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Hans Nachtsheim



Hans Nachtsheim (* 13. Juni 1890 in Koblenz; † 24. November 1979) war ein Zoologe und Genetiker.

1941-1945: Leiter der Abteilung für experimentelle Erbpathologie am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A), dessen kommissarischer Direktor er 1943 wurde. „Benutzte 1943 sechs epilepsiekranke Kinder aus der ‚Euthanasie’-Anstalt Brandenburg-Görden für ein Unterdruck-Experiment“ (Schmuhl 2003: 336, vgl. Koch 1993: 124ff. ). Forschte an Augen von in Auschwitz ermordeten Menschen und hatte mittelbar Verbindung zu Menschenversuchen im Bereich der Tuberkuloseforschung (vgl. Weindling 2003). Professor für Genetik zuerst an der HU, dann an der FU Berlin. Emeritierung 1955, im gleichen Jahr erhielt er das Bundesverdienstkreuz und wurde 1956 Mitglied der Bundesgesundheitskonferenz.

Als eines von zwei Mitgliedern des KWI-A die „mit Sicherheit keine Verbindung zur NSDAP“ (Weingart et al. 1992: 418) hatten, konnte Hans Nachtsheim eine wichtige Figur im Aufbau der Genetik in der Bundesrepublik werden. Er leitete bis 1960 das Institut für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie der Max-Planck-Gesellschaft, das nach dem Krieg aus Nachtsheims Abteilung am KWI-A hervorgegangen war. Da im Nürnberger Ärzteprozess die luftfahrtmedizinische Forschung (und damit auch die Unterdruckversuche, an denen Nachtsheim beteiligt war) einer genauen Prüfung und auch der Verurteilung entging , wurde Nachtsheim nie für seine Forschungstätigkeit in der NS-Zeit zur Rechenschaft gezogen. Dass die Rassenhygiene, wie sie in der NS-Zeit betrieben wurde, nach dem Krieg keine anerkannte Wissenschaft mehr war, ist naheliegend - eugenische Vorstellungen aber blieben weiter bestehen. So entbrannte in den fünfziger Jahren erneut eine Debatte um die Sterilisation. Zwangssterilisationen waren nun nicht mehr vertretbar, aber Juristen und Ärzte diskutierten, ob nicht freiwillige Sterilisationen rechtmäßig sein könnten. Hans Nachtsheim, der ja ursprünglich Zoologe und zur Zeit seiner Tätigkeit am KWI-A kein Eugeniker war, mischte sich als einziger Genetiker in die Debatte ein, zu einem Zeitpunkt als die Eugenik eigentlich schon durch eine anders ausgerichtete Humangenetik abgelöst wurde. Nachtsheim sprach davon, dass eine „Pflicht zur praktischen Eugenik“ (Nachtsheim 1963: 277) bestehe und dass „das Grundübel, das geschädigte Erbgut“ (278) bekämpft werden müsse. Durch die Therapie von Erbkrankheiten entgehen kranke Gene der „Ausmerze“ (Nachtsheim 1966: 92) und „die Ausbreitung des Gens nimmt zu, je mehr die Erfolge der Therapie fortschreiten“ (93). Betroffene und Anlageträger sollen solchermaßen aufgeklärt auf Kinder verzichten und sich freiwillig sterilisieren lassen. Zu Nachtheims Leidwesen ist eine „Sterilisation aus eugenischer Indikation“ (99) in Deutschland nicht zulässig, obwohl es doch „Aufgabe und Pflicht des Staates und seiner Gesellschaft [ist], den Bürgern die Wege zu einer erfolgreichen Erbgesundheitspflege zu ebnen“ (112). Mit seiner Wortwahl (Bsp. Erbgesundheitspflege) stand er damit durchaus in der Tradition der Rassenhygiene.

Literatur

  • Schmuhl H-W (Hrsg.) (2003) Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933, Göttingen: Wallstein Verlag.
  • Weindling P (2003) Genetik und Menschenversuche in Deutschland, 1940 – 1950. Hans Nachtsheim, die Kaninchen von Dahlem und die Kinder vom Bullenhuser Damm, in Schmuhl H-W 2003 : 245 – 274.
  • Weingart P, Kroll J, Bayertz K (1992) Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik in Deutschland, Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.
  • Koch G (1993) Humangenetik und Neuropsychiatrie in meiner Zeit (1932-1978). Jahre der Entscheidung, Erlangen Jena: Verlag Palm und Enke.
  • Nachtsheim H (1963) Unsere Pflicht zur praktischen Eugenik, in Bundesgesundheitsblatt 6: 277 – 286.
  • Nachtsheim H (1966) Kampf den Erbkrankheiten, Schmiden bei Stuttgart: Franz Decker Verlag Nachf. GmbH.
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Hans_Nachtsheim aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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