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Grisel-Syndrom



Das Grisel-Syndrom, auch unter den Synonymen Torticollis atlantoepistrophealis und Watson-Jones-Krankheit bekannt, zählt zu den Zervikalsyndromen. Es ist eine sehr seltene Form des Schiefhalses und kennzeichnet sich durch eine fixierte Rotationssubluxation von Halswirbel C1 (Atlas) und/oder C2 (Axis). Es kann posttraumatisch auftreten, aber auch nach rheumatisch-entzündlichen Beschwerden oder einer entzündlichen Veränderung der Weichteile im Nasen-Rachen-Raum (Racheninfekte, z.B. Rachenentzündung oder Mandelentzündung). Als seltene Komplikation ist es nach operativen Eingriffen im Kopf-Hals-Bereich bekannt, insbesondere nach Entfernung der Rachen- oder Gaumenmandeln.

Inhaltsverzeichnis

Häufigkeit

Das Syndrom tritt überwiegend im Kindes- und Jugendalter auf. Es ist sehr selten und die genaue Inzidenz unbekannt. Darum wird es in der Regel nicht in die präoperative (= vor der Operation stattfindende) Aufklärung des Patienten über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffs im Kopf-Hals-Bereich einbezogen.

Symptome

Kennzeichnend für das Grisel-Syndrom ist eine akut auftretende spastische Verdrehung und seitliche Verrenkung des Atlas im Atlantoaxialgelenk, was sich durch die plötzliche Schieflage des Kopfes mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung zeigt. Diese Haltung wird durch eine Verhärtung und Verkürzung der verspannten Halsmuskeln bedingt und kann Übelkeit, Erbrechen, Schluckbeschwerden und Schwindel hervorrufen. Teilweise treten starke Schmerzen auf, das Syndrom kann aber auch schmerzlos verlaufen.

Ursache

Bislang ist nicht vollständig geklärt, wie es zur Entstehung des Grisel-Syndroms kommt. Angenommen wird eine Lockerung des Kapsel-Bandapparates der Halswirbelsäule hinter dem Dens axis, was zu einer Vergrößerung des Abstandes zwischen Atlas und Dens axis führt. Eine solche Abstandsverschiebung wird normalerweise durch den sogenannten Querverband verhindert. Der Dens axis, ein Knochenvorsprung an der vorderen Kante des zweiten Halswirbels, ist im Regelfall passgenau zur Innenseite des knöchernen Bogen des Atlas. Durch diese Konstruktion werden Drehbewegungen des Kopfes möglich. Es wird angenommen, dass beim Grisel-Syndrom die Abstandsvergrößerung zwischen Atlas und Dens axis die Schiefstellung des Kopfes, einschließlich der Bewegungseinschränkung, nach sich zieht.

Als Auslöser dafür ist ein Prozess bekannt, bei dem es durch eine von den Lymphorganen ausgehende oder durch die Lymphgefäße weiter getragene Entzündung zur Verhärtung der Halsmuskulatur durch eine Entzündung der kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthritis der Halswirbelsäule) kommt. In der Anamnese betroffener Menschen findet sich häufig ein fieberhafter Infekt mit Beteiligung der oberen Atemwege (z.B. Husten, Laryngitis), der noch nicht lange zurückliegt. So sollte umgekehrt der akute Schiefhals auch als mögliches Symptom einer Infektion in Betracht gezogen werden.

Weiterhin kann nach chirurgischen Eingriffen im Kopf-Hals-Bereich ein Grisel-Syndrom mit prolongiertem Verlauf auftreten.

Diagnose

Radiologie, Neurologie, Neurochirurgie und Orthopädie sind die Bereiche, aus denen unterschiedliche Verfahren zur Diagnose des Grisel-Syndroms herangezogen werden können. Die Interpretation von Röntgenbildern der Halswirbelsäule ist oftmals schwierig. Sofern es dabei Zweifel bezüglich der üblichen Stellung der Wirbelgelenke zueinander gibt und somit eine Verschiebung oder Verdrehung von Knochen (Dislokation) nicht auszuschließen ist, wird zur besseren Veranschaulichung eine Computertomografie (CT) mit 3D-Rekonstruktion durchgeführt. Auf dem axialen Schnittbild der CT ist beim Grisel-Syndrom eine Rotationsfehlstellung in Form einer Subluxation von C2 und/oder C1 erkennbar.

Differenzialdiagnostisch ist das Grisel-Syndrom abzugrenzen von ursächlich anders begründeten Formen des Schiefhalses. Dazu zählen u.a. Torticollis, allgemein Wirbelkörperfehlbildungen (z.B. Halb- und Keilwirbel), asymmetrische und symmetrische Zusammenwachsung von Wirbeln (Blockwirbel) wie z. B. beim Klippel-Feil-Syndrom und Besonderheiten im Bereich des Schultergürtels (insbes. Sprengelsche Deformität).

Therapie

Schon beim Verdacht auf das Grisel-Syndrom sollte jede unfachmännische Manipulation an der Halswirbelsäule des Patienten unterlassen werden, da die für das Syndrom typische Subluxation der Wirbel C2 und/oder C1 mitunter lebensbedrohlich sein kann.

Entzündliche Prozesse gelten als Auslöser des Grisel-Syndroms. Auch wenn aktuell kein Fieber beim Patienten besteht und dem Schiefhals kein Infekt vorangegangen ist, sollte darum so früh wie möglich eine Therapie mit Breitbandantibiotika gestartet werden. Weitere therapeutische Maßnahmen sind abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose, der individuellen klinischen Symptomatik und dem Grad der Subluxation:

Verfahren zur Muskelentspannung einschließlich entsprechender Medikation (Muskelrelaxans) sowie die Versorgung mit einer weichen oder steifen Halskrause oder eine Traktionsbehandlung mit der Glisson-Schlinge führen bei zeitigem Therapiebeginn oft zügig zu einer Besserung der Symptomatik.

Ebenfalls in Frage kommt eine operative Reposition der Wirbelkörper und bei Erfolg derselben (Kontrolle durch CT der Halswirbelsäule!) die mehrwöchige Stabilisierung der Halswirbelsäule mit einem Halo Fixateur externe im Rahmen der Extensionsbehandlung zur Ruhigstellung. Seltener sind Arthrodesen der Wirbel C1 und/oder C2 erforderlich, um die normale Funktion der Halswirbelsäule wieder herzustellen.

Besonders bei Kindern kann es durch die schmerzhafte Symptomatik des Grisel-Syndroms zu einer Bewegungsangst kommen, die auch bei Beschwerdefreiheit nach erfolgreicher Therapie anhält. In solchen Fällen, aber auch angstvorbeugend, kann eine Bewegungsschulung angeboten werden.

Prognose

Prinzipiell sollte jede Form des Schiefhalses so lange als lebensbedrohlich angesehen werden, bis das Gegenteil durch eine genaue Diagnose belegt werden konnte. Jede unfachmännische Manipulation an der Halswirbelsäule kann potentiell zu Schädigungen führen. Speziell beim Grisel-Syndrom sind frühe Diagnosestellung und zeitnaher Therapiebeginn wichtig und können sich auf die Prognose sehr positiv auswirken. Diese ist dann meist günstig, nicht selten kommt es ohne besondere Eingriffe zu einer spontanen Besserung der Symptomatik. Fallbeispiele mit später Diagnose und schwerem Verlauf zeigen jedoch teils nicht mehr rückgängig zu machende funktionsmindernde Veränderungen der Halswirbelsäule und neurologische Symptome.

Sonstiges

Eine atlantoaxiale oder zervikookzipitale Instabilität, wie sie bei Menschen mit z.B. einem Down-Syndrom, dem Marfan-Syndrom oder der juvenilen rheumatoiden Arthritis überdurchschnittlich häufig auftritt, kann eine erhöhte Anfälligkeit für das Grisel-Syndrom bedingen.

Geschichte

Der französische Chirurg Pierre Grisel (1869–1959) beschrieb das später nach ihm benannte Syndrom erstmals im Jahre 1930.

Quellen

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Grisel-Syndrom aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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