Meine Merkliste
my.bionity.com  
Login  

Hüftdysplasie




Klassifikation nach ICD-10
Q65.0 Angeborene Luxation Hüftgelenk, einseitig
Q65.1 Angeborene Luxation Hüftgelenk, beidseitig
Q65.2 Angeborene Luxation Hüftgelenk, nicht näher bestimmt
Q65.3 Angeborene Subluxation Hüftgelenk, einseitig
Q65.4 Angeborene Subluxation Hüftgelenk, beidseitig
Q65.5 Angeborene Subluxation Hüftgelenk, nicht näher bestimmt
Q65.6 Instabiles Hüftgelenk, angeboren
Q65.8 Angeborene Fehlbildung Hüftgelenk, sonstige
Q65.9 Angeborene Fehlbildung Hüftgelenk, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Hüftdysplasie (alternative Bezeichnung: Hüftgelenkdysplasie; englisch hip dysplasia, developmental dysplasia of the hip, congenital dysplasia of the hip; Abkürzungen: CDH, DDH) ist eine Sammelbezeichnung für angeborene oder erworbene Fehlstellungen und Störungen der Verknöcherung (Ossifikation) des Hüftgelenks beim Neugeborenen. Die Hüftdysplasie kann dabei alleinstehend oder zusammen mit anderen angeborenen Fehlbildungen vorkommen. Die alleinstehende Hüftdysplasie ist erheblich häufiger anzutreffen und findet sich weitaus mehr bei Mädchen als bei Jungen. Es werden mehrere Faktoren als begünstigend oder teilweise verursachend angesehen: ein Faktor ist die Beckenendlage. Die Symptome der Hüftgelenksdysplasie sind zunächst Seitenungleichheit der Pofalten und Bewegungseinschränkungen der betroffenen Hüfte beim Strampeln. Ohne Behandlung kommt es bei schweren Formen zu bleibenden Schäden des Hüftgelenks mit Hinken, Gangstörungen und Schmerzen. Endzustand schwerer Formen ist die Hüftgelenksarthrose. Leichtere Formen weisen keine Schmerzen auf. Das Vorliegen einer Hüftgelenksdysplasie wird durch Einsatz vor allem der Sonographie, in selteneren Fällen des Röntgens und der Kernspin- oder Computertomographie gesichert. Die Behandlung erfolgt in den meisten Fällen ohne Operation durch Einsatz breiter Windeln und Wickeln oder Spreizhosen. Auch eine Ruhigstellung durch Spreizgips kann erforderlich sein. Die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs besteht nur selten. Die Prognose der Hüftdysplasie ist seit Einführung des sonographischen Screenings im Neugeborenenalter erheblich verbessert worden.

Inhaltsverzeichnis

Pathomechanismus

 

Das Hüftgelenk ist ein Kugelgelenk und setzt sich aus der Hüftgelenkspfanne (Acetabulum) und dem Hüftgelenkskopf (Caput femoris) zusammen. Die Hüftgelenkspfanne gehört zu den Beckenknochen, der Hüftgelenkskopf zum Oberschenkel. Als Kugelgelenk ist das Hüftgelenk prinzipiell in allen Richtungen frei beweglich. Die Beweglichkeit wird durch das Ausmaß der Umschließung des Hüftgelenkkopfs durch die Hüftgelenkspfanne sowie von Bändern und Muskeln beschränkt. Die Hüftgelenkspfanne umschließt den Hüftkopf zu deutlich weniger als 50% seiner Oberfläche. Einerseits ermöglicht dies eine hohe Beweglichkeit des Hüftgelenkkopfs im Raum, andererseits ist der Hüftgelenkskopf leicht aus der Hüftgelenkspfanne entfernbar (luxierbar). Ab dem Kleinkindesalter ist durch die knöcherne Struktur des Hüftgelenkskopfs und der Hüftgelenkspfanne eine knöcherne Stabilisierung erfolgt; auch die erstarkenden Bänder und Muskeln des Hüftgelenks stabilisieren dieses zusätzlich.

Im Gegensatz zum Kleinkind, Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen besteht das Hüftgelenk beim Neugeborenen aus Knorpel. Im Rahmen der normalen Entwicklung wird im Säuglingsalter (3. bis 9. Lebensmonat) die Knorpelsubstanz fortlaufend durch Knochensubstanz ersetzt. Dies erfolgt sowohl in der Hüftpfanne als auch im Hüftkopf des Oberschenkelknochens (Femur). Für die regelmäßige Verknöcherung (Ossifikation) des Hüftgelenks ist eine richtige Stellung von Hüftkopf zu Hüftpfanne unerlässlich, da die bei Bewegungen des Hüftgelenks entstehenden Kräfte und Belastungen die Verknöcherung fördern. Ist die Stellung von Hüftkopf und Hüftpfanne nicht korrekt (Fehlstellung), kommt es ohne Korrektur zu einer Verknöcherung der Fehlstellung. Auch können sich Hüftpfanne und Hüftkopf in einigen Fällen nicht regelrecht in Form und Größe ausbilden. Dies führt mittelfristig zu einer mangelhaften Funktion des Hüftgelenks mit nachfolgender Schädigung und Zerstörung (Arthrose).

Neben den Fehlstellungen können auch Entwicklungsstörungen der knorpeligen Anlage des Hüftgelenks eine Dysplasie hervorrufen. Wenn die knorpelige Anlage der Hüftgelenkspfanne zu klein ausfällt, kann der ebenfalls noch knorpelige Hüftkopf auch bei anfänglich richtiger Position in der Hüftgelenkspfanne nicht mit ausreichender Sicherheit in der richtigen (zentrierten) Position gehalten werden. Die Folge ist ein erleichtertes Herausrutschen des Hüftkopfes aus der zentrierten Position in der Hüftgelenkspfanne. Das leichte Herausrutschen entspricht einer Subluxation (Teilverrenkung), das vollständige Herausrutschen einer Luxation (Verrenkung).

Risikofaktoren

Das Risiko eine Hüftdysplasie zu erleiden ist bei Mädchen sechs mal höher als bei Jungen. Nach Beckenendlagenschwangerschaften kommt es gehäuft zu Hüftdysplasien. Weitere exogene Faktoren wie intrauteriner Raummangel, z.B. bei Fruchtwassermangel, Mehrlingsschwangerschaften und schwere Kinder sollen ebenfalls gehäuft zu Hüftdysplasien führen. Die Hüftgelenksdysplasie ist das häufigste kinderorthopädische Krankheitsbild bei Säuglingen.

Diagnostik

Die klinische Untersuchung des Neugeborenen oder Säuglings kann erste Hinweise auf das Vorliegen einer Hüftgelenksdysplasie liefern. Bei Betrachtung des Neugeborenen oder Säuglings in Bauchlage fällt eine Ungleichheit (Asymmetrie) der Pofalten auf. Dies ist für eine Hüftdysplasie nicht beweisend, aber ein erster Hinweis. Auch eine Schonung eines Beines oder eine Längendifferenz der Beine kann ein Hinweis auf eine Hüftdysplasie sein. Durch Auslösung und Anwendung des sogenannten Ortolani-Zeichens kann die Verdachtsdiagnose einer Hüftgelenksdysplasie gestellt werden: bei dem nach außen Drücken der Oberschenkel des Neugeborenen (oder Säuglings) kommt es zu einem Klick-Geräusch in der Hüfte als Zeichen des vereinfachten Herausrutschens des Hüftkopfes (Luxierbarkeit).

Eine Diagnose der Hüftgelenksdysplasie kann mit diesen Mitteln nicht zureichend gestellt werden: einerseits können leichte Formen kein Ortolani-Zeichen aufweisen und später doch zu einer Arthrose führen, andererseits ist das Ortolani-Zeichen eine Untersuchungstechnik mit Risiko, da hierdurch die Blutversorgung zum Hüftkopf beschädigt und unterbrochen werden kann. Eine Hüftkopfnekrose (Osteonekrose, Knochennekrose oder Knocheninfarkt des Hüftkopfes) wäre die Folge.

Daher wird in den ersten Lebenswochen die Sonographie der Hüfte eingesetzt. Sie bietet den Vorteil der Darstellbarkeit des Knorpels und der fehlenden Strahlenbelastung sowie einfachen Anwendung durch erfahrene Untersucher. Um die Notwendigkeit einer möglicherweise riskanten klinischen Untersuchung zu eliminieren wurde 1996 zunächst in Österreich ein Screening der Hüften aller Neugeborenen mittels der Sonographie eingeführt. Die Sonographie der Hüftgelenke ist auch Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung U3 in Deutschland. Zur Dichtemessung des Knochens - falls die Ursache nicht in der Dysplasie liegt - müssen andere Verfahren angewendet werden.

Röntgenuntersuchungen haben diesen Nachteil der Sonographie nicht. Sie erlauben sehr präzise Aussagen über die Verknöcherung des Hüftgelenks und die Stellung der Bestandteile des Hüftgelenks zu einander. Allerdings kann Röntgen Knorpel nicht abbilden. Da das Hüftgelenk des Neugeborenen aus Knorpel besteht, liefert die Röntgenuntersuchung nur sehr wenige Informationen im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter. Im fortgeschrittenen Säuglingsalter und danach ist die Röntgenuntersuchung der Hüfte (Beckenübersicht oder Lauenstein-Aufnahme) sehr aufschlussreich. Nachteilig in jedem Lebensalter für die Röntgenuntersuchung ist die damit verbundene Strahlenbelastung.

Die Kernspintomographie wird nur recht selten eingesetzt, erlaubt aber eine sehr gute Aussage über Knorpel, Knochengrenzen und Knochenmark sowie Weichteilverhältnisse. Sie ist allerdings bei weitem nicht so leicht verfügbar wie die Sonographie. Auch die Durchführung bei Neugeborenen und Säuglingen ist schwierig, da die ausreichende Ruhigstellung bei dem mit der Kernspintomographie verbundenen Lärm nur selten allein und ohne Hilfe von Beruhigungs- oder Schlafmitteln erfolgt.

Klassifikation

Je nach angewendetem Untersuchungsverfahren (Ultraschall bzw. Sonographie, Röntgen) bestehen Schemata für die Klassifikation und damit Feststellung und Einteilung eines Schweregrads bei der angeborenen Hüftluxation. Aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung und der guten Darstellbarkeit knorpeliger Strukturen hat die Ultraschalluntersuchung im Neugeborenenalter nach dem österreichischen Orthopäden Reinhard Graf durchgesetzt.

Tabelle 1. Klassifikation der angeborenen Hüftdysplasie mittels Ultraschall (Sonographie) nach R. Graf
Typ Beschreibung Alpha-Winkel (α) Beta-Winkel (β) Bild Maßnahmen und Therapie
Typ I - Normal entwickelte und ausgereifte Hüfte
Ia Jedes Lebensalter: Normal entwickelte Hüfte.
Mit spitzem knorpeligem Erker.
> 60° < 55° Keine Therapie.
Ib Jedes Lebensalter: Normal entwickelte Hüfte.
Mit stumpfen knorpeligen Erker.
> 60° > 55° Keine Therapie. Kontrolle sollte bzw. kann erfolgen.
Typ II - Reifungsverzögerung der Hüfte (Dysplasie)
IIa (+) Bis 3. Lebensmonat: Physiologische Verzögerung
der Hüftentwicklung. Ohne Reifungsdefizit der Knochen.
50° - 59° > 55° Keine Therapie. Aber Kontrolle notwendig.
IIa (-) Bis 3. Lebensmonat: Physiologische Verzögerung
der Hüftentwicklung. Mit Reifungsdefizit der Knochen.
50° - 59° > 55° Kontrolle in kurzem zeitlichen Abstand. Spreizbehandlung.
IIb Nach 3. Lebensmonat: Echte Reifungsverzögerung (verzögerte Knochenreifung). 50° - 59° 55° - 70° Spreizbehandlung erforderlich.
IIc Gefährdete oder kritische Hüfte. Hüfte ist luxierbar. 43° - 49° 70° - 77° Sofortige Spreizbehandlung. Ohne Behandlung verschlechtert sich die Dysplasie.
D (IId) Hüfte beginnt zu dezentrieren. 43° - 49° > 77° Sofortige Spreizbehandlung. Sichere Immobilisation (beispielsweise Spreizgips) erforderlich.
Typ III. Dezentrierte Hüftgelenke (Dysplasie mit Fehlstellung)
IIIa Nach oben verlagerter knorpeliger Erker ohne Veränderung desselben. < 43° > 77° Sofortige Behandlung zwingend. Eventuell stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus. Korrektur der Hüftposition. Immobilisation mit Gips.
IIIb Nach oben verlagerter knorpeliger Erker mit Veränderung desselben. < 43° > 77° Sofortige Behandlung zwingend. Stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus. Korrektur der Hüftposition. Immobilisation mit Gips.
Typ IV. Vollständige Hüftluxation (schwere Dysplasie mit starker Fehlstellung)
IV Vollständige Luxation. < 43° > 77° Sofortige Behandlung zwingend. Stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus. Korrektur der Hüftposition. Immobilisation mit Gips.

Therapie

  Bei den leichteren Formen der Hüftgelenkfehlbildung reicht es meistens aus, das Kind konsequent breit zu wickeln. Man stellt sich vor, dass dann der Hüftkopf Gelegenheit hat, sich während des Wachstums tiefer in die Pfanne einzubohren. Moderne Windelsysteme unterstützen das Wickeln von Säuglingen in gespreizter Beinhaltung. Auch das Tragen von Babys im Babytragetuch kann Dysplasien entgegenwirken. Dabei muss unbedingt auf einen ausreichend breiten Steg geachtet werden, der die Beine in einer breiten Position hält und die Beine nicht herabhängen lässt.

Sind die Veränderungen schwerer, so wird eine Bandagenversorgung, das Tragen einer Schiene oder ein Gips erforderlich. Es kann sogar notwendig werden, durch eine Operation dafür zu sorgen, dass die Hüftköpfe wieder in die Pfannen hineinrutschen können.

Spätfolgen

Unbehandelte Fehlbildungen leichterer Ausprägung der Hüftgelenke können später zu vorzeitigem Verschleiß führen, man nennt das Dysplasiearthrose. Sind die Hüften ausgerenkt, behindert das die Entwicklung der Motorik des Kindes erheblich. Hier ist es so früh wie möglich notwendig, auf konservativem oder operativem Weg, eine normale Funktion der Hüften zu erreichen. Früher wurden häufig Umstellungsoperationen durchgeführt, die den Winkel zwischen Oberschenkelschaft und Hals korrigieren sollten. Man nahm damals an, hiermit der Entwicklung von Arthrosen entgegenwirken zu können. Inzwischen weiß man, dass lange nicht alle Hüften, die von diesem idealen Winkel abweichen, auch tatsächlich früher arthrotisch werden. Die Indikation zur Korrekturosteotomie wird also heute (2005) wesentlich restriktiver gehandhabt.

Siehe auch

Quellen

  • EO. Gerscovich: A radiologist's guide to the imaging in the diagnosis and treatment of developmental dysplasia of the hip. Skeletal Radiol (1997). 26: 447-456.
Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Hüftdysplasie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Ihr Bowser ist nicht aktuell. Microsoft Internet Explorer 6.0 unterstützt einige Funktionen auf ie.DE nicht.