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Humanes T-Zell-lymphotropes Virus Typ I



Humanes T-Zell-lymphotropes Virus Typ I
 
Systematik
Reich: Viren
Baltimore K. (RNA-Retroviren) VI
Familie: Retroviridae
Unterfamilie: Orthoretrovirinae
Gattung: Deltaretrovirus
Untergattung: Primaten-T-Zell-lymphotropes Virus
Art: Humanes T-Zell-lymphotropes Virus Typ I
Wissenschaftlicher Name
Humanes T-Zell-lymphotropes Virus Typ I (HTLV-I)

Das humane T-Zell-lymphotrope Virus Typ I (HTLV-I) (früher auch: humanes T-Zell-Leukämie-Virus Typ I) ist ein Retrovirus, das Menschen und andere verwandte Primaten infizieren kann. Es infiziert primär CD4-positive T-Lymphozyten und kann bei einer kleinen Minderheit der Infizierten eine T-Zell-Leukämie oder neurologische Erkrankungen, besonders die Tropische Spastische Paraparese, verursachen.

Inhaltsverzeichnis

Historisches

HTLV-I wurde 1979/1980 als erstes humanpathogenes Retrovirus durch die Arbeitsgruppe um Robert Gallo am NIH entdeckt[1] Dem vorangegangen war eine jahrzehntelange Suche nach menschlichen Retroviren, nachdem Retroviren aus dem Tierreich schon seit vielen Jahrzehnten bekannt waren. Die Entdeckung war dementsprechend eine wissenschaftliche Sensation. Kurz danach wurde ein zweites, mit HTLV-I eng verwandtes humanes Retrovirus entdeckt, das dann als HTLV-II bezeichnet wurde[2] Die ersten HTLV-I-Virusisolate stammten von Patienten mit T-Zell-Leukämien. Der Name "HTLV" stand daher zunächst für "humanes T-Zell-Leukämievirus". Später entdeckte man, dass HTLV-I auch andere nicht-maligne Erkrankungen verursachen kann und der Name wurde in "T-Zell-lymphotropes Virus" abgeändert. In den folgenden Jahren entdeckte man bei Primaten verschiedene, mit HTLV-I und HTLV-II eng verwandte Retroviren, die dann analog als simian T-cell lymphotropic viruses oder primate T-cell lymphotropic viruses (T-Zell lymphotrope Viren von Affen bzw. Primaten) bezeichnet wurden. Heute geht man davon aus, dass die humanen Viren HTLV-I und HTLV-II durch Übertragung von Affenretroviren innerhalb der letzten etwa 20 000 Jahre auf den Menschen entstanden sind[3].

Taxonomie

Taxonomisch wird HTLV-I zu den Deltaretroviren gezählt und aufgrund der engen genetischen Verwandtschaft mit den Deltaretroviren der nicht-humanen Primaten in eine gemeinsame Untergattung "Primaten-Deltaretroviren" eingeteilt.

Epidemiologie

Weltweit schätzt man ca. 15-20 Millionen HTLV-I-Infizierte (zum Vergleich: HIV: ca. 40 Millionen 2006). Im Gegensatz zu HIV hat sich die Zahl der Infizierten in den letzten Jahrzehnten wohl nicht wesentlich verändert (nach Schätzungen, genaue Zahlen existieren für die meisten Länder nicht). Im Gegensatz zu HIV, das sich seit Anfang der 80er Jahre vor allem im Afrika südlich der Sahara geradezu explosionsartig ausgebreitet hat und zur Pandemie geworden ist, sind die HTLV-I-Infektionen weitgehend auf bestimmte Endemiegebiete beschränkt geblieben. Die Ursachen liegen wohl in der wesentlich weniger effizienten Übertragung von HTLV-I im Gegensatz zu HIV. Bekannte Endemiegebiete sind:

  • Japan, insbesondere die südlichen Inseln Kyushu, Shikoku und Okinawa
  • die Karibik und Anrainergebiete, z. B. Mittelamerika
  • bestimmte Gebiete von Äquatorialafrika
  • bestimmte Gebiete von Südamerika
  • die Region um die Stadt Mashhad im Nordosten Irans
  • die USA (hier insbesondere bestimmte Bevölkerungsgruppen)

Für viele Länder existieren jedoch keine verlässlichen Zahlen. Bzgl. Japan gibt es die Vermutung, dass das Virus im 16. Jahrhundert durch portugiesische Seefahrer und Kaufleute, die über viele Jahrzehnte in Nagasaki eine Handelsniederlassung hatten, ins Land eingeschleppt wurde. Die Portugiesen wiederum hatten sich wahrscheinlich in Afrika durch Sexualkontakte angesteckt. Diese Hypothese ist jedoch umstritten und kann nicht als bewiesen gelten. In Europa kommt HTLV-I fast nicht vor (eine Ausnahme sind Einwanderer aus Endemiegebieten wie z.B. karibische Einwanderer in Großbritannien). Im Gegensatz zu den USA werden in Deutschland Blutspender wegen der Seltenheit meist nicht routinemäßig auf HTLV-I getestet.

Genetik

Das HTLV-I-Genom besteht aus RNA und umfasst ca. 8500 Basen (zum Vergleich: menschliches Genom ca. 6.000.000.000 Basenpaare). Es besteht an den Enden aus zwei identischen flankierenden Sequenzen (den sogenannten long terminal repeats). Dazwischen liegen die für alle Retroviren typischen 3 Genregionen gag (Genregion für die Virusstrukturproteine, aus denen die innere Virushülle aufgebaut ist), pol (Virusenzyme, die für die Umschreibung des Virusgenoms in DNA und die Integration in das zelluläre Genom wichtig sind) und env (Virusproteine, die in die äußere Virushülle eingebaut sind und entscheidend dafür sind, welche Zellen das Virus infizieren kann).

Zusätzlich besitzt HTLV-I allerdings noch weitere Gene, die für Proteine kodieren, die die Expression von Virusgenen und auch zellulären Genen beeinflussen. Zumindest eines dieser Gene - tax - scheint entscheidend an der malignen Transformation der infizierten Zelle und der Entstehung der T-Zell-Leukämie beteiligt zu sein.

Infektionswege

Drei wesentliche Infektionswege sind bekannt:

Assoziierte Erkrankungen

HTLV-I verursacht hauptsächlich zwei Erkrankungen:

Diese Erkrankungen treten nur bei einem kleinen Teil der HTLV-I-Infizierten auf. Beispielsweise gab es in Japan in den 1990er Jahren mehr als eine Million HTLV-I-Infizierte, aber es wurden nur zwischen 500 und 1000 Fälle von ATL jährlich beobachtet. Man schätzt, dass das lebenslange Risiko für diese Erkrankungen bei Infektion bei jeweils ca. 1-2% liegt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur HIV-Infektion, bei der praktisch 100% der Infizierten, sofern sie nicht behandelt werden, früher oder später Aids entwickeln.

In Japan erfolgte die Infektion früher hauptsächlich perinatal über die Muttermilch infizierter Mütter. Seitdem dieser Übertragungsweg bekannt ist, gibt es Programme, die diesen Müttern den Verzicht auf das Stillen nahelegen. Dadurch ist es in Japan tatsächlich zu einer signifikanten Senkung der Rate an Neuinfektionen gekommen. Interessant ist, dass die ATL meist im höheren Lebensalter auftritt (das Durchschnittsalter der Erkrankten beträgt >60 Jahre). Bei einer vorwiegend perinatalen Infektion muss man also von einer enorm langen Latenzzeit des Virus ausgehen (60 Jahre und mehr). Auch das ist ein wesentlicher Unterschied zu HIV, wo die Zeit zwischen Infektion und Entwicklung von AIDS meist weniger als 10 Jahre beträgt, wenn keine Behandlung erfolgt. Auch muss betont werden, dass es sich bei der adulten T-Zell-Leukämie um eine ganz spezielle Sonderform der T-Zell-Leukämie handelt, die nur in HTLV-I-Endemiegebieten auftritt. In Europa, wo HTLV-I kaum vorkommt, gibt es durchaus auch T-Zell-Leukämien, diese haben aber ursächlich nichts mit HTLV-I zu tun.

Therapie

Eine wirksame Therapie der HTLV-I-Infektion ist nicht bekannt. Bei einer Infektion persistiert das Virus lebenslang im Organismus und kann in der Regel durch das Immunsystem nicht mehr eliminiert werden (das Virusgenom wird bei der Infektion in das Genom der infizierten Zelle eingebaut). Es ist also ein Fehlschluss, anzunehmen, dass jemand, bei dem Antikörper gegen HTLV-I im Blut nachweisbar sind, gegen dieses Virus immun ist. Die Antikörper zeigen im Gegenteil an, dass der Betroffene mit dem Virus Kontakt hatte und dauerhaft infiziert ist (genauso wie bei HIV). Eine wirksame Impfung gegen das Virus existiert bisher nicht.

Die durch HTLV-I ausgelösten Erkrankungen ATL und TSP/HAM müssen entsprechend behandelt werden. Die ATL wird beispielsweise wie eine Leukämie behandelt. Eine antivirale Therapie findet dabei nicht statt. Die Prognose der Erkrankungen ist im allgemeinen ungünstig.

Literatur

Entdeckung von HTLV-I

  • Robert Gallo Die Jagd nach dem Virus - AIDS, Krebs und das menschliche Retrovirus. Die Geschichte seiner Entdeckung. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 1991, ISBN 3-10-024404-4 (Gallos wissenschaftliche Autobiografie)
  • Gallo RC The discovery of the first human retrovirus: HTLV-1 and HTLV-2. Retrovirology 2005, 2:17 (englischsprachiger Übersichtsartikel, frei zugänglich in BioMed Central: Volltext)
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Humanes_T-Zell-lymphotropes_Virus_Typ_I aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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