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Hans MünchHans W. Münch (* 1911 in Freiburg im Breisgau; † 2001) war ein deutscher Arzt. In der Zeit des Nationalsozialismus war er Lagerarzt im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und in Dachau. Er wurde im Krakauer Auschwitzprozess angeklagt und dort als einziger SS-Arzt freigesprochen. Später arbeitete er als niedergelassener Arzt in Roßhaupten (Bayern). Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
WerdegangHans Münch begann nach dem Gymnasium mit dem Medizinstudium. Er studierte an den Universitäten Tübingen und München, und war Politischer Leiter der Reichsstudentenführung[1]. 1934 trat er dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB.), dem Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) und im Mai 1937 der NSDAP bei. 1939 promovierte er und heiratete eine Ärztin. Mit Kriegsbeginn übernahm er in bayerischen Landarztpraxen die Vertretung eingezogener Ärzte. 1943 trat er der Waffen-SS bei und wurde im Juni 1943 an das Hygiene-Institut der Waffen-SS „Rajsko“ versetzt, im Konzentrationslager Auschwitz.[2] Er war dort Kollege des gleichaltrigen und ebenfalls aus Bayern stammenden Dr. Mengele. Im Sommer 1944 beförderte ihn die SS zum SS-Untersturmführer. Im Januar 1945 wurde Auschwitz evakuiert, Dr. Hans Münch arbeitete nach 19 Monaten nun für etwa drei Monate im süddeutschen Konzentrationslager Dachau. Prozess in Polen 1946In einem amerikanischen Internierungslager wurde er 1945 nach Kriegsende als ehemaliger KZ-Arzt von Auschwitz erkannt und festgenommen. 1946 lieferte man ihn als Häftling an Polen aus. Er wurde angeklagt wegen seiner Experimente zu Rheuma und Malaria. Im Krakauer Auschwitzprozess machte Dr. Münch seine Aussage.[2] Viele Häftlinge sagten zu seinen Gunsten aus. Er verließ Krakau als human eingestufter, nicht verurteilter Kriegsverbrecher, wie er später selbst sagte. Der Freispruch wurde u.a. damit begründet, dass er sich strikt geweigert habe, auf der Rampe die ankommenden Häftlinge zu selektieren. Anfang 1944 war er vom Standortarzt Dr. Wirths zur Selektion an der Rampe aufgefordert worden, trotz seiner angegebenen Verweigerung wurde er etwas später zum SS-Untersturmführer befördert. Im Urteil des Polnischen Nationalgerichts in Krakau vom 22. Dezember 1947 stand unter anderem:
Es war der einzige Freispruch von 40 Angeklagten. Dr. Hans Münch wurde auch der gute Mensch von Auschwitz[3] genannt, der auch Häftlinge vor dem Tod durch Vergasung bewahrt hat. Später übernahm Dr. Münch eine Landarztpraxis in Roßhaupten (Ostallgäu). Leben als Zeitzeuge1964 wurde er im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess vernommen und in folgenden Verfahren als Sachverständiger aufgerufen. In Robert Jay Liftons Buch (1986) über die SS-Ärzte von Auschwitz ist Dr. Hans Münch aufgeführt. Er wird beschrieben als einziger SS-Arzt, bei dem die Bindung an den hippokratischen Eid sich als stärker erwiesen habe als die Bindung an den SS-Eid. Da er sich geweigert habe, sich an der Selektion der auf der Rampe von Auschwitz-Birkenau ankommenden Transporte von jüdischen Frauen, Männern und Kindern für Arbeit im KZ oder für die sofortige Vernichtung in den Gaskammern zu beteiligen.[2] Mehrmals war Dr. Hans Münch in der Bundesrepublik auf Diskussions- und Gedenkveranstaltungen. Er wurde geschätzt als Retter vieler Auschwitz-Häftlinge, der sich dadurch selbst in Lebensgefahr gebracht hatte. Zum Jahrestag der Befreiung besuchte er am 27. Januar 1995 auf Einladung von Jene Eva Kor, die als Kind die Menschenversuche seines Arbeitskollegen Dr. Mengele überlebte, die Gedenkstätte Auschwitz. 1995 führt Germar Rudolf ein Interview und berichtet darüber in dem Dokument „Auschwitz-Kronzeuge Dr. Hans Münch im Gespräch“.[4],[5] Dr. Hans Münch wohnte in seinen letzten Jahren im Allgäu am Forggensee, mit Blick auf Schloss Neuschwanstein.[3] Er verstarb 2001 im Alter von 90 Jahren. Beginn der KontroversenErmittlungsverfahren in der BRD 19981998 veröffentlichte der Journalist Bruno Schirra in der Zeitschrift Der Spiegel[6] ein Interview mit Dr. Hans Münch, das im Jahr zuvor stattgefunden hatte (siehe Weblink). Schirra hatte sich gemeinsam mit Münch den Film Schindlers Liste, von fünf Opfern des Holocaust handelnd, angesehen und anschließend das Interview geführt. Im Bericht sind verschiedene Zitate Münchs abgedruckt:
Dirk Münch, Sohn von Dr. Hans Münch, äußerte wenige Tage später öffentlich[7] sein Unverständnis zu dem geführten Interview. Er erklärte, dass sein 87-jähriger Vater seit zwei Jahren an Konzentrationsschwäche leide. Er kritisierte, dass vor dem Interview gemeinsam der Film Schindlers Liste gesehen wurde, was aufgrund der Länge des Filmes (über drei Stunden) und des hohen Alters von Dr. Hans Münch anstrengend für diesen war. Dirk Münch stellte klar, dass sein Vater danach sogar die Hauskatze Minka mit Kater Peter verwechselt hatte. Das bayerische Justizministerium veranlasste auf Hans Münchs Interview im Spiegel ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren, die Ludwigsburger Zentralstelle leitete eine Vorermittlung ein. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum forderte in einem Schreiben an die bayerische Staatsregierung die sofortige Verhaftung Münchs. Man durchsuchte die Stasi-Akten der Gauck-Behörde, und forderte den Spiegel auf, die Tonbänder des Münch-Interviews zu übergeben, um prüfen zu können, ob die Staatsanwaltschaft eingreifen soll. Zum Verdacht der Beteiligung an NS-Verbrechen[8] führten drei Anhaltspunkte:
Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. Hans Münch wurde im Januar 2000 wegen „fortgeschrittener Demenz“ eingestellt.[12] Im darauffolgenden Jahr verstarb Dr. Münch. Mitwirkung in Shoa-Dokumentarfilm 1999Im März 2000 startete in den deutschen Kinos der Dokumentarfilm Die letzten Tage. Er war 1999 in den USA angelaufen mit dem Originaltitel The Last Days und freigegeben ab 16 Jahren. Unterstützt wurde der Film von der „Survivors of the Shoa Visual History Foundation“, eine Stiftung die Steven Spielberg gegründet hatte. Dr. Münch spielte im Film mit, er traf als Zeitzeuge mit der Überlebenden Renée Firestone zusammen, deren Schwester in Auschwitz bei Menschenversuchen ums Leben kam, beide unterhielten sich. Eine Filmbesprechung wies darauf hin, dass der amerikanische Film keinen deutlichen Hinweis enthielt, dass der Zeitzeuge Dr. Münch zu dieser Zeit bereits an Alzheimer litt. Nur im Abspann des Film sei eine kurze Anmerkung, allerdings in französischer Sprache.[13] Prozesse und Schuldspruch in Frankreich 2000-20011998 hatte sich Dr. Hans Münch im französischen Rundfunksender France-Inter über Roma und Sinti abfällig geäußert und gemeint für sie wären Gaskammern die einzige Lösung gewesen. Die Agence France-Presse (AFP) berichtet am 7. Mai 2001 dass das Pariser Berufungsgericht den Freispruch vom Juni 2000 aufgehoben hatte. In diesem Prozess war Dr. Münch der „Aufstachelung zum Rassenhass“ angeklagt worden. Er war der Gerichtsverhandlung im Jahr 2000 ferngeblieben. Ihm war eine „psychische Störung“ per ärztlichem Gutachten attestiert worden, das Gutachten bedingte den Freispruch.[14] Mitte Mai 2001 kam es in Paris gegen Dr. Hans Münch nun zu einem Schuldspruch wegen Aufstachelung zum Rassenhass sowie der Verharmlosung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.[15] Der Staatsanwalt hatte eine Haftstrafe auf Bewährung gefordert. Man erklärte ihn für schuldig, jedoch aus Rücksicht auf Alter und Geisteszustand des damals 89-Jährigen, verzichtete das Pariser Berufungsgericht auf eine Strafe. Auch diesem Prozess war Dr. Münch ferngeblieben.[16] Der französische Rundfunk sendete im September 2001 eine Wiederholung des Interviews von 1998. Die Organisation Anwälte ohne Grenzen, die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus und die Union der jüdischen Studenten in Frankreich reichten dagegen Klage ein. Alle angeklagten Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Radio-France wurden vom Vorwurf der Beihilfe des Aufrufes zum Rassenhass im Jahr 2002 freigesprochen, mit der Begründung dass alle Hörer verstanden hätten, dass Münchs Aussagen über Sinti und Roma sowie über die NS-Vernichtungslager der Nazi-Propoganda entstammten.[17] HeuteStiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ führt in ihrer Liste Dr. Hans Münch als Beteiligten an, bei Malaria-Experimenten an Haftinsassen in Auschwitz. (Vgl.Quelle [18]). Sie führt ihn nicht an in Dachau bei den dortigen Malariaversuchen, die durchgeführt wurden bis 5. April 1945 unter Leitung von Prof. Claus Schilling.[19] Fritz Bauer InstitutIn den Jahren 2002 und 2003 konzentrierte sich das Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main auf die Analyse des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses und dessen Wirkungsgeschichte in der BRD. Es wurde ausdrücklich dazu eingeladen, an der öffentlichen Veranstaltungsreihe Täter- und Opferbiografien im NS-Regime teilzunehmen. Am 4. November 2002 hielt Prof. Dr. Helgard Kramer den Vortrag SS-Ärzte in Auschwitz und im Ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Der Inhalt wurde wie folgt angekündigt:
Studie: Untersuchung der vergangenen ProzesseIm Zuge der Holocaustforschung berichtet Prof. Dr. Helgard Kramer in einer Studie 2005 über Einzelheiten: Dr. Hans Münch wurde im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess vernommen, in folgenden Verfahren am 2. und 5. März 1964 sogar als Sachverständiger aufgerufen. Der Frankfurter Staatsanwaltschaft war bis 2000 nur das Urteil des Krakauer Prozesses zugänglich, die Protokolle der Verhandlung und Zeugenvernehmungen nicht. Dr. Münch hatte behauptet, er sei der Waffen-SS zwangsweise beigetreten und zudem erst gegen Ende 1944 nach Birkenau gekommen. Im Gespräch der zweiten Vernehmung korrigierte er lediglich, bereits 1943 angekommen zu sein.[21] Mit den Unterlagen der Zeugenvernehmung stellte sich heraus, dass Dr. Münch in der Hauptverhandlung 1947 auf die gezielten Fragen des Staatsanwaltes, ob er sich an Selektionen auf der Rampe beteiligt habe, geantwortet hat
Dr. Münch wurde zu den medizinischen Experimenten, die er in Block 10 durchführte, befragt. Man brach das Verhör ab, als er einen Fachkollegen als Gesprächspartner verlangte.[23] Professor Jan Sehn, hatte den Krakauer Prozess 1947 als Untersuchungsrichter vorbereitet, er beauftragte den in Untersuchungshaft sitzenden Dr. Münch mit der medizinischen Betreuung eines anderen Gefangenen und ließ ihm den gesamten Aktenbestand des SS-Hygiene-Instituts Rajsko zum Ordnen in die Zelle zustellen.[24] Die Akten wurden danach vom Krakauer Journalisten Mieczysław Kieta verwahrt, der sich später am stärksten für die Entlastung Dr. Münchs einsetzte.[25], [26]. Kieta arbeitete im Kommando des SS-Hygiene-Instituts als Laborant unter Münchs Aufsicht.[27] Von mehreren Häftlingen ist Dr. Münch Anständigkeit bescheinigt worden. Drei Häftlinge wurden häufig zitiert. Als wichtigster galt der ungarische Medizinprofessor Geza Mansfeld. Er lobte Dr. Münch ausgesprochen, dieser hatte seine Selektion zur Gaskammer verhindert und ihm Medikamente beschafft, da Prof. Mansfeld an einem Magengeschwür litt. Im Gegenzug erhielt Dr. Münch eine Ausbildung in Serologie, Bakteriologie und Chemie. Mansfeld gehörte zu den international bekannten Kapazitäten und sollte sein Wissen dem Hygiene-Institut kostenlos vermitteln.[28] Antoni Kepiński stellte später in seinem Werk „Das sogenannte KZ-Syndrom“ die Theorie auf, dass selbst kleine Freundlichkeiten die Erinnerung der Häftlinge jahrelang als emotionale Lichtblicke prägten, da der Lageralltag aus Gebrülle, Todesangst, Hunger und Demütigungen bestand.[29] Mit Abschluss des Ermittlungsverfahrens ergab sich, dass die drei Entlastungsbriefe seiner Häftlinge Persilscheinaktionen waren.[30] Die Entlastungsbriefe wurden - noch vor der ersten Vernehmung Münchs - vom Bischof von Hildesheim an den Kardinal von Warschau, von dort vermutlich an Untersuchungsrichter Jan Sehn weitergeleitet.[31] Nach dem Freispruch kam Dr. Münch nach Bayern und durfte wieder als Arzt arbeiten (vgl. Approbationsordnung). Auf Empfehlung der ehemaligen Häftlinge nahm sich Philipp Auerbach, Staatskommissar im Bayrischen Ministerium des Innern für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, seiner an. Auerbach sandte am 30. Juli 1948[32] dem Ministerium für Arbeit die ärztliche Zulassung Münchs zur Kassenpraxis. Textauszug daraus:
Artikel in „Die Welt“ 2005Nach Dr. Münchs Tod erschien am 25. Januar 2005 ein Artikel Bruno Schirras in der Zeitung „Die Welt“, ein Rückblick auf die Gespräche in den Jahren zwischen 1995 und 1999. Schirra, selbst jüdischen Glaubens, schrieb darin, dass Dr. Münch länger als jedes andere SS-Mitglied in Auschwitz war und erwähnt mehrmals die Sympathie Dr. Münchs seinem Berufskollegen Dr. Mengele gegenüber. Die Welt führt abermals an, Dr. Münch habe Selektion der Häftlinge im Krankenbau gestanden und medizinische Experimente vorgenommen, beispielsweise das Abkochen von Menschenfleisch zur Bouillon um einen Nährböden für Rheumaforschungen zu gewinnen. Auch wird berichtet, dass Dr. Münch die Filmszenen der Vergasungen in Schindlers Liste, ein weiterer Kinofilm von Steven Spielberg mit Kinostart 1993, kommentiert hätte: Sie seien detailliert und Punkt für Punkt genau dargestellt. Was seiner früheren Aussage an Vergasungen nie teilgenommen zu haben, irritierend gegenübersteht.[33] Schirra schrieb im Rückblick, wie er und Dr. Münch sich am 27. Januar 1995 zum Jahrestag der Lagerbefreiung auf der Gedenkstätte Auschwitz zum ersten Mal trafen und wie er beabsichtigt hatte über den guten Menschen von Auschwitz eine Reportage zu verfassen. [34] Schirra beschreibt, wie später der ehemalige Häftling und unfreiwillige Mitarbeiter Imre Gönczy auf ihn zukam. Er sei angerufen worden und es habe sich jemand als „Koch der Menschenbouillon“ vorgestellt, die aus Menschenfleisch (Schenkel von Männern und Brüste von Frauen) bestanden habe. Schirra und „Emmerich“ (Dr. Münch nannte seinen ehemaligen Mitarbeiter Imre Gönczy so) hatten den ehemaligen Lagerarzt in dessen Haus besucht.[35] Juristische SichtAm 15. April 2005 fand in Berlin die Tagung „NS-Täter aus interdisziplinärer Perspektive“ statt. Ursula Solf, Staatsanwältin a.D., äußerte sich:[36]
Siehe auch:
Quellen
Literatur
Film
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