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Hämoglobin



  Als Hämoglobin (Hb) bezeichnet man den eisenhaltigen roten Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) der Wirbeltiere (und einiger Mollusken sowie weniger Crustaceen und Insekten) und seine Varianten. Es stellt wie auch das Myoglobin einen wichtigen Sauerstoff-Transporteur im Körper dar. Das Hämoglobin besteht aus vier Untereinheiten, wobei jede aus einem eisenhaltigen Protoporphyrin, dem Häm, als prosthetische Gruppe (Nichtproteinanteil) und einem Proteinanteil – dem Globulin – besteht. Die Häm-Gruppe ist außerdem für die rote Farbe des Hämoglobins verantwortlich.

In evolutionstheoretischer Hinsicht ist dabei interessant, dass die Struktur des Häms der des Chlorophylls, bei dem Magnesium statt Eisen das Zentralatom bildet, sehr ähnlich ist. Es gilt als Prototyp eines hochregulierten Proteins (siehe Allosterie und Kooperativität), was u. a. darauf beruht, dass es sich um ein Tetramer aus zwei alpha- und zwei beta-Untereinheiten (beim Erwachsenen) handelt. Abbauprodukt des Hämoglobins ist das Bilirubin.

Inhaltsverzeichnis

Struktur des Hämoglobins und Geschichtliches

  Farbmittelchemisch gesehen sind Hämoglobin und seine Derivate keine Farbstoffe, sondern Pigmente, da sie nicht löslich sind.

1851 gelang es Otto Funke erstmals Blut zu kristallisieren ("Funkesche Kristalle"). Felix Hoppe-Seyler konnte als Erster das Spektrum des Hämoglobins messen. Von ihm stammt auch der Name Hämoglobin.

Das Hämoglobin stellt eines der bestuntersuchten Proteine dar, seine Struktur wurde zusammen mit der des Myoglobin als eine der ersten überhaupt von Max Perutz und John Kendrew mit Hilfe der Röntgenkristallographie ermittelt.

Im Zentrum der prosthetischen Gruppe Häm b (Fe-Protoporphyrin IX) ist ein Eisen-(II)-Ion gebunden. In dieser Situation ist es in der Lage 5–6 Ligandenbindungen aufzubauen, abhängig davon ob Sauerstoff gebunden ist oder nicht. Vier koordinative Bindungen entstehen dabei vom Eisenion mit den Stickstoffen der Pyrrolringe, der Porphyringruppe. Somit ist der Ring annähernd planar, also scheibenartig. Weiterhin ist das Eisenion der Häm-Gruppe axial über ein Histidin, das sogenannte proximale Histidin, an die Proteinmatrix gebunden. Dieses steht orthogonal zu den anderen vier Bindungen. Die sechste Bindung wird durch das Sauerstoffmolekül eingegangen, das an der Unterseite zwischen dem Häm und einem distalen Histidin positioniert ist.

Eigenschaft und Leistungen des Hämoglobins

 
– R (relaxed, Sauerstoff-bindend)
– T (tense, Kohlenstoffdioxid-bindend)
  • 1 g Hb kann in vitro 1,389 ml Sauerstoff binden, in vivo jedoch nur 1,34 ml (Hüfnersche Zahl)
  • kooperative Bindung von vier Sauerstoffmolekülen mit steigender Affinität (positive Kooperativität)
  • Schutz des zweiwertigen Häm-Eisens vor Valenzwechsel

Auffällig ist der Halbsättigungsdruck bei 26 mm Hg, sowie der S-förmige-Verlauf (siehe Kooperativität) der Bindungskurve. Dadurch besitzt Hämoglobin eine charakteristische Sauerstoffbindungskurve, die im physiologischen Bereich am steilsten verläuft - seine Sauerstoffbeladung ändert sich daher in der Relation zum Sauerstoffpartialdruck erheblich. Durch dieses Fakt wird die Transportkapazität hoch: Der Anteil Sauerstoff-beladener Hb-Moleküle ist im venösen Blut niedriger und im arteriellen höher, als es bei angenommener hyperbolischer oder linearer Bindungskurve wäre.

  • da in 100 ml Blut 15 g Hb enthalten sind, ergibt sich mit Hilfe der Hüfner-Zahl für 100 ml Blut eine 100-prozentige Sauerstoffsättigung zu 15 * 1,34 = 20,1 ml Sauerstoff
  • "mm Hg" steht für Millimeter Quecksilbersäule, Torr - eine veraltete, eigentlich nicht mehr zulässige Einheit des Drucks (SI-Formelzeichen: p), die in der Medizin häufig verwendet wird - beispielsweise auch bei der Blutdruckmessung

Funktionelle Zusammenhänge

  Die Sauerstoffbindungskurve wird auf der Abszisse nach rechts verschoben durch:

  • Temperaturanstieg
  • Absinken des pH-Werts
  • Steigerung der Konzentration von 2,3-Bisphosphoglycerat in den Erythrozyten
  • Steigerung der Konzentration von Kohlenstoffdioxid

Die Rechtsverschiebung führt dazu, dass das Hämoglobin leichter Sauerstoff abgibt. Ein Beispiel: Ein arbeitender Muskel verbraucht sehr viel Sauerstoff für die Kontraktion. Da er die Energie z. T. in Wärme umsetzt, steigt in der arbeitenden Muskulatur die Temperatur an. Außerdem setzt er Milchsäure frei, der pH-Wert sinkt. Durch den gesteigerten Stoffwechsel entsteht vermehrt Kohlenstoffdioxid: durch die lokalen Effekte kann die Muskulatur mehr Sauerstoff aus dem Blut entnehmen.

  • Die Muskulatur verfügt über Myoglobin (siehe unten), das eine höhere Affinität zu Sauerstoff besitzt (Sauerstoff stärker anzieht). Es dient als Sauerstoff-Speicher.

Die Sauerstoffbindungskurve wird auf der Abszisse nach links verschoben durch:

  • Temperaturabnahme
  • Anstieg des pH-Werts
  • Absinken der Konzentration von 2,3-Bisphosphoglycerat in den Erythrozyten
  • Absinken der Konzentration von Kohlenstoffdioxid

Die Linksverschiebung führt dazu, dass Hämoglobin Sauerstoff stärker bindet. Dies macht man sich z. B. bei Herzoperationen zu nutze, indem man den Patienten unterkühlt, um sein Blut maximal mit Sauerstoff zu sättigen. Tiere, die Winterschlaf halten, profitieren ebenfalls von diesem Effekt. In den Lungen wird ein Teil des Kohlendioxids im Zuge der Ausatmung abgegeben - das Hb kann wieder leichter mit Sauerstoff beladen werden.

Während der Schwangerschaft muss Sauerstoff durch die Plazenta (Mutterkuchen) zum Fötus transportiert werden. Das ungeborene Kind besitzt einen anderen Hämoglobin-Typ, das HbF, das Sauerstoff mit wesentlich höherer Affinität bindet. Außerdem ist der Hämatokrit im Vergleich zur Mutter stark erhöht. Auf diese Weise gelangt durch die Nabelschnur genug Sauerstoff zum Fötus.

Kohlenstoffmonoxid (CO), ist sehr giftig: Es bindet 200-300 Mal leichter an Hb als Sauerstoff. Einmal gebunden, kann es z. B. lediglich durch Sauerstoffdruckbehandlung in einer Druckkammer verdrängt werden - es blockiert also Bindungsstellen für Sauerstoff. Bei starken Rauchern sind bis zu 10 Prozent des Hämoglobins mit CO besetzt - mit ein Grund ihrer Kurzatmigkeit.

2,3-Bisphosphoglycerat ist ein Nebenprodukt des Glucose-Stoffwechsels der roten Blutkörperchen. Es bindet an Hämoglobin und verursacht einen allosterischen Effekt; die Abnahme der Affinität des Hämoglobins zum Sauerstoff. Eine Erhöhung der 2,3-BPG-Konzentration ist bei der Höhenanpassung zu beobachten. Sinn dieser Regulation ist folgender: Ist die Sauerstoffsättigung im Blut durch die "dünne Luft" in großer Höhe vermindert, gibt Hb den gebundenen Sauerstoff an die Verbraucher schlechter ab als bei hoher Sättigung (siehe Bindungskurve). Trotzdem muss die Versorgung aller Organe mit O2 gewährleistet sein. Hb muss also weniger affin zum Sauerstoff werden, um die Peripherie ausreichend zu versorgen.

Hämoglobin-Typen

Durch Genduplikationen des Globin-Gens sind unterschiedliche Untereinheiten des Hämoglobins entstanden, welche unterschiedliche Affinitäten für Sauerstoff besitzen. Die Kombinationen dieser Untereinheiten als Tetramer werden je nach Sauerstoffbedarf zu unterschiedlichen Zeitpunkten synthetisiert, beispielsweise um als Fötus im Mutterleib Sauerstoff aus dem mütterlichen Blut zu erhalten.

Embryonale Hämoglobine

  • Gower 1 (ξ2ε2)
  • Gower 2 (α2ε2)
  • Hämoglobin Portland (ξ2γ2)

Fetale und Adulte Hämoglobine

Adulte Hämoglobine werden embryonal und nach der Geburt exprimiert.

  • Hämoglobin F (α2γ2) - Im Fötus das dominierende Hämoglobin, in Erwachsenen 1 %
  • Hämoglobin A (α2β2) - 97 %
- Hämoglobin A0
- Hämoglobin A1 / Hämoglobin A1c - 5-8 % / 3-6 %; Glykosyliertes Hämoglobin A0 (Maß für die Zuckerkonzentration im Blut, für die letzten 4-8 Wochen)
  • Hämoglobin A22δ2) - 2,5 %; δ-Synthese beginnt gegen Ende der Embryonalentwicklung


Als Normalbereich wird der Bereich bezeichnet, in dem die Werte von 96 Prozent aller gesunden Menschen liegen.

Hämoglobin bei Menschen
g/dl
(alte Einheit)
mmol/l
(SI-Einheit)
Männer 13,5–17,5 8,7–11,2
Frauen 12–16 7,5–9,9
  • ein erhöhter Hämoglobin-Wert bedeutet meistens auch eine erhöhte Erythrozyten-Anzahl und kann z. B. bei Aufenthalt in großen Höhen (Sauerstoffmangel) oder durch Flüssigkeitsverlust auftreten (Polyglobulie).
  • ein verringerter Hämoglobin-Wert wird als Anämie bezeichnet.

Ein erhöhter/verringerter Hämoglobin-Wert ist immer abhängig vom Normalwert. Liegt der Normalwert bei 11,2 mmol/l dann kann ein Wert von 8,7 mmol/l schon zu Symptomen von Anämie führen. Liegt der Normalwert bei 9 mmol/l dann treten bei 8,7 mmol/l noch keine Symptome auf.

Die Höhe des Hämoglobinwertes ist maßgeblich bei der Zulassung zur Blutspende. Männer müssen einen Mindestwert von 13,5 g/dl - Frauen von 12,5 g/dl aufweisen, um vom Spendearzt zugelassen zu werden. Bestimmt wird der HB-Wert mittels elektronisch messender HB-Photometer. Aktuelle Informationen des DRK Blutspendedienstes sagen aus, dass Männer mit einem HB von >18,0 g/dl nicht mehr zur Spende zugelassen werden (12/2006).

Degradation von Hämoglobin

Wenn die roten Blutkörperchen das Ende ihres Lebens erreicht haben, werden sie in der Milz und der Leber aufgebrochen und das Hämoglobin inklusive des Eisens wiederverwertet. Das Hauptprodukt des Hämoglobinabbaus ist Bilirubin. Beim gesunden Menschen wird Bilirubin in der Leber abgebaut und dann größtenteils mit der Galle in den Darm abgegeben und über den Stuhl ausgeschieden. Ein geringer Anteil des Bilirubins wird wieder über den Darm aufgenommen und über die Niere ausgeschieden (gelbe Farbe des Urins). Verschiedene Lebererkrankungen wie die Leberentzündung (Hepatitis) oder Abflussbehinderungen in der Gallenblase (Gallensteine) führen zu einer erhöhten Bilirubinkonzentration. Bilirubin ist der Farbstoff, der bei Einlagerung in die Haut zur so genannten Gelbsucht (Ikterus = Gelbfärbung der Haut und Augäpfel) führt.

Andere sauerstoffbindende Proteine

Hämoglobin ist nicht das einzige Sauerstoff-bindende Protein in der Natur. Es existieren eine Vielzahl von Sauerstoff-bindenden und -transportierenden Proteinen in der Tier- und Pflanzenwelt sowie auch bei Bakterien, Protozoen und Pilzen.

  • Myoglobin: Im Muskel von Wirbeltieren (inklusive Mensch) findet man Myoglobin, ein Monomer der mit Hämoglobin nah verwandt ist. Es dient als Sauerstoffspeicher im Muskel. Die Affinität zu Sauerstoff ist höher als beim Hämoglobin, es nimmt also Sauerstoff aus dem Blut auf und gibt ihn bei Bedarf ab.
  • Cytoglobin: Mit Myoglobin verwandt und erst vor kurzem entdeckt wurde Cytoglobin, welches in nahezu allen Zellen der Wirbeltiere vorkommt. Es dient vermutlich ebenso als Sauerstoffspeicher in der Zelle. Es scheint sogar, dass Myoglobin wohl während der Evolution die muskelspezifische Variante des Cytoglobins geworden ist.
  • Neuroglobin: Eine weitere Verwandte von Cytoglobin und ebenso erst vor kurzem entdeckt ist Neuroglobin. Dieses kommt in neuronalem Gewebe vor (Gehirn, Netzhaut des Auges). Es bindet den Sauerstoff mit hoher Affinität und speichert ihn vermutlich für Zeiten eines Mangels.
  • Hämocyanin: Der zweithäufigste Sauerstofftransporter in der Tierwelt wird im Blutplasma vieler Arthropoden und Mollusken gefunden. Statt Eisen wird Kupfer als prosthetische Gruppe verwendet. Es hat eine blaue Farbe, wenn es oxygeniert ist.
  • Hämerythrin: Einige marine Invertebraten und wenige Arten der Anneliden verwenden dieses Eisen enthaltende non-Häm Protein um Sauerstoff in ihren Blutzellen zu transportieren. Es hat eine rosa/violette Farbe, wenn es oxygeniert ist.
  • Vanabin: wird in Seescheiden gefunden und wechselwirkt mit dem seltenen Metall Vanadium als prosthetischer Gruppe.
  • Erythrocruorin: kommt bei vielen Anneliden vor, inklusive dem Regenwurm. Riesiges Blut-Protein, mit vielen Eisen-Häm-Untereinheiten in einem Proteinkomplex (>3500 kDa).
  • Pinnaglobin: Wird nur im Mollusken Pinna squamosa gefunden. Braunes, Mangan-basiertes Porphyrin-Protein.
  • Leghemoglobin: In Leguminosen, wie der Sojabohne, werden die Stickstoff-fixierenden Bakterien in den Wurzeln mit diesem Eisen-Hämprotein vor Sauerstoff geschützt.
  • Chlorocruorin: ist das Atmungsprotein einiger marin lebender Ringelwürmer. Es ist ein Atmungspigment, das Fe2+ mit einem Sauerstoffmolekül bindet. Chlorocruorin ist ein externes Atmungspigment und dem Hämoglobin ähnlich, da es auch eine Häm-Gruppe enthält.

Rolle bei Krankheiten

Reduzierte Hämoglobinwerte, mit oder ohne Reduktion der Zahl von roten Blutkörperchen, führen zu den Symptomen einer Anämie. Es gibt viele Ursachen für eine Anämie, wobei Eisenmangel der häufigste Grund in der westlichen Welt sein dürfte. Durch Eisenmangel wird die Häm-Synthese gehemmt. Als Folge sind die roten Blutkörperchen hypochromisch (ohne die rote Farbe) und mikrozytisch (kleiner als normal).

Bei einer Hämolyse (verstärkter Abbau von roten Blutkörperchen), tritt eine Gelbsucht auf, verursacht durch das Hämoglobin-Metabolit Bilirubin.

Eine Gruppe von genetischen Defekten, bekannt als Porphyrien, führen zu einer Störung der Hämsynthese. Durch die Anreicherung von Häm-Vorstufen kommt es u.a. zu Lichtempfindlichkeit, Abdominalschmerzen und neurologischen Problemen.

Mutationen in den Globinketten sind mit verschiedenen Hämoglobinopathieen verbunden, wie die Sichelzellenanämie und Thalassämie.

Die Erreger der Malaria spalten Hämoglobin in von ihnen infizierten roten Blutkörperchen, um daraus Proteine für ihren eigenen Stoffwechsel zu gewinnen. Aus dem Häm entsteht dabei Hämozoin, das vom Parasiten kristallisiert wird und unter dem Mikroskop in den infizierten Erythrozyten als Pigment erkennbar ist. Das Malaria-Medikament Chloroquin hemmt diese Kristallisierung und der Parasit wird durch das Hämozoin vergiftet.

Nachweis

Der Nachweis von Hämoglobin erfolgt durch den Teichmann-Test, bei dem Blut vorsichtig mit Kochsalz und Eisessig erwärmt wird, wobei sich Hämin (Teichmann-Kristalle) abscheidet.

Siehe auch

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Hämoglobin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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