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Gewöhnlicher Löwenzahn



Gewöhnlicher Löwenzahn
 
Systematik
Ordnung: Asternartige (Asterales)
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Unterfamilie: Cichorioideae
Gattung: Löwenzahn (Taraxacum)
Art: Gewöhnlicher Löwenzahn
Wissenschaftlicher Name
Taraxacum sect. Ruderalia
Kirschner, H.Øllg. & Štěpánek

                              Der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia) stellt eine Gruppe äußerst ähnlicher und stark verwandter Pflanzen in der Gattung Löwenzahn (Taraxacum) aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) dar. Meist werden diese Pflanzen einfach als Löwenzahn bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Löwenzahn ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen zwischen 10 und 30 cm erreicht und in allen Teilen einen weißen Milchsaft enthält. Seine bis zu 1 m (selten auch bis 2 m) lange, fleischige Pfahlwurzel ist außen dunkelbraun bis schwarz. Sie geht in eine kurze, stark gestauchte Sprossachse über, auf der die Blätter dicht in einer grundständigen Rosette stehen. Nach einer Verletzung des Vegetationspunktes regeneriert sich die Pflanze aus der Wurzel und bildet dann meist mehrere Blattrosetten. Die 10 bis 30 cm langen Blätter sind eiförmig bis eilanzettlich, unregelmäßig stark gelappt und tief eingeschnitten und gezähnt. Einschnitte und Zähne sind von der Basis bis zu etwa 2/3 der Länge stark, weiter zur Blattspitze häufig geringer ausgeprägt.

Den Blattachseln entspringen meist mehrere, bis zu 50 cm lange Blütenstandsstiele. Jeder ist eine blattlose, außen schwach befilzte, hohle Röhre. An ihrem oberen Ende stehen dicht spiralig verteilt 30 bis 40 abstehende Hochblätter, die bald austrocknen. Darüber bildet ein Wirtel aus Hüllblättern einen anfangs geschlossenen Schutz um die Blütenstandsknospe. Die Hüllblätter öffnen und schließen sich schützend mit dem Blütenstand und bleiben bis zur Fruchtreife grün. Der Blütenstand ist eine Scheinblüte, in dem viele gelbe Zungenblüten zu einem tellerförmigen Körbchen von etwa 3 bis 5 cm Durchmesser zusammengefasst sind. In ihm öffnen sich die Einzelblüten ringförmig von außen nach innen. In der mehrere Tage währenden Blütezeit schließt sich der Blütenstand jeweils bei Nacht, Regen, oder Trockenheit und schließlich beim Verblühen. Nach mehreren Tagen öffnen sich die Hüllblätter letztmalig bei Fruchtreife und entlassen zuerst die eingetrockneten und abgestoßenen Blütenhüllen der Zungenblüten. Die Früchte, schlank tonnenförmige, mit haarigen Flugschirmen (Pappus) ausgestattete Achänen, werden durch den Wind verbreitet (Schirmflieger). Der mit den Früchten besetzte Kopf des Blütenstandes ist die bekannte „Pusteblume“.

In Mitteleuropa ist die Hauptblütezeit von April bis Mai. In deutlich geringerer Anzahl erscheinen Blüten auch noch bis in den Herbst.

Da einige Merkmale sehr plastisch sind, können sich die einzelnen Pflanzen stark den jeweiligen Standorten anpassen. So produzieren Pflanzen an ungestörten Standorten lange, schräg aufrecht gehaltene Blätter und bis zu 50 cm lange, aufrechte Blütenstiele. Pflanzen auf begangenen Wegen oder häufig gemähten Wiesen haben dagegen viel kürzere, dicht dem Boden aufliegende Blätter und niederliegende, manchmal nur wenige Millimeter lange Blütenstiele.

Systematik und Verbreitung

Der Gewöhnliche Löwenzahn stammt ursprünglich aus dem westlichen Asien und Europa, ist aber, auch durch menschliches Zutun, weit auf der nördlichen Erdhalbkugel verbreitet. Auf der Südhalbkugel kommt er nur sporadisch und dann ausschließlich infolge einer Verschleppung vor. In Mitteleuropa ist er ein häufiges Wildkraut auf Wiesen, an Wegrändern und in Gärten. Als Ruderalpflanze besiedelt er schnell Brachflächen, Schutthalden und Mauerritzen. Er wächst in Gebieten mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 5 bis 26 °C und einem jährlichen Durchschnittsniederschlag von 0,3 bis 2,7 m auf Böden mit einem pH-Wert von 4,2 bis 8,3. Im Gebirge kommt er bis in Höhenlagen von 2.800 m NN vor, bleibt dort aber deutlich kleiner als im Flachland.

Da, wie weiter unten erklärt, die Pflanzenpopulationen des Gewöhnlichen Löwenzahns nur schwer mit den herkömmlichen Konzepten einer Art zu erfassen sind, wurden sie zur Sammelart Taraxacum officinale agg. (G.H.Weber ex Wiggers) zusammengefasst. Da diese aber wiederum wegen vieler Übergangsformen nicht von anderen Sammelarten zu trennen ist, werden nun alle Pflanzen gemeinsam als Sektion Ruderalia der Gattung Taraxacum bezeichnet. Je nach Autor wird die Anzahl der anzuerkennenden Arten dieser Sektion zwischen eins und mehreren tausend angegeben.

Ploidiestufen

Die Pflanzen kommen, geographisch unterschiedlich verteilt, in mehreren Ploidiestufen mit jeweils anderen Eigenschaften vor.

  • Diploide Pflanzen (2n = 16), die im südlichen Verbreitungsgebiet vorherrschen, sind fertil. Sie sind selbst-inkompatibel und tauschen in der üblichen Weise ihre Gene mit anderen diploiden Pflanzen aus.
  • Triploide Pflanzen, die im nördlichen Verbreitungsgebiet vorherrschen, sind apomiktisch. Sie produzieren ohne vorherige Befruchtung Samen, aus denen genetisch identische Kopien (Klone) der Mutterpflanzen entstehen. Da bei ihnen keine Durchmischung der Gene stattfindet, können sich Mutationen, die sich z.B. in Länge und Form der Höchblätter oder Musterung der Blütenstandsstiele äußern, rasch durchsetzen und geographisch weit verbreiten. Da die triploiden Pflanzen von der sexuellen Fortpflanzung abgekoppelt sind, ihre Gene also nicht mit anderen Pflanzen austauschen, können alle ihre Mutationsformen nach dem biologischen und populationsgenetischen Artkonzept als eigenständige Arten verstanden werden. Die meisten, wenn nicht fast alle der beschriebenen Arten sind solche apomiktischen Mutanten.
  • Tetraploide Pflanzen sind in geringer Anzahl vorwiegend im nördlichen Verbreitungsgebiet vertreten. Werden diploide Pflanzen mit ihren Pollen befruchtet, entstehen überwiegend triploide Nachkommen.
  • Aneuploide Pflanzen kommen ebenfalls in geringer Anzahl vor. Sie sind meist apomiktisch, können bei geeigneter Genkonstellation aber auch fertil sein.

Eine Art der anderen Art

Wie Untersuchungen verschiedener Populationen zeigen, enthalten sie niemals Pflanzen nur einer, sondern immer mehrerer Ploidiestufen. Bei einer näher untersuchten Population in den Niederlanden wurden beispielsweise 31% diploide, 68% triploide und knapp 1% tetraploide Pflanzen gefunden. Zudem wurden große genetische Ähnlichkeiten zwischen diploiden und triploiden Pflanzen sowie viele Übergangsformen und natürliche Hybriden zwischen beschriebenen Arten beobachtet. Ungewöhnlich erscheint auch, dass triploide Pflanzen, obwohl sie keine Bestäuber benötigen, dennoch Nektar produzieren. Dieses spricht eigentlich dafür, dass die triploiden Pflanzen erst vor so kurzer Zeit entstanden, dass die Energie verschwendende Nektarproduktion im Laufe der Evolution noch nicht eingestellt werden konnte.

Die Gesamtheit aller dieser, einzeln gesehen seltsamen Phänomene ist dadurch zu erklären, dass die Pflanzen ihre Ploidiestufen zyklisch wechseln: Diploide Pflanzen haben relativ häufig tetraploide Nachkommen. Mit Pollen tetraploider Pflanzen befruchtete diploide Pflanzen haben häufig triploide Nachkommen. Triploide Pflanzen vermehren sich zwar nicht sexuell, sammeln aber Mutationen an und verbreiten sich stark durch vegetative Vermehrung. Durch Genabbau, direkt über aneuploide Zwischenstufen, entstehen aus ihnen wieder diploide Pflanzen, die die angesammelten Mutationen im Genpool verteilen. Wird also die Gesamtheit aller Löwenzahnpflanzen in Sektion Ruderalia betrachtet, kann sie als eine einzige Art verstanden werden, in der einige Mitglieder - zeitweise - nicht an der sexuellen Fortpflanzung beteiligt sind. Der für den Wechsel der Ploidiestufen verantwortliche „Schalter“, die Häufigkeit und Dauer der Zyklen sowie der Grund für das Nord/Süd-Gefälle in der Häufigkeitsverteilung der Ploidiestufen ist noch nicht bekannt.

Verwechslungsmöglichkeiten

Der Gewöhnliche Löwenzahn ist sehr leicht mit Pflanzen anderer Sektionen der Gattung Taraxacum zu verwechseln, die sehr ähnlich aussehen und manchmal nur durch die Form der Samen unterschieden werden können. Auch die ebenfalls Löwenzahn genannten Arten aus der Gattung Leontodon sind sehr ähnlich. Die Blütenstandsstiele dieser Pflanzen sind jedoch nicht hohl.

Trivialnamen

Die vielen Trivialnamen des Löwenzahns spiegeln seinen Bekanntsheitgrad wider. Einige dieser Namen beziehen sich auf seine harntreibende Wirkung (Diuretikum).

  • Bettnässer, Hundeblume, Hundsblume, Mühlenbuschen, Pisser, Pusteblume
  • in Bayern auch Seichkraut
  • im Bergischen Land auch Pissblume, Kettenplösch
  • in der Eifel auch Backenzahn, Eierpetsch
  • in Norddeutschland auch Butterblume (wie mehrere andere Pflanzenarten), Kuhblume, Maiblume, Maistöckel, Milchscheck
  • in der Pfalz auch Bettsäächer, Bettschisser, Bettpisser, Mußdischtl
  • in Mittelhessen auch Saumilch
  • in Rheinhessen auch Bettnässer, Eierpisch, Ochsenpflanze
  • im Saarland auch Bettsaier, Bettseicher
  • in Sachsen-Anhalt auch Speckblume, Butterblume
  • im Schwäbischen auch Bettsoicher
  • in Thüringen auch Milchbusch, regional ist auch Bummbein[-er] oder Bummbaumel gebräuchlich
  • in Frankreich pissenlit („piss ins Bett“)
  • in der Schweiz auch Chrottepösche, Säutätsch, Saublueme, Schwiiblueme, Söiblueme, Sunnewirbel
  • in Luxemburg auch bekannt als „Pissblumm“ („Pissblume“)
  • im Mühlviertel auch Moadogga
  • in Oftering auch Saublöamö

Inhaltsstoffe

Die wichtigsten Inhaltsstoffe des Löwenzahns sind Inulin, Cholin, Ascorbinsäure, Nicotinsäure, Retinol, Harze, Triterpene (Taxasterolderivate), ein hoher Kaliumgehalt sowie die Bitterstoffe Taraxacin, Taraxacerin, Taraxasterol und Taraxerol.

Verwendung

Durch das frühe Erscheinen seiner Blüten ist der Löwenzahn eine wichtige Bienenweide, die der Entwicklung der Bienenvölker im Frühjahr dient, aber auch bei größeren Vorkommen eine Frühtracht-Honigernte ermöglicht. Für 1 kg Honig muss ein Bienenvolk über 100.000 Löwenzahnblüten besuchen.

Vor allem Kinder bedienen sich des Blütenstandsstieles, der an einen Ende gespleist eine Minitröte ergibt. Reißt man den Blütenstandsstiel in Streifen und legt diese anschließend ins Wasser, bilden sich durch die unterschiedliche Saugfähigkeit der inneren und äußeren Wand Spiralen.

Nahrungs- und Genussmittel

Die gelben Blüten eignen sich zur Herstellung eines wohlschmeckenden, honigähnlichen Sirups oder Gelees als Brotaufstrich. Die jungen, nur leicht bitter schmeckenden Blätter können als Salat verarbeitet werden. Mit einer Speck-Rahmsoße gilt dieser als Delikatesse. Aus der getrockneten Wurzel der Pflanze wurde in der Nachkriegszeit ein Ersatzkaffee hergestellt (Zichorienwurzelersatz).

Medizin, Volksheilkunde und Homöopathie

Der Milchsaft des Löwenzahns wurde früher zur Behandlung von Augenkrankheiten verwendet (griechisch taraxis = „Augenentzündung“ und akeomai = „ich heile“). In der Volksheilkunde wird er zur so genannten Blutreinigung, bei rheumatischen Erkrankungen und zu deren Vorbeugung, bei Gicht, Ekzemen, Lebererkrankungen und zur Diurese angewendet. Wie beim Schöllkraut (Chelidonium majus) wurde der Milchsaft auch zur Behandlung von Warzen gebraucht. Heutzutage wird die Pflanze auch zur Aktivierung des Stoffwechsels verwandt. Sie regt die Bildung von Magensaft und Galle an und fördert die Ausscheidung über Leber und Niere (Diuretikum)

Folgende Pflanzenteile werden als Droge verwendet:

  • Löwenzahnblätter (syn. Löwenzahnkraut) als Taraxaci folium (syn. Folium Taraxaci, Herba Taraxaci, Taraxaci herba);
  • Löwenzahnwurzel (syn. Kuhblumenwurzel, Seicherwurzel) als Taraxaci radix (syn. Radix lentis leonis, Radix Taraxaci);
  • Löwenzahnwurzel mit Kraut (syn. Löwenzahn, Löwenzahn-Ganzpflanze, Pissblume) als Taraxaci radix cum herba (syn. Herba Taraxaci cum radice, Radix Taraxaci cum herba).

In der Homöopathie wird die Pflanze wie folgt verwandt.

  • Taraxacum officinale HAB 1; Löwenzahn, die ganze, frische, blühende Pflanze. Anwendungsgebiet: Lebererkrankungen und Verdauungsbeschwerden.
  • Taraxacum officinale Rh HAB 1; die ganze, frische, blühende Pflanze. Anwendungsgebiet: In der anthroposophischen Therapierichtung.

Giftpflanze

Nach Angabe der Informationszentrale gegen Vergiftungen der Universität Bonn kann es nach Verzehr größerer Mengen Löwenzahns zu Magen-Darm-Beschwerden mit Bauchschmerzen, Brechreiz und Durchfall kommen. In selteneren Fällen können kollaptische Zustände und Herzrhythmusstörungen auftreten. Zudem wurden nach Hautkontakt allergische Reaktionen mit Rötungen und Juckreiz beobachtet.

Sonstiges

Ein Löwenzahn, auf dem Raupe und Falter des Grauen Streckfußes sitzen, war auf der Rückseite der 500-DM-Banknote abgebildet.

Der Anfangs weiße Milchsaft verwandelt sich durch Oxydation und Trocknung bald in ein dunkelbraunes Gummi, das nur schwer von der Haut zu entfernen ist. Das Einweichen der Gummiflecken in einer Wasser-in-Öl-Emulsion wie etwa Milch oder Hautcreme erleichtert die Reinigung und erspart so besonders zarten Kinderhänden das meist unangenehme Schrubben mit der Bürste.

Literatur

  • Jan Kirschner, Hans Øllgaard & Jan Štěpánek: Taraxacum sect. Ruderalia, Taxon 36(3): 615, 1987
  • J. E. Simon, A. F. Chadwick & L. E. Craker: The Scientific Literature on Selected Herbs, and Aromatic and Medicinal Plants of the Temperate Zone, Archon Books, 1984
  • Steph B. J. Menken, Eric Smit & Hans C. M. Den Nijs: Genetical Population Structure in Plants: Gene Flow between Diploid Sexual and Triploid Asexual Dandelions (Taraxacum Section Ruderalia), Evolution 49(6): 1108-1118, 1995
  • Peter van Baarlen, Peter J. van Dijk, Rolf F. Hoekstra & J. Hans de Jong: Meiotic recombination in sexual diploid and apomictic triploid dandelions (Taraxacum officinale L.), Genome 43(5): 827-35, 2000
  • M. H. Verduijn, Peter J. van Dijk & J. M. M. van Damme: The role of tetraploids in the sexual-asexual cycle in dandelions (Taraxacum), Heredity 93(4): 390-398, 2004
 
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