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Hörsturz
Der Hörsturz (englisch: idiopathic sudden sensorineural hearing loss, abgekürzt ISSHL) ist eine ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) plötzlich auftretende, meist einseitige Schallempfindungsstörung. Der Hörverlust kann beim Hörsturz von geringgradig bis zur völligen Gehörlosigkeit reichen, er kann alle Frequenzen betreffen oder nur auf wenige Frequenzbereiche begrenzt sein. Vom Hörsturz sind entsprechend der Definition (plötzlicher Hörverlust ohne erkennbare Ursache) die Hörstörungen mit erkennbarer Ursache abzugrenzen. Der Verlauf des Hörsturzes ist sehr unterschiedlich, bekannt ist jedoch eine relativ hohe Spontanheilungsrate. Eine zuverlässige Prognose über das Auftreten einer Spontanheilung gelingt nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht. Beim Hörsturz wird eine Vielzahl von Therapien angewandt, deren Wirksamkeit jedoch durchweg nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist.[1] Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
SymptomeCharakteristisch und definierend ist ein plötzliches, meist einseitiges Auftreten des Hörverlustes. Auslösende oder verursachende Faktoren lassen sich nicht feststellen. Ein einseitiges Druckgefühl und ein Ohrgeräusch (Tinnitus) (meist hochfrequent) im betroffenen Ohr können erste Vorboten sein. Der Hörsturz ist niemals von Ohrenschmerzen (Otalgie) begleitet. Bei einer einseitigen, plötzlichen Hörminderung mit Ohrenschmerzen muss daher eine andere Erkrankung angenommen werden. Parallel zur Hörstörung können andere Symptome auftreten:
Diagnose und DiagnostikEin idiopathischer Hörsturz im Sinne eines akuten idiopathischen sensorineuralen Hörverlustes liegt vor, wenn:[2]
DiagnostikDie Diagnose Hörsturz ist eine Ausschlussdiagnose. Ein akuter Hörverlust wird dann als Hörsturz bezeichnet, wenn keine Ursachen für den plötzlichen Hörverlust festgestellt werden können. Neben der Feststellung der Symptome durch die Befragung des Patienten werden verschiedene Untersuchungen zur Funktionsfähigkeit des Ohres durchgeführt. Mit der Otoskopie werden Gehörgang und Trommelfell untersucht. Die Funktionstüchtigkeit des Mittelohres wird mit der Tympanometrie überprüft. Mit der Tonaudiometrie wird das Ausmaß des Hörverlustes und die Art der Schwerhörigkeit bestimmt. Auch zur Kontrolle des Verlaufes ist ein Audiogramm unabdingbar. Nachfolgende Untersuchungen und Verfahren können beim Hörsturz durchgeführt werden (Liste ohne Wertigkeit oder Priorität):
DifferentialdiagnoseEine plötzliche Hörstörung kann Symptom anderer Erkrankungen sein. Diese sind vom Hörsturz abzugrenzen.
Darüber hinaus sind alle weiteren Hörverluste vom Hörsturz abzugrenzen, bei denen sich eine Ursache feststellen lässt. Ursachen und RisikofaktorenDer Entstehungsmechanismus von Hörstürzen konnte bisher noch nicht geklärt werden. Vermutet wird ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die zu einer Änderung der Durchblutungsverhältnisse am Innenohr führen. Hier befinden sich die Haarzellen, die für das Hören zuständigen Sinneszellen. Die Haarzellen werden durch kleine Blutgefäße mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Eine Mangeldurchblutung in diesen Blutgefäßen könnte zu einer Schädigung der Haarzellen führen. Darüber hinaus werden Virusinfektionen, Autoimmunerkrankungen und eine Zerreißung (Ruptur) der runden Fenstermembran als eventuelle Ursachen des Hörsturzes diskutiert. Mögliche Ursachen
Viele der womöglich ursächlichen Faktoren sind mittels Einzelfallberichten und Fallserien beschrieben worden. Eine groß angelegte (ausreichende Patientenanzahl) mit systematischer prospektiver Untersuchung von Risikofaktoren oder Hinweisen auf den einen oder anderen Entstehungsmechanismus ist nicht veröffentlicht worden. Aus der Vielzahl von möglichen Ursachen ergibt sich die Frage, ob der Hörsturz im Sinne eines akuten Hörverlustes selbst ein Krankheitsbild oder viel mehr ein gemeinschaftliches Symptom unterschiedlicher Erkrankungen ist. Im angloamerikanischen Sprachraum werden schärfer definierte Begrifflichkeiten verwendet: der Hörsturz ohne nachweisbare andere Ursache wird als idiopathic sudden sensoneurinal hearing loss, abgekürzt ISSHL bezeichnet. Diese "Unschärfen" in der Definition des Hörsturzes können zu enormen Problemen sowohl bei der Beurteilung der Spontanheilungsrate als auch der Effektivität jedweder therapeutischer Maßnahme führen, da gegebenenfalls Patientengruppen mit ungleichen Charakteristika mit einander verglichen werden und somit bereits unabhängig von der therapeutischen Maßnahme ein Unterschied in den zu untersuchenden Gruppen besteht. RisikofaktorenGefährdet sind laut Ansicht mancher Experten insbesondere zwei Gruppen von Menschen:
Ein wissenschaftlicher Beweis für diese Thesen fehlt indes. Zum oftmals postulierten Zusammenhang Stress-Hörsturz äußert sich beispielsweise der HNO-Wissenschaftler Olaf Michel in seinem Fachbuch "Der Hörsturz" wie folgt:
Dieser Möglichkeit der Konstruktion wird von einzelnen Autoren die Alternative empirischer Forschung entgegengestellt:
Der wissenschaftliche Wert dieser Aussage werde jedoch - nach Ansicht ihrer Kritiker - durch methodische Probleme bei der Datenerhebung eingeschränkt, denn die ihr zugrunde liegenden Untersuchungen seien nicht ausreichend vor Beeinflussungen seitens der Patienten und der Therapeuten geschützt. Die Erfassung von Erkrankungen, denen Stressbedingtheit zugeschrieben wird, ist andererseits insbesondere im betrieblichen Umfeld nicht einfach: Einerseits beeinflussen beispielsweise haftungsrechtliche[30] Erwägungen die Wahrnehmung von Arbeitgebern, andererseits sind auch betroffene Arbeitnehmer oft nicht daran interessiert, den Eindruck geringer Belastungsfähigkeit zu erwecken.[31] Auch mögliche vaskulären Risikofaktoren sind umstritten:
Auch konnten in Untersuchungen an Innenohren von Hörsturzpatienten, die ihr Organ nach ihrem Tod der Wissenschaft zur Verfügung stellten, keine Hinweise auf als dauerhafte pathologische Veränderungen auftretende Durchblutungsstörungen diagnostiziert werden.[32] Derzeit überwiegt die Ansicht, dass die Ursachen für den Hörsturz in der Regel unaufgeklärt bleiben, nicht zuletzt deshalb, weil das Innenohr anatomisch an einer sehr unzugänglichen Stelle hinter dem Schädelknochen liegt und sich mit bildgebenden Verfahren kaum darstellen lässt. Epidemiologie (Häufigkeit und Vorkommen)Nach Untersuchungen von Klemm und Saarschmidt sowie Michel sind in Deutschland 15.000 Menschen pro Jahr von einem Hörsturz betroffen. [28] [33] [34]. In den USA besteht eine Inzidenzrate der akuten Schallempfindungsstörung auf 5 bis 20 betroffene Menschen pro 100.000 Menschen nach Angaben von Byl, in Flandern (Belgien) und in den Niederlanden 8 bis 14 betroffene Menschen von 100.000 Menschen. [35] [36] Die Verteilung des idiopathischen Hörsturzes scheint zwischen Männern und Frauen annähernd gleich zu sein. In seiner Dissertation mit Literaturanalyse hat Leins ein leichtes Überwiegen des männlichen Geschlechts unter den Betroffenen ausgemacht. [33] Alle Altersstufen können vom idiopathischen Hörsturz betroffen sein. Kinder und Jugendliche sind sehr selten betroffen, 75% aller Patienten sind bei Diagnose älter als 40 Jahre. [37] Anderen Quellen zufolge treten 60% aller idiopathischen Hörstürze zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf. [38] TherapieWirksamkeit der Therapien des HörsturzesAussagekräftige Studien scheitern z. T. auch an der hohen Selbstheilungsrate der Erkrankung.[39] [40] [41] Die berichteten Spontanheilungsraten sind aber von einer deutlichen Spannbreite gekennzeichnet. Weinaug berichtet 1984 eine Spontanheilungsrate von 68% bei 63 Patienten mit Hörsturz. Heiden berichtet in seiner Literaturanalyse in 2000 Spontanheilungsraten zwischen 25% und 89% bei nicht anhand von Kriterien ausgewählten Studien und 28% bis 68% bei 4 ausgewählten Studien. Schuknecht gibt eine Rate von Spontanremissionen zwischen 40% und 60% an[42]. Eine Aufgliederung nach Risikofaktoren oder Charakteristika des Hörsturzes (Hochton oder Tiefton oder alle Töne) oder begleitende Erkrankungen ist dabei nicht durchgehend mit ausreichend hohen Fallzahlen angegeben. Wissenschaftlich aussagefähig ist eine Studie nur dann, wenn sie nachweisen kann, dass die untersuchte Heilungsmethode signifikant bessere Ergebnisse bringt als die Placebobehandlung, d. h. die Scheinbehandlung.[43] Eine Reihe von Medizinern argumentiert jedoch, es sei unethisch, einen Patienten aus Forschungszwecken nicht zu behandeln, obwohl er an einem Hörsturz leidet. [44] In klinischen Studien vergleicht man daher meist eine Behandlungsmethode mit einer anderen. Die wenigen placebokontrollierten Untersuchungen zum Hörsturz, die bislang publiziert wurden, zeichnen sich in der Regel durch methodische Schwächen (zum Beispiel kleine Patientenzahl, nachträgliche Ergebniskorrektur mittels Post-Hoc Analyse, mangelhafte Randomisierung) aus. In den einzigen beiden Studien, die den modernen wissenschaftlichen Standards weitgehend entsprechen, erzielten die getesteten durchblutungsfördernden Medikamente keine besseren Ergebnisse als Infusionen mit Kochsalzlösung, die als Placebo eingesetzt wurden.[45][46] Kritiker der Untersuchungen wenden ein, auch die Placebo-Infusionen könnten eine Wirkung haben, da sich durch die Infusionslösung das Blut verdünne und es dadurch zu einer besseren Durchblutung des Innenohrs käme.[47] Diese Argumentation ist jedoch umstritten. Auch wenn man die äußerst geringe Mehrdurchblutung des Innenohrs durch Kochsalzlösung berücksichtigt, muss die Frage gestellt werden, warum bei gleicher Wirksamkeit Medikamente mit potenziellen Nebenwirkungen gegenüber Infusionen mit reinem NaCl vorgezogen werden.[48] TherapiezeitpunktFrüher galt ein Hörsturz im deutschsprachigen Raum als medizinischer Notfall. Auch heute wird er zumindest noch als Eilfall betrachtet. Wie beschrieben, sind sämtliche Therapieansätze umstritten - fast allen gemein ist allerdings, dass sie so schnell wie möglich begonnen werden sollten. Ein Abwarten über mehrere Tage berge eventuell das Risiko, dass irreversible Schädigungen des Hörvermögens zurückbleiben, wogegen eine zeitnahe Behandlung, beispielsweise in Form einer Infusionstherapie, möglicherweise bessere Chancen für eine weitgehende Wiederherstellung des durch den Hörsturz beeinträchtigten Hörvermögens bieten könnte. Es soll aber nicht übersehen werden, dass bei frühestmöglicher Behandlung auch alle Spontanheilungen mitbehandelt werden und allein schon so der Eindruck entstehen muss, dass eine sofortige Behandlung eine höhere Erfolgsrate hat. Manchmal äußert sich die Erkrankung auch als vermeintlicher "Hör-Infarkt" ("Apoplexia labyrinthi") mit Schwerhörigkeit und starkem Schwindel. In einem solchen Fall wird der Erkrankte schon allein wegen der erheblichen Beschwerden möglichst umgehend den Arzt aufsuchen. TherapieformenDa eine große Anzahl von Schädigungshypothesen des Ohres (oder des mit dem Hören befassten Gehirns) besteht, existiert eine große Vielfalt von Behandlungsmethoden, denen allen gemein ist, dass sie fachlich angreifbar sind. Während Krankenkassen wegen der Kosten oft eine ablehnende und abwartende Haltung einnehmen, sieht dies auf Seiten der Erbringer der jeweiligen Therapieleistungen genau umgekehrt aus. Ein Konsenspapier aus Sicht der deutschsprachigen HNO-Ärzte stellen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie [49] dar, die jedoch wiederholt heftige öffentliche Kritik erfuhren. [50][51] Darüber hinaus hat die international tätige Cochrane Collaboration unabhängige Beurteilungen verschiedener Hörsturz-Behandlungen angekündigt [52], von denen bislang jedoch ausschließlich die Berichte über die hyperbare Sauerstofftherapie und über Cortison fertiggestellt sind (siehe unten). Medikamentöse TherapienInfusionstherapie mit Ziel der Durchblutungsverbesserung (rheologische Therapie) Unter der Annahme, dass ein Hörsturz durch eine Durchblutungsstörung des Innenohres verursacht wird, erfolgt im deutschsprachigen Raum in der Anfangsphase zumeist die so genannte Infusionstherapie. Patienten werden hier über 10 Tage per Infusion durchblutungsfördernde Substanzen wie Hydroxyethylstärke (HES), Pentoxifyllin oder niedermolekulare Dextrane verabreicht.[49] Erheblich seltener kommen Substanzen wie das Piracetam oder Prostaglandine bzw. Prostazykline wie das Alprostadil[53] und Iloprost zum Einsatz.[54] Die Effektivität der sehr zeit- und kostenaufwändigen Infusionstherapie (jährliche Ausgaben in Deutschland ca. 500 Millionen Euro)[55] wird jedoch kontrovers diskutiert. Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist im angloamerikanischen sowie im skandinavischen Raum die rheologische Infusionstherapie beim Hörsturz unüblich.[56][57] Kopfschmerzen, Magendruck, Harndrang oder Schlafstörungen sind – je nach verwendetem Mittel – häufige Nebenwirkungen der Infusionen. Seltenere schwere Nebenwirkungen, darunter anaphylaktischer Schock durch Pentoxifyllin[58] oder niedermolekulare Dextrane[59] können auftreten. Wenn Hydroxyethylstärke gegeben wird, kann sich die Substanz insbesondere nach längerfristiger Anwendung in der Haut anreichern und zu sehr lästigem Juckreiz führen, der schwer zu behandeln ist und lange anhalten oder gar therapieresistent sein kann (siehe auch: Pruritus). Die aktuellen Leitlinien betonen deshalb, die Behandlung könne nicht vorbehaltlos empfohlen werden. Sie begrenzen die empfohlene Therapiedauer für solche Infusionen auf maximal 10 Tage, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen zumindest reduziert wird. Die Therapieempfehlungen fordern darüber hinaus eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiko.[49] Angesichts des unbewiesenen Nutzens von Hydroxyethylstärke beim Hörsturz bleibt indes offen, wie eine solche Abwägung möglich sein soll. [60] Bei Hörstürzen mit Bevorzugung der tiefen Frequenzen wird in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für HNO neuerdings die Infusionstherapie nach Vollrath empfohlen. Hierbei wird unter der Annahme eines endolymphatischen Hydrops eine entwässernde Therapie mit Mannitol 20% plus Acetazolamid über 3 Tage intravenös durchgeführt und danach für eine Woche 250 mg Acetazolamid als Tablette verabreicht. Die Wirkung ist auch bei dieser Behandlung unbewiesen, die Leitlinien betonen zudem die Möglichkeit von Nebenwirkungen in Form von temporärer, unter Umständen persistierender Verschlechterung des Gehörs. Die früher übliche Infusion mit Naftidrofuryl oder Ginkgo biloba wird heute nicht mehr durchgeführt. In der Bundesrepublik Deutschland wurden beide Medikamente in Ampullenform aus Sicherheitsgründen Mitte der 1990er Jahre vom Markt genommen. Grund hierfür waren einerseits mehrere durch parentales Naftidrofuryl hervorgerufene Todesfälle,[61] andererseits eine Anhäufung immunallergischer Erkrankungen nach i.v. Ginkgo-Extrakt.[62] Bei der Applikation niedermolekularer Dextrane wird darüber hinaus seit einem dokumentierten Todesfall im Jahr 1983 zusätzlich Haptendextran verabreicht, um die Wahrscheinlichkeit schwerer Schockreaktionen zu verringern. [63] Orale Therapie mit dem Ziel der Durchblutungsverbesserung (rheologische Therapie) Durchblutungsverbessernde Substanzen können nicht nur als Infusion, sondern auch in Tabletten- oder Kapselform peroral verabreicht werden. Zu den Substanzen in diesem Sinne gehören: Naftidrofuryl[64], Ginkgo biloba Extrakte, Buflomedil und Pentoxifyllin.[65] Auch Blutdrucksenker mit gefäßerweiterndem Effekt wie das Nifedipin oder Nimodipin[66] sind zum Zwecke der Durchblutungsverbesserung bei Hörsturz eingesetzt worden. Der Einsatz ausschließlich gefäßerweiternder Medikamente wird jedoch in den aktuellen Behandlungsleitlinien aufgrund des möglichen Steal-Effekts, durch den die Durchblutung des Innenohrs unbeabsichtigt sogar verringert werden kann, nicht mehr empfohlen.[49]
Der Einsatz von Corticosteroiden bzw. Glucokortikoiden (Cortison) im Rahmen der Therapie des Hörsturzes basiert auf deren entzündungshemmender und das Immunsystem unterdrückender Wirkung. Auch ein abschwellender Effekt könnte von Bedeutung sein. Unter der Annahme, dass eine Entzündung oder Immunsystem-vermittelte Reaktion am Innenohr ursächlich für die Entstehung des Hörsturzes ist, werden mehrere Substanzen aus der Klasse der Glucocorticoide eingesetzt: Prednison, Prednisolon und Methylprednisolon. Dexamethason wird sehr viel seltener eingesetzt. Die Substanzen können entweder peroral als Tabletten oder intravenös als Infusion verabreicht werden. Gemeinsam ist allen eine sogenannte systemische Gabe in Abgrenzung zur lokalen Therapie mit Corticosteroiden. Dies bedeutet, dass die Gabe von Corticosteroiden als Tabletten oder Infusion den ganzen Körper einer Corticosteroid-Dosis (wiederholt) aussetzt. Eine 1980 veröffentlichte randomisierte Doppel-Blind-Studie hat eine Wirksamkeit der Therapie mit systemischen Glucocorticoiden (Methylprednisolon und Dexamethason) zeigen können.[67] Die Studie hat methodische Mängel, welche ihre Aussagekraft einschränken. Dies betont auch die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde im Anhang einer älteren Version ihrer Hörsturz-Leitlinien: "Zwei Studien zusammengefasst fragwürdig".[68] Der im Januar 2006 erschienene Cochrane-Review hebt ebenfalls die unbewiesene Wirkung von Cortison beim Hörsturz hervor und fordert für die Zukunft qualitativ hochwertigere Untersuchungen:
Bei Patienten mit schwer einstellbarem Blutdruck, Schwangeren, Zuckerkrankheit mit Insulintherapie oder Magengeschwüren muss das Risiko gegenüber dem unbewiesenen Nutzen der Infusion abgewogen und gegebenenfalls die Dosierung verändert werden. Ebenfalls können Corticosteroide neuropsychiatrische Symptome [70] verursachen. Problematisch ist im Zusammenhang mit der systemischen Anwendung von Corticosteroiden (Cortison), dass allein die Gabe von Corticosteroiden keine an sich aussagekräftige und bewertbare Intervention ist: vielmehr muss die Dosis und der Verabreichungszeitraum sowie die Dosis-Zeit-Intensität (wieviel Medikament in welchem Zeitraum durchschnittlich und absolut) berücksichtigt werden. Beispielsweise ist die einmalige Gabe von 1000 mg Prednisolon intravenös eine andere Therapie als eine Gabe von 1000 mg Prednisolon über insgesamt 14 Tage (71,41 mg pro Tag). Sie hat andere Wirkungen und Nebenwirkungen und ist folgerichtig nicht mit der ersteren zu vergleichen. In der Behandlung des Hörsturzes existiert kein einheitliches Dosierungsschema für systemische Corticosteroide bemessen an der realen Anwendung. Ein Schema ist beispielsweise: 200 mg/Tag in 2 Einzeldosen am Tag 1 und 2, 150 mg in 2 Einzeldosen am Tag 3 und 4, 100 mg in 2 Einzeldosen am Tag 5-6, 50 mg in 2 Einzeldosen am Tag 7, 40 mg in einer Einzeldosis am Tag 8, 30 mg am Tag 9, 20 mg am Tag 10 und 11, 10 mg am Tag 12-14[71]. Eine japanische retrospektive Vergleichsstudie kommt zu dem Schluss, dass eine Dosis von weniger als 30 mg/Tag Prednisolon besser sei als eine Dosis von mehr als 30 mg/Tag. Da allerdings alle festgestellten Korrelationen nicht signifikant sind, wird der Einsatz von Prednisolon im Rahmen des idiopathischen plötzlichen Hörverlustes nicht empfohlen [72] Zusammenfassend ist für die Anwendung von systemischen Corticosteroiden (Cortison) die Wirksamkeit bei der Behandlung des Hörsturzes nicht zuverlässig und stichhaltig belegt.
Neben der getrennten Anwendung der gefäßerweiternden Infusionstherapie und der Therapie mit systemischen Corticosteroiden können beide Verfahren auch kombiniert eingesetzt werden. In Deutschland findet die Corticosteroid-Therapie des Hörsturzes nach dem sogenannten Stennert-Schema und seinen Modifikationen statt. Streng genommen handelt es sich hierbei um eine Kombinationstherapie, da drei Medikamente zum Einsatz kommen: als Corticosteroide Prednison, Prednisolon oder Methylprednisolon, Pentoxifyllin und Dextran oder Hydroxyethylstärke. Die Verabreichung der Corticosteroide erfolgt dabei über einen Zeitraum von 14 bis 21 Tagen: Die Tagesdosis wird schrittweise alle 2 bis 3 Tage abgesenkt. Insbesondere der Beginn einer solchen Therapie kann unter stationären Bedingungen erfolgen, vor allem dann, wenn Risikofaktoren für Nebenwirkungen einer Corticosteroid-Therapie vorliegen (Beispiele: Diabetes mellitus). Auch zeitlich abgekürzte Dosierungsschemata von Corticosteroiden kommen allein oder in Kombination mit anderen Substanzen zu Einsatz. Beispiel: 200 mg am Tag 1, 150 mg am Tag 2, 100 mg am Tag 3 und 50 mg am Tag 4, womit die Behandlung beendet ist.
Im deutschsprachigen Raum erfolgt beim Hörsturz – insbesondere in Verbindung mit Tinnitus[73] – mitunter auch eine Behandlung, bei der neben durchblutungsfördernden Medikamenten zusätzlich Lokalanästhetika wie Lidocain oder Procain intravenös verabreicht werden. Da es während der Behandlung unter anderem zu Krampfanfällen, zentraler Atemlähmung und Herz-Kreislaufversagen kommen kann, muss diese Therapie unter stationären Bedingungen (in der Regel in Universitätskliniken) erfolgen.[49] Die Wirkung der iontropen Therapie bei Hörsturz und Tinnitus ist jedoch äußerst umstritten. Zwar können chronische Ohrgeräusche durch die intravenöse Gabe von Lidocain nachweislich über einen sehr kurzen Zeitraum gemildert werden, doch die Wirkung lässt bereits wenige Minuten bis maximal Stunden nach dem Absetzen des Betäubungsmittels wieder nach.[74] Ein wissenschaftlicher Nachweis für eine dauerhafte Wirkung bei akutem Tinnitus oder beim Hörsturz existiert hingegen nicht. In diesem Zusammenhang betonte die baden-württembergische HNO-Referentin Margrit Vasseur im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen sehe aufgrund potenziell lebensbedrohlicher Nebenwirkungen die Anwendung lokaler Betäubungsmittel bei Erkrankungen des Innenohres "mit großer Sorge".[75] Physikalische TherapieverfahrenFibrinogenabsenkung durch Apherese Die Apherese ist ein Blutreinigungsverfahren, bei dem über eine Fällungsreaktion Fibrinogen aus dem Blut reduziert wird. Zusätzlich kommt es zu einer Reduktion des LDL-Cholesterins und des Lipoproteins (a).[76] Aufgrund der mangelnden Beweise für die Wirksamkeit dieser Behandlung kommen gesetzliche Krankenkassen bislang nicht für die Kosten auf. Hierzu der zuständige Arbeitsausschuss:
Die Leitlinien für HNO-Ärzte enthalten Gegenteiliges:
Die Fibrinogen-Apherese wurde mit der Behandlung durch systemische Corticosteroide (Cortison) in einer einzelnen Fallserie aus Japan 2003 verglichen.[27] Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß die systemische Gabe von Cortison (Infusion oder Tabletten) der Fibrinogen-Apherese bei Patienten mit mäßigem Hörverlust vorgezogen werden sollte, wo hingegen die Fibrinogen-Aphrese bei Patienten mit schwerem Hörverlust vorteilhaft sein soll. Eine Prüfung gegen eine unbehandelte oder Placebo-behandelte Kontrollgruppe wurde allerdings nicht mit durchgeführt; ebenso wenig erfolgte eine zufällige Verteilung der Patienten auf die Behandlungsgruppen (Randomisierung). Die Fibrinogen-Apherese war hinsichtlich der Nebenwirkungshäufigkeit überlegen: bei der Gruppe mit Cortison-Behandlung traten erhöhte Blutzuckerspiegel auf (3 von 40 behandelten Patienten; 7,5%). Bei Betrachtung der Raten an vollständiger Wiederherstellung (Komplettremission) oder Besserung ergeben sich zwischen den beiden Behandlungsmethoden keine Unterschiede. Alle Patienten erhielten 1000 mL 6%iges HES als intravenöse Infusion am Tag 1 der Behandlung, was in der Zusammenfassung der Arbeit nicht angegeben wird.
Von einigen Ärzten wird bei Hörsturz eine hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) empfohlen bzw. für sinnvoll erachtet. Dazu ist der mehrfache zeitweilige Aufenthalt in einer Druckkammer erforderlich, während dessen reiner Sauerstoff eingeatmet wird. Der Erfolg dieser Therapie ist innerhalb der Ärzteschaft umstritten und wird selbst von den Befürwortern nur bei ca. 50 Prozent aller Patienten erwartet.[78][79] [80] [81] Die hohen Kosten für die Behandlung werden deshalb nicht von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Hierzu der Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (April 2000):
Dagegen die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde:
Der unabhängige Cochrane-Review (siehe oben) wiederum schlussfolgert, die bisherigen Studien sprächen zwar tendenziell für eine bessere Erholung des Gehörs unter HBO, jedoch sei die Qualität dieser Untersuchungen unzureichend. Es sei darüber hinaus nicht auszuschließen, dass Studien mit positiven Ergebnissen häufiger als solche mit negativen Ergebnissen veröffentlicht worden seien ("publication bias"). Aus diesem Grund seien weitere, methodisch einwandfreie Studien notwendig, um festzustellen, ob und (wenn überhaupt) welche Patienten von der Therapie profitieren. Keinerlei Beweis sieht der Bericht indes für eine Wirkung der hyperbaren Sauerstofftherapie auf Tinnitus – egal ob es sich um akute oder chronische Ohrgeräusche handelt. Ausdrücklich wird die Anwendung der hyperbaren Sauerstofftherapie bei Hörsturz und Tinnitus außerhalb von medizinischen Studien von den Autoren zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt:
Die aktuelle Liste der Undersea & Hyperbaric Medical Society listet den Hörsturz momentan nicht als Indikation für die hyperbare Sauerstofftherapie auf.[84] Operative VerfahrenTympanoskopie In einer kleinen Anzahl von Kliniken wird bei besonders starker Ausprägung der Hörsturzes, Therapieresistenz, Rezidiven oder einer Verschlechterung des Hörvermögens während der konventionellen Therapie eine Tympanoskopie durchgeführt. Unter der Annahme, eine Ruptur der runden Fenstermembran sei für den Hörverlust verantwortlich, soll hierbei in einer Operation der vermeintliche Riss mittels eines Gewebelappens abgedichtet werden.[85] In der Forschungsliteratur wird diese Therapie jedoch äußerst kontrovers diskutiert. Kritische Stimmen bezweifeln die Zuverlässigkeit der diagnostischen Tests und betonen darüber hinaus die unbewiesenen Wirkung der Operation auf das Hörvermögen.[86] In den aktuellen Behandlungsleitlinien wird die Tympanoskopie nur in besonderen Einzelfällen empfohlen.[49] Andere TherapiemöglichkeitenEs existieren eine ganze Reihe anderer Therapiemöglichkeiten. Eine Übersicht findet sich beispielsweise in Olaf Michels Buch „Der Hörsturz“[28]. Die Tatsache, dass die Ursachen für einen Hörsturz nicht klar sind, bietet auch unseriösen Anbietern einen Raum zum Vertrieb ihrer Produkte oder Dienstleistungen. Zweifel sind insbesondere dann angebracht, wenn ein Anbieter mit einem Absolutheitsanspruch kommt (nur seine Therapie wirke am besten), über große Erfolge berichtet (ohne gleichzeitig über die hohe Selbstheilungsquote bei Hörstürzen zu berichten), den Anschein erweckt, dass die Ursachen für Hörsturz jetzt aufgeklärt seien und wenn er angibt, dass seine Therapie zugleich auch bei Tinnitus oder Morbus Menière geeignet sei. Quellen
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