Mittel seien grundsätzlich „milde Präparate“, ist auch aus einem anderen Grund nicht richtig: So können die oft neben anderen Medikamenten eingenommenen pflanzlichen Präparate zu schädlichen Wechselwirkungen führen.

Manche Pflanzen, die ursprünglich wichtige Heilkräuter waren, werden heute zu den Genussmitteln gezählt (etwa Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.), oder schlicht als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte).

Geschichte

Der Erfahrungsschatz über den Umgang mit Drogenpflanzen dürfte mit zu den frühesten Erkenntnissen oraler Tradition gehören. Alle in den letzten 200 Jahren aufgefundenen und erforschten oder wenigstens beschriebenen Stämme von Jägern und Sammlern wenden bei medizinischen Problemen auch Pflanzen zu Heilung an.

Der Mann vom Hauslabjoch[1], allgemein bekannt als Ötzi, eine etwa 5300 Jahre alte Gletschermumie aus der ausgehenden Jungsteinzeit (Neolithikum) bzw. der Kupferzeit (Eneolithikum, Chalkolithikum), die beim Tisenjoch nahe dem Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen oberhalb des Niederjochferner in 3210 m Höhe gefunden wurde, führte Birkenporlinge vermutlich als Heilmittel mit sich.

Die Nutzung von Pflanzen mit der Absicht der Heilung lässt sich bereits in frühesten Schichten babylonischer, altägyptischer, -indischer (Hymnen des Rig Veda) oder -chinesischer Texte nachweisen, aber auch der ausdrückliche Anbau von Heilkräutern. Das bekannteste Zeugnis dieser ältesten Aufzeichnungen medizinischer Bemühungen mit zahlreichen Beispielen für Heilpflanzen und deren Anwendung ist das Papyrus Ebers das im letzten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts vor Christus des alten Ägypten verfasst wurde.

Dioskurides beschrieb im 1. Jahrhundert zahlreiche Heilpflanzen und deren Anwendungen. Der Zusammenhang zwischen Nahrung und Arznei wurde insbesondere in der orientalischen Heilkunst schon früh erkannt, und dementsprechend finden sich zahlreiche Hinweise in den Medizinbüchern des Orients, etwa bei Ibn Sina (Avicenna) um 1000 n. Chr. Der Arzt und Botaniker Abu Muhammad Ibn al-Baitar beschrieb um 1230 im „Kitab al-gami“ über 1400 pflanzliche Heilmittel und ihre Rezepturen. Leonhard Fuchs veröffentlichte 1543 mit dem „New Kreüterbuch“ eines der wichtigsten Kräuterbücher in deutscher Sprache, das zahlreiche Arzneipflanzen abbildet und ihre Wirkung beschreibt.

Zu den Wegbereitern der modernen Phytotherapie gehören auch die Bücher des Schweizer Kräuterpfarrers Johann Künzle. Heute werden Heilpflanzen im Rahmen der Phytotherapie verwendet, in manchen europäischen Ländern sowie den USA spielen sie durch das Aufkommen von chemisch synthetisierten und definierten Wirkstoffen nur eine geringe Rolle.

Andererseits ist die pharmazeutische Industrie und die Pharmakologie zu der Erkenntnis gelangt, dass die Gesamtheit der sekundären Pflanzenstoffe ein schier unerschöpfliches Reservoir für neue, hochpotente Medikamente darstellt. Gerade die kaum erforschte und katalogisierte Flora der tropischen Urwälder und die in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sowie der indischen Medizin Ayurveda verwendeten Pflanzen bergen in dieser Hinsicht ein nicht zu vernachlässigendes Potenzial.

Während das Sammeln von Heilkräutern in früheren Zeiten Grundbestandteil einer Subsistenzwirtschaft war, wird weltweit bis heute insbesondere in wirtschaftlich schlechter Lage auf die Verwendung von Heilpflanzen als Arzneimittel zurückgegriffen. Auch die Bewegung des biologischen Landbaus hat Heilkräuter wieder populär gemacht.

Heilpflanzen für den pharmazeutischen Bedarf in Apotheken werden unter möglichst kontrollierten Bedingungen angebaut. Sie werden aber auch wild wachsend gesammelt oder im Hausgarten angepflanzt, um als Hausmittel vorbeugend oder bei Krankheiten zur Verfügung zu stehen. Die gebräuchlichste Verwendungsform ist wohl der Heiltee.

Wirkung

Eine ganze Reihe von wirksamen Medikamenten stammt aus Pflanzen oder wurde aus pflanzlichen Stoffen weiterentwickelt. Diese genau untersuchten und als reiner Stoff dargestellten Pflanzeninhaltsstoffe werden von der Medizin benutzt, da ihre medizinische Wirksamkeit nachgewiesen ist.

Das Pflanzenreich besitzt extrem starke Gifte, die in entsprechenden Verdünnungen und teilweise als chemisch veredelte Stoffe insbesondere bei Herzbeschwerden und als Narkotika in der evidenzbasierten Medizin Verwendung finden, beispielsweise der Rote Fingerhut mit seinen Herzglykosiden sowie der Schlafmohn beziehungsweise dessen Opiate. Zu großen Teilen werden Pflanzen auch als unterstützende Therapeutika eingesetzt.

Ein Problem bezüglich der Wirkung von Heilpflanzen ist, dass sie zumeist eine Vielzahl von Stoffen enthalten, die unterschiedliche, auch entgegengesetzte, Effekte haben können. So kann ein und dieselbe Pflanze durchaus sowohl „krebsvorbeugende“ als auch kanzerogene chemische Verbindungen produzieren. Ein weiterer Nachteil gegenüber synthetisch hergestellten Medikamenten ist, dass der Wirkstoffgehalt aufgrund klimatischer, regionaler und verarbeitungsbedingter Umstände schwer zu standardisieren ist. So gibt es mitunter zwischen verschiedenen Herstellern und auch einzelnen Chargen eines Produktes starke Schwankungen in Dosis und Galenik. (Pflanzen)Drogen die in Apotheken erhältlich sind, müssen allerdings den strengen Bestimmungen des jeweiligen staatlichen Arzneibuches (Deutsches Arzneibuch - DAB, Österreichisches Arzneibuch - ÖAB, ...) entsprechen. Ihr Gehalt an Wirkstoffen ist also sichergestellt.

Dementsprechend bemühen sich die Züchter oft, soweit der oder die Wirkstoffe einer Heilpflanze bekannt sind, auf einen hohen Wirkstoffgehalt hin zu züchten. Für eine Reihe von pflanzlichen Medikamenten sind Mindestwirkstoffgehalte oder Bandbreiten vorgeschrieben oder vom Hersteller garantiert. (Zum Beispiel für ein Kamillekonzentrat: normiert auf 50 mg Levomenol, standardisiert auf 150-300 mg ätherisches Öl und 150-300 mg Apigenin-7-glucosid je 100 g Auszug.)

Einige traditionelle Heilpflanzen sind wegen erkannter schwerer Nebenwirkungen aus dem Arzneibuch ausgeschieden worden. Viele sind wirkungslos. Einige wirken, sind aber durch besser wirksame synthetische Medikamente überholt. Teilweise kann auf sie aber bei individueller Unverträglichkeit des synthetischen Medikaments zurückgegriffen werden. Bei vielen ist Wirksamkeit noch nicht untersucht, weil niemand ein kommerzielles Interesse daran hat und auch staatlich alimentierte Forscher vielfach ohne zusätzlichen Anreiz durch Geldzahlungen der Pharmabranche nicht forschen.

Bei einigen Heilpflanzen liegen aber inzwischen durch einwandfreie wissenschaftliche Studien Nachweise über Heilwirkungen bei guter Verträglichkeit vor. (Vgl. die Artikel zu den einzelnen Pflanzen.)

Beispiele für gängige Heilpflanzen

Eine vollständigere Aufzählung der Heilpflanzen findet man unter Liste der Heilpflanzen bzw. Nutzpflanzen.

Bezeichnungen für die jeweils wirksamen Teile der Pflanze

Mit bekannten Beispielen:

Cortex (Rinde)
Chinarinde (Cortex chinae), Eichenrinde (Quercus cortex), Faulbaumrinde (Cortex frangulae), Seifenrinde (Cortex quillaiae), Weidenrinde (Salicis cortex), Zimtrinde (Cortex Cinnamomi)
Flos (Blüte)
Lindenblüte (Flos tiliae), Kamillenblüte (Matricariae flos, Flos chamomillae), Heublumen, Grasblüten (Graminis flos), Holunderblüte (Flores sambuci)
Folium (Blätter)
Erdbeerblatt (Folium fragariae), Spitzwegerich (Folium plantaginis), Salbeiblatt (Folium salviae)
Fructus (Früchte)
Kümmel (Fructus carvi), Fenchel (Fructus foeniculi), Hagebutte (Fructus cynosbati), Wacholderbeere (Fructus juniperi)
Herba (Kraut)
Brennnessel (Herba urticae), Tausendgüldenkraut (Herba centauri), Wermut (Herba absinthii), Zinnkraut (Schachtelhalm) (Herba equiseti)
Radix (Wurzel)
Baldrianwurzel (Radix valerianae), Gelber Enzian (Radix Gentianae), Ginseng (Ginseng radix)
Rhizoma (Wurzelstock)
Ingwer (Zingiberis rhizoma), Nieswurz (Hellebori rhizoma), Veilchenwurzel, ungeschält (Iridis cum cortice rhizoma)
Semen (Samen)
Kürbiskern (Cucurbitae semen), Leinsamen (Semen lini), Muskatnuss (Myristicae semen)

Daneben existieren noch zahlreich andere Begriffe, wie Stramentum (Stroh), Balsamum (Balsam) usw. Die pharmazeutischen Bezeichnungen sind pflanzenmorphologisch gesehen manchmal etwas unpräzise, etwa „Wurzelstock“ für Rhizom, oder bei der Hagebutte, wo Fructus die Sammelfrucht (die rote „Beere“) bezeichnet, und Semen die eigentliche Frucht (den „Kern“).

Bekannte Arzneistoffe aus Heilpflanzen

Zahlreiche Arzneistoffe werden auch heute direkt aus Pflanzen hergestellt oder zumindest naturident synthetisiert, teilweise hochwirksame oder in der nichtmedizinischen Anwendung hochgiftige Substanzen. Zu den Pflanzeninhaltsstoffen, die als isolierte Einzelsubstanz eingesetzt werden, gehören beispielsweise Colchicin, Paclitaxel und Morphin.

Siehe auch

Literatur

  • Heidi Grun: Geschichte der Kräuter und Heilpflanzenkunde. Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster 2005, ISBN 3-86582-174-X.
  • Manfred Bocksch: Das praktische Buch der Heilpflanzen - Kennzeichen, Heilwirkung, Anwendung, Brauchtum. BLV, München 1996, ISBN 3-405-14937-1.
  • Jörg Zittlau, Michael Helfferich: Heilpflanzen unserer Heimat. Ludwig, München 1997, ISBN 3-7787-3559-4.
  • Hans-Heinrich Rhyner, Birgit Frohn: Heilpflanzen im Ayurveda. AT-Verlag, Baden/München 2006, ISBN 3-03800-279-8.
  • Wilhelm Pelikan: Heilpflanzenkunde Band 1. Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, Dornach 1980, ISBN 3-7235-0084-6.
  • Jochen Bockemühl: Ein Leitfaden zur Heilpflanzenerkenntnis. Verlag am Goetheanum, Dornach 1996, ISBN 3-7235-0906-1.

Einzelnachweise

  1. Konrad Spindler: Der Mann im Eis. Die jungneolithische Gletschermumie vom Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen. in: Nürnberger Blätter zur Archäologie 9, 1992/93, S. 27-38.

Auszüge aus alten Büchern:

  • Jacobus Theodorus: Tabernaemontanus. Anno 1625
  • Köhler's Medizinal-Pflanzen. Fr. Eugen Köhler, Gera 1887 – mit Abbildungen
  • www.naturheilkraut.com Gesundheitskräuter, deren genaue Beschreibung mit verschiedenen uralten, geheimen Kräuteranwendungen nach alten Büchern
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Heilpflanze aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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