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GruppenselektionGruppenselektion ist ein evolutionstheoretische Konzept, das 1962 vom britischen Zoologen Vero Wynne-Edwards in seinem umfangreichen Werk „Animal Dispersion in Relation to Social Behaviour“ entwickelt wurde. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Die Grundannahmen der TheorieIm biologisch-evolutionären Sinn definiert man eine Gruppe als eine Menge von Individuen, die wechselseitig den Grad ihrer evolutionären Angepasstheit beeinflussen, sei es für den Bruchteil einer Lebensspanne, sei es für ein Leben oder sei es über mehrere Generationen hinweg. Verwandtschaftliche Beziehung sowie räumliche Nähe spielen dabei nicht notwendigerweise eine Rolle. Die Theorie der Gruppenselektion postuliert - sehr verkürzt gesagt - dass altruistisches Verhalten des Individuums seiner sozialen Gruppe nützt, deren Chancen auf Überleben also erhöht und so auch (auf lange Sicht) die Vermehrung der Erbanlagen des altruistischen Individuums im Vergleich zu weniger altruistischen Individuen befördert. Wenn also eine Gruppe von Tieren gleicher Art in Folge ihrer genetischen Ausstattung auf die Zeugung unbegrenzt vieler Nachkommen oder auf die Anwendung lebensbedrohlicher Körperteile („Waffen“) verzichtet, so ist diese Gruppe - der Theorie zufolge - im Vorteil gegenüber einer Vergleichsgruppe, bei der es solche Begrenzungen nicht gibt und die deshalb Massensterben durch Überbevölkerung und nachfolgendem Nahrungsmangel bzw. Tod und Verletzungen bei Rivalenkämpfen hinnehmen muss. Vero Wynne-Edwards unterstellt also eine Selektion, die das Beste für die Gruppe zur Folge hat (daher: Gruppenselektion), während die „klassische“ Evolutionstheorie dem Gedanken verpflichtet ist, dass die am besten angepassten Individuen die größten Überlebenschancen haben. Wolfgang Wickler merkt in diesem Zusammenhang an: „Verhaltensforscher behaupten im Grunde genommen das selbe wie Wynne-Edwards, wenn sie davon ausgehen, Kommentkämpfe seien entstanden im Dienste der Erhaltung der Art, weil jeder Beschädigungskampf, der einen Artgenossen gefährdet oder gar vernichtet, gegen das Prinzip von der Erhaltung der Art verstößt.“ (Wickler/Seibt 1981, S. 52) Auch die von Konrad Lorenz wiederholt postulierte „Tötungshemmung“ wäre mit dem Konzept der Gruppenselektion umstandslos zu erklären. Der scheinbare Widerspruch zur soziobiologischen Auffassung des Verhaltens ist allerdings offenkundig: Wie können als Folge von Mutationen und nachfolgender Selektion Individuen hervorgebracht werden, die ihren Reproduktionserfolg unter dem potentiell realisierbaren belassen? Jede Variante der verantwortlichen Gene, die zum Beispiel durch Zuwanderung ihres Trägers von außen in die Population gelangt, würde sich rasch zu Lasten der „Selbstbeschränker“ ausbreiten - eine stabile evolutionäre „Strategie“ lässt sich so nur schwer konstruieren. Gleichwohl gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass die Theorie der Gruppenselektion zumindest auf bestimmte Sonderfälle der Evolution anwendbar ist. Ein FallbeispielDer Bonner Biologe Dr. Jan-Ulrich Kreft hat 2004 eine der einfachsten Formen von Altruismus in einem Computermodell simuliert: das Bakterienwachstum in so genannten Biofilmen. Dies sind Bakterienbeläge, wie sie zum Beispiel auf menschlichen Zähnen vorkommen. Die Mikroben in derartigen Schichten sind relativ unbeweglich; zudem ist das Nahrungsangebot gerade in tieferen Bereichen begrenzt. Wenn sich nun ein Bakterium schnell teilt und dabei viel Nahrung und Energie verbraucht, nimmt in seiner Umgebung die Nährstoffkonzentration ab: Seinen Nachbarn und ihm selbst droht eine Hungersnot. „Spar-Bakterien“, die sich langsamer teilen und daher sparsamer mit den Ressourcen umgehen, lassen für ihre Nachbarn dagegen mehr übrig. Sie büßen für ihren „Altruismus“ aber mit ihrer langsameren Vermehrungsrate. Kreft hat im Rechner verschiedene Konstellationen durchgespielt, in denen er schnell wachsende „Egos“ auf ökonomischere „Sparer“ stoßen ließ. Sein Befund: Aus Sicht eines einzelnen Bakteriums hat die Ego-Strategie einen Vorteil: Je schneller es sich teilt, desto schneller verbreiten sich seine Gene. Im Prinzip sollten sich derartige Bakterien daher in der Evolution durchsetzen. Weil aber Biofilm-Bakterien meist unbeweglich sind, bleiben sie nach der Teilung Nachbarn. Während sich die Nachkommen der „Egos“ also gegenseitig die Nährstoffe streitig machen, profitieren die Nachkommen der „Sparer“ untereinander von ihrem niedrigeren Ressourcenverbrauch. In Biofilmen mit „Egos“ und „Sparern“ haben die Egoisten daher auf lange Sicht meist keine Chance, wie die Computermodelle zeigen. Zwar haben sie einen Startvorteil; sobald die Nahrung knapp wird, holen die sparsamen Mikroben jedoch Schritt für Schritt auf und machen am Ende das Rennen. Anders kann es aussehen, wenn man die Modellrechnung mit einem Biofilm beginnt, in dem Ego- und Spar-Bakterien abwechselnd nebeneinander sitzen. Dann kann es den Egoisten eventuell schon in der Startphase gelingen, ihre Spar-Konkurrenten vollkommen zu überwachsen und ihnen so den Zugang zur Nahrung abzuschneiden. Falls diese Blitzattacke aber schief geht, ist die Niederlage der Egoisten unausweichlich. Wenn die Mikroben frei in einem Nährmedium schwimmen gewinnen allerdings ausnahmslos die Egoisten, weil die Nachbarn ständig wechseln: Die Hungersnot, die die Egoisten hervorrufen, schädigt dann sowohl „Egos“ als auch „Sparer“. Gleichzeitig profitieren die „Egos“ aber von der Sparsamkeit der „Sparer“, da sie ja selber nicht den Nachteil des langsameren Wachstums tragen müssen. Jan-Ulrich Kreft kam daher zu dem Ergebnis: „Unter natürlichen Bedingungen wachsen die meisten Bakterien in Biofilmen, und dort haben Altruisten sicherlich Vorteile.“ Ein Beispiel aus der ZuchtIn der Zucht von Legehennen ist das Ziel die Maximierung der Eierproduktion. Jahrelange Zuchtwahl der einzelnen legestarken Hennen führte zu einem Grenzwert, den zu überschreiten nicht mehr möglich erschien. Durch den Wechsel der Zuchtwahl zur Auswahl ganzer legestarker Käfige - ohne Ansehen, welche Henne wieviele Eier legte - konnte die Produktion jedoch innerhalb von nur sechs Generationen um 160 % gesteigert werden. Offenbar führte die individuelle Auswahl zur Auswahl von Hennen, die am meisten Eier legten nicht nur, weil sie eben am meisten Eier legen konnten, sondern auch weil sie durch ihr Verhalten andere Hennen am Eierlegen behinderten. Diese Annahme bestätigte sich auch durch drastisch verminderte Mortalitätsraten unter den Legehennen. Sober und Wilson haben berechnet, dass der finanzielle Gewinn aus dieser Produktionssteigerung den nationalen Etat der vereinigten USA für Evolutionsbiologie überschreitet, würde man die Methode auf alle Legebatterien der USA anwenden. Siehe auchVerwandtenselektion, Multilevel Selektion Literatur
Kategorien: Theoretische Biologie | Evolution |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Gruppenselektion aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |