Meine Merkliste
my.bionity.com  
Login  

Gesetzliche Unfallversicherung (Deutschland)




Die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) ist Bestandteil (Versicherungszweig) der gegliederten Sozialversicherung. Sie hat ihre Grundlage im Sozialgesetzbuch VII sowie der in dessen Ausführung erlassenen Berufskrankheitenverordnung (BKV). Eingeführt wurde die Unfallversicherung erstmals im Rahmen der Bismarckschen Sozialgesetzgebung („Arbeiterversicherung“) im Jahre 1884. Siehe auch: Geschichte der Sozialversicherung in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Versicherter

In der gesetzlichen Unfallversicherung ist versichert, wer

  • pflichtversichert ist, also
    • Beschäftigter,
    • Kind, das eine Kindertagesstätte oder einen Kindergarten besucht,
    • Schüler,
    • Student,
    • Auszubildender,
    • Arbeitnehmer,
    • Landwirt,
    • Pflegeperson,
    • Helfer bei Unglücksfällen,
    • Helfer im Zivilschutz oder Katastrophenschutz oder
    • Blutspender oder Organspender ist, oder wer
  • freiwillig versichert und
    • Unternehmer,
    • Selbstständiger oder Freiberufler oder
    • mitarbeitender Ehegatte ist.

Pflichtversichert bedeutet hier nicht, dass die Versicherten verpflichtet sind, einen Beitrag zu zahlen (dies übernimmt jeweils die Institution, die der Versicherte regelmäßig besucht, also z. B. der Arbeitgeber), wohl aber, dass der Unfallversicherungsträger verpflichtet ist, im Versicherungsfall zu leisten.

Dabei sind diese Personen im Allgemeinen nicht universell versichert, vielmehr sind die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung an weitere Voraussetzungen geknüpft:

Versicherungsfall

Versicherte Risiken der UV sind Arbeitsunfall einschließlich Wegeunfall (Unfall auf dem unmittelbaren Weg von oder zum Ort der versicherten Tätigkeit, in der Regel zum Wohnort des Versicherten und zurück) sowie Berufskrankheit (soweit in der Berufskrankheitenverordnung als solche anerkannt).

§ 8 SGB VII bietet eine Legaldefinition des Versicherungsfalls. Hiernach ist ein Arbeitsunfall der Unfall einer versicherten Person in Folge einer den Versicherungsschutz begründenden im SGB VII versicherten Tätigkeiten. Wobei der Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückgeführt werden muss.

Nach Satz 2 des § 8 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zum Körperschaden oder Tod führen.

Ein Arbeitsunfall ist nicht automatisch jeder Unfall, der bei der Arbeit oder auf dem Weg zum oder vom Ort der versicherten Tätigkeit eintritt. Es gibt keine generelle Formel. Vielmehr muss die versicherte Tätigkeit unter bestimmten, u. a. von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für den Eintritt des Unfalls verantwortlich sein. Hier gibt es eine Vielzahl von Einzelfällen und Besonderheiten.

Auch eine Erkrankung, die im Zusammenhang mit der Arbeit auftritt, ist nicht automatisch eine Berufskrankheit. Der Gesetzgeber - und nicht die Unfallversicherungsträger - gibt eine nach Schädigungen (z. B. chemische Stoffe) sortierte Liste bestimmter Erkrankungen heraus, die als Berufskrankheit in Frage kommen. An einige (z. B. bei Asbesteinwirkung) ist dabei ein Mindestmaß an schädigender Einwirkung geknüpft, an andere ein Zwang zur Aufgabe der bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit (z. B. bei Hauterkrankungen). Diese Liste wird durch einen Ausschuss von Sachverständigen erstellt, der auch Empfehlungen an die Bundesregierung abgibt, welche Erkrankungen in die Liste aufgenommen werden sollten. Bestimmte Erkrankungen können dann wie eine Berufskrankheit entschädigt werden. Sie stehen also noch nicht explizit auf der Liste, erfüllen aber bestimmte andere Kriterien.

Leistungen

Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sind im Wesentlichen medizinische und berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation sowie Lohnersatz- bzw. Entschädigungsleistungen in Geld (Verletztengeld, Verletztenrente, Hinterbliebenenrente).

Bei Verbleib einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe (ab 20 %) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus auch durch eine Rente und andere Geldleistungen an den Versicherten. Hat ein Versicherter allerdings bereits einen Arbeitsunfall mit einer MdE i. H. v. 10 %. - egal bei welchem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung - und es tritt ein neuer Versicherungsfall hinzu, gibt es einen sogenannten Stütztatbestand. Beispiel: Zwei verschiedene Versicherungsfälle mit jeweils einer MdE von 10 v. H.: Es werden beide Renten nach der MdE 10 v. H. ausgezahlt. Die Ansprüche stützen sich. Fällt einer durch Besserung weg, endet auch der andere.

Die Einschätzung erfolgt durch den Unfallversicherungsträger. Er bedient sich dabei gesammelter Erfahrungswerte und kann durchaus auch von der Einschätzung eines ärztlichen Gutachters abweichen. Die MdE ist keine „Gliedertaxe“ wie in der privaten Versicherungsbranche. Bei einer privaten Unfallversicherung wird ein Vertrag über bestimmte Leistungen bei bestimmten Körperschäden abgeschlossen (z. B. Verlust eines Fingers = X % der Versicherungssumme - ungeachtet des Alters, des Berufs und der Größe der tatsächlichen Funktionseinbuße). Bei der Feststellung der MdE hingegen, wird insbesondere die Funktionseinbuße berücksichtigt. So kann es vorkommen, dass zwei verschiedene Versicherte mit der gleichen Verletzung unterschiedlich hohe Minderungen der Erwerbsfähigkeit haben.

Auf die Rentenleistung erfolgt bisher keine Einkommensanrechnung. Lediglich der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt bei seiner Leistung eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen.

Die Hinterbliebenenleistungen berechnen sich nicht nach einer individuellen Höhe wie die MdE, sondern werden nach festen Prozentsätzen gezahlt. Auf diese Leistungen wird allerdings Einkommen mit einem bestimmten Prozentsatz (gesetzlich für verschiedene Einkommensarten festgelegt) angerechnet, wenn es einen bestimmten Freibetrag übersteigt.

Grundlage für die Leistungsberechnung ist der Jahresarbeitsverdienst (JAV). Dieser beträgt 2/3 des gesamten Arbeitseinkommens der zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Für Unternehmer bestehen dabei besondere Regelungen, wie die Tatsache, dass sich ihre Leistungen nach einer satzungsmäßig festgelegten Versicherungssumme richten.

Gefährdung des Versicherungsschutzes

Ein möglicher Grund für den Verlust von Ansprüchen bei Wegeunfällen ist die Abweichung vom Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz und die längere Unterbrechung des Weges. Unzutreffend ist die in manchen Unternehmen herrschende Rechtsauffassung, dass Mitarbeiter ihren Versicherungsschutz verlieren würden, wenn sie die tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden überschreiten. Die Unfallversicherung ist unabhängig von der Schuld leistungspflichtig.

Der Unfallversicherungsschutz kann auch durch den Konsum von Alkohol und anderen Rauschmitteln gefährdet werden:

  • Bei mäßigem Alkoholkonsum entfällt der Unfallversicherungsschutz, wenn der Alkoholeinfluss die rechtlich allein wesentliche Unfallursache ist. Das bedeutet, dass z. B. ein mäßig alkoholisierter Mitarbeiter, der sich beim Hämmern auf den Daumen schlägt, einen Arbeitsunfall erleidet, da sich dieser Vorgang auch ohne Alkoholeinfluss ereignen könnte. Stürzt der Mitarbeiter bei gleichartigem Alkoholeinfluss die Betriebstreppe hinunter, da er alkoholbedingt das Gleichgewicht verloren hat, so stellt dies keinen Arbeitsunfall dar. Bei einem Verkehrsunfall wird bei absoluter Fahruntüchtigkeit (ab 1,1‰ Blutalkoholkonzentration) grundsätzlich angenommen, dass der Alkoholeinfluss die rechtlich allein wesentliche Unfallursache sei.
  • Liegt ein Vollrausch vor, so dass ein Arbeitnehmer zu keiner zweckgerichteten Tätigkeit mehr in der Lage ist, wird er wie ein „Betriebsfremder“ behandelt und verliert seinen Versicherungsschutz unabhängig von der konkreten Unfallursache.

Aufgaben

Zu den Aufgaben der Träger der UV gehört neben der Gewährung von Leistungen nach Eintritt des Versicherungsfalles auch die Beratung und Aufsicht der Mitgliedsbetriebe auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit, der Unfallverhütung und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer (Prävention); hierbei werden die Träger der UV teilweise kooperierend mit den Behörden der staatlichen Gewerbeaufsicht tätig. Auch die Bemessung der Beiträge nach der Unfallgefahr der Gewerbezweige dient der Prävention.

Träger

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland sind in § 114 Abs. 1 SGB VII aufgelistet.

Dies sind im Einzelnen:

  • Gewerbliche Berufsgenossenschaften. Insgesamt 25 gewerbliche Berufsgenossenschaften (gegliedert nach Gewerbezweigen), einschließlich der See-Berufsgenossenschaft.
  • Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften. Neun regional gegliederte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften, (hierbei handelt es sich um die land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften der Länder und die Gartenbau-Berufsgenossenschaft)
  • Unfallkassen und Feuerwehr-Unfallkassen. Mehr als 30 Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand für Behörden und Betriebe des Bundes, der Länder und Gemeinden, sowie für Hochschulen, Schulen und Kindergärten, Hilfeleistungsunternehmen wie Feuerwehren, Lebensretter und ehrenamtlich Tätige, im einzelnen
    • die Unfallkasse des Bundes,
    • die Eisenbahn-Unfallkasse,
    • die Unfallkasse der Post und Telekom,
    • die Unfallkassen der Länder,
    • die Gemeindeunfallversicherungsverbände und Unfallkassen der Gemeinden,
    • die Feuerwehr-Unfallkassen,
    • die gemeinsamen Unfallkassen für den Landes- und den kommunalen Bereich.

Die unter staatlicher Aufsicht stehenden Berufsgenossenschaften und die öffentlichen Unfallversicherungsträger sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und sind selbst verwaltet. Sie hatten sich bis Juni 2007 in drei getrennten Dachverbänden, dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG), dem Bundesverband der Unfallkassen (BUK) und dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften (BLB) zusammengeschlossen. Zum 1. Juni 2007 wurden der HVBG und der BUK zum gemeinsamen Spitzenverband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) fusioniert.

Finanzierung

Die gesetzliche Unfallversicherung wird finanziert durch Beiträge (Umlagen) der Mitgliedsunternehmen in einem nachträglichen Umlageverfahren (Jahresbeitrag).

Die Höhe des Beitrags richtet sich im Bereich der gewerblichen Unfallversicherung und bei den versicherten Unternehmen (z. B. Verkehrsbetriebe) der öffentlichen Unfallversicherer nach der Arbeitsentgeltsumme sowie nach der Gefahrklasse, zu der der Unternehmer veranlagt worden ist. Die Gefahrklasse wird in jeder gewerblichen Berufsgenossenschaft von der Vertreterversammlung in deren Gefahrtarif festgesetzt (§§ 157 SGB VII). Die Beiträge werden allein von den Unternehmern (Arbeitgebern) erbracht (§ 150 Absatz 1 SGB VII). Die Beitragshöhe richtet sich dabei u. a. auch nach der Höhe des an die Arbeitnehmer ausbezahlten Arbeitsentgelts, der so genannten Lohnsumme (§ 153 SGB VII).

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird aus Beiträgen finanziert, die sich nach der Größe der bewirtschafteten Fläche und der Anzahl der gehaltenen Tiere richten.

Die Unfallversicherung der öffentlichen Hand wird im Bereich der Kindergartenkinder, Schüler und Studenten aus Steuermitteln finanziert.

Geldleistungen

Bei Vorliegen eines Versicherungsfalles im Sinne des SGB VII können folgende Geldleistungen in Betracht kommen:

  • Unfallrente
  • Berufskrankheitsrente
  • Verletztengeld
  • Verletztenrente
  • Abfindungszahlungen
  • Pflegegeld
  • Übergangsgeld (90 % des Nettoeinkommens)
  • Hinterbliebenenrente
  • Erstattung von Überführungskosten
  • Sterbegeld
  • Mehrleistungen für ehrenamtlich Tätige
  • Beihilfe

Sachleistungen

Darüber hinaus haben Versicherte einen umfangreichen Anspruch auf Sachleistungen, insbesondere Teilhabeleistungen, Pflege, Krankenbehandlung und Hilfsmittel. Der Anspruch geht mitunter weit über das hinaus, was die gesetzliche Krankenversicherung bietet, weil alle erforderlichen Maßnahmen von dem Träger ausgeschöpft werden müssen, um die Erwerbsfähigkeit des Verletzten wieder herzustellen. Dabei gibt es keine Budgetierung der einzusetzenden Mittel. Die Unfallversicherungsträger halten hierfür besondere Unfallkliniken vor, die speziell für die Versorgung der Opfer von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausgerüstet sind um eine besonders gute Rehabilitation zu gewährleisten.

Ferner kann Hilfestellung zur beruflichen Wiedereingliederung, so genannte Berufshilfe, gewährt werden.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Gesetzliche_Unfallversicherung_(Deutschland) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Ihr Bowser ist nicht aktuell. Microsoft Internet Explorer 6.0 unterstützt einige Funktionen auf ie.DE nicht.